# 2 / 2024
19.03.2024

Freihandelsabkommen mit Indien: Ein Meilenstein für die Schweizer Aussenwirtschaft

Freihandelsabkommen EFTA-Indien: Wie profitiert die Schweizer Wirtschaft?

Am 10. März 2024 haben die EFTA-Staaten (Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen) mit Indien in Delhi ein Freihandelsabkommen (nachfolgend: FHA) unterzeichnet (offiziell: Handels- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen / Englisch: Trade and Economic Partnership Agreement, TEPA).

Das Freihandelsabkommen EFTA-Indien im Überblick

  • Das FHA ist sektoriell umfassend. Es enthält Bestimmungen zum Handel mit Industriegütern, Landwirtschaftsprodukten, technische Handelshemmnisse, sanitäre und phytosanitäre Massnahmen (SPS), Ursprungsregeln, Handelserleichterungen, Dienstleistungshandel, den Schutz des geistigen Eigentums, Streitschlichtung und Handel und nachhaltige Entwicklung.
  • Eine Besonderheit des FHA stellt das Investitionskapitel dar. Unternehmen aus EFTA-Staaten sollen ihre Investitionen in Indien ausbauen.
  • Das FHA etabliert einen institutionalisierten Dialog (gemischter Ausschuss), um künftige Probleme lösen zu können.
  • Die Schweiz soll das FHA bis spätestens im Jahr 2025 ratifizieren. Hierzu muss das Abkommen zuerst durch das eidgenössische Parlament genehmigt werden. Bei Ausbleiben eines fakultativen Referendums und unter Berücksichtigung der Prozesse in Indien wird mit einem Inkrafttreten des FHA im Herbst 2025 gerechnet.

Die vier wichtigsten Erfolge für die Schweizer Wirtschaft

  1. Die Exportnation Schweiz lebt vom Zugang zu den grossen Märkten. Aktuell ist Indien als Handelspartner für die Schweiz noch relativ klein. Als bevölkerungsreichstes Land der Welt mit ambitionierten Wachstumszielen ist Indien jedoch ein strategischer Wirtschaftspartner für die Schweiz mit riesigem Potenzial.
  2. Neben einem breiten Marktzugang verbessert das FHA auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Rechtssicherheit und die Planbarkeit für Schweizer Firmen.
  3. Angesichts sich potenziell zuspitzender Spannungen zwischen den USA und China ist das FHA mit Indien eine Grundlage zur weiteren Diversifizierung der wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz mit ihren Handelspartnern.
  4. Die EFTA ist der erste europäische Partner, mit welchem Indien ein FHA abschliesst – notabene noch vor der EU oder UK. Somit liefert das FHA den Schweizer Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aktuell einen wichtigen Wettbewerbsvorteil.

Warenhandel

Indien erhob bisher auf Importprodukte sehr hohe Zölle. Mit dem FHA wird Indien die Zollansätze für 95.3 Prozent der Importe von Schweizer Industrieprodukten (ohne Gold) sofort oder mit Übergangsfristen aufheben bzw. teilliberalisieren.

  • Für 84.6 Prozent der Schweizer Exporte werden nach Ablauf der Zollabbaufristen (zwischen 0 bis 10 Jahren) sämtliche Zölle wegfallen.
  • 10.1 Prozent der Schweizer Exporte erhalten Teilkonzessionen (diese entsprechen mehrheitlich einer Reduktion der Zölle um 50 Prozent mit Übergangsfristen von bis zu 10 Jahren).
  • Das SECO schätzt, dass Schweizer Unternehmen nach Ablauf der Zollabbaufristen bis zu rund 167 Millionen Franken jährlich werden einsparen können. Eine weitere Schätzung (Prof. Ziltener, 2024) geht sogar von möglichen Einsparungen von über 210 Millionen Franken pro Jahr aus
  • Die Schweiz hat ihre Zölle auf Industriegüter bereits per 1. Januar 2024 unilateral abgeschafft, weshalb diese in den Verhandlungen mit Indien keine Rolle gespielt haben.

Für wichtige Schweizer Exportprodukte (Auswahl) bringt das FHA mit Indien folgende Zollerleichterungen:

Die Weidmann Gruppe in Indien

Eines der zahlreichen Schweizer Unternehmen, welches vom FHA profitieren wird, ist die Weidmann Gruppe – ein weltweit führender Anbieter von technischen Produkten und Dienstleistungen für die Elektro- und Medizintechnik. Das Unternehmen mit Sitz in Rapperswil produziert in Indien mit einem Lizenzpartner Isolationskomponenten und verwendet dazu Material aus der Schweiz.

Franziska Tschudi Sauber, Verwaltungsratspräsidentin der Weidmann Gruppe: «Wir werden durch das Freihandelsabkommen nur noch viel tiefere oder sogar gar keine Importzölle mehr zahlen müssen. Damit werden wir konkurrenzfähiger und sind dadurch besser gewappnet auf dem indischen Markt gegenüber unserer Konkurrenz aus China und der Türkei.»

Dienstleistungen

Im Rahmen des FHA gewährt Indien den EFTA-Staaten deutlich mehr Zugeständnisse als im Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) vorgesehen.

  • Schweizer Finanzdienstleister profitieren von klaren und transparenten Fristen zur Bewilligung von Lizenzen. Ausserdem wird der Anteil an ausländischem Kapital im Versicherungsbereich bis zu 49 Prozent ermöglicht und bei den Banken von 51 auf 74 Prozent erhöht.
  • Indien verpflichtet sich zur Zulassung von Installations- und Wartungspersonal von Maschinen für einen Aufenthalt von bis zu 3 Monate pro Jahr.

Schutz des Geistigen Eigentums

Das FHA sichert den Kerngedanken beim Schutz des Geistigen Eigentums und entspricht grundsätzlich dem Schutzniveau des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS). Dennoch wird es hier in Zukunft weitere Verbesserungen brauchen.

  • Das FHA enthält Garantien, dass patentgeschützte Schweizer Exporte nicht gegenüber lokal produzierten Produkten diskriminiert werden («working the patent»). Dieser Grundsatz ist eigentlich bereits durch das TRIPS-Abkommen rechtlich verbindlich, führte aber in Indien immer wieder zu Problemen. Diese langjährige Rechtunsicherheit wird durch das FHA nun beseitigt.
  • Im Bereich des Testdatenschutzes für Arzneimittel liegt das Ambitionsniveau des FHA auf dem Niveau des TRIPS-Abkommens. Es schränkt den Zugang zu Medikamenten in Indien nicht ein. Dennoch wird es in diesem Bereich künftig noch weitere Fortschritte brauchen. Der Schutz von Testdaten muss genügend hoch sein, damit es nicht zu unfairem Wettbewerb kommt.
  • Substanzielle Verbesserungen konnten auch beim Schutz der Swissness und den geografischen Angaben (z.B. Bezeichnung für Käse) erzielt werden. Diese sind für viele Schweizer Branchen zentral, so beispielsweise für die Uhren- und Lebensmitteindustrie.

Der Zugang der indischen Bevölkerung zu Generika-Medikamenten

Die Schweiz hat sich in den FHA-Verhandlungen für eine Lösung eingesetzt, welche sowohl die Förderung von innovativen Arzneimitteln berücksichtigt wie auch den Zugang der indischen Bevölkerung zu Medikamenten sicherstellt.

  • Das FHA bekräftigt die TRIPS-Regelung zu Zwangslizenzen.
  • Das FHA enthält Vereinfachungen in Bezug auf Patenterteilungsverfahren. Das ist auch im Interesse der indischen Generika-Produzenten.

Investitionen

Um die Armut weiter zu reduzieren, muss Indien dringend Jobs kreieren. Angesichts der tiefen Nachfrage im Binnenmarkt will das Land in den kommenden Jahren auf Exporte setzen. Hierzu braucht es mehr ausländische Direktinvestitionen um rascher die Produktestandards in den grossen Märkten wie den USA und Europa erreichen zu können. Die Schweiz, welche zu den weltweit 12 grössten Direktinvestorinnen gehört, ist hierbei eine interessante Partnerin.

  • Im Rahmen des FHA verpflichten sich die EFTA-Staaten ihre Investitionen in Indien zu fördern. Die diesbezügliche Zielgrösse beträgt USD 100 Milliarden an Investitionen sowie die Schaffung von 1 Million Arbeitsplätzen über die nächsten 15 Jahre.
  • Indien verpflichtet sich seinerseits um die Schaffung bzw. Aufrechterhaltung eines günstigen Investitionsklimas.
  • Das FHA sieht ein dreistufiges, mehrjähriges Konsultationsverfahren (Gemischter Ausschuss, Unterausschuss, Ministerebene) vor, das von Indien aufgerufen werden kann, falls die Zielgrösse nach 15 Jahren nicht erreicht worden ist.

Direktinvestitionen und Nachhaltigkeit

Die EFTA-Staaten und Indien haben sich im Rahmen des FHA auf ein rechtsverbindliches Kapitel zu Handel und Nachhaltigkeit geeinigt. Dieses gilt für alle Aspekte des FHA, also auch für den Investitionsbereich.

  • Die Parteien bekräftigen ihre Verpflichtungen zur Umsetzung der internationalen Übereinkommen im Bereich Arbeit, Umwelt und Klimaschutz, welche sie ratifiziert haben.
  • Weiter ist die Einsetzung eines Gemischtes Ausschusses vereinbart worden, wo Themen wie Menschen- und Arbeitsrechte mit Indien diskutiert werden können.