
Auf einen Blick
Biodiversität ist Naturkapital und dient als eine der Grundlagen der Wertschöpfung. Ohne Biodiversität ist eine dynamische und nachhaltige Wirtschaft in gewissen Branchen langfristig nicht möglich. Darüber hinaus spielen intakte Ökosysteme eine Rolle bei der Anpassung an den Klimawandel und der Abschwächung dessen Folgen. Auf Unternehmensebene bietet Biodiversität Chancen, wenn etwa entsprechende Kundenwünsche zur Erschliessung neuer Märkte führen. Umgekehrt stellt der global rasch fortschreitende Verlust der Artenvielfalt eine Herausforderung für die Unternehmenswelt dar. Umso wichtiger ist, dass der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Biodiversität künftig in der Politik stärker berücksichtigt wird und etwa zu einer Verbesserung der staatlichen Spielregeln führt.
Das Wichtigste in Kürze
Biodiversität kommt immer stärker auf die politischen Agenden der Welt und der Schweiz. Denn von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten, die es weltweit gibt, sind rund eine Million vom Aussterben bedroht. In der Schweiz sind knapp die Hälfte der Lebensraumtypen und die Hälfte aller einheimischen Arten bedroht oder potenziell gefährdet.
Das ist für die Wirtschaft insofern relevant, da Biodiversität und ihre Leistungen viele Aspekte des Lebens beeinflussen: Gesundheit, Nahrung, Hochwasserschutz, klimaregulierende Funktionen, Energieproduktion, Roh- und Wirkstoffe und vieles mehr. Rund 40 Prozent der Weltwirtschaft basieren laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen auf Naturprodukten und biologischen Prozessen.
Dieses Papier beschreibt die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft und Biodiversität und zeigt auf, wie unternehmerische Chancen und Risiken in diesem Wirkungsfeld erkannt werden können. Zudem werden aktuelle politische Bestrebungen beleuchtet und auf ihre Wirtschaftsfreundlichkeit hin untersucht. Wir fordern als economiesuisse, dass die Bedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten der Wirtschaft in der Biodiversitätspolitik stärker berücksichtigt werden.
Position economiesuisse
Für die Wirtschaft ist die Erhaltung der Biodiversität und ihrer wertvollen Leistungen ein wichtiges Anliegen. Im engen Zusammenwirken von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft kann dies durch folgende Massnahmen erreicht werden:
- Biodiversität bedeutet Naturkapital und damit Chancen und Risiken für die längerfristige wirtschaftliche Entwicklung. Unternehmen können sich diese Chancen zur Erschliessung neu entstehender Märkte und der Stärkung des Ansehens zunutze machen. Auf der anderen Seite kann sich ein Risiko- und Kostenmanagement für die Unternehmen lohnen.
- Die Wirtschaft unterstützt eine globale Abstimmung der Artenvielfaltsziele und -massnahmen und damit eine konsequente Umsetzung des internationalen Biodiversitätsabkommens. Die Schweiz soll ihren Teil dazu beitragen, um den global rasch fortschreitenden Verlust der Artenvielfalt zu stoppen.
- Erfolgreicher Biodiversitätsschutz heisst, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen. Dabei gilt es, Zielkonflikte zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aktivität, landwirtschaftlicher Produktion, Ressourcen- und Landschaftsschutz zu adressieren. Die Wirtschaft ist interessiert an Biodiversitätsmassnahmen, die leistungsorientiert und effizient gestaltet sind und auf wissenschaftlichen Kriterien basieren.

1. Die Grundlagen
Was ist Biodiversität?
Die Biodiversität umfasst den Artenreichtum von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen. Sie besteht aus der genetischen Vielfalt innerhalb der verschiedenen Arten, der Vielfalt der Lebensräume sowie den Wechselwirkungen innerhalb und zwischen diesen Ebenen (vgl. Grafik). Die Artengemeinschaften stehen als funktionale Einheit miteinander und mit ihrer nicht belebten Umwelt in Wechselwirkungen. Auf diese Weise bilden sich Ökosysteme aus.
Biodiversität ist ein sehr abstraktes und schwer greifbares Konzept. Im Vergleich zum Instrumentarium beim Klimaschutz stehen die Bewertungskriterien für die biologische Vielfalt noch in den Anfängen.
Biodiversität bedeutet Vielfalt von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen.

Was nützt Biodiversität?
Eine hohe Artenvielfalt ist eine Art biologische Rückversicherung. Fällt eine Art aus, können andere ihre Aufgabe im Ökosystem erfüllen, und das System an sich bleibt stabil. Je höher die Diversität eines Ökosystems ist, desto kleiner ist das Risiko, dass der Verlust einer einzigen Art dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Im Umkehrschluss heisst das aber auch: Je mehr Arten verschwinden, desto instabiler werden die Ökosysteme, und umso mehr steigt in einer Kaskade das Risiko, dass weitere Arten aussterben und schliesslich das betroffene Ökosystem kollabiert. Die Leistungen der Biodiversität ermöglichen also die Existenz des Menschen sowie die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht spricht man von Naturkapital, also vom ökonomischen Wert der Natur, dessen zentraler Bestandteil die Biodiversität ist. Biodiversität erbringt Leistungen von wirtschaftlichem, gesellschaftlichem und ökologischem Wert, wie z.B. die Bereitstellung von Trinkwasser, von Nahrung für Mensch und Tier und von Wirkstoffen für Arzneimittel. Ebenso dient sie der natürlichen Schädlingskontrolle und die Menschen können Naturräume für die körperliche und geistige Erholung und somit für die Gesundheit nutzen.
Die unten stehende Tabelle zeigt die Ökosystemleistungen auf. Sie werden in Basisleistungen, Versorgungsleistungen, regulierende Leistungen und kulturelle Leistungen unterteilt. Sie sind auch für die Schweizer Wirtschaft relevant. Einerseits können sie direkt die Produktion beeinflussen, wie z.B. die Produktion von Nahrungsmitteln oder von Pharmazieprodukten. Andererseits haben sie einen indirekten Einfluss auf das wirtschaftliche Wohlergehen, indem z.B. die Regulation des Mikroklimas einen Einfluss auf die Standortattraktivität, und somit auf den Tourismus hat.
Eine Abnahme der Biodiversität hat somit nicht nur den Verlust von Flora und Fauna zur Folge, sondern vermindert auch den Nutzen der Natur für die Menschen. Die Messung dieses Nutzens der Biodiversität ist hingegen schwierig. Betrachtet man beispielsweise isoliert einzelne Arten, ist von vielen noch nicht bekannt, welche Funktionen sie im Ökosystem einnehmen, welchen direkten Nutzen die Menschen und die Wirtschaft aus ihnen ziehen können. Ebenso ist oftmals unklar, welche Rolle sie in Zukunft einnehmen werden (beispielsweise bei verändernden Klimabedingungen). Es ist aber erwiesen, dass nicht nur häufige, sondern auch seltene Arten für die Leistungserbringung von Ökosystemen von hoher Bedeutung sind.
Alle Ökosystemleistungen sind für die Wirtschaft relevant – ob mit direkter oder indirekter Wirkung.

Wie steht es um die Biodiversität?
Der Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen hat 2019 einen Bericht zur Artenvielfalt veröffentlicht. Demgemäss können die meisten international vereinbarten Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht werden. Das Artensterben beschleunigt sich fortwährend und ist bereits 10- bis 100-mal höher als im Durchschnitt der vergangenen 10 Millionen Jahre. Von geschätzten acht Millionen Tier- und Pflanzenarten, die es weltweit gibt, sind rund eine Million vom Aussterben bedroht. Auf lokaler Ebene ist dieser Biodiversitätsverlust auf den ersten Blick nicht immer erkennbar, da die Totalzahl der Arten im Durchschnitt oft gleich bleibt. Was sich aber stark verändert ist die Zusammensetzung der Arten in den lokalen Gemeinschaften, wie eine Studie von Blowes (2019) zeigt. Die Ursachen für den globalen Verlust an Biodiversität sind zu starke Land- und Meeresnutzung, direkter Abbau natürlicher Ressourcen, Klimawandel, Verschmutzung und die Verbreitung invasiver Arten. Durch die globalisierte Wirtschaft verlagert sich die Belastung der Natur stark von den Industrie- in die Entwicklungsländer.
In der Schweiz sind gemäss dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) knapp die Hälfte der Lebensraumtypen und die Hälfte aller beurteilten einheimischen Arten bedroht oder potenziell gefährdet. Hauptgründe dafür sind die Zersiedelung, die intensive Nutzung von Böden und Gewässern sowie die Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten. Flächenmässig wird mehr als ein Drittel der Ökosysteme der Schweiz landwirtschaftlich genutzt. Das betroffene Land wird häufig unter starkem Einsatz von Dünger, Futtermitteln sowie Pflanzenschutzmitteln bewirtschaftet. Diese Mittel dienen der landwirtschaftlichen Produktion und verhelfen der Landwirtschaft zu beträchtlichen Ertrags- und Qualitätssteigerungen, bergen aber auch ein Potenzial für unerwünschte Nebenwirkungen – etwa in Bezug auf die Artenvielfalt. Als Gegensteuer dazu werden heute fast 16 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Förderung der Biodiversität eingesetzt. Jedes Jahr werden rund 400 Millionen Franken Direktzahlungen dafür ausgerichtet.. Als ein möglicher Effekt dieser Bestrebungen gibt es heute im Talgebiet deutlich mehr ökologisch hochwertige, artenreiche Wiesen als noch vor 15 Jahren.
Fast ein Drittel der Schweizer Landesfläche ist heute bewaldet. Auch wenn der Wald naturnah erscheint und hier die Probleme tatsächlich weniger drängen: Vielen Arten fehlen Totholz und alte Bäume.
In den Parks und Gärten im Siedlungsraum dominieren oft monotone Rasenflächen und exotische Gewächse. Andererseits bieten Städte vielfältige und kleinräumige Nischen, wodurch die Artenvielfalt heute im urbanen Gebiet sogar grösser ist als auf dem Land. Die Infrastrukturdichte in der Schweiz, man denke etwa an das Strassen- und Schienennetz oder die Bergbahnen, ist hoch und beansprucht ebenfalls Landfläche. Infrastrukturen bieten aber auch Lebensräume und stehen nicht zwingend in Konkurrenz zur Biodiversität. Als Beispiele seien Eisenbahnlinien genannt, die Korridore und Trockenstandorte bieten, sowie Flughafengelände, die als ungestörte Biodiversitätshotspots fungieren können.
In Abgrenzung zu diesen Entwicklungen auf der genutzten Fläche wurden in der Schweiz zahlreiche Naturschutzgebiete eingerichtet. Dazu gehören Gebiete von nationaler Bedeutung, 18 Pärke (unter anderem auch der Nationalpark), kantonale Schutzgebiete sowie unzählige kleinere, kommunale oder sogar private. Diese sind sehr zahlreich, allein im Kanton Bern beispielsweise gibt es 240 davon.

2. Nationale Gesetzgebung und internationale Abkommen der Schweiz zur Biodiversität
Überblick
Die Schweiz hat sich international im Rahmen der UNO-Biodiversitätskonvention zum Schutz der Ökosystemleistungen und der Artenvielfalt verpflichtet. Die sogenannten Aichi-Biodiversitätsziele, welche als Rahmen für nationale und regionale Zielsetzungen bis 2020 dienen, haben in der Strategie Biodiversität Schweiz des Bundesrats Eingang gefunden. Ausserdem hat die Schweiz 2015 als Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mitunterzeichnet. Die Agenda 2030 ist der global geltende Rahmen zur gemeinsamen Lösung der grossen Herausforderungen der Welt. Dazu gehört auch der Erhalt der Biodiversität. Ziel 15 fordert, Landökosysteme zu schützen, wiederherzustellen und ihre nachhaltige Nutzung zu fördern sowie den Biodiversitätsverlust zu stoppen. Die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016–2019 des Bundesrats orientiert sich an der Agenda 2030; derzeit wird die Nachfolgestrategie erarbeitet.
Die Bundesverfassung verpflichtet Bund und Kantone, für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zu sorgen und dabei die natürliche Umwelt des Menschen vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu schützen (Art. 2 und 74 der Bundesverfassung). Die Erhaltung und die Förderung der Biodiversität finden in verschiedenen Bundesgesetzen Niederschlag. Dazu zählen das Natur- und Heimatschutzgesetz, das Umweltschutzgesetz, das Jagdgesetz, das Gewässerschutzgesetz, das Fischereigesetz sowie das Gentechnikgesetz. Ein nachhaltiger Umgang mit der Biodiversität wird unter anderem im Raumplanungsgesetz, im Landwirtschaftsgesetz, im Waldgesetz und im Nationalparkgesetz geregelt.
Internationales Biodiversitätsabkommen nach 2020
Die 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP15) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) hätte im Oktober 2020 in Kunming, China, stattfinden sollen. Aufgrund der Corona-Krise wurde sie verschoben. An der Konferenz soll ein neuer globaler Rahmen für die Erhaltung der biologischen Vielfalt nach 2020 verhandelt werden. Der bisherige Strategische Plan startete 2011 und läuft 2020 aus. Er beinhaltet die sogenannten Aichi-Biodiversitätsziele und diente als Rahmen für nationale und regionale Zielsetzungen.
Das neue Biodiversitätsabkommen basiert auf der Annahme, dass dringende politische Massnahmen erforderlich sind, um den Verlust der biologischen Vielfalt in den nächsten zehn Jahren zu stabilisieren und bei der Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme in den nächsten 20 Jahren Nettoverbesserungen zu erzielen. Auch die OECD sieht das so und attestiert dem globalen Rahmen eine Chance, «die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.»
An der COP15 sollen einerseits Ziele zum Schutz der Fläche definiert werden. Gleichzeitig soll das Abkommen dazu beitragen, die biologische Vielfalt nachhaltig zu nutzen, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Weiter wird eine Ausweitung der Bestimmungen zum Zugang zu genetischen Ressourcen und dem gerechten Vorteilsausgleich («Access & Benefit Sharing», ABS) diskutiert. Bereits heute soll gemäss ABS-Bestimmungen ein Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen der Ursprungsländer genetischer Ressourcen und derjenigen Länder erfolgen, in denen die genetischen Ressourcen genutzt werden. Im Moment laufen Verhandlungen darüber, ob zukünftig auch immaterielle digitale Sequenzinformationen einer Verpflichtung zum Vorteilsausgleich unterliegen sollen. Die offizielle Schweizer Position war bisher eindeutig, dass immaterielle digitale Informationen keine genetischen Ressourcen darstellen und daher nicht von dessen ABS-Verpflichtungen erfasst werden müssen.
Einordnung aus Sicht der Wirtschaft
Für die Schweizer Wirtschaft sind die Erhaltung und der Schutz der Biodiversität ein wichtiges Anliegen. Die Schweiz soll den ihr zustehenden Beitrag hierzu leisten. Angesichts der globalen Herausforderung der Biodiversität ist eine internationale Koordination von zentraler Wichtigkeit.
Allerdings bleiben im Zusammenhang mit der konkreten Umsetzung des Biodiversitätsabkommens bisher viele Fragen offen – z.B. in Bezug auf die Finanzierung. Es bleibt etwa unklar, was mit den Geldern aus dem Vorteilsausgleich passiert, bzw. ob sie wiederum für Biodiversitätszwecke eingesetzt werden. Es ist bisher auch nicht überprüfbar, inwiefern die internationalen Ziele auf nationaler Ebene bei den Mitgliedsstaaten erreicht werden. Allgemein ist es fraglich, ob die Umsetzungs-, Rechenschafts- und Monitoringmechanismen verbindlich gestaltet werden können.
Neue Zugangsregeln zu digitalen Sequenzinformationen im Rahmen des Biodiversitätsabkommens lehnt die Wirtschaft ab – insbesondere bei einer restriktiven, administrativ aufwendigen und finanziell unverhältnismässigen Ausgestaltung. Diese hätte nachteilige Auswirkungen auf den Forschungs- und Werkplatz Schweiz. Eine Abkehr vom bisher freien Zugang zu solchen Informationen in Datenbanken würde drei Hauptprobleme aufwerfen:
- Administrativer Mehraufwand: In vielen Forschungsgebieten werden routinemässig Hunderte oder sogar Tausende von Gensequenzen aus Datenbanken geladen und analysiert. Wenn in Zukunft für jede einzelne Sequenz vorher abgeklärt werden müsste, was die rechtmässigen Zugangsmodalitäten sind und woher man eine Bewilligung bekommt, würde das zu einem enormen Zusatzaufwand führen, der viele Forschungsansätze praktisch verunmöglichen würde.
- Finanzieller Mehraufwand: Wird für die Verwendung einer digitalen Sequenzinformation ein Vorteilsausgleich fällig, kann zwischen einer finanziellen Entschädigung (z.B. einem Prozentsatz des Produkterlöses oder einer Zahlung bei jedem Zugang) und einer nicht monetären Form (z.B. durch Forschungszusammenarbeit) unterschieden werden. Je nach Ausgestaltung der Forderungen könnte das sehr teuer werden – vor allem dann, wenn in eine Produktentwicklung nicht nur eine einzelne Sequenzinformation einfliesst, sondern mehrere Hundert oder Tausend davon.
- Nachteile für den Forschungsstandort Schweiz: Der freie Austausch von Informationen über die Ländergrenzen hinweg ist zentral für die Attraktivität und den Erfolg der Schweizer Forschung. Würde der Zugang zu digitalen Sequenzinformationen erschwert, beeinträchtigte dies den wissenschaftlichen Fortschritt in unserem Land – gerade auch in so wichtigen Forschungsfeldern wie der Biodiversität oder der Pharmazie.
Aktionsplan Biodiversität
Der Aktionsplan Biodiversität leitet sich aus der Biodiversitätsstrategie des Bundesrats ab. Die entsprechenden Massnahmen werden in einer ersten Phase zwischen 2017 und 2023 umgesetzt (vgl. Grafik). Der Bundesrat wird 2023 über eine zweite Umsetzungsphase in den Jahren 2024 bis 2027 entscheiden. Der Aktionsplan beinhaltet praktische Fördermassnahmen im Feld, welche die Artenvielfalt und die Schaffung einer sogenannten Ökologischen Infrastruktur fördern sollen. Die Ökologische Infrastruktur besteht aus untereinander vernetzten Lebensräumen, die den Entwicklungs- und Mobilitätsansprüchen der Arten in ihren Verbreitungsgebieten Rechnung tragen sollen. Weiter will der Aktionsplan Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit für die Wichtigkeit der Biodiversität als Lebensgrundlage sensibilisieren.
Die Projektumsetzung erfolgt grösstenteils unter der Federführung des Bundesamts für Umwelt, jedoch in enger Zusammenarbeit mit anderen Bundesstellen (insbesondere mit dem Bundesamt für Strassen, dem Bundesamt für Verkehr und dem Verteidigungsdepartement und dem Bundesamt für Landwirtschaft), den Kantonen und Dritten (z.B. NGO, Forschung). Das Gesamtbudget des Aktionsplans beträgt aufseiten des Bundes für die erste Umsetzungsphase rund 400 Millionen Franken, wobei der grösste Teil der Gelder in die Sofortmassnahmen fliesst.
Der Aktionsplan Biodiversität beinhaltet praktische Fördermassnahmen, die Schaffung politischer Synergien und Wissensvermittlung.

Einordnung aus Sicht der Wirtschaft
Aus langfristiger Sicht kann der Aktionsplan Biodiversität dazu beitragen, dass die Wirtschaft auch in Zukunft von biodiversitätsgenerierten Ökosystemleistungen wie Anpassung an den Klimawandel oder natürlicher Schädlingskontrolle profitiert. Dafür ist es zentral, dass die zur Verfügung stehenden Mittel möglichst effizient und effektiv eingesetzt werden, damit das volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Verhältnis positiv ausfällt. Ebenso wichtig für den Erfolg des Aktionsplans ist, dass eine Brücke geschlagen werden kann zwischen der Biodiversitätspolitik des Bundes und anderen Politikbereichen, wie z.B. der Landwirtschaftspolitik oder der Raumplanung. Ebenso entscheidend ist der Einbezug der volkswirtschaftlichen Perspektive.
Biodiversitätsinitiative
Im März 2019 haben Pro Natura, BirdLife Schweiz, der Schweizer Heimatschutz und die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz eine Doppelinitiative lanciert: die Biodiversitäts- und die Landschaftsinitiative Die Sammelfrist dauert bis zum 26. September 2020. Die Doppelinitiative steht im Zusammenhang mit der gescheiterten Zersiedelungs-Initiative sowie mit der aus Sicht der Initianten unbefriedigenden Umsetzung des Aktionsplans Biodiversität.
Die Biodiversitätsinitiative soll im Sinne einer Durchsetzungsinitiative der Biodiversität in der Verfassung mehr Gewicht verleihen. Konkret sollen «genügend Flächen und Geld für unsere Natur» gesichert werden. Darüber hinaus sollen die Zuständigkeitsbereiche von Bund und Kantonen präzisiert werden. Aufseiten des Bundes sind keine effektiven Änderungen ersichtlich, jedoch kann es bei den Kantonen zu gewissen Verschiebungen kommen (beispielsweise in Bezug auf Eingriffe in Schutzgebiete) und zudem möchten die Initianten auf Ebene Bund einen Sachplan ökologische Infrastruktur erwirken. Bei Eingriffen in Schutzgebiete soll ausserdem neu gewährleistet werden, dass «der Kerngehalt der Schutzwerte» ungeschmälert erhalten bleibt.
Einordnung aus Sicht der Wirtschaft
Der Initiativtext der Biodiversitätsinitiative ist vage formuliert. Insbesondere bleiben Art und Menge der geforderten «Flächen, Mittel und Instrumente» unklar und müssten in einer Umsetzungsgesetzgebung erfolgen. Eine pauschale und undifferenzierte Schaffung von mehr Biodiversitätsflächen und -geldern ist aus Wirtschaftssicht nicht angezeigt. Zudem ist die Initiative auch aus raumplanerischer Sicht abzulehnen. Die Forderung nach dem Erhalt des «Kerngehalts der Schutzwerte» wird es z.B. in drei Vierteln der Stadt Zürich fast verunmöglichen zu bauen, da das Inventar der schützenswerten Ortsbilder (ISOS) auch zu den Inventaren zählt, die unter die neuen Regelungen der Biodiversitätsinitiative fallen. Heute sind «nur» 11% mit dem Erhaltungsziel A (d.h. Erhalt der Substanz) belegt. Wenn neu nun auch in Gebieten mit weniger strengen Erhaltungszielen der «Kerngehalt» erhalten werden müsste, so bedeutete dies eine massive Verschärfung der Anwendung des ISOS. Es ist schwer vorstellbar, dass dann in einem Gebiet höher und dichter gebaut werden darf, wenn beispielsweise das Erhaltungsziel B (Erhalt der Struktur) gilt und das Gebiet im ISOS wie folgt beschrieben wird: «zweigeschossige Ein- und Zweifamilienhäuser trauf- oder giebelständig gereiht entlang paralleler Quartierswege».
Erfolgreicher Biodiversitätsschutz heisst, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen. Dabei gilt es, Zielkonflikte zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aktivität, landwirtschaftlicher Produktion, Ressourcen- und Landschaftsschutz zu adressieren. Bevor neue Finanzierungsinstrumente geschaffen werden, sollten die bestehenden staatlichen Anreize überprüft werden, ob sie der biologischen Vielfalt schaden – dies in Form von Beiträgen, Darlehen und Steuervergünstigungen für Aktivitäten, die z.B. das Zerschneiden von Lebensräumen begünstigen. Ausserdem sollte zuerst evaluiert werden, wo heute ein ungedeckter Finanzierungs- und Flächenbedarf besteht.

3. Zusammenspiel von Wirtschaft und Biodiversität
Bedeutung der Biodiversität für die Wirtschaft
Rund 40 Prozent der Weltwirtschaft basieren laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) auf Naturprodukten und biologischen Prozessen. Die OECD rechnet den Verlust der biologischen Vielfalt denn auch zu den grössten globalen Risiken für die Gesellschaft. Zwischen 1997 und 2011 verlor die Welt geschätzte 4 bis 20 Billionen US-Dollar pro Jahr an Ökosystemleistungen aufgrund von Landbedeckungsänderungen und 6 bis 11 Billionen US-Dollar pro Jahr aufgrund von Landverschlechterung.
Einige Ökosystemleistungen mit direktem Nutzen für die Wirtschaft wurden auch bereits für den Schweizer Kontext quantifiziert. Wirtschaftlich relevant ist mit 19,3 Milliarden Franken pro Jahr (BFS, 2020) etwa das Angebot an wertvollen Natur- und Kulturlandschaften für die kommerzielle Nutzung im Tourismus. Der geschätzte Wert der Bestäubung als Produktionsunterstützungsleistung in der Schweizer Landwirtschaft beläuft sich auf etwa 350 Millionen Franken pro Jahr (Agroscope, 2017). Die Ökosystemleistung «CO2-Speicherung» reduziert volkswirtschaftliche Schäden von geschätzten 193 Franken pro Tonne CO2 (UBA, 2019) erheblich.
Über solche Quantifizierungsansätze hinaus ist die Bedeutung der Biodiversität für die Wirtschaft aber auch über folgende Zusammenhänge ersichtlich:
- Eindämmung des Klimawandels: Die biologische Vielfalt spielt in vielen klimarelevanten Prozessen eine wichtige Rolle, wie beispielsweise in der Bindung und Freisetzung von CO2, im Wasserkreislauf oder in der Absorption der Sonneneinstrahlung. Veränderungen der Biosphäre haben daher immer auch Folgen für das Klimasystem. Gesunde und widerstandsfähige Ökosysteme sind natürliche und preiswerte CO2-Senken und verfügen über ein grösseres Potenzial zur Abschwächung der Auswirkungen und Anpassung an die Folgen des Klimawandels und damit der Begrenzung der globalen Erwärmung. Sie überstehen extreme Wetterereignisse besser, erholen sich rascher und haben ein breites Nutzenspektrum, auf das die Menschen angewiesen sind.
- Einfluss auf Einzelunternehmen: Auch auf Ebene der Einzelunternehmen bedeutet die Entwicklung der Biodiversität sowohl Chancen als auch Risiken. Ist das Naturkapital bedroht, verlieren viele Unternehmen die wirtschaftliche Grundlage. Einige Branchen sind unmittelbar an biologische Vielfalt und intakte Ökosysteme gebunden, darunter die Landwirtschaft und die Fischerei, die Pharma- und die Kosmetikindustrie, der Tourismus und die Wasserkraftwerke (vgl. Grafik). Aber auch andere Branchen sind im weiteren Sinne mit Biodiversitätsangelegenheiten verknüpft – etwa über Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, Lieferkettenmanagement oder Präferenzänderungen der Stakeholder.
- Biodiversität als Reputationsfaktor: Kein Unternehmen will als Umweltsünder bezeichnet werden. Dies umso weniger, als die Bevölkerung zunehmend für Biodiversitätsrisiken sensibilisiert ist. Das World Economic Forum führt jährlich eine Umfrage zu den grössten globalen Risiken durch. Im Jahr 2020 haben zum ersten Mal Umweltbedenken dominiert. Nach dem Klimawandel hat das Multistakeholder-Netzwerk des Forums den «Verlust der biologischen Vielfalt» als das zweitwirksamste und drittwahrscheinlichste Risiko für das nächste Jahrzehnt bewertet. In der Schweiz zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Das Bundesamt für Statistik hat im Jahr 2019 zum dritten Mal nach 2011 und 2015 eine Omnibus-Erhebung über Umweltqualität durchgeführt. In allen Bereichen sind Wohlbefinden und Zufriedenheit gesunken – in der Wohnumgebung ebenso wie beim Blick auf die Welt. 2015 und 2011 hatten 92 Prozent die Umweltqualität in der Schweiz als sehr gut oder eher gut qualifiziert, 2019 waren nur noch 84 Prozent dieser Ansicht. Als grösste Gefahr wahrgenommen werden der Rückgang der Biodiversität und der Klimawandel.
Zahlreiche Branchen sind unmittelbar an die biologische Vielfalt und intakte Ökosysteme gebunden.

Einfluss der Wirtschaft auf die Biodiversität
Der Zustand der Biodiversität beeinflusst die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen. Gleichzeitig beeinflussen Unternehmen aber auch die Biodiversität. Sie nutzen natürliche Ressourcen (z.B. sauberes Wasser) als Input für die Produktion, sie geben zum Teil Schadstoffe in die Umwelt ab (z.B. Abwasser oder Abfall) und sie bewirtschaften Flächen. Wirtschaftszweige wie z.B. der Rohstoffabbau oder die Landwirtschaft können Ökosysteme stark verändern – in beide Richtungen.
So lassen sich etwa über Kiesgruben und Steinbrüche nicht nur mineralische Rohstoffe wie Kalkstein und Mergel abbauen. Vielmehr bieten diese Abbaugebiete – wenn ökologisch bewirtschaftet – neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere, die in der heutigen Kulturlandschaft nur noch wenig geeignete Flächen vorfinden. Brutvögel wie Uferschwalben finden in den steilen Grubenwänden ideale Plätze, um ihre Nester zu bauen. Amphibien, Reptilien und Insekten bieten sich ideale Nischen zum Überleben oder um sich neu anzusiedeln.
Auch die Anlagepolitik von Investoren oder die Finanzierung von Staudämmen, Minen, Häfen oder Strassen wirken sich auf die Biodiversität aus. Bei sogenannten Projektfinanzierungen werden z.B. durch die Credit Suisse die IFC Performance Standards angewendet, die unter anderem «Biodiversity Conservation» (net positive impact) zum Ziel haben.
Auf der anderen Seite haben Unternehmen ein enormes Potenzial, um den Verlust der biologischen Vielfalt umzukehren. Dies kann etwa über Bewusstseinsbildung bei den Mitarbeitenden geschehen oder über die Auswahl von Lieferanten und Materialien. Auch die Gestaltung der Prozesse im Unternehmen selbst sind relevant sowie der Umweltimpact der angebotenen Produkte. Schliesslich spielt es eine Rolle, wie die Entsorgung bzw. Wiederverwertung allfälliger Abfälle gestaltet wird.
Biodiversität als Geschäftschance
Die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen unternehmerischer Tätigkeit und Biodiversität bieten auch Chancen für die Unternehmen. Diese liegen etwa in der Erschliessung neuer Kundenwünsche und damit neuer Märkte. Weitere Chancen liegen bei Kosteneinsparungen und der Steigerung der betrieblichen Effizienz, erhöhten Marktanteilen und besseren Beziehungen zu den Stakeholdern. Es gibt Schätzungen, die zeigen, dass sich nachhaltigkeitsbezogene globale Geschäftschancen auf Basis natürlicher Ressourcen (u.a. Energie, Forstwirtschaft, Nahrungsmittel, Landwirtschaft, Wasser, Metalle) bis 2050 im Bereich von 2 bis 6 Billionen US-Dollar bewegen könnten. So wird beispielsweise erwartet, dass der weltweite Markt für biologische Lebensmittel und Getränke um 16 Prozent pro Jahr wächst und bis 2022 327 Milliarden US-Dollar erreicht. Biodiversitätsförderung kann sich auch direkt in der Landwirtschaft auszahlen. Wenn Landwirte die Artenvielfalt auf ihren Wiesen und Weiden fördern, können sie gemäss neuer Forschung höhere Umsätze erzielen. Wachsen auf der Wiese mehrere Pflanzenarten statt nur eine, bleibt die Futterqualität zwar mehr oder weniger gleich, aber der Ertrag wird grösser. In artenreichen Landschaftsausschnitten ist die Produktivität zudem über die Jahre stabiler.
Biodiversität als Teil des Risikomanagements
Entscheidend für eine optimale Nutzung der Chancen ist, dass Biodiversitätsfaktoren in Schlüsseldimensionen der Geschäfts- und Investitionsentscheidung integriert werden. Dazu gehören Business-Strategie, Folgenabschätzung und Risikomanagement, externe Berichterstattung sowie Zertifizierungssysteme und Kommunikation. Es sind verschiedene Rechnungslegungsansätze in Erarbeitung, mit denen Unternehmen ihre Auswirkungen, Abhängigkeiten und Risiken auf die biologische Vielfalt bewerten und messen können sollen. Diese stützen sich unter anderem auf Life-Cycle-Assessments, den ökologischen Fussabdruck oder Umweltmanagementsysteme. Diese Ansätze müssen aber weiterentwickelt und verbessert werden, um den Einfluss des Wirtschaftens auf Ökosystemleistungen und Biodiversität noch genauer quantitativ erfassen zu können. Benötigt werden normierte Standards und Metriken, die allgemein anerkannt sind und auf Unternehmensebene eingesetzt werden können.
Neben der Erfassung von Auswirkungen auf die Biodiversität stehen den Unternehmen Möglichkeiten des Risikomanagements zur Verfügung. Beispiele sind die Konzepte des «no net loss», der «ökologischen Neutralität» oder des «net positive impact» sowie spezielle Managementregeln (z.B. für die Wassernutzung).
Wenn Unternehmen eigene Ausgleichsmassnahmen ausgeschöpft haben, können sie an anderer Stelle für einen Ausgleich («offset») ökologisch negativer Wirkungen sorgen. Einen Leitfaden zur direkten Umsetzung und Implementierung eines Biodiversitätsmanagement-Systems in Unternehmen bietet z.B. das «Handbuch Biodiversitätsmanagement», eine Veröffentlichung der «Biodiversity in Good Company»-Initiative.
Zusammenhang Finanzsektor und Biodiversität
Finanzierungs- und Investitionsentscheide spielen laut dem Weltbiodiversitätsrat IPBES für die Entwicklung der Biodiversität eine Schlüsselrolle. Gleichzeitig kommen PwC Schweiz und WWF Schweiz in ihrem neuen Bericht zum Schluss, dass die Finanzrisiken im Zusammenhang mit dem Verlust der Biodiversität im Jahbr 2020 zunehmend an Bedeutung gewinnen werden. Im Unterschied zur Klimapolitik besteht im Bereich Biodiversität bisher jedoch kein internationales Abkommen, das verlangt, dass Finanzflüsse biodiversitätsfreundlich umgelenkt werden müssten. Trotzdem integriert etwa der EU-Aktionsplan für «Sustainable Finance» das Thema Biodiversität als eines von sechs Zielkriterien der derzeit entstehenden Taxonomie.
Im Unterschied zur Berücksichtigung von allgemeinen Nachhaltigkeitskriterien steht die Integration von Biodiversitätsrisiken noch am Anfang. Dies unter anderem deswegen, weil diese ganz spezifisch an lokale Gegebenheiten geknüpft sind und eine sehr kleinräumige Betrachtung bedingen. Dies ist wesentlich komplexer als z.B. die Berücksichtigung von Klimaemissionen oder der Wirkungen derselben. Zudem fehlen bis heute oftmals Daten, die eine exakte Analyse zu Biodiversitätsrisiken ermöglichen würden. Credit Suisse hat in diesem Zusammenhang verschiedene «Thought Leadership»-Studien zu Conservation Finance herausgegeben, die der Berücksichtigung von Biodiversitätsrisiken und vor allem Biodiversitätschancen den Weg bereiten sollen. [1][2]
Im weiteren Sinne wird Nachhaltigkeit von Finanzdienstleistern jedoch schon seit über 30 Jahren berücksichtigt. Waren es zuerst vor allem Investments in Umweltthemen, ethische Ausschlüsse oder die Überprüfung von Umweltkreditrisiken, so sind nachhaltige Finanzen heute ein enorm breites Feld mit vielen Ansätzen und Produkten. Finanzdienstleister haben zahlreiche verschiedene Rollen, agieren aber immer als «Intermediäre» zwischen einem Investor (sei das ein Privatinvestor oder ein Staat) und der Realwirtschaft. Dies bedeutet auch, dass die Finanzunternehmen nicht allein in die Pflicht genommen werden können bezüglich Setzung von Wirkungszielen. Gleichzeitig ist es nicht sinnvoll, dass Finanzunternehmen nur mit solchen Betrieben geschäftlich tätig sind, die voll und ganz den Umweltansprüchen gerecht werden, sei es in der Produktion oder der Vermarktung.

4. Biodiversität: Position von economiesuisse
Biodiversität als Naturkapital schätzen
Für die Wirtschaft ist die Erhaltung der Biodiversität und ihrer wertvollen Leistungen ein wichtiges Anliegen. Im engen Zusammenwirken von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft kann dies durch folgende Massnahmen erreicht werden:
- Biodiversität bedeutet Naturkapital und damit Chancen und Risiken für die längerfristige wirtschaftliche Entwicklung. Unternehmen können sich diese Chancen zur Erschliessung neu entstehender Umweltmärkte und der Stärkung des Ansehens zunutze machen. Auf der anderen Seite kann sich ein Risiko- und Kostenmanagement für die Unternehmen lohnen. Durch eine bessere Berechenbarkeit des «Biodiversitätseffekts» kann dieser künftig besser in die Entscheidungsfindung der Märkte integriert werden.
- Angesichts der globalen Herausforderung der Biodiversität würde eine rein nationale Strategie nicht ausreichen. Insofern unterstützt die Wirtschaft eine konsequente Umsetzung des internationalen Biodiversitätsabkommens. Die Schweiz soll einen angemessenen Beitrag leisten. Gleichzeitig sind die bereits bestehenden Biodiversitätsleistungen der Wirtschaft anzuerkennen.
- Erfolgreicher Biodiversitätsschutz heisst, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen. Dabei gilt es, Zielkonflikte zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aktivität, landwirtschaftlicher Produktion, Ressourcen- und Landschaftsschutz zu adressieren. Bei der Schaffung und Evaluierung von Förderinstrumenten für die Biodiversität sind die unterschiedlichen Nutzungs- und Schutzinteressen zu berücksichtigen. Wichtig sind ausserdem Kosten- und Regulierungsfolgenabschätzungen für Bevölkerung und Wirtschaft sowie eine Klärung der Finanzierung sämtlicher Massnahmen und Aktivitäten.
- Es müssen Lösungen angedacht werden, welche die Behebung von staatlichen Fehlanreizen, die Internalisierung der Kosten der Naturnutzung, die Abgeltung von ökologischen Leistungen sowie den Einsatz von Zertifikaten prüfen. Aus Sicht der Unternehmen dürfen keine neuen bürokratischen Hürden resultieren. Im Vordergrund müssen eine marktkonforme Förderung und freiwillige Vereinbarungen stehen. So lassen sich auch eigenwirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen zum Schutz der Biodiversität entwickeln, die den hohen Ansprüchen im Sinne der «Swissness» gerecht werden.
- Nicht jeder Naturraum mit seiner jeweiligen Biodiversität ist gleich stark bedroht. Und nicht jeder Naturraum ist gleich stark mit unmittelbarer wirtschaftlicher Wertschöpfung verknüpft. Die Wirtschaft ist interessiert an Biodiversitätsmassnahmen, die leistungsorientiert und effizient gestaltet sind. Die Veränderung der Biodiversität sollte nicht allein quantitativ anhand der Artenzahl gemessen werden, sondern auch in Bezug auf ihre Funktionstüchtigkeit. Es muss mehr Wissen generiert werden, welche Menge und Art von Biodiversität notwendig ist, um sowohl die Biodiversität nicht zu gefährden als auch nachhaltig wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten zu garantieren.
- Letztendlich kommt auch den Konsumentinnen und Konsumenten eine wichtige Rolle zu. Ist die Nachfrage nach biodiversitätsfreundlichen Produkten oder Dienstleistungen vorhanden, wird der Markt diese auch bereitstellen. Trotzdem werden marktwirtschaftliche Lösungen nicht ausreichen. Die Allmendeproblematik verlangt, dass ein Minimum an Schutz durch andere Instrumente gesichert werden sollte.
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