# 08 / 2019
17.03.2019

Ausländische Studierende: Teure Ausbildung, unausgeschöpftes Potenzial

Zusammenfassung und Lösungsansätze

Die Zahlen zu den Studierenden aus Drittstaaten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • 5,6 Prozent aller Studierenden in der Schweiz stammen aus Drittstaaten. Insgesamt studierten im Bildungsjahr 2017/18 etwa 13’000 Personen aus Drittstaaten in der Schweiz, davon über 10’000 an einer universitären Hochschule.
  • 2017 schlossen knapp 3000 Personen aus Drittstaaten ein Bachelor-, Master- oder Doktoratsstudium in der Schweiz ab.
  • Mehr als die Hälfte aller Personen aus Drittstaaten schlossen ein Studium im MINT-Bereich ab. Somit sind sie in MINT-Fächern deutlich übervertreten.
  • Lediglich etwa 10 bis 15 Prozent der Drittstaatenabsolventen sind nach Abschluss tatsächlich auf dem Schweizer Arbeitsmarkt erwerbstätig.
  •  Die Kosten der Grundbildung eines Universitätsstudierenden, der sowohl einen Bachelor- als auch einen Masterabschluss in der Schweiz erwirbt, betragen durchschnittlich 133’000 Franken. Insgesamt kostet die Grundbildung von Bachelor- und Master-Studierenden aus Drittstaaten an den Universitäten und den Fachhochschulen die Schweiz jährlich rund 180 Millionen Franken.

Die Schweiz schneidet sich mit ihrer Politik im Kampf um die weltweit besten Talente ins eigene Fleisch: Gerade «High Potentials» meiden die Schweiz und präferieren ein Studium in Ländern, die offener sind. Die Schweiz tut gut daran, endlich bessere Bedingungen zu offerieren, um hoch qualifizierte, junge Personen, die die Schweiz gut kennen, aber noch nicht über eine ausreichende Arbeitserfahrung verfügen, längerfristig an den Standort zu binden.

Was verhindert die bessere Ausschöpfung des Potenzials von Studierenden aus den Drittstaaten? Das wesentliche Problem besteht in der sehr restriktiven Haltung der Schweiz bezüglich Zugang zum Arbeitsmarkt. Vier Probleme haben wir identifiziert: Erstens die Kontingentierung der Absolventen aus Drittstaaten, zweitens die fehlende Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren, drittens die zu kurz veranschlagte Suchdauer und viertens die Einforderung einer Wiederausreiseverpflichtung nach Beendigung des Studiums.

Zum ersten Problem der Kontingentierung: Diese gilt für Personen aus Drittstaaten, die neu in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben möchten. In der Regel haben diese Personen ihre Ausbildung im Ausland absolviert. Unsere Bildungsausländer von ausserhalb der EU/EFTA werden diesen Personen rechtlich gleichgestellt, obwohl sie in der Schweiz ihr Studium abgeschlossen haben. Doch die beiden Personengruppen unterscheiden sich erheblich: Erstens wird ein ausländischer Absolvent einer Schweizer Hochschule mit Geldern der öffentlichen Hand ausgebildet. Zweitens kennt diese Person das Land bereits, hat hier Bekanntschaften und spricht wohl auch besser Deutsch oder Französisch als jemand, der zum ersten Mal in die Schweiz kommt.

Ein zweites Problem besteht in der zu kurzen Frist für die Stellensuche. Einerseits ist fraglich, ob eine Suchdauer von sechs Monaten tatsächlich ausreicht, um eine geeignete Stelle zu finden. Die durchschnittliche Suchdauer auf dem Arbeitsmarkt beläuft sich immerhin auf etwa sechs bis neun Monate. So ist im internationalen Vergleich die Verbleibdauer in der Schweiz eine der kürzesten.

Andererseits und viel wichtiger ist die Tatsache, dass weder während des Studiums noch innerhalb der Suchfrist von sechs Monaten die Möglichkeit besteht, ein Praktikum zu absolvieren. In der heutigen Arbeitswelt ist aber ein Praktikum die beste Gelegenheit, erste Erfahrungen zu sammeln und den Einstieg in die Arbeitswelt zu schaffen. Auch für die Arbeitgeber ist das Praktikum ein wichtiges Selektionsinstrument. Durch das Fehlen dieser Möglichkeit wird der Einstieg in den Schweizer Arbeitsmarkt stark erschwert.

Der letzte Punkt betrifft die schriftliche Wiederausreisebestätigung, die von Studierenden beim Antrag für ein Studentenvisum eingefordert wird. Auf viele talentierte junge Leute, die in der Schweiz studieren möchten, wirkt das abschreckend, weil man ihnen deutlich signalisiert, dass sie auf dem hiesigen Arbeitsmarkt nicht willkommen sind. Dies ist umso störender, weil es seit der Revision des Ausländergesetzes durch die parlamentarische Initiative Neirynck gar keine gesetzliche Grundlage mehr gibt für diese Praxis. Sie dürfte die Wahrscheinlichkeit massiv verringern, dass jemand die sechsmonatige Suchdauer beantragt und sich erfolgreich in den Schweizer Arbeitsmarkt integriert. Wer ein solches Formular unterschreibt («… erkläre ich, in der Schweiz keine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Ablauf des Studiums zu beantragen. Ich bin mir bewusst, dass ich mit meiner Unterschrift eine gesetzliche Verpflichtung nach schweizerischem Recht eingehe.»), wird es nur in seltenen Fällen wagen, schliesslich doch in der Schweiz einen Antrag für eine Suchfrist bzw. eine Arbeitsbewilligung zu stellen.

Forderungen der Wirtschaft

Für einen innovationsgetriebenen, stark global ausgerichteten Wirtschaftsstandort wie die Schweiz ist der heutige Umgang mit Studierenden und Absolventen aus Drittstaaten nicht mehr zeitgemäss. Aus den oben ausgeführten Gründen fordert die Schweizer Wirtschaft deshalb:

  1. Ausländer aus Drittstaaten, die an einer vom Bund anerkannten Schweizer Hochschule ein Studium erfolgreich abgeschlossen haben, …
    a. … werden bei einer Anstellung aus den Kontingenten ausgenommen;
    b. … können während des Studiums oder der Suchdauer ein Praktikum absolvieren;
    c. … können die Suchdauer einmalig um weitere sechs Monate verlängern.
  2. Die Schweizer Vertretungen im Ausland verzichten künftig auf die Einforderung der Wiederausreiseverpflichtung.

Werden diese Forderungen umgesetzt, werden mehr Ausländer aus Drittstaaten nach dem Studium in der Schweiz arbeiten. Diese werden die von der öffentlichen Hand finanzierten Ausbildungskosten rasch zurückzahlen und sich schneller als andere Personen aus Drittstaaten in der Schweiz integrieren. Auch der Fachkräftemangel wird dadurch gelindert. Die offenere Haltung der Schweiz wird dazu führen, dass die Schweiz für «High Potentials» attraktiver wird. Hochschulen können daher noch stärker aus den Bewerbungen auslesen. Dies wiederum erhöht die Qualität der Ausbildung.