Unternehmenssteuerreformen: Wann werden die Mehreinnahmen kompensiert?

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) hat eine Motion verabschiedet, mit der sie angebliche Mindereinnahmen aus der Unternehmenssteuerreform II kompensieren will. In einem ersten Schritt müssen aber die Mehreinnahmen dieser Reform eruiert werden. Sie dürften – wie schon bei der Unternehmenssteuerreform I – bedeutend sein.

Standortstärkende und wachstumsfördernde Unternehmenssteuerreformen sind unter dem Strich auch für den Fiskus ein Gewinn: Diese Erkenntnis wird in der anhaltenden Debatte um angebliche Steuerausfälle als Folge der Unternehmenssteuerreform II zu wenig beachtet. Erhellend ist ein Blick zurück: So rechnete man bei der 1997 in Kraft gesetzten Unternehmenssteuerreform I für den Fiskus mit Mindereinnahmen von 420 Millionen Franken. Zur Teilkompensation wurde damals die Stempelsteuer im Umfang von 100 Millionen Franken ausgeweitet. Im Übrigen erhoffte sich der Bundesrat Mehrerträge als Resultat eines positiven Effekts der Reform auf den Wirtschaftsstandort Schweiz. Diese Hoffnung war berechtigt: So führte die Reform zu einem starken Anstieg von Unternehmenszuzügen. Die Einnahmen des Bundes aus der direkten Bundessteuer stiegen innerhalb von nur drei Jahren um rund zwei Milliarden Franken an. Inzwischen hat der Bundesrat den Zusammenhang zwischen der Unternehmenssteuerreform I und diesen Steuermehreinnahmen bestätigt. Eine Kompensation der hohen Mehreinnahmen durch eine Reduktion der Unternehmensgewinnsteuer beim Bund hat aber trotzdem nie stattgefunden.

Im Rahmen der vom Volk 2008 angenommenen Unternehmenssteuerreform II trat am 1. Januar 2011 das sogenannte Kapitaleinlageprinzip in Kraft. Damit wurde eine verfassungswidrige Mehrfachbesteuerung von Eigenkapital bei Anteilsinhabern von Gesellschaften und Genossenschaften beseitigt. Die künftige Steuerfreiheit der Rückzahlung von Kapitaleinlagen wurde im Abstimmungsbüchlein des Bundes erwähnt. Auf eine Schätzung der diesbezüglichen Mindereinnahmen für den Fiskus wurde allerdings mangels verlässlicher Daten verzichtet. Inzwischen haben die Unternehmen ihre Kapitaleinlagen bei der Steuerverwaltung gemeldet. Auf Basis dieser Meldungen und der 2011 erfolgten Rückzahlungen rechnet der Bundesrat heute mit Mindereinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden von 480 bis 600 Millionen Franken. Diese Grössenordnung ist mit den schon bei der Unternehmenssteuerreform I befürchteten, aber nicht eingetretenen Mindereinnahmen vergleichbar.


Eine Schätzung der Mehreinnahmen aus der Unternehmenssteuerreform II hat bis heute nicht stattgefunden. Diese Mehreinnahmen dürften aber beträchtlich sein: So zogen aufgrund der Einführung des Kapitaleinlageprinzips mehrere Grosskonzerne mit Milliardenumsätzen in unser Land. Zudem löst die Einführung des Kapitaleinlageprinzips und die damit verbundene Stärkung der Risikokapitalfinanzierung erhebliche Wachstumseffekte aus. In dieses Bild passt, dass sich die behaupteten Steuerausfälle in den Zahlen des Bundes nicht nachweisen lassen: So erzielte z.B. die Verrechnungssteuer 2011, als mit den grössten Auswirkungen gerechnet werden musste, sogar ein Spitzenergebnis und auch bei der Einkommenssteuer können bis heute keine negativen Auswirkungen festgestellt werden.

Der Grundsatz, dass die Diagnose vor der Behandlung erfolgen soll, muss auch bei der Debatte um die finanziellen Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform II berücksichtigt werden. Vor der Beschlussfassung über Kompensationsmassnahmen gilt es, in einer dynamischen Betrachtung die mit der Unternehmenssteuerreform II ausgelösten Mehreinnahmen zu erheben. Diese dürften insbesondere für die direkte Bundessteuer schon heute beachtlich sein.