# 5 / 2020
22.09.2020

«Horizon Europe»: Innovation dank Kooperation

Wie geht es nun weiter?

Der Bundesrat strebt eine Vollassoziierung an

Die Schweiz und die EU müssen das bilaterale Abkommen über die Forschung für jede neue Programmgeneration erneuern und die genauen Teilnahmebedingungen aushandeln. Der Bundesrat strebt mit der Botschaft vom 20. Mai 2020 zur Finanzierung der Schweizer Beteiligung am Horizon-Paket 2021 bis 2027 eine Vollassoziierung der Schweiz an «Horizon Europe» an. Damit möchte er sicherstellen, dass Teilnehmende aus der Schweiz Zugang zu allen Aktivitäten der Programme erhalten (siehe Infobox). Der Bundesrat beantragt dazu beim Parlament einen Kredit von 6 Milliarden Franken: Damit abgedeckt sind auch das Euratom-Programm, das neue «Digital Europe»-Programm und die Teilnahme an der internationalen Infrastruktur für Fusionsforschung (Iter). 

Wie kann sich die Schweiz an «Horizon Europe» beteiligen?

Die Schweiz und die EU müssen das bilaterale Abkommen über die Forschung (Teil der Bilateralen I) für jede neue Programmgeneration erneuern und die genauen Teilnahmebedingungen aushandeln. Die genauen Bedingungen für eine Assoziierung der Schweiz am 9. FRP sind zum momentanen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Grundsätzlich sieht «Horizon Europe» drei verschiedene mögliche Formen der Beteiligung vor:

  • Vollassoziierung: Assoziierte Länder haben gleichberechtigten Zugang zu allen Teilen des Rahmenprogramms. 
  • Teilassoziierung: Teilassoziierte Nichtmitgliedstaaten können mit der EU für bestimmte Teile ein Assoziierungsabkommen aushandeln. 
  • Beteiligung als Drittstaat: Drittstaaten können sich nur projektweise und durch eine direkte nationale Finanzierung beteiligen. Wichtige Instrumente, wie zum Beispiel Einzelförderungen im Rahmen des Europäischen Forschungsrats, stehen Drittstaaten nicht zur Verfügung.

Die Höhe der finanziellen Beteiligung der Schweiz ist zwar noch nicht definiert, doch beruft sich der Bundesrat im Kreditantrag auf den neuen Berechnungsmechanismus. Er geht von einem Schweizer Anteil am Total aller Fördermittel zugunsten der EU-27 in der Höhe von etwa fünf Prozent aus. In der Vergangenheit erfolgte die Bemessung der Schweizer Pflichtbeiträge auf der Basis des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) im Verhältnis zur Summe der BIP aller EU-Mitgliedstaaten. Neu muss die Schweiz mindestens so viel einzahlen, wie Schweizer Institutionen durch Horizon Europe erhalten («pay as you go»-Prinzip). Damit ist ein positiver finanzieller Rückfluss ausgeschlossen – aber umgekehrt auch eine negative finanzielle Bilanz.

Werden die beantragten sechs Milliarden Franken vom Parlament genehmigt, können die Verhandlungen mit der EU über die Erneuerung des bilateralen Abkommens über die Forschung beginnen. Der Zeitplan für die Verhandlungen hängt nicht zuletzt von den EU-internen Entscheiden über die Rahmenbedingungen von «Horizon Europe» im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2020 ab. 

Kündigungsinitiative als Damoklesschwert

Auf nationaler Ebene steht aber bereits im September eine erste grosse Hürde an: die Kündigungsinitiative (Begrenzungsinitiative). Deren Initiativtext lässt kaum Interpretationsspielraum offen, sondern sagt klipp und klar, dass die Personenfreizügigkeit mit der EU beendet werden muss. Wichtig sind die Übergangsbestimmungen im Initiativtext: Zunächst wird dem Bundesrat eine Frist eingeräumt, um «auf dem Verhandlungsweg anzustreben», dass das Abkommen über die Personenfreizügigkeit spätestens zwölf Monate nach dem Urnengang ausser Kraft gesetzt wird. Wenn dies nicht gelingt, hat die Landesregierung weitere 30 Tage Zeit, den Vertrag zu kündigen. Faktisch bedeuten diese Bestimmungen, dass die Schweiz spätestens 13 Monate nach einem Ja zur Initiative eine Kündigung des ganzen Vertragspakets der Bilateralen I aussprechen müsste. Denn als dieses 1999 ausgehandelt wurde, einigte man sich auf die sogenannte «Guillotine-Klausel». Diese besagt, dass die sieben Abkommen nicht einzeln gekündigt werden können. Eine Annahme der Initiative würde somit auch das Ende des bilateralen Vertrags über die Forschung bedeuten – und damit faktisch auch die Verhandlungen über eine Assoziierung an «Horizon Europe» verunmöglichen.

Und selbst wenn trotz der Annahme der Initiative der höchst unwahrscheinliche Fall einer Einigung innerhalb von zwölf Monaten eintreten würde, hätte dies Folgen: Eine verspätete Assoziierung wäre für die Schweizer Forschungslandschaft äusserst schlecht. Die Zeit nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative hat uns dies schmerzhaft gelehrt. Damals konnte die Schweiz nur noch als Drittstaat am Forschungsrahmenprogramm teilnehmen, die Zahl der Projektbeteiligungen sank drastisch – mit längerfristigen Nachteilen für den Forschungsplatz Schweiz. Und auch der Wegfall der Personenfreizügigkeit hätte für den Forschungsplatz negative Konsequenzen: Ohne die Möglichkeit, als Forscherin oder Forscher ohne bürokratische Hürden an einem Projekt in der Schweiz mitzuarbeiten, würde er stark an Attraktivität einbüssen.

So zwingt die Kündigungsinitiative die Schweiz zu einer wichtigen Entscheidung: Will sie als Teil des europäischen Forschungsraums führender Forschungs- und Innovationsstandort bleiben? Oder will sie ein Drittstaat werden, für den der Zugang zur internationalen Spitzenforschung immer schwieriger wird?