# 5 / 2020
22.09.2020

«Horizon Europe»: Innovation dank Kooperation

Was ist «Horizon Europe»?

Das 9. europäische Forschungsrahmenprogramm (2021–2027)

«Horizon Europe» soll das bisher ambitionierteste Forschungs- und Innovationsförderprogramm in der Geschichte der EU werden: Mit einem geplanten Budget von 94 Milliarden Euro handelt es sich um das bedeutendste internationale Programm für Forschung und Innovation der Welt und dauert von 2021 bis 2027. Die europäischen Forschungsrahmenprogramme (FRP) werden dabei von verschiedenen Staaten gemeinsam finanziert und sollen die nationalen Forschergemeinschaften verbinden (Infobox). Die Projekte werden im internationalen Wettbewerb aufgrund ihrer wissenschaftlichen Exzellenz und ihres Innovationspotenzials gefördert.

Im Vergleich zu den früheren Programmen soll es in «Horizon Europe» organisatorische und inhaltliche Neuerungen und Vereinfachungen geben. Erfolgreiche Förderinstrumente wie der Europäische Forschungsrat (ERC) und die Mobilitätsförderung werden in der neuen Programmgeneration weitergeführt. Die Schaffung eines Innovationsrats sowie die Ausrichtung an den Nachhaltigkeitszielen bringen aber auch Neuerungen. So soll die Verbreitung und Nutzung der Forschungsergebnisse mehr Gewicht erhalten. Die Umsetzung von «Horizon Europe» erfolgt analog dem aktuellen Programm «Horizon 2020» über drei Pfeiler (Abbildung 1):

  • Pfeiler 1: Exzellente Wissenschaft (25,8 Milliarden Euro). Der erste Pfeiler unter dem Titel «Wissenschaftsexzellenz» soll die wissenschaftliche Basis stärken und ist vor allem auf die Grundlagenforschung ausgerichtet. Hochschulen bilden zwar die primäre Zielgruppe, doch können sich auch Unternehmen für eine entsprechende Förderung bewerben. Das Herzstück des Programms ist der Europäische Forschungsrat, der ähnlich dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) auf kompetitiver Basis Gelder an Forschungsprojekte vergibt. Weitere Schwerpunkte bilden die Marie-Curie-Massnahmen für die wissenschaftliche Laufbahnförderung und die Mobilität von Forschenden sowie die Unterstützung von Forschungsinfrastrukturen zur Bereitstellung von Wissen und Technologien.

  • Pfeiler 2: Globale Herausforderungen und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie (52,7 Milliarden Euro). Der zweite Pfeiler widmet sich den globalen Herausforderungen und will die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken. Dabei soll die Forschung in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Herausforderungen gefördert und die technologischen und industriellen Kapazitäten sollen verbessert werden. Weiter werden über diesen Pfeiler Forschungs- und Entwicklungsmissionen lanciert, um Lösungen zu den grossen Problemen unserer Zeit zu finden und die Ziele für nachhaltige Entwicklung («Sustainable Development Goals») voranzutreiben. Hierfür wurden eigens sechs Forschungscluster geschaffen, die unter anderem Antworten auf drängende Fragen rund um die Digitalisierung, die Gesundheit oder das Klima liefern sollen.

  • Pfeiler 3: Innovatives Europa (13,5 Milliarden Euro). Im Rahmen des dritten Pfeilers gibt es mit dem Europäischen Innovationsrat (EIC) neu eine zentrale Anlaufstelle. Dieser soll als «One-Stop-Shop» mit flexiblen Zuschüssen und Mischfinanzierungen vielversprechende Technologien mit grossem Potenzial unterstützen. Dieser Pfeiler ist damit vor allem der Förderung von innovativen Unternehmen und Startups gewidmet. Im EIC sind zwei komplementäre Förderinstrumente vorgesehen, die den gesamten Innovationszyklus abdecken: der «Pathfinder» für die Frühphase und der «Accelerator» für die Entwicklung und Markteinführung. Ein europäisches Innovationsökosystem soll die verschiedenen Akteure – private und öffentliche – vernetzen und den Innovationsrat gezielt ergänzen. Zudem soll durch die Stärkung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT) die Integration von Unternehmen, Forschung, Hochschulbildung und Unternehmertum speziell gefördert werden.

Zusätzlich zu den drei Pfeilern steht die allgemeine Stärkung des europäischen Forschungsraums im Vordergrund. Die Projekte in diesen Bereichen zielen darauf ab, die Beteiligung von bisher weniger forschungs- und innovationsstarken Mitgliedstaaten zu steigern und die europäischen Systeme in diesen Bereichen insgesamt zu verbessern.

Abbildung 1: Die Bestandteile von «Horizon Europe»

Das Programm für den Zeitraum 2021 bis 2027 umfasst drei Hauptpfeiler. Zu den wichtigsten Zielen gehören Innovationen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Europa und zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens.

Quelle: Europäische Kommission (2020)

Was ist das Ziel der europäischen Forschungsrahmenprogramme (FRP)?

Die Forschungsrahmenprogramme sind die Hauptinstrumente der EU zur Umsetzung ihrer gemeinschaftlichen Wissenschafts- und Innovationspolitik. Sie sind Teil des Europäischen Forschungsraums (EFR), der die wissenschaftlichen und technologischen Kapazitäten des Kontinents bündeln und die Zusammenarbeit fördern soll. Im Rahmen der FRP findet der weltweit grösste Wettbewerb der Ideen statt. Dadurch soll in Europa eine kritische Masse erreicht und die Forschung international konkurrenzfähig gemacht werden. Die Forschungsgelder zugunsten von Wissenschaftsinstitutionen und Unternehmen werden dabei kompetitiv vergeben: Ausschlaggebend ist die Exzellenz der Projekte. Die Schweiz arbeitet in diesem Bereich seit Langem mit der EU zusammen. Ihre erste Teilnahme an einem solchen Rahmenprogramm geht auf das Jahr 1978 zurück. Jedoch erst mit dem Abschluss der bilateralen Verträge bekam die Schweiz ab dem Jahr 2004 vollen Zugang zu den europäischen FRP. Seither ist sie (mit einer kurzen Unterbrechung nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative) als gleichberechtigtes Land an den FRP assoziiert und kann die Programme auch mitgestalten.

Verknüpfte Programme und Projekte

«Horizon Europe» strebt aber auch Synergien mit anderen EU-Programmen und -Massnahmen sowie eine raschere Verbreitung der Forschungs- und Innovationsergebnisse an. Dabei werden parallel und ausserhalb des europäischen Horizon-Budgets insbesondere die europäischen Programme Digital Europe, Euratom und das Projekt ITER verfolgt:

 

  • Digital Europe (9,2 Milliarden Euro)

    Das Programm dient der Stärkung der digitalen Kapazitäten Europas. Es soll den digitalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen und länderübergreifende Projekte fördern. Dabei sollen zukunftsträchtige Investitionen in die Bereiche Hochleistungsrechnen und Datenverarbeitung, künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und fortgeschrittene digitale Kompetenzen gefördert werden.

  • Euratom (2,4 Milliarden Euro)

    Das Euratom-Programm fördert verschiedene Forschungsarbeiten im Nuklearbereich. Dabei werden insbesondere auch Erkenntnisse zum Strahlenschutz, dem Rückbau von Kernkraftwerken oder der nuklearen Abfallentsorgung erarbeitet und geteilt.

  • ITER (6,1 Milliarden Euro)

    Ebenfalls mit dem FRP verknüpft ist der Bau der Forschungsinfrastruktur ITER. Das internationale Kooperationsprojekt – das erste seiner Art – verfolgt das Ziel, mittels Kernfusion Strom zu erzeugen. Dabei steht der letzte Entwicklungsschritt von der experimentellen Kernfusion hin zu einer fusionsbasierten Energieproduktion im Vordergrund.