Schülerin

Ausländische Studierende: Teure Ausbildung, unausgeschöpftes Potenzial

17.03.2019

Auf einen Blick

In der Schweiz haben im Bildungsjahr 2017/18 rund 13’000 Ausländerinnen und Ausländer aus Staaten ausserhalb der EU studiert, viele davon im MINT-Bereich, wo in der Schweiz teilweise akuter Fachkräftemangel herrscht. Obwohl die Ausbildungskosten dieser Personen von der öffentlichen Hand getragen werden, können diese nach dem Studium nur unter restriktiven Bedingungen hier arbeiten. Wie kann die Schweiz dieses Potenzial besser ausschöpfen? In unserem Dossier werden die Fakten auf den Tisch gelegt, Problemfelder identifiziert und Lösungsansätze aufgezeigt.

Das Wichtigste in Kürze

In Zeiten von Fachkräftemangel nimmt der weltweite Wettbewerb um die besten Köpfe stetig zu. Viele Länder versuchen, vermehrt ausländische Studierende anzuziehen und sie erfolgreich in den inländischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Schweiz tut dies erfolgreich bei Personen aus den EU-/EFTA-Staaten. Aufgrund des Personenfreizügigkeitsabkommens können Studierende aus diesen Staaten nach dem Studium problemlos hier arbeiten. Doch für Studierende aus anderen Ländern sind die Bedingungen alles andere als attraktiv – deshalb steht die Schweiz im weltweiten Wettbewerb um die besten Talente nicht gut da. Trotz rund 3000 Drittstaaten-Absolventen werden pro Jahr lediglich etwa 150 bis 200 Arbeitsbewilligungen ausgestellt. Damit stellen wir uns selbst ein Bein, denn die Schweiz investiert jährlich fast 200 Millionen Franken in die Ausbildung dieser Fachkräfte. Viele davon studieren in Bereichen, wo Fachkräftemangel besteht, insbesondere in den MINT-Fächern. Auch kennen sie die Schweiz bereits, was die Integration vereinfacht. Und dennoch können sie auf dem Arbeitsmarkt kaum Fuss fassen. Unsere Analyse zeigt auf, dass in erster Linie vier Problemfelder dafür verantwortlich sind: die Kontingentierung, die fehlende Möglichkeit zur Absolvierung eines Praktikums, die kurze Suchdauer sowie die Einforderung einer Wiederausreiseverpflichtung. Diese Probleme gilt es anzupacken.

Position economiesuisse

  • In vielen Berufen herrscht ausgewiesener Fachkräftemangel. Gleichzeitig studieren 13’000 Personen aus Drittstaaten in der Schweiz, über die Hälfte davon im MINT-Bereich. Dieses Potenzial muss besser ausgeschöpft werden.
  • Personen aus Drittstaaten, die ein Studium an einer Schweizer Hochschule absolviert haben, sollen aus den Kontingenten ausgenommen werden. Somit wird es attraktiver, im Inland ausgebildete Personen zu rekrutieren.
  • Praktika sind für die Wirtschaft wichtige Selektionsinstrumente und für Studierende eine gute Einstiegsmöglichkeit in die Arbeitswelt. Während des Studiums oder der Suchfrist soll es möglich sein, ein Praktikum zu absolvieren.
  • Die sechsmonatige Suchdauer für eine Arbeitsstelle soll einmalig um sechs zusätzliche Monate verlängert werden können.
  • Schweizer Vertretungen im Ausland sollen aufhören, unterschriebene Wiederausreiseverpflichtungen einzufordern. Dieses Relikt alter Zeiten schreckt Talente ab, behindert die Arbeitsmarktintegration und gehört daher abgeschafft.
Schülerin

Talente als Innovationstreiber: Wettbewerb um die hellsten Köpfe

Der sogenannte «War for Talents» wurde bereits Ende der 1990er-Jahre eingeläutet. Das amerikanische Beratungsunternehmen McKinsey prognostizierte 1998 in einer Studie, dass intelligente Personen mit einem hohen Verständnis für Technologie, globaler Scharfsinnigkeit und operationeller Agilität die wichtigste unternehmerische Ressource der kommenden 20 Jahre sein würden. Heute, 20 Jahre später, ist die Bedeutung von hoch qualifizierten Personen für die Wettbewerbsfähigkeit und das Innovationspotenzial eines Landes unbestritten. . Durch den fortschreitenden demografischen Wandel und der im Zuge des technologischen Fortschritts zunehmenden Nachfrage nach technisch hoch qualifizierten Spezialisten hat sich der Wettbewerb um Talente seither nochmals verschärft.

Arbeitsmarktöffnung für Ausländer mit Schweizer Abschluss zahlt sich aus

An Bedeutung gewonnen hat in diesem Kontext zuletzt das Potenzial, welches von ausländischen Studierenden ausgeht. Immer mehr Länder erkennen in dieser Gruppe ein wichtiges Reservoir an globalen Talenten und versuchen, diese stärker anzuziehen. Die Integration von ausländischen Absolventen in den einheimischen Arbeitsmarkt birgt gegenüber der direkten Rekrutierung aus dem Ausland mehrere Vorteile: Einerseits verbringen ausländische Absolventen bereits während des Studiums mehrere Jahre im Inland, eignen sich so sprachliche Kompetenzen an, werden Teil der lokalen Gesellschaft und sind dadurch häufig schon gut integriert. Zudem besitzen sie einen inländischen Abschluss, welcher für den einheimischen Arbeitsmarkt von direkter Relevanz ist und keine spezielle Anerkennung braucht. Somit verursachen sie weniger soziale und wirtschaftliche Kosten. Schliesslich ergeben sich zusätzliche Einnahmen für den inländischen Fiskus, falls die Absolventen im Inland eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und dadurch Steuern zahlen. Für Länder wie die Schweiz, Deutschland oder Finnland, die nur tiefe Studiengebühren verlangen und so ihre internationalen Studierenden subventionieren, lohnt sich die Investition finanziell vor allem dann, wenn die Absolventen auch nach Abschluss bleiben und im Inland arbeiten.

Andere Staaten buhlen um ausländische Studierende

Vor diesem Hintergrund versuchen Staaten vermehrt, die Attraktivität eines Studiums für Ausländerinnen und Ausländer zu erhöhen. Oftmals geht dies über die Vereinfachung von Visabestimmungen oder einen erleichterten Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt nach Abschluss. Bemerkenswert ist, dass zuletzt immer mehr Länder Spezialregelungen für Absolventen der MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, einführten. So geben zum Beispiel die USA seit 2016 ausländischen Absolventen von MINT-Studiengängen zusätzlich zwei Jahre Zeit, um auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt praktische Erfahrungen zu sammeln. Australien, das bei der Zulassung von Ausländern zum Arbeitsmarkt ein Punktesystem kennt, gibt ausländischen Absolventen seit 2016 zusätzliche Punkte, falls sie einen MINT-Studiengang absolviert haben. Auch Neuseeland und Kanada haben eine ähnliche Praxis eingeführt. Nicht zuletzt möchte auch die Europäische Union vermehrt Studierende aus Drittstaaten anlocken. Mit einer entsprechenden EU-Richtlinie versuchte die Kommission 2016, einen Schritt in Richtung mehr Attraktivität und Harmonisierung zu machen. Und auch China fängt an, in diesem Wettbewerb mitzumischen. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass viele Länder das Potenzial von ausländischen Studierenden für sich entdeckt haben und in diesem Bereich stark vorwärtsmachen, um von den besten Talenten zu profitieren.

Schülerin

Die Zulassungspraxis in der Schweiz und im Ausland

Die Schweiz kennt kein spezielles Gesetz zur Regelung der Situation von ausländischen Studierenden. Die hiesige Zuwanderungspolitik weist einen dualen Charakter auf: Sie unterscheidet zwischen Ausländern aus dem EU-/EFTA-Raum und Ausländern aus Drittstaaten. Während Studierende und Absolventen aus der EU und EFTA von den Vorteilen des Personenfreizügigkeitsabkommens profitieren, sind ihre Pendants aus Drittstaaten dem deutlich restriktiveren Ausländergesetz (AuG) unterstellt. Zugelassen für eine Ausbildung in der Schweiz werden Studierende aus Drittstaaten nur unter der Bedingung, dass sie eine Aufnahmebestätigung der Bildungsinstitution, eine adäquate Unterkunft und ausreichend finanzielle Mittel vorweisen können sowie die persönlichen und bildungsmässigen Voraussetzungen für die angestrebte Ausbildung erfüllen. Nach Abschluss kann eine einmalige Verlängerung des Visums um weitere sechs Monate beantragt werden. Diese Frist ist für die Suche nach einer Arbeitsstelle vorgesehen. Sowohl während des Studiums als auch während der sechsmonatigen Suchfrist ist den Studierenden lediglich eine Erwerbstätigkeit von bis zu 15 Stunden pro Woche erlaubt. Das Absolvieren eines Vollzeitpraktikums ist nicht möglich.

Hohe Hürden für eine Zulassung zum Schweizer Arbeitsmarkt

Finden Studierende aus Drittstaaten nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Stelle in der Schweiz, müssen sie eine Arbeitsbewilligung beantragen. Diese wird nur dann gewährt, wenn ein hohes wissenschaftliches oder wirtschaftliches Interesse daran besteht, dass der Absolvent die Stelle antreten kann. Doch das allein genügt noch nicht, um eine Bewilligung zu erhalten. Absolventen aus Drittstaaten sind nämlich ebenso wie andere Arbeitsmigranten aus nicht EU-/EFTA-Staaten der Kontingentierung unterstellt. Mit anderen Worten: Auch das grösste Talent erhält keine Arbeitsbewilligung, wenn die Kontingente bereits ausgeschöpft sind. . Im laufenden Jahr wurden sie nochmals um weitere 1000 auf 4500 aufgestockt. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die Kontingente regelmässig ausgeschöpft sind. Insbesondere in Kantonen mit einem hohen Anteil an internationalen Unternehmen wie Basel, Zürich oder Genf sind die Kontingente oft bereits in der ersten Jahreshälfte aufgebraucht. Ausgenommen von der Kontingentierung sind Doktoranden. Die Assistenzanstellung im Rahmen eines Doktorats ist nicht kontingentiert.

Die Zulassungspraxis ist kantonal organisiert, die kantonalen Behörden entscheiden, ob eine sechsmonatige Suchfrist gewährt wird oder ob ein hohes wissenschaftliches bzw. wirtschaftliches Interesse an der beantragten Erwerbstätigkeit besteht.

Ohne gesetzliche Grundlage: Verpflichtung zur Wiederausreise

Die aktuelle Zulassungspraxis ist seit 2011 in Kraft und geht auf eine parlamentarische Initiative von Jacques Neirynck aus dem Jahr 2008 zurück. Zuvor war das Vorgehen noch restriktiver. Es galt ein absoluter Inländervorrang. Hierbei musste der Arbeitgeber beweisen, dass er die Stelle ergebnislos ausgeschrieben hatte, bevor eine Arbeitsbewilligung für eine Person aus einem Drittstaat beantragt werden konnte. Zudem wurde ein Student nur an eine Schweizer Hochschule zugelassen, wenn seine Ausreise als gesichert galt. Interessanterweise stellen wir fest, dass in der Praxis weiterhin eine Wiederausreiseverpflichtung eingefordert wird, obwohl dafür keine gesetzliche Grundlage mehr besteht. Schweizer Vertretungen im Ausland pochen auch heute noch auf eine unterschriebene Wiederausreisebestätigung, die mit dem Visaantrag eingereicht werden muss (siehe Box 1). Weshalb dies der Fall ist, bleibt zunächst trotz Anfrage unklar. Klar ist dagegen, dass diese Praxis einerseits potenzielle Talente abschreckt und andererseits Drittstaatenabsolventen davon abhält, hierzulande nach Abschluss eine Arbeit zu suchen.

Obwohl mit der Umsetzung der parlamentarischen Initiative Neirynck die gesicherte Wiederausreise als Einreisebedingung aus dem Gesetz gestrichen wurde, stellten wir im Laufe unserer Recherchen fest, dass in der Praxis weiterhin eine schriftliche Bestätigung eingefordert wird, bei welcher der Antragsteller seine Wiederausreise nach Abschluss schriftlich garantiert und sich verpflichtet, keine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu beantragen. Interessant ist dies insbesondere angesichts der Tatsache, dass rechtlich die Möglichkeit besteht, eine sechsmonatige Verlängerung des Aufenthalts zwecks Arbeitssuche zu beantragen. Es ist klar festzuhalten, dass diese Praxis potenzielle Talente abschreckt. Andererseits werden somit aber auch Drittstaatenabsolventen davon abgehalten, nach Abschluss eine Arbeit in der Schweiz zu suchen.

Auf den Webseiten der Schweizer Auslandvertretungen in Russland, , Indien und weiteren Ländern wird die Wiederausreisebestätigung explizit . Bei der Schweizer Botschaft in Shanghai müssen Studierende bei einem Antrag auf ein Studentenvisum folgendes Dokument einreichen:

Engagement

Zugang zum Arbeitsmarkt: Wie gehen andere Länder vor?

Ein Blick auf konkurrierende Volkswirtschaften zeigt, dass viele von ihnen den ausländischen Absolventen einen wesentlich einfacheren Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt ermöglichen als die Schweiz. In Österreich, Frankreich, Finnland und den Niederlanden können Absolventen aus Drittstaaten nach Beendigung des Studiums zwölf Monate im Land bleiben, um eine Arbeit zu finden. Personen aus Drittstaaten, die in Deutschland ein Studium abgeschlossen haben, können sogar 18 Monate eine Anschlusslösung auf dem Arbeitsmarkt suchen. Gehen sie direkt nach dem Abschluss zurück in ihre Heimat, können sie trotzdem später ein sechs Monate lang gültiges Visum beantragen, welches ihnen erlaubt, in Deutschland Arbeit zu suchen. Die Verbleibmöglichkeiten in Irland betragen sogar bis zu 24 Monate. Demgegenüber erlauben die baltischen Staaten und Schweden analog zur Schweiz einen Verbleib von nur sechs Monaten nach Abschluss. Doch auch hier sind in den kommenden Jahren Lockerungen in Sicht. Die EU-Richtlinie («Recast Directive») von 2016 sieht vor, dass alle Mitgliedstaaten eine Übergangsfrist von mindestens neun Monaten gewähren sollen. Gewisse europäische Länder ermöglichen die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit oder das Absolvieren eines Praktikums, teilweise auch während der Suchfrist. Die meisten europäischen Länder kennen zudem bei der Arbeitsbewilligung für im Inland ausgebildete Fachkräfte keine Kontingente.

Die angelsächsischen Länder offerieren meist grosszügigere Lösungen für ausländische Studienabgänger. In der Regel dürfen Absolventen nach dem Studium nicht nur eine Stelle suchen, sondern im Rahmen von temporären Aufenthaltserlaubnissen auch arbeiten und so praktische Erfahrung sammeln. Finden sie während dieser Zeit eine feste Anstellung, können sie – allenfalls ist eine Unterstützung des Arbeitgebers notwendig – eine längere Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die USA ermöglichen ausländischen Absolventen einen Verbleib von einem Jahr. Absolventen von MINT-Fächern können eine Verlängerung um weitere zwei Jahre beantragen. Auch Kanada erlaubt es den Ausländern, nach dem Studium bis zu drei Jahre im Land zu bleiben. In Australien können Absolventen zwischen eineinhalb und vier Jahren auf dem Arbeitsmarkt Erfahrung sammeln, je nach Dauer und Art des abgeschlossenen Studiums.

Tabelle 1 zeigt die Fristen, welche einige Vergleichsländer für die Jobsuche bzw. für das Sammeln erster Arbeitserfahrungen einräumen. Die Schweiz fällt mit einer vergleichsweise sehr restriktiven Handhabung auf.

Tabelle 1

Verbleibfrist nach Abschluss in diversen Ländern
Schülerin

Studierende aus Drittstaaten: die Fakten

Um aufzuzeigen, welches Potenzial der Schweiz durch ihre restriktive Handhabung entgeht und welche Kosten bei der Ausbildung anfallen, werden in diesem Kapitel folgende vier Fragen genauer durchleuchtet:

• Wie viele Personen aus Drittstaaten studieren in der Schweiz?
• In welchen Studiengängen sind sie zu finden?
• Wie viele bleiben und arbeiten nach Abschluss in der Schweiz?
• Wie viel kostet ihre Ausbildung die Schweizer Steuerzahler?

Zur Beantwortung dieser Fragen greifen wir auf die öffentlichen Daten des Bundesamtes für Statistik zurück. Relativ gut dokumentiert sind Studierende und Absolventen nach Bildungsherkunft. Hierbei wird unterschieden zwischen Personen mit Schweizer Vorbildung und Personen, welche ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben, den sogenannten Bildungsausländern. Studierende und Absolventen aus Drittstaaten, welche im Fokus unserer Analysen stehen, sind Teil der Bildungsausländer.

Wie viele Personen aus Drittstaaten studieren in der Schweiz?

Seit den 1990er-Jahren zeichnet sich in der globalen Hochschullandschaft ein klarer Trend ab: Immer mehr Personen nehmen ein Studium im Ausland in Angriff. Auch die Schweiz spürt diesen Trend deutlich. So hat sich in den letzten 20 Jahren der Anteil Studierender aus dem Ausland von rund 10 auf 20 Prozent im Bildungsjahr 2017/18 verdoppelt. Etwa 30 Prozent dieser Bildungsausländer sind Studierende aus Drittstaaten. Den restlichen und somit grössten Teil machen Personen aus den EU/Efta-Ländern aus.

. . In absoluten Zahlen waren in der betrachteten Periode 12’894 Studierende aus Drittstaaten an einer Schweizer Hochschule im Bachelor-, Master- oder Doktoratsstudium immatrikuliert, allein 10'125 davon an einer Universität. Nach Studienstufe betrachtet, sind etwa 34 Prozent in einem Doktorats-, rund 43 Prozent im Master-, und die restlichen rund 23 Prozent im Bachelorstudium eingeschrieben.

 

Schaut man sich die Abschlüsse an, so stellt man fest, dass 2017 2'903 Bachelor-, Master- oder Doktoratsdiplome von Personen aus Drittstaaten erworben wurden. Insgesamt gingen 17 Prozent aller in der Schweiz vergebenen Doktortitel an diese Gruppe. Bei den Masterdiplomen betrug der Anteil 9, bei den Bachelordiplomen 2 Prozent.

Tabelle 2

Anzahl Studierende und Abschlüsse nach Herkunft

In welchen Studiengängen sind sie zu finden?

. Dieser Wert liegt weit über dem MINT-Anteil aller Abschlüsse. Drittstaaten-Studierende erwarben 2017 über 1'500 Abschlüsse in MINT-Studiengängen.

 

Abbildung 1 gibt den Anteil Drittstaaten-Absolventen an allen Abschlüssen nach Fachbereich im Jahr 2017 wider. Es handelt sich dabei um alle Abschlüsse auf Niveau Bachelor, Master und Doktorat an den universitären Hochschulen.

Den höchsten Anteil an Drittstaaten-Absolventen weisen mit 17,5 Prozent die Maschinen- und Elektroingenieurwissenschaften auf. Auf Platz 2 folgen die Exaktwissenschaften, gefolgt von den exakt- und naturwissenschaftlichen übrigen Fachrichtungen. Die Top 5 werden komplettiert durch die die fächerübergreifenden und übrigen Studienrichtungen der technischen Wissenschaften und die Naturwissenschaften. Auch überdurchschnittlich oft finden sich Drittstaaten-Absolventen in den Fachrichtungen Theologie, Pharmazie, interdisziplinäre und andere Fachrichtungen, sowie im Bauwesen/Geodäsie. Unterdurchschnittlich vertreten sind sie hingegen in der Medizin, den Rechtswissenschaften, aber auch in den Sozialwissenschaften, den Sprachwissenschaften und historischen sowie Kulturwissenschaften.

Abbildung 1

Anteil Drittstaaten-Absolventen an Universitätsabschlüssen nach Studienrichtung im Jahr 2017

Es zeigt sich ein deutliches Bild: Personen aus Drittstaaten sind im MINT-Bereich stark übervertreten. Und genau bei MINT-Fachkräften ist der Mangel in der Schweiz besonders eklatant. Es besteht ein nicht unerhebliches Potenzial, diese Fachkräfte, die sich während dem Studium hierzulande bereits akklimatisieren konnten, erfolgreich im Arbeitsmarkt zu integrieren und so dem Fachkräftemangel teilweise entgegenzuwirken.

Und auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind Ausländer von enormer Bedeutung. Der Anteil Personen aus Drittstaaten unter den Doktoranden schwankt in den MINT-Fächern zwischen 20 und 30 Prozent. Eine starke Forschungslandschaft Schweiz braucht also Studierende aus Drittstaaten, die zu Exzellenz in Forschung und Lehre beitragen können.

Wie viele bleiben und arbeiten nach Abschluss in der Schweiz?

Internationale Absolventen sind in der Regel mobil und verschwinden daher oft schnell aus dem Einzugsgebiet amtlicher Register. Auch verlässliche Angaben dazu, wie viele Absolventen aus Drittstaaten tatsächlich nach dem Studium in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgehen, gibt es nicht. Wir versuchen an dieser Stelle mittels verfügbarer Informationen eine einigermassen realitätsnahe Abbildung der tatsächlichen Situation zu erstellen.

Dazu bieten sich zwei Anhaltspunkte an. Der Erste ist die , in der festgehalten wird, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) jährlich 150 bis 200 Arbeitsbewilligungen für Absolventen aus Drittstaaten im Rahmen von bewilligten Kontingenten ausstellt. Um ein Gefühl zu erhalten, wie viel Prozent aller Absolventen eines Jahrgangs diese Bewilligungen ausmachen, setzen wir sie ins Verhältnis zu den jährlichen Bachelor- und Masterabschlüssen. Daraus lässt sich schliessen, dass kaum 10 Prozent aller Bachelor- und Masterabsolventen tatsächlich auf dem Schweizer Arbeitsmarkt erwerbstätig werden.

. Sie berechnet Verbleibquoten für internationale Absolventen von Schweizer Hochschulen. Hierzu schaut sie sich alle Master-Absolventen von 2012 an. Das Ergebnis zeigt, dass zwei Jahre nach Abschluss noch 28 Prozent der Absolventen aus Drittstaaten in der Schweiz verweilen. Weitere 16 Prozent beginnen nach Abschluss ein Doktorat in der Schweiz. Wie viele der im Inland verbleibenden 28 Prozent, welche sich nicht in Ausbildung befinden, tatsächlich arbeiten und wie viele sich aus familiären oder anderen Gründen in der Schweiz aufhalten, ist unbekannt. Geht man von einer gleich hohen Rate auch für die Schweiz aus, so sind bloss 14 Prozent eines Absolventenjahrgangs tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt aktiv.

Insgesamt ist zu vermuten, dass rund 10 bis 15 Prozent aller Absolventen aus Drittstaaten tatsächlich in der Schweiz einer wirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nachgehen.

Wie viel kostet ihre Ausbildung die Schweizer Steuerzahler?

In der Schweiz decken die Studiengebühren nur einen Bruchteil der tatsächlichen Ausbildungskosten. Auch die Ausbildung von Ausländern, die nur in wenigen Fällen höhere Studiengebühren als Einheimische bezahlen, wird zum grössten Teil vom Schweizer Steuerzahler subventioniert.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie viel die ausländischen Studierenden die Schweiz tatsächlich kosten. Eine fiskalische Gesamtbetrachtung beinhaltet zusätzlich zu den verursachten Kosten auch die anfallenden Erträge im Gastland. Allgemein ist aus der Literatur bekannt, dass die Fiskalbilanz umso besser ist, je länger eine Person nach der Ausbildung im Inland arbeitet. Die Aufstellung einer fiskalischen Bilanz sprengt aber den Rahmen des vorliegenden Papiers. An dieser Stelle werden lediglich die Ausbildungskosten betrachtet. Ziel ist es, ein Gefühl für die tatsächlich anfallenden Kosten zu geben.

Zur Berechnung der Ausbildungskosten sind Angaben über die Kosten pro Student, die Studiengebühren und die Studiendauer notwendig. Das BFS weist die Kosten pro Student nach Fachbereich aus, nicht aber nach Studienstufe. Die Angaben zu den Studiengebühren sind transparent auf den Webseiten der Hochschulen zugänglich. Die Studiendauer wird vom BFS nach Fachbereich und Studienstufe ausgewiesen. Weiter bekannt ist die Anzahl Studierender aus Drittstaaten nach Studienstufe, nicht aber nach Fachbereich. Mittels der vorhandenen Daten lassen sich Werte nach Studienstufe, nicht aber nach Fachbereich ermitteln. Im Folgenden wird einmal exemplarisch die Kosten der Grundbildung für einen Universitätsabgänger, welcher einen Bachelor und Master in der Schweiz gemacht hat, berechnet. Zusätzlich wird approximativ ermittelt, was die Grundbildung der Studierenden aus Drittstaaten auf Niveau Bachelor und Master an Universitäten und Fachhochschulen die Schweiz pro Jahr insgesamt kosten.

Die durchschnittliche Studiendauer beträgt im Bachelor 4 und im Master 2.5 Jahre. Der anhand dieser Parameter berechnete durchschnittliche Betrag für die Ausbildungskosten eines Studierenden aus einem Drittstaat, welcher in der Schweiz sowohl den Bachelor als auch den Master absolviert, beträgt somit überschlagsmässig 133'000 Franken.

Die durchschnittlichen Studiengebühren streuen viel breiter als an den Universitäten und liegen für Ausländer insbesondere in Master-Studiengängen deutlich höher. Ungewichtet kommt man auf eine durchschnittliche Studiengebühr von rund 4800 Franken pro Jahr.

Werden auf dieser Zahlenbasis die Kosten an den Fachhochschulen, den PHs und den Universitäten hochgerechnet, so lässt sich festhalten, dass die Schweiz jedes Jahr insgesamt rund 180 Millionen Franken in die Ausbildung von etwa 8'500 Bachelor- und Master-Studierenden aus Drittstaaten investiert.

Schülerin

Zusammenfassung und Lösungsansätze

Die Zahlen zu den Studierenden aus Drittstaaten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • 5,6 Prozent aller Studierenden in der Schweiz stammen aus Drittstaaten. Insgesamt studierten im Bildungsjahr 2017/18 etwa 13’000 Personen aus Drittstaaten in der Schweiz, davon über 10’000 an einer universitären Hochschule.
  • 2017 schlossen knapp 3000 Personen aus Drittstaaten ein Bachelor-, Master- oder Doktoratsstudium in der Schweiz ab.
  • Mehr als die Hälfte aller Personen aus Drittstaaten schlossen ein Studium im MINT-Bereich ab. Somit sind sie in MINT-Fächern deutlich übervertreten.
  • Lediglich etwa 10 bis 15 Prozent der Drittstaatenabsolventen sind nach Abschluss tatsächlich auf dem Schweizer Arbeitsmarkt erwerbstätig.
  • Die Kosten der Grundbildung eines Universitätsstudierenden, der sowohl einen Bachelor- als auch einen Masterabschluss in der Schweiz erwirbt, betragen durchschnittlich 133’000 Franken. Insgesamt kostet die Grundbildung von Bachelor- und Master-Studierenden aus Drittstaaten an den Universitäten und den Fachhochschulen die Schweiz jährlich rund 180 Millionen Franken.

Die Schweiz schneidet sich mit ihrer Politik im Kampf um die weltweit besten Talente ins eigene Fleisch: Gerade «High Potentials» meiden die Schweiz und präferieren ein Studium in Ländern, die offener sind. Die Schweiz tut gut daran, endlich bessere Bedingungen zu offerieren, um hoch qualifizierte, junge Personen, die die Schweiz gut kennen, aber noch nicht über eine ausreichende Arbeitserfahrung verfügen, längerfristig an den Standort zu binden.

Was verhindert die bessere Ausschöpfung des Potenzials von Studierenden aus den Drittstaaten? Das wesentliche Problem besteht in der sehr restriktiven Haltung der Schweiz bezüglich Zugang zum Arbeitsmarkt. Vier Probleme haben wir identifiziert: Erstens die Kontingentierung der Absolventen aus Drittstaaten, zweitens die fehlende Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren, drittens die zu kurz veranschlagte Suchdauer und viertens die Einforderung einer Wiederausreiseverpflichtung nach Beendigung des Studiums.

Zum ersten Problem der Kontingentierung: Diese gilt für Personen aus Drittstaaten, die neu in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben möchten. In der Regel haben diese Personen ihre Ausbildung im Ausland absolviert. Unsere Bildungsausländer von ausserhalb der EU/EFTA werden diesen Personen rechtlich gleichgestellt, obwohl sie in der Schweiz ihr Studium abgeschlossen haben. Doch die beiden Personengruppen unterscheiden sich erheblich: Erstens wird ein ausländischer Absolvent einer Schweizer Hochschule mit Geldern der öffentlichen Hand ausgebildet. Zweitens kennt diese Person das Land bereits, hat hier Bekanntschaften und spricht wohl auch besser Deutsch oder Französisch als jemand, der zum ersten Mal in die Schweiz kommt.

Ein zweites Problem besteht in der zu kurzen Frist für die Stellensuche. Einerseits ist fraglich, ob eine Suchdauer von sechs Monaten tatsächlich ausreicht, um eine geeignete Stelle zu finden. Die durchschnittliche Suchdauer auf dem Arbeitsmarkt beläuft sich immerhin auf etwa sechs bis neun Monate. So ist im internationalen Vergleich die Verbleibdauer in der Schweiz eine der kürzesten.

In der heutigen Arbeitswelt ist aber ein Praktikum die beste Gelegenheit, erste Erfahrungen zu sammeln und den Einstieg in die Arbeitswelt zu schaffen. Auch für die Arbeitgeber ist das Praktikum ein wichtiges Selektionsinstrument. Durch das Fehlen dieser Möglichkeit wird der Einstieg in den Schweizer Arbeitsmarkt stark erschwert.

Der letzte Punkt betrifft die schriftliche Wiederausreisebestätigung, die von Studierenden beim Antrag für ein Studentenvisum eingefordert wird. Auf viele talentierte junge Leute, die in der Schweiz studieren möchten, wirkt das abschreckend, weil man ihnen deutlich signalisiert, dass sie auf dem hiesigen Arbeitsmarkt nicht willkommen sind. Dies ist umso störender, weil es seit der Revision des Ausländergesetzes durch die parlamentarische Initiative Neirynck gar keine gesetzliche Grundlage mehr gibt für diese Praxis. Sie dürfte die Wahrscheinlichkeit massiv verringern, dass jemand die sechsmonatige Suchdauer beantragt und sich erfolgreich in den Schweizer Arbeitsmarkt integriert. Wer ein solches Formular unterschreibt («… erkläre ich, in der Schweiz keine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Ablauf des Studiums zu beantragen. Ich bin mir bewusst, dass ich mit meiner Unterschrift eine gesetzliche Verpflichtung nach schweizerischem Recht eingehe.»), wird es nur in seltenen Fällen wagen, schliesslich doch in der Schweiz einen Antrag für eine Suchfrist bzw. eine Arbeitsbewilligung zu stellen.

Forderungen der Wirtschaft

Für einen innovationsgetriebenen, stark global ausgerichteten Wirtschaftsstandort wie die Schweiz ist der heutige Umgang mit Studierenden und Absolventen aus Drittstaaten nicht mehr zeitgemäss. Aus den oben ausgeführten Gründen fordert die Schweizer Wirtschaft deshalb:

  1. Ausländer aus Drittstaaten, die an einer vom Bund anerkannten Schweizer Hochschule ein Studium erfolgreich abgeschlossen haben, …
    a. … werden bei einer Anstellung aus den Kontingenten ausgenommen;
    b. … können während des Studiums oder der Suchdauer ein Praktikum absolvieren;
    c. … können die Suchdauer einmalig um weitere sechs Monate verlängern.
  2. Die Schweizer Vertretungen im Ausland verzichten künftig auf die Einforderung der Wiederausreiseverpflichtung.

Werden diese Forderungen umgesetzt, werden mehr Ausländer aus Drittstaaten nach dem Studium in der Schweiz arbeiten. Diese werden die von der öffentlichen Hand finanzierten Ausbildungskosten rasch zurückzahlen und sich schneller als andere Personen aus Drittstaaten in der Schweiz integrieren. Auch der Fachkräftemangel wird dadurch gelindert. Die offenere Haltung der Schweiz wird dazu führen, dass die Schweiz für «High Potentials» attraktiver wird. Hochschulen können daher noch stärker aus den Bewerbungen auslesen. Dies wiederum erhöht die Qualität der Ausbildung.

Newsletter abonnieren

Jetzt hier zum Newsletter eintragen. Wenn Sie sich dafür anmelden, erhalten Sie ab nächster Woche alle aktuellen Informationen über die Wirtschaftspolitik sowie die Aktivitäten unseres Verbandes.

E-Mail-Adresse