# 08 / 2019
17.03.2019

Ausländische Studierende: Teure Ausbildung, unausgeschöpftes Potenzial

Die Zulassungspraxis in der Schweiz und im Ausland

Die Schweiz kennt kein spezielles Gesetz zur Regelung der Situation von ausländischen Studierenden. Die hiesige Zuwanderungspolitik weist einen dualen Charakter auf: Sie unterscheidet zwischen Ausländern aus dem EU-/EFTA-Raum und Ausländern aus Drittstaaten. Während Studierende und Absolventen aus der EU und EFTA von den Vorteilen des Personenfreizügigkeitsabkommens profitieren, sind ihre Pendants aus Drittstaaten dem deutlich restriktiveren Ausländergesetz (AuG) unterstellt. Zugelassen für eine Ausbildung in der Schweiz werden Studierende aus Drittstaaten nur unter der Bedingung, dass sie eine Aufnahmebestätigung der Bildungsinstitution, eine adäquate Unterkunft und ausreichend finanzielle Mittel vorweisen können sowie die persönlichen und bildungsmässigen Voraussetzungen für die angestrebte Ausbildung erfüllen. Nach Abschluss kann eine einmalige Verlängerung des Visums um weitere sechs Monate beantragt werden. Diese Frist ist für die Suche nach einer Arbeitsstelle vorgesehen. Sowohl während des Studiums als auch während der sechsmonatigen Suchfrist ist den Studierenden lediglich eine Erwerbstätigkeit von bis zu 15 Stunden pro Woche erlaubt. Das Absolvieren eines Vollzeitpraktikums ist nicht möglich.

Hohe Hürden für eine Zulassung zum Schweizer Arbeitsmarkt

Finden Studierende aus Drittstaaten nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Stelle in der Schweiz, müssen sie eine Arbeitsbewilligung beantragen. Diese wird nur dann gewährt, wenn ein hohes wissenschaftliches oder wirtschaftliches Interesse daran besteht, dass der Absolvent die Stelle antreten kann. Doch das allein genügt noch nicht, um eine Bewilligung zu erhalten. Absolventen aus Drittstaaten sind nämlich ebenso wie andere Arbeitsmigranten aus nicht EU-/EFTA-Staaten der Kontingentierung unterstellt. Mit anderen Worten: Auch das grösste Talent erhält keine Arbeitsbewilligung, wenn die Kontingente bereits ausgeschöpft sind. 2018 lag die zahlenmässige Kontingentierung für Erwerbspersonen aus Drittstaaten bei 3500 Aufenthaltsbewilligungen. Im laufenden Jahr wurden sie nochmals um weitere 1000 auf 4500 aufgestockt. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die Kontingente regelmässig ausgeschöpft sind. Insbesondere in Kantonen mit einem hohen Anteil an internationalen Unternehmen wie Basel, Zürich oder Genf sind die Kontingente oft bereits in der ersten Jahreshälfte aufgebraucht. Ausgenommen von der Kontingentierung sind Doktoranden. Die Assistenzanstellung im Rahmen eines Doktorats ist nicht kontingentiert.

Die Zulassungspraxis ist kantonal organisiert, die kantonalen Behörden entscheiden, ob eine sechsmonatige Suchfrist gewährt wird oder ob ein hohes wissenschaftliches bzw. wirtschaftliches Interesse an der beantragten Erwerbstätigkeit besteht.

Ohne gesetzliche Grundlage: Verpflichtung zur Wiederausreise

Die aktuelle Zulassungspraxis ist seit 2011 in Kraft und geht auf eine parlamentarische Initiative von Jacques Neirynck aus dem Jahr 2008 zurück. Zuvor war das Vorgehen noch restriktiver. Es galt ein absoluter Inländervorrang. Hierbei musste der Arbeitgeber beweisen, dass er die Stelle ergebnislos ausgeschrieben hatte, bevor eine Arbeitsbewilligung für eine Person aus einem Drittstaat beantragt werden konnte. Zudem wurde ein Student nur an eine Schweizer Hochschule zugelassen, wenn seine Ausreise als gesichert galt. Interessanterweise stellen wir fest, dass in der Praxis weiterhin eine Wiederausreiseverpflichtung eingefordert wird, obwohl dafür keine gesetzliche Grundlage mehr besteht. Schweizer Vertretungen im Ausland pochen auch heute noch auf eine unterschriebene Wiederausreisebestätigung, die mit dem Visaantrag eingereicht werden muss (siehe Box 1). Weshalb dies der Fall ist, bleibt zunächst trotz Anfrage unklar. Klar ist dagegen, dass diese Praxis einerseits potenzielle Talente abschreckt und andererseits Drittstaatenabsolventen davon abhält, hierzulande nach Abschluss eine Arbeit zu suchen.

Obwohl mit der Umsetzung der parlamentarischen Initiative Neirynck die gesicherte Wiederausreise als Einreisebedingung aus dem Gesetz gestrichen wurde, stellten wir im Laufe unserer Recherchen fest, dass in der Praxis weiterhin eine schriftliche Bestätigung eingefordert wird, bei welcher der Antragsteller seine Wiederausreise nach Abschluss schriftlich garantiert und sich verpflichtet, keine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu beantragen. Interessant ist dies insbesondere angesichts der Tatsache, dass rechtlich die Möglichkeit besteht, eine sechsmonatige Verlängerung des Aufenthalts zwecks Arbeitssuche zu beantragen. Es ist klar festzuhalten, dass diese Praxis potenzielle Talente abschreckt. Andererseits werden somit aber auch Drittstaatenabsolventen davon abgehalten, nach Abschluss eine Arbeit in der Schweiz zu suchen.

Auf den Webseiten der Schweizer Auslandvertretungen in Russland, China, Indien und weiteren Ländern wird die Wiederausreisebestätigung explizit eingefordertAuch die ETH Zürich weist ihre potentiellen Studierenden darauf hin, eine solche unterschriebene Verpflichtung einreichen zu müssen. Bei der Schweizer Botschaft in Shanghai müssen Studierende bei einem Antrag auf ein Studentenvisum folgendes Dokument einreichen:

Engagement

Zugang zum Arbeitsmarkt: Wie gehen andere Länder vor?

Ein Blick auf konkurrierende Volkswirtschaften zeigt, dass viele von ihnen den ausländischen Absolventen einen wesentlich einfacheren Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt ermöglichen als die Schweiz. In Österreich, Frankreich, Finnland und den Niederlanden können Absolventen aus Drittstaaten nach Beendigung des Studiums zwölf Monate im Land bleiben, um eine Arbeit zu finden. Personen aus Drittstaaten, die in Deutschland ein Studium abgeschlossen haben, können sogar 18 Monate eine Anschlusslösung auf dem Arbeitsmarkt suchen. Gehen sie direkt nach dem Abschluss zurück in ihre Heimat, können sie trotzdem später ein sechs Monate lang gültiges Visum beantragen, welches ihnen erlaubt, in Deutschland Arbeit zu suchen. Die Verbleibmöglichkeiten in Irland betragen sogar bis zu 24 Monate. Demgegenüber erlauben die baltischen Staaten und Schweden analog zur Schweiz einen Verbleib von nur sechs Monaten nach Abschluss. Doch auch hier sind in den kommenden Jahren Lockerungen in Sicht. Die EU-Richtlinie («Recast Directive») von 2016 sieht vor, dass alle Mitgliedstaaten eine Übergangsfrist von mindestens neun Monaten gewähren sollen. Gewisse europäische Länder ermöglichen die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit oder das Absolvieren eines Praktikums, teilweise auch während der Suchfrist. Die meisten europäischen Länder kennen zudem bei der Arbeitsbewilligung für im Inland ausgebildete Fachkräfte keine Kontingente.

Die angelsächsischen Länder offerieren meist grosszügigere Lösungen für ausländische Studienabgänger. In der Regel dürfen Absolventen nach dem Studium nicht nur eine Stelle suchen, sondern im Rahmen von temporären Aufenthaltserlaubnissen auch arbeiten und so praktische Erfahrung sammeln. Finden sie während dieser Zeit eine feste Anstellung, können sie – allenfalls ist eine Unterstützung des Arbeitgebers notwendig – eine längere Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die USA ermöglichen ausländischen Absolventen einen Verbleib von einem Jahr. Absolventen von MINT-Fächern können eine Verlängerung um weitere zwei Jahre beantragen. Auch Kanada erlaubt es den Ausländern, nach dem Studium bis zu drei Jahre im Land zu bleiben. In Australien können Absolventen zwischen eineinhalb und vier Jahren auf dem Arbeitsmarkt Erfahrung sammeln, je nach Dauer und Art des abgeschlossenen Studiums.

Tabelle 1 zeigt die Fristen, welche einige Vergleichsländer für die Jobsuche bzw. für das Sammeln erster Arbeitserfahrungen einräumen. Die Schweiz fällt mit einer vergleichsweise sehr restriktiven Handhabung auf.

Tabelle 1