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Strukturwandel in der Schweiz: Fakten und Wahrnehmung

28.11.2017

Auf einen Blick

Die Angst in der Öffentlichkeit vor einer drohenden Massenarbeitslosigkeit ist gross. Befürchtet wird, dass durch die Digitalisierung Tausende Arbeitsplätze verloren gehen. Geprägt durch die Vorstellung, der Mensch werde durch den Roboter ersetzt, wird der technologische Fortschritt zusehends als Bedrohung empfunden. Trotz dieser Befürchtungen gibt es auf dem Schweizer Arbeitsmarkt keine Anzeichen für eine Verknappung von Arbeitsplätzen. Ganz im Gegenteil: Jahr für Jahr werden mehr Stellen geschaffen als abgebaut. Wie kann vor diesem Hintergrund die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Realität erklärt werden?

Das Wichtigste in Kürze

Es vergeht kein Tag, ohne dass in den Medien ein Artikel über die Digitalisierung erscheint, an einer Tagung über die Zukunft der Arbeit diskutiert wird oder Studien publiziert werden, die über die zu erwartenden Veränderungen in der Wirtschaftswelt berichten. Dabei geht es fast immer um die Frage, ob der Menschheit die Arbeit ausgehen wird. Kommt es aber tatsächlich zu einer Verdrängung von Arbeit durch Technologie? Um diese Frage zu beantworten, wird einerseits die Dynamik der Stellenentwicklung in der Schweiz über die letzten 100 Jahre betrachtet. Andererseits wird ein Fokus auf das Jahr 2015 gelegt, an dessen Anfang die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Wechselkursuntergrenze zum Euro aufgehoben hat. Und zuletzt wird untersucht, in welcher Art die Medien über den Strukturwandel berichten. Die Analysen bringen zum Vorschein, dass es derzeit weit und breit keine Anzeichen für eine Verdrängung von Arbeit durch Technologie gibt. Im Gegenteil: Selbst im Jahr 2015, als die wirtschaftliche Entwicklung durch den Frankenschock stark beeinträchtigt war, wurden über 30’000 Stellen mehr geschaffen als abgebaut. Nicht nur der Staat, sondern auch die Privatwirtschaft hat netto Arbeitsplätze geschaffen. Trotzdem wurde in den Medien doppelt so häufig und drei Mal so prominent über abgebaute Stellen berichtet. Angesichts der direkten Auswirkungen abgebauter Stellen auf die betroffenen Arbeitnehmer ist dies zwar nachvollziehbar. Dennoch führt die Berichterstattung zu einer verzerrten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.

Position economiesuisse

  • Jeden Tag werden in der Schweiz durchschnittlich 1350 Stellen geschaffen, und es gehen deutlich weniger verloren. Jeden Monat entstehen über 40’000, pro Jahr fast eine halbe Million neue Arbeitsplätze in der Schweiz. Damit treten rund zehn Prozent der Beschäftigten pro Jahr eine Stelle in Unternehmen an, die entweder neu gegründet werden oder wachsen.
  • Selbst im Jahr 2015, als die Wirtschaft stark vom Frankenschock in Mitleidenschaft gezogen wurde, schuf die private Wirtschaft insgesamt mehr Stellen als verloren gingen.
  • Branchen mit vielen Firmenschliessungen schaffen per Saldo mehr Stellen.
  • Auch schrumpfende Branchen schaffen viele neue Stellen: Von fünf abgebauten Jobs werden vier in anderen Unternehmen wieder aufgebaut.
  • Dennoch dominieren Arbeitsplatzverluste in der öffentlichen Wahrnehmung: Medien berichten doppelt so häufig und drei Mal so prominent über Arbeitsplatzverluste als über neu geschaffene Stellen.
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Technischer Wandel: Bedrohung für die Menschheit?

Spätestens seit dem Weltwirtschaftsforum 2016 ist das Thema industrielle Revolution 4.0 allgegenwärtig. Es vergeht kein Tag, ohne dass in den Medien ein Artikel über die Digitalisierung erscheint, an einer Tagung über die Zukunft der Arbeit diskutiert wird oder Studien publiziert werden, die über die zu erwartenden Veränderungen in der Wirtschaftswelt berichten. Vielfach wird der Fokus auf mögliche negative Folgen der Digitalisierung gelegt. Dabei geht es fast immer um die Frage, ob der Menschheit die Arbeit ausgehen wird. Wie eine Erhebung der weltgrössten Kommunikationsagentur Edelmann in 28 Ländern aufzeigt, sehen 54 Prozent der Arbeitnehmenden die Automatisierung als direkte Bedrohung für ihren Job.

Dass neue Technologien ganze Branchen umpflügen können, ist eine unbestrittene Tatsache. Auch Uber, Airbnb und andere digitale Dienstleister bringen etablierte Betriebe in Bedrängnis. Es ist absehbar, dass künstliche Intelligenz, 3D-Drucker, Sensorik, Robotik und viele andere Errungenschaften auch in Zukunft grosse Veränderungen in der Wirtschaft verursachen werden.

Die Vorstellung eines drohenden Jobverlusts entfacht verständlicherweise existenzielle Ängste. Geschürt hat diese Ängste unlängst eine Studie aus dem Hause Oxford. Diese kommt zum Schluss, dass 47 Prozent aller Jobs in den USA mit grosser Wahrscheinlichkeit der Automatisierung und Computerisierung zum Opfer fallen werden.

Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass diese Befürchtungen durchaus nicht neu sind. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts befürchteten englische Arbeiter den Verlust ihrer Stelle und wehrten sich dagegen, teils mit gezielten Maschinenzerstörungen. Auch im Zürcher Oberland wurde 1831 eine Maschinenweberei von aufgebrachten Heimwebern angezündet. Während der grossen Depression in den 1930er-Jahren sprach Keynes von der «technologischen Arbeitslosigkeit».

Die grundsätzliche Problematik besteht darin, dass bei technologischen Umwälzungen die möglichen negativen Auswirkungen in Form von Jobabbau sehr viel einfacher und konkreter vorstellbar sind, als sich ein Bild über die möglichen neu entstehenden Stellen zu machen. Mit anderen Worten wird wohl die Zahl der Jobs, die künftig wegfallen werden, deutlich überschätzt, die Zahl der neuen Stellen hingegen deutlich unterschätzt. Diese Hypothese möchten wir im Folgenden überprüfen, indem wir erstens die Dynamik der Stellenentwicklung in der Schweiz über die letzten 100 Jahre betrachten. Zweitens legen wir einen Fokus auf das Jahr 2015, an dessen Anfang die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Wechselkursuntergrenze zum Euro aufgehoben hat. Wie haben sich die Stellen nach dem «Frankenschock» verändert? Und drittens untersuchen wir, in welcher Art die Medien über den Strukturwandel berichten.

Die Arbeitswelt verändert sich, aber Arbeit geht nicht aus

Ein Blick in die Statistikbücher zeigt, dass die Anzahl erwerbstätiger Personen in der Schweiz kontinuierlich gestiegen ist. Waren 1888 noch etwa 1,3 Millionen Personen auf dem inländischen Arbeitsmarkt tätig, waren es 2016 knapp fünf Millionen. Wie Abbildung 1 zeigt, stieg die Anzahl der Beschäftigten stetig an, obwohl in der gleichen Zeit grosse technische Errungenschaften gemacht wurden.

Grafik 1

Keine technische Errungenschaft der letzten Jahrzehnte vermochte die Zahl der Erwerbstätigen zu mindern – im Gegenteil.

Anzahl Erwerbstätige in Millionen und wichtige technologische Erfindungen

Eine Verdrängung von Arbeit durch Technologie könnte sich allenfalls auch bei einer steigenden Zahl von Erwerbstätigen ergeben, wenn sich gleichzeitig die Erwerbslosenquote erhöhen und/oder die Erwerbsquote sinken würde. Dies würde bedeuten, dass die Bevölkerung noch stärker zunimmt als die Zahl der Erwerbstätigen.

Eine Verdrängung lässt sich weder in der Erwerbslosenquote noch in der Erwerbsquote feststellen. Während die Erwerbslosenquote in den letzten 20 Jahren in etwa konstant geblieben ist – wobei es immer wieder Phasen mit vergleichsweise niedriger oder hoher Erwerbslosigkeit gab –, ist die Erwerbsquote seit 1996 sogar von 80 auf 83 Prozent gestiegen. Anzeichen für einen signifikanten Verdrängungseffekt oder gar eine Massenarbeitslosigkeit gibt es also nicht.

Nicht nur gab es im Laufe der Zeit mehr Arbeit, sondern auch mehr Lohn, und das bei sinkender Arbeitszeit. Wie Abbildung 2 verdeutlicht, arbeiteten die Menschen in der Schweiz um 1890 im Schnitt noch etwas über 60 Stunden pro Woche. Heute sind es knapp 42 Stunden. In der gleichen Periode ist unser Reallohn stark gestiegen. Mehr Lohn bei weniger Arbeit? Ohne technologischen Fortschritt wäre das undenkbar.

Grafik 2

In der Schweiz ist in den letzten 100 Jahren bei mehr Lohn weniger lang gearbeitet worden.

Entwicklung der Wochenarbeitszeit und Reallohnindex

Auch wenn auf aggregierter Ebene keine Verdrängung zu beobachten ist, bedeutet dies nicht, dass gar keine Veränderungen stattgefunden haben. Während in den 1970er- und 1980er-Jahren die Arbeitslosigkeit unter Niedrigqualifizierten etwa gleich verbreitet war wie unter Mittel- und Hochqualifizierten, stieg sie in den darauffolgenden Jahrzehnten auf ein Vielfaches. Der technologische Wandel verursachte zwar keine generelle Verdrängung von Arbeit, wohl aber von ungelernter Arbeit. Während die Nachfrage nach Niedrigqualifizierten stetig sank, ist jene nach den Hochqualifizierten gestiegen.

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Der Arbeitsmarkt: ständig in Bewegung

Die bisherige Analyse hatte einen langfristigen Horizont von mehr als 100 Jahren. Es zeigte sich, dass die Zahl der Erwerbstätigen kontinuierlich gestiegen ist. Doch die langfristige Betrachtung überdeckt die hohe Dynamik des Strukturwandels innerhalb eines Jahres, innerhalb und zwischen den Branchen. Deshalb haben wir die Dynamik des Arbeitsmarkts anhand der Statistik der Unternehmensstruktur STATENT des Bundesamts für Statistik (BFS) für das Jahr 2015 analysiert. Dieses Jahr eignet sich auch deswegen hervorragend, weil an dessen Anfang die Schweizerische Nationalbank die Wechselkursuntergrenze gegenüber dem Euro aufgegeben hat. Der Frankenschock hat gewisse Ähnlichkeiten mit einem Technologieschock: Er zwingt zu Strukturanpassungen und zu Innovation. Allerdings vollzieht er sich im Gegensatz zur technologischen Entwicklung viel rascher. Wie viele Stellen wurden nun tatsächlich 2015 zerstört und geschaffen?

Die Auswertungen zeigen, dass im Jahr 2015 in der Schweiz 460’296 Stellen abgebaut wurden. Dies entspricht etwa 9,1 Prozent der gesamten Beschäftigung. Anders ausgedrückt sind pro Monat rund 38’400 und pro Tag über 1250 Jobs verschwunden. 168’663 der insgesamt 460’296 abgebauten Stellen wurden durch Firmenschliessungen verursacht, was einem Anteil von 36,6 Prozent entspricht. Die restlichen 63,4 Prozent (291'633 Stellen) gehen zulasten von bestehenden Unternehmen. Diese beeindruckenden Zahlen scheinen zu zeigen, dass der Frankenschock auf den Arbeitsmarkt sehr gravierende Konsequenzen zeitigte. Für die exportierende Branche stimmt diese These sicherlich, doch aggregiert betrachtet sind im selben Zeitraum auch 492’604 Stellen geschaffen worden, was etwa 9,8 Prozent der gesamten Beschäftigung entspricht. Pro Monat sind das rund 41’000 und pro Tag etwa 1350 neue Arbeitsplätze. Von den neu geschaffenen Stellen entfielen 184'189 (37,4 Prozent) auf neue Unternehmen, während bestehende Unternehmen 308’415 (62,6 Prozent) Stellen aufgebaut haben.

Die Analyse zeigt also eine ausgesprochen hohe Dynamik von Stellenabbau und Stellenaufbau. Durchschnittlich wurden 2015 zwar mehr als 1000 Stellen pro Tag abgebaut, aber noch mehr Stellen wurden geschaffen. Doch diese Zahlen unterschätzen die Dynamik des Arbeitsmarkts sogar aus zwei Gründen. Erstens basieren die Auswertungen lediglich auf den Veränderungen des Mitarbeiterbestands der Unternehmen innerhalb eines Jahres. Daher werden Beschäftigungsformen, die kürzer als ein Jahr dauern, nicht erfasst. Zudem bleiben Stellenrestrukturierungen innerhalb eines Unternehmens unberücksichtigt, da sie sich nicht aufs Beschäftigungssaldo auswirken. Überträgt man diese Überlegungen auf unsere Statistik, bedeutet dies, dass im Jahr 2015 rund 15 Prozent der Stellen oder pro Tag rund 2000 Stellen neu geschaffen wurden.

Nun stellt sich die Frage, ob das Jahr 2015 eine Ausnahmesituation darstellt, die eine ungewöhnlich hohe Dynamik aufweist. Vergleichen wir dazu die Schweiz im Zeitablauf und mit anderen Ländern. Einen Hinweis über die Dynamik auf den Arbeitsmärkten gibt eine OECD-Statistik, welche die Dauer der aktuellen Beschäftigung misst. Diese Statistik wird aus Arbeitnehmersicht erstellt. Sie verdeutlicht, dass in der Schweiz 2015 751'000 Personen seit weniger als einem Jahr ihrer aktuellen Tätigkeit nachgingen. Dies entspricht 16,3 Prozent aller Erwerbstätigen. Zwischen 2000 und 2016 bewegte sich dieser Anteil zwischen 13,7 und 16,4 Prozent. Mit anderen Worten stellt das Jahr 2015 keinen Ausreisser dar, sondern zeigt ein Jahr mit hoher, aber nicht aussergewöhnlicher Dynamik.

Wie steht die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern bezüglich Dynamik da? Während in skandinavischen Staaten die Rotationsziffer noch höher liegt, ist sie bei den südeuropäischen Ländern teils deutlich tiefer. So gaben 2015 in Dänemark 21 Prozent aller Arbeitnehmenden an, die aktuelle Stelle seit weniger als einem Jahr zu besetzen. Für Schweden betrug dieser Wert 19,6 Prozent. Unsere Nachbarn Deutschland (13,0 Prozent), Frankreich (12,6 Prozent) und auch Österreich (14,9 Prozent) kommen alle auf eine teils deutlich niedrigere Rotationsziffer. In Italien und Griechenland liegt die Rotation mit 10,0 bzw. 10,1 Prozent deutlich am tiefsten.

Tabelle 1

Durchschnittlich sind 2015 jeden Tag 88 Stellen mehr geschaffen als abgebaut worden.

Stellenabbau und Stellenaufbau auf dem Schweizer Arbeitsmarkt im Jahr 2015

Kontinuierlicher Prozess der schöpferischen Zerstörung

Die grosse Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ist das Ergebnis einer laufenden Neuverteilung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Denn beide Produktionsfaktoren werden durch die Unternehmen in einer optimalen Kombination eingesetzt. Kleine und grössere technologische und methodische Fortschritte führen dazu, dass die optimale Zusammensetzung von Arbeit und Kapital sich fortlaufend verändert. Dadurch müssen bestehende Strukturen aufgelöst werden, wobei die Produktionsfaktoren neu zusammengesetzt werden. Dieser Prozess wird als schöpferische Zerstörung bezeichnet, denn er geht mit einer Erhöhung der Produktivität einher und er lässt sich gut veranschaulichen, indem man die Neuverteilungen von Arbeit über die einzelnen Branchen betrachtet.

Interessant ist die Einsicht, dass auch jene Branchen, die traditionell immer mehr an Bedeutung verlieren, eine grosse Anzahl Stellen schaffen. Dies widerspricht der weitverbreiteten Auffassung, dass in schrumpfenden Branchen Arbeitsplätze vernichtet werden, während in aufsteigenden Branchen neue entstehen. So wurden 2015 beispielsweise im Detailhandel 31’570 Stellen geschaffen. Bei den schrumpfenden Branchen, die entsprechend ein negatives Beschäftigungssaldo aufweisen, liegt das Verhältnis von abgebauten und neuen Stellen insgesamt bei 78,6 Prozent. Mit anderen Worten werden in diesen Wirtschaftszweigen trotz der insgesamt negativen Beschäftigungsentwicklung vier von fünf abgebauten Stellen wieder in derselben Branche aufgebaut. Die Verschiebung der Beschäftigung zwischen den Branchen und der damit einhergehende Wandel auf dem Arbeitsmarkt schreiten viel langsamer voran, als man vielleicht meinen könnte.

Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis ist die Tatsache, dass in Branchen mit positivem Beschäftigungssaldo der Anteil abgebauter Stellen durch Firmenschliessungen höher liegt als in Branchen mit negativem Beschäftigungssaldo. Die Dynamik der Markteintritte und -austritte und somit auch die Neuverteilung von Arbeit wirken sich also positiv auf die Beschäftigung innerhalb einer Branche aus.

Beeindruckend ist auch die Dynamik der Übergänge zwischen Erwerbstätigkeit und Erwerbslosigkeit. So zeigen , dass sich zwischen Beginn und Ende des Jahres 2016 die Zahl der Stellensuchenden von 220’000 auf 223’000 Personen erhöht hat. Aber lediglich 60’000 der 220’000 Personen waren sowohl am Anfang wie auch am Ende des Jahres im Bestand der Stellensuchenden. In der gleichen Periode meldeten sich neu 323’000 Personen bei den Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen (RAV), während sich abmeldeten.

Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ist überwältigend. Tagtäglich gehen also weit mehr als 1000 Stellen verloren und noch mehr werden geschaffen. Wie aber lassen sich derart grosse Bewegungen erklären?

Tabelle 2

Sowohl privatwirtschaftliche wie staatsnahe Branchen haben 2015 über 10 Prozent neue Stellen aufgebaut.

Stellenabbau und Stellenaufbau nach ausgewählten Branchen

Tabelle 2 zeigt auf, wie stark die exportierenden Unternehmen vom «Frankenschock» in Mitleidenschaft gezogen wurden. So zeigt sich, dass im Maschinenbau 3,2 Prozent aller Stellen netto abgebaut werden mussten.

Wie sich ebenfalls zeigt, schuf 2015 der Staat viele neue Stellen. Leider lässt sich zwar nicht trennscharf über alle Branchen zwischen Staat und Privatwirtschaft unterscheiden, aber diese lassen sich immerhin grob zuordnen. Die Auswertung zeigt dann, dass 2015 nicht nur der Staat Arbeitsplätze aufbaute, sondern auch die Privatwirtschaft. Dies ist vor dem Hintergrund des Frankenschocks überraschend. Während der vorwiegend staatliche Bereich 2015 32’418 Stellen geschaffen hat (wobei fast 40 Prozent auf das Gesundheitswesen entfallen), schufen die Privaten trotz Frankenkrise insgesamt 1525 Stellen. Die Beschäftigungsbilanz der Branchen, die nicht eindeutig dem Staat oder der Privatwirtschaft zugeordnet werden können, betrug rund minus 1000 Stellen.

Welche Branchen sind privat, welche vorwiegend staatlich?

Zu den staatlich organisierten Branchen zählen:

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherungen; Erziehung und Unterricht; Gesundheitswesen; Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime) und das Sozialwesen (ohne Heime)

Zu den privatwirtschaftlich organisierten Branchen zählen:

Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden; Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln, Getränken und Tabakerzeugnissen; Herstellung von Textilien, Bekleidung, Leder, Lederwaren und Schuhen; Herstellung von Holzwaren, Papier, Pappe und Waren daraus; Herstellung von Druckerzeugnissen; Kokerei, Mineralölverarbeitung und Herstellung von chemischen Erzeugnissen; Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen; Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren sowie von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden; Metallerzeugung und -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen; Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen, optischen Erzeugnissen und Uhren; Herstellung von elektrischen Ausrüstungen; Maschinenbau; Fahrzeugbau; sonstige Herstellung von Waren, Reparatur und Installation von Maschinen und Ausrüstungen; Energieversorgung; Hoch- und Tiefbau; vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe; Handel mit Motorfahrzeugen; Instandhaltung und Reparatur von Motorfahrzeugen; Grosshandel (ohne Handel mit Motorfahrzeugen); Detailhandel (ohne Handel mit Motorfahrzeugen); Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen; Schifffahrt und Luftfahrt; Lagerei sowie Erbringung von sonstigen Dienstleistungen für den Verkehr; Beherbergung; Gastronomie; Verlagswesen, audiovisuelle Medien und Rundfunk; Telekommunikation; Informationstechnologische und Informationsdienstleistungen; Erbringung von Finanzdienstleistungen; Versicherungen, Rückversicherungen und Pensionskassen (ohne Sozialversicherung); mit Finanz- und Versicherungsdienstleistungen verbundene Tätigkeiten; Grundstücks- und Wohnungswesen; Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung; Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben; Unternehmensberatung; Architektur- und Ingenieurbüros; technische, physikalische und chemische Untersuchung; sonstige freiberufliche, wissenschaftliche und technische Tätigkeiten; Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen; Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften

Zu den nicht zuordnungsbaren Branchen zählen:


Land- und Forstwirtschaft und Fischerei; Post-, Kurier- und Expressdienste; Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen; Forschung und Entwicklung

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Woher kommt die Angst vor der «Robokalypse»?

Die Ausführungen im vorangehenden Abschnitt haben aufgezeigt, dass der Strukturwandel in der Schweiz kontinuierlich vonstattengeht und der Arbeitsmarkt eine hohe Dynamik aufweist. Und dennoch besteht der Eindruck, dass der Strukturwandel zu hohen Stellenverlusten führt, die nicht über neu geschaffene Stellen kompensiert werden können. Wie lässt es sich erklären, dass sich die öffentliche Debatte überwiegend um die negativen Folgen der technologischen Entwicklung auf den Arbeitsmarkt dreht? Woher kommt die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen und der wahrgenommenen Entwicklung?

Um diese Frage zu beantworten, führten wir eine Medienanalyse durch. Hierzu wurden die 2015er-Ausgaben der fünf Tageszeitungen «Neue Zürcher Zeitung», «Tagesanzeiger», «Aargauer Zeitung», «Blick» und «20 Minuten» auf Artikel zu Stellenabbau und neuen Stellen durchsucht.

Im betrachteten Zeitraum erschienen insgesamt 218 Artikel mit Bezug auf abgebaute und geschaffene Stellen. Davon vermeldeten 146 Beiträge wegfallende Jobs. Mit anderen Worten berichten zwei von drei Zeitungsartikeln über den Abbau von Arbeitsplätzen, während nur jeder dritte Artikel von neuen Stellen berichtet. Ein überraschendes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass 2015 auf dem Schweizer Arbeitsmarkt über 30’000 Stellen mehr entstanden sind als abgeschafft wurden.

Die Zahl der Artikel ist nicht alleine ausschlaggebend. Die Wahrnehmung wird vor allem auch durch die Prominenz eines Artikels geprägt. Ein halbseitiger Beitrag wird viel stärker wahrgenommen als eine Kurzmeldung, die aus drei Zeilen besteht. Für die Rezeption ist die Länge des Artikels von grosser Bedeutung. Laut einer Studie von Eye Square und der Zeitungs Marketing Gesellschaft ZMG werden grosse Anzeigen drei Mal länger betrachtet als kleine. (http://www.die-zeitungen.de/forschung-studien/zeitungswerbung/wahrnehmung-von-zeitungsanzeigen.html)

Von den 218 analysierten Artikeln wurden insgesamt 57 prominent dargestellt. Von diesen 57 prominenten Meldungen berichten 43 von der Zerstörung von Jobs. Mit anderen Worten sind drei von vier grossen Berichten negativ. Während es insgesamt doppelt so viele Meldungen zum Jobabbau gibt, sind die prominenten Artikel sogar dreifach in der Überzahl gegenüber positiven Nachrichten zum Jobaufbau. Zieht man die Mehrfachmeldungen ab, steigt dieses Verhältnis gar ins Vierfache.

Tabelle 3

Die beobachteten Medien berichteten im Jahr 2015 doppelt so häufig über Stellenabbau als über die Schaffung neuer Jobs.

Auswertung der Medienanalyse 2015

Zählt man die abgebauten Stellen in den einzelnen Medienberichten zusammen, so wird ersichtlich, dass auch die Dynamik des Stellenabbaus deutlich unterschätzt wird. Nur rund 6,6 Prozent aller Stellen, die abgebaut wurden, wurden 2015 auch in den Medien erwähnt. Beim Stellenaufbau liegt dieser Wert sogar mit 2,9 Prozent deutlich tiefer.

Wenn Medien doppelt so häufig und drei Mal so prominent über Arbeitsplatzverluste berichten als über neu geschaffene Stellen, hat dies auch mit der Natur der Sache zu tun: Bei einem Konkurs oder einer Umstrukturierung einer Firma sind die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden oder auch auf eine Region ziemlich konkret und unmittelbar. Demgegenüber findet der Stellenaufbau eher schleichend statt, und dieser wird von den Unternehmen nur selten kommuniziert. Eine Medienschelte wäre daher fehl am Platz. Und dennoch wäre es wünschenswert, wenn bei Berichten über den Stellenabbau auch jeweils die hohe Zahl an neu geschaffenen Stellen erwähnt und vermehrt über neu geschaffene Stellen berichtet würde.

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Fazit

Im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung kam es in der Schweiz nicht zu einer Verknappung von Arbeitsplätzen. Vielmehr stieg die Anzahl verfügbarer Arbeitsstellen jedes Jahr stark an. Wie lässt sich das vor dem Hintergrund der raschen technologischen Entwicklung erklären?

Neue Technologien mögen einzelne Branchen oder Berufe verdrängen, gesamtwirtschaftlich gesehen bringen sie aber grosse Produktivitätssteigerungen mit sich. Auch wenn der Anteil einzelner Akteure am Wirtschaftskuchen kleiner wird, wächst dieser Kuchen gesamthaft. So brachte die Erfindung des Personal Computers (PC) in den 1980er-Jahren die Schreibmaschine immer mehr in Bedrängnis, doch sie führte in anderen Branchen zu erheblichen Produktivitätsgewinnen. Sie ermöglichte dem Bankangestellten, einen Kreditantrag viel schneller zu bearbeiten, die Sekretärin brauchte viel weniger Zeit zur Erstellung und Entsendung eines Briefs oder der Ingenieur konnte seine Berechnungen dank entsprechender Software viel schneller und präziser durchführen. Diese Produktivitätssteigerungen schlugen sich wiederum in höheren Löhnen, geringeren Arbeitszeiten und/oder tieferen Preisen nieder. Durch das zusätzliche Einkommen stieg die Nachfrage nach weiteren Waren und insbesondere Dienstleistungen. Um diese Nachfrage zu decken, musste wiederum zusätzliche Arbeit geleistet werden, was neue Arbeitsplätze schuf.

Der technologische Wandel führt nicht nur zu Stellenverlusten, sondern auch zur Schaffung neuer Jobs. Mit der sich verändernden Wirtschaftsstruktur gibt es auch Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeit geht uns aber nicht aus, sondern sie verändert sich lediglich. Dass in der Öffentlichkeit trotzdem die Wahrnehmung von Stellenverlusten dominiert, liegt in der Natur der Sache: Bei einem Konkurs oder der Umstrukturierung einer Firma sind die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden oder auch auf eine Region ziemlich konkret und unmittelbar. Demgegenüber findet der Stellenaufbau eher schleichend statt und wird von den Unternehmen nur selten kommuniziert.

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