
Internationaler Wettbewerb um Jungunternehmen: Die Schweiz braucht Start-up-Visa
27.11.2020
Auf einen Blick
Die Schweiz ist ein Forschungs- und Innovationsland, doch bei den Rahmenbedingungen für Start-ups verliert sie zunehmend an Attraktivität. Es fehlt ein Visa-Programm für innovative Jungunternehmerinnen und -unternehmer aus Drittstaaten, wie es in den letzten Jahren weltweit von zahlreichen Ländern eingeführt wurde.
Das Wichtigste in Kürze
Der internationale Wettbewerb um Start-up-Unternehmen verschärft sich. Immer mehr Länder versuchen, innovative Firmengründungen durch attraktive Rahmenbedingungen zu fördern – dazu zählt in vielen Fällen auch ein spezielles Visa-Programm für Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer aus anderen Staaten. In den letzten zehn Jahren wurden weltweit zahlreiche dieser Programme gestartet, viele davon in europäischen Staaten. Die Schweiz kennt bisher keine speziellen Visa für Start-ups. Dank der Personenfreizügigkeit können Firmengründer aus dem EU-/EFTA-Raum problemlos hier tätig werden. Die Hürden für Personen aus Drittstaaten sind hingegen hoch, denn diese Zuzüger unterliegen dem Kontingentsystem. Das bremst nicht nur den Transfer von bestehenden Start-ups vom Ausland in die Schweiz, sondern auch die Gründung von Spin-offs der Hochschulen. Für den Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz erweist sich das zunehmend als Wettbewerbsnachteil gegenüber wichtigen Konkurrenten. Im Parlament sind mehrere Vorstösse lanciert worden, um die unbefriedigende Situation zu verbessern.
Position economiesuisse
- Die Schweiz muss den Arbeitsmarktzugang für Start-up-Gründerinnen und -Gründer aus Drittstaaten rasch verbessern, unter anderem durch die Einführung von speziellen Start-up-Visa.
- Es braucht Anpassungen im Ausländergesetz, damit den spezifischen Anforderungen von Start-ups und deren Innovationspotenzial Rechnung getragen werden kann.
- Die Arbeitsbewilligungen für Start-ups sollen mittels Schnellverfahren bearbeitet werden und möglichst unbürokratisch ausgestaltet sein.
- Die Bemühungen sind auf zwei Zielgruppen auszurichten: Gründer, die sich mit einem Start-up in der Schweiz ansiedeln wollen, und Personen, die bereits in der Schweiz ausgebildet wurden oder geforscht haben und ihre Ideen in einem Start-up kommerzialisieren möchten.

1. Start-ups: Jungunternehmen mit grossem Innovationspotenzial
Was ist ein Start-up?
Eine einheitliche Definition für Start-ups gibt es nicht. Der Begriff stammt aus dem Englischen und heisst so viel wie «neu gründen», «starten» oder «in Gang setzen». Doch längst nicht alle neu gegründeten Unternehmen sind auch Start-ups: Weniger als ein Prozent der jährlich rund 40'000 Neugründungen in der Schweiz werden schliesslich als solche bezeichnet. Welche Eigenschaften machen also aus einem Jungunternehmen ein Start-up?
Wenn man von Start-ups spricht, meint man im Allgemeinen junge Unternehmen mit einer innovativen Geschäftsidee und ambitionierten Wachstumsplänen. Das Geschäftsmodell verfolgt häufig einen wissenschafts- und technologiebasierten Ansatz und ist skalierbar. Start-ups finanzieren sich in der Regel über Risikokapital, sie werden also von professionellen Investoren getragen. Schliesslich bezwecken sie, ihre Produkte und Dienstleistungen auf internationalen Märkten abzusetzen. Von diesem Verständnis des Begriffs Start-up wird in den folgenden Kapiteln ausgegangen.
Weshalb sind Start-ups wichtig?
Viele entwickelte Länder haben es sich auf die Fahne geschrieben, gute Rahmenbedingungen und ein dynamisches Ökosystem für Start-ups zu schaffen, um innovativen Jungunternehmen Raum für Entwicklung und Prosperität zu geben. Für eine solche Politik gibt es gute Gründe: Es besteht ein starker Zusammenhang zwischen unternehmerischer Qualität und dem Wachstum des Bruttoinlandprodukts.
Jungunternehmen sind regelrechte Stellenschaffer und tragen damit überproportional zum Beschäftigungswachstum bei. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass nur wenige Start-ups tatsächlich den Sprung nach ganz oben schaffen. Aber genau diese erfolgreichen Jungunternehmen steuern einen äusserst wichtigen Teil zum Beschäftigungswachstum bei. OECD-Daten zeigen, dass Unternehmen, die vor weniger als fünf Jahren gegründet wurden, im Schnitt knapp 20 Prozent der Gesamtbeschäftigung ausmachen, aber für fast 50 Prozent der neu geschaffenen Stellen verantwortlich sind.
Die Bedeutung der Jungunternehmen geht aber deutlich über die reine Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze hinaus. Sie sind dank ihrer Flexibilität und Schnelligkeit und ihrem Zugang zur Wissenschaft oft rascher in der Umsetzung von Innovationen im Markt als etablierte Unternehmen und dadurch ein wesentlicher Treiber des Strukturwandels. Es lässt sich feststellen, dass schnell wachsende Unternehmen häufig auch junge Unternehmen sind und überproportionale Beiträge zum Produktions- und Produktivitätswachstum leisten. Das Produktivitätswachstum innerhalb der Wirtschaft ist mindestens zur Hälfte auf eine Umverteilung der Beschäftigung von weniger produktiven auf produktivere Unternehmen zurückzuführen. Jungunternehmen tragen überproportional zu diesem Wandel bei. Start-ups sind also massgeblich daran beteiligt, dass bestehende Strukturen aufgelöst und Produktionsfaktoren neu zusammengesetzt werden. Dieser Prozess wird als schöpferische Zerstörung bezeichnet, denn er geht mit einer Erhöhung der Produktivität einher. Schliesslich generiert die Erhöhung der Produktivität zusätzliche Einnahmen. Führen diese Mehreinnahmen zu erhöhter Investitionstätigkeit, entstehen am Ende wiederum mehr Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum. Start-ups sind somit neben den etablierten Unternehmen ein wichtiger Faktor für das Beschäftigungs- und Produktivitätswachstum. Insgesamt stärkt eine prosperierende Start-up-Szene die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft.
Start-up-Begriffe, die man kennen sollte
Unicorn: Als Unicorn (dt. Einhorn) werden Start-ups bezeichnet, die bereits vor dem Börsengang einen Marktwert von mindestens einer Milliarde US-Dollar aufweisen. Das Unicorn gilt als eine sehr erfolgreiche Form von Start-up und ist äusserst selten.
Gazelle: Gazellen sind Jungunternehmen (jünger als fünf Jahre), die ein durchschnittliches Umsatzwachstum von mindestens 20 Prozent pro Jahr über eine Periode von – je nach Definition – drei oder vier Jahren aufweisen.
Incubator/Accelerator: Sowohl Incubatoren als auch Acceleratoren sind Förderprogramme für Personen mit innovativen Geschäftsideen. Beide streben grundsätzlich dieselben Ziele an. Sie stellen Wissen, Coaching, Netzwerke wie auch Infrastruktur zur Verfügung. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen bezüglich dem Stadium der geförderten Start-ups. Incubatoren zielen auf die «Ausbrütung» und Entwicklung von Ideen. Daher gelten sie als Geburtsstätte von Geschäftsideen und -gründern. Acceleratoren bezwecken, Ideen und Geschäftsmodelle von Jungunternehmen durch intensive Betreuung und Coaching voranzutreiben. Accelerator-Programme sind in der Regel hoch selektiv und richten sich an Personen aus der ganzen Welt, während ein Incubator auch innerhalb eines Unternehmens durchgeführt werden kann.
Venture Capital: Die Begriffe Venture Capital, Risikokapital oder auch Wagniskapital bezeichnen Beteiligungskapital, welches von Anlegern ausserhalb der Börsen investiert wird. Häufig fliesst dieses Kapital in hoch innovative Jungunternehmen mit einer vielversprechenden Geschäftsidee. Risikokapital ist häufig in Form von Fonds-Gesellschaften organisiert und wird von einem professionellen Fondsmanager verwaltet.
Business Angel: Ein Business Angel unterscheidet sich von Venture Capital insofern, als es sich dabei um eine natürliche Person handelt, die eigene Mittel in ein Start-up investiert. Häufig fungiert der Business Angel auch als Coach und Mentor. Manchmal nehmen sie im Verwaltungsrat des Start-ups Einsitz und lassen das Unternehmen von ihrem breiten Netzwerk profitieren. Business Angels investieren häufig einen tieferen Betrag und in einer früheren Phase als Venture Capital-Gesellschaften.
Seed Money: Seed Money, manchmal auch als Freundes- und Familienrunde benannt, bezeichnet Finanzierungsmittel zur Deckung des Kapitalbedarfs eines Start-ups in einer sehr frühen Phase. Neben Zuschüssen von Freunden und Familie kann es sich auch um Kapital von Seed Venture Capital Fonds oder Business Angels handeln.
Proof of Concept: Proof of Concept bezeichnet das Stadium oder den Punkt innerhalb eines Projekts, an dem die grundsätzliche Machbarkeit der Projektidee bewiesen ist. Der Proof of Concept belegt, dass ein Vorhaben tragfähig ist und Erfolg haben kann. Als eindeutiger Nachweis dafür gilt zum Beispiel das Erreichen des Break-Even-Points.

2. Wie sieht die Start-up-Landschaft in der Schweiz aus?
Die Schweiz spielt bei den Anzahl Gründungen ganz vorne mit
Rund 300 Start-ups werden in der Schweiz heute jährlich ins Leben gerufen. Sie machen etwa 0,8 Prozent der gesamten jährlichen Firmenneugründungen aus. Auswertungen basierend auf der Start-up-Datenbasis Crunchbase zeigen, dass der Schweizer Start-up-Markt in den letzten 25 Jahren stark an Dynamik zugelegt hat. Während Mitte der 1990er-Jahre hierzulande noch rund 50 Start-ups pro Jahr neu gegründet wurden, ist diese Zahl seither stetig gestiegen. Lediglich nach dem Platzen der Dotcom-Blase gab es einen Einbruch, wovon sich die Gründerszene aber relativ schnell wieder erholen konnte. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Start-up-Gründungen auf hohem Niveau stabilisiert. Der Rückgang der Gründungszahlen ab 2015 (Abbildung 1) ist mit Vorsicht zu geniessen, da die genaue Anzahl der jährlich gegründeten Start-ups oft nur retrospektiv bestimmbar ist. Die Schweiz spielt bei den Start-up-Gründungen im internationalen Vergleich ganz vorne mit. Gemäss den vorläufigen Zahlen hat sie 2017 den bisherigen Spitzenreiter Israel überholt.
Abbildung 1

Trotz der sehr positiven Zahlen gibt es gemäss dem Global Entrepreneurship Report auch weniger gute Entwicklungen in der Schweiz. So soll die Wahrnehmung der eigenen unternehmerischen Fähigkeiten hierzulande zuletzt zurückgegangen sein. Die Studie rapportiert auch, dass sich die Absicht, unternehmerisch tätig zu werden, auf vergleichsweise niedrigem Niveau bewegt. Zudem wird der Schweiz eine unterdurchschnittliche unternehmerische Aktivität attestiert. Laut dem Report sehen in der Schweiz Männer und insbesondere Frauen Unternehmertum als einen weniger günstigen Karriereweg als die Menschen in anderen Staaten. Es gibt zwar keine Statistik dazu, doch es ist augenscheinlich, dass in den Gründerteams überproportional viele zugewanderte Personen mitwirken. Der Status erfolgreicher Unternehmer und die Aufmerksamkeit der Medien für das Unternehmertum haben in den letzten Jahren abgenommen. Die Autoren des Berichts sehen in dieser Entwicklung eine Gefahr für die künftige Prosperität des Schweizer Start-up-Marktes.
Breite Verteilung nach Regionen und Branchen
Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen Hubs wie Berlin oder Paris die Start-up-Szene stark dominieren, ist in der Schweiz eine gleichmässigere regionale Verteilung von hoch innovativen Jungunternehmen zu beobachten, was positiv hervorzuheben ist. Gemäss dem Start-up-Radar sind gut 30 Prozent aller Start-ups im Kanton Zürich beheimatet, gefolgt vom Kanton Waadt mit gut 15 Prozent. Die ETHs in Zürich und Lausanne übernehmen dabei mit ihrer hochstehenden Qualität und dem stetigen Strom an Spin-offs die Rolle von Lokomotiven. Beachtlich ist, dass zwischen 2014 und 2018 in 24 von 26 Kantonen Start-ups gegründet wurden.
Die meisten Start-ups sind im ICT-Bereich zu finden, gefolgt von den Life Sciences und der Industrie (Industrieprodukte, Hardware, Elektronik). Der ICT-Anteil ist im internationalen Vergleich eher klein, auch wenn er absolut gesehen den grössten Brocken ausmacht. Bei Finanzdienstleistungen und Fintechs sowie Blockchain und Krypto kann die Schweiz mit dem Spitzenreiter Grossbritannien mithalten. Insbesondere der Kanton Zug gilt hier als Zugpferd. Ein wahres Start-up-Paradies ist die Schweiz im Bereich Medizinaltechnik. Der Anteil Start-ups in dieser Branche ist um ein Vielfaches höher als in den europäischen Vergleichsländern. Auch im Bereich Energie und Cleantech weist die Schweiz einen vergleichsweise hohen Anteil aus.
Dass hierzulande im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Start-ups in den für die Schweizer Volkswirtschaft zentralen Branchen Life Sciences, MEM- und Finanzindustrie zu finden sind, bekräftigt ihre wichtige Funktion für den strukturellen Wandel dieser Schlüsselbranchen. Start-ups sind Impulsgeber für technologische Entwicklungen in diesen Branchen und daher für die Schweizer Volkswirtschaft unabdingbar.
Starker Anstieg des Risikokapitalvolumens
2019 wurden in der Schweiz rund 2,3 Milliarden Franken Risikokapital in Start-ups investiert. Seit 2012 hat sich dieses Volumen versechsfacht. Auch die Anzahl Finanzierungsrunden hat sich in den letzten sechs Jahren von rund 60 auf über 250 stark erhöht.
Abbildung 2

1,2 Milliarden Franken erhielten 2019 Start-ups im Bereich ICT, inklusive Fintech. Einen grossen Sprung verzeichnete die Biotechnologie-Industrie, die ein Risikokapital von rund 625 Millionen Franken anziehen konnte – 147 Prozent mehr als im Vorjahr.
Abbildung 3

Der Start-up-Barometer des Beratungsunternehmens Ernst & Young zeigt, dass die Schweiz punkto Finanzierungsvolumen im ersten Halbjahr 2019 in Europa hinter Grossbritannien, Frankreich, Deutschland und Schweden auf Platz 5 liegt. Das Risikokapitalinvestitionsvolumen in Grossbritannien im ersten Halbjahr 2019 entsprach rund 40 Prozent des gesamten europäischen Finanzierungsvolumens. Im Städteranking befindet sich Zürich bei den Finanzierungsrunden auf Platz 5. Beim Investitionsvolumen ist aber Basel, getrieben von den Life Sciences, der Schweizer Spitzenreiter. Die Stadt am Rheinknie belegt Rang 8 in Europa. Zürich hingegen kommt trotz der vielen Finanzierungsrunden nicht über Platz 16 hinaus.

3. Zunehmender internationaler Wettbewerb um Start-up-Gründerinnen und -Gründer
Zugang zu Talenten als wichtiger Pfeiler einer florierenden Start-up-Landschaft
In der wissenschaftlichen Literatur gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die aufzeigen, unter welchen Bedingungen die Start-up-Szene am besten gedeiht. Als allgemein anerkannt gelten folgende fünf Kategorien:
- Zugang zu Risikokapital
- Zugang zu ausländischen Märkten
- Eine innovationsfreundliche Fiskalpolitik
- Freies Unternehmertum mit wenig Regulierungen und funktionierendem Rechtssystem
- Zugang zu Talenten
Der Fokus dieses Papiers liegt auf dem letztgenannten Punkt, dem Zugang zu Talenten. Es gibt diverse Massnahmen, die Regierungen ergreifen können, um ein fruchtbares Start-up-Ökosystem zu schaffen. Im Zentrum von erfolgreichen Start-ups stehen aber immer Personen mit einer besonderen Art von Talent: meist jüngere, gut ausgebildete, technisch versierte Menschen mit Kreativität, Ehrgeiz und Unternehmergeist. Diese Art von Talent ist selten und sehr mobil. Talentierte Unternehmer ziehen schnell an Orte, die ihnen den besten Mix aus Investitionen, steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen und Marktzugängen bieten. Die Schweiz steht daher im Wettbewerb mit konkurrierenden Volkswirtschaften, sowohl um ihre eigenen als auch um solche aus globalen Einzugsbereichen.
Viele Länder machen vorwärts mit Start-up-Visa
Durch die fortschreitende Digitalisierung und den Aufstieg von Technologieunternehmen wie Google und Facebook ist das Bewusstsein für die Bedeutung von Start-ups in den letzten Jahren stark gestiegen. Dies hat viele Länder veranlasst, die entsprechenden Rahmenbedingungen gezielt zu verbessern. Dazu gehört auch die Einführung von Start-up-Visa. Damit erhalten Personen eine Aufenthaltsbewilligung für einen bestimmten Zweck: die Gründung und Weiterentwicklung eines Start-ups. Die Massnahme bezweckt, talentierte Jungunternehmerinnen und -unternehmer für die Verwirklichung ihrer Geschäftsidee in das jeweilige Land zu locken.
Dass darin ein grosses Potenzial besteht, zeigt eine Schätzung der US-amerikanischen Kauffman Foundation: Die Einführung des Start-up-Visa in den USA soll demnach in zehn Jahren 500'000 bis 1,6 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Darüber hinaus können einheimische Start-up-Ökosysteme von den internationalen Netzwerken und Erfahrungen profitieren, die ausländische Unternehmerinnen und Unternehmer mitbringen. Dies ist insbesondere in wissensintensiven, innovationsgetriebenen Branchen der Fall, die von Natur aus global ausgerichtet sind.
Im letzten Jahrzehnt war ein signifikanter Anstieg von Ländern mit Start-up-Visa zu beobachten. Seit 2010 haben 18 Schwellen- und Industrieländer eine spezielle Arbeitsbewilligung für Jungunternehmen eingeführt. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über den aktuellen Stand in verschiedenen Staaten. Im Folgenden werden einige der aufgeführten Programme etwas näher betrachtet.
Tabelle 1

Start-up Visa Programm Canada
Kanada bezweckt mit seinem Start-up-Visa-Programm, hoch innovative Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer anzulocken, die Stellen schaffen und ein international ausgerichtetes Geschäftsmodell haben. Um ein Start-up-Visa beantragen zu können, müssen gewisse Bedingungen erfüllt werden. Dazu gehört, dass die Bewerber mindestens 50 Prozent der Stimmrechte am Unternehmen besitzen. Weiter müssen sie die Unterstützung einer von den kanadischen Behörden anerkannten Organisation (Risikokapitalfonds oder Business-Angel-Gruppe) haben oder für ein Inkubator-Programm in Kanada zugelassen sein. Schliesslich sind gewisse Sprachkompetenzen sowie genügend finanzielle Mittel vorzuweisen. Wird dem Antrag zugestimmt, erhalten Start-up-Gründende eine permanente Niederlassungsbewilligung.
Start-up Denmark
Das dänische Programm richtet sich ausschliesslich auf innovative Jungunternehmen mit grossem Wachstumspotenzial, die von ausserhalb der EU kommen. Gastronomiebetriebe oder einfache Handelsunternehmen werden explizit ausgeschlossen. Verlangt wird ein Businessplan, der von einem Expertengremium evaluiert wird. Falls der Businessplan angenommen wird, erhalten Antragstellende eine Niederlassungsbewilligung für bis zu zwei Jahre, die jeweils um drei weitere Jahre verlängert werden kann. Der dänische Staat leistet keine finanzielle Unterstützung an die Unternehmen, weshalb die Antragstellenden genug Mittel vorweisen müssen, um mindestens ein Jahr davon leben zu können.
Irish Visa Start-up Entrepreneur Programme
Irland vergibt Visa für sogenannte «high potential Start-ups» von ausserhalb der EU, wenn sie neue oder innovative Produkte und Dienstleistungen anbieten, die auf internationalen Märkten abgesetzt werden. Zudem muss das Potenzial vorhanden sein, innerhalb von vier Jahren zehn Arbeitsplätze zu schaffen und einen Umsatz von einer Million Euro einzuspielen. Der Antragsteller muss 75'000 Euro Kapital mitbringen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein bereits existierendes Jungunternehmen handelt oder lediglich ein Businessplan und Kapital vorhanden sind. Bei einer Zusage wird zunächst eine zweijährige Bewilligung erteilt, die dann um weitere fünf Jahre verlängert werden kann. Danach besteht die Möglichkeit, eine permanente Niederlassungsbewilligung zu beantragen.
French Tech Visa
Grundvoraussetzung für ein entsprechendes Visum in Frankreich ist, dass Antragstellende ein Vermögen oder jährliches Einkommen aufweisen, das mindestens dem doppelten jährlichen französischen Mindestlohn entspricht. Damit ein Antrag gestellt werden kann, muss zudem eine Aufnahmebestätigung von einem behördlich anerkannten Accelerator- oder Incubator-Programm vorliegen. Schliesslich muss der Antragsteller ein Zertifikat erhalten, das seiner Geschäftsidee oder seinem Start-up das Potenzial für ein hoch innovatives Technologieunternehmen bescheinigt. Falls alle Bedingungen erfüllt sind, wird eine vierjährige Bewilligung erteilt, die erneuerbar ist.
United Kingdom Start-up Visa/Innovator Visa
Die Kategorie Start-up-Visa richtet sich in Grossbritannien an junge Unternehmerinnen und Unternehmer mit hohem Potenzial, die sich in der Anfangsphase der Unternehmensgründung befinden. Voraussetzung ist eine hoch innovative Geschäftsidee und die Empfehlung durch eine behördlich anerkannte Institution. Kapitalanforderungen gibt es nicht. Erfolgreiche Antragstellende erhalten eine zweijährige Bewilligung, die auch die Möglichkeit bietet, neben der Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells einen Nebenjob anzunehmen. Nach der zweijährigen Frist kann der Übergang zum Innovator Visa erfolgen.
Das Innovator Visa Programm richtet sich an erfahrenere Geschäftsleute. Antragstellende müssen ein Investitionskapital von mindestens 50'000 Pfund haben und eine Empfehlung von einer behördlich anerkannten Institution vorweisen können. Innovatoren dürfen keine Nebenbeschäftigungen annehmen. Gewährt wird eine dreijährige Bewilligung, die um weitere drei Jahre verlängert werden kann.
Situation in der Schweiz
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es in der Schweiz keine spezielle Zulassungskategorie für Start-up-Gründerinnen und -Gründer. Personen aus der EU/EFTA können aufgrund des Personenfreizügigkeitsabkommens grösstenteils unproblematisch hierzulande unternehmerisch tätig werden. Grundsätzlich besteht auch für Personen aus Drittstaaten die Möglichkeit, eine Arbeitsbewilligung für eine selbstständige Erwerbstätigkeit zu beantragen. Sie müssen hierzu eng definierten Anforderungen genügen, die im Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG), in der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) sowie den Weisungen zum AuG und der VZAE festgeschrieben sind. Sind die sogenannten persönlichen Voraussetzungen gegeben, ist ein glaubhafter Nachweis notwendig, dass das Unternehmen eine nachhaltig positive Auswirkung auf den Arbeitsmarkt in der Schweiz haben kann. Mit anderen Worten soll das neue Unternehmen oder die selbstständig erwerbstätige Person zur branchenspezifischen Diversifikation der regionalen Wirtschaft beitragen, mehrere Arbeitsplätze für Einheimische schaffen, erhebliche Investitionen tätigen und neue Aufträge für die Schweizer Wirtschaft generieren. Ein überzeugender Businessplan und organisatorische Verbindungen zu anderen Unternehmen in der Schweiz bilden die weiteren Voraussetzungen. Schliesslich müssen eine Firmengründungsurkunde und/oder ein Handelsregistereintragsnachweis eingereicht werden. Doch auch ein perfektes Gesuch hat keine Chancen, wenn keine Kontingente für Drittstaatsangehörige vorhanden sind. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass diese regelmässig ausgeschöpft sind. Insbesondere in Kantonen mit einem hohen Anteil an internationalen Unternehmen wie Zürich, Basel oder Genf sind sie oft bereits in der ersten Jahreshälfte aufgebraucht. Gerade in diesen Regionen werden aber Start-ups am häufigsten gegründet.
Sofern das Gesuch von der kantonalen Behörde anerkannt wird, wird eine Kurzaufenthaltsbewilligung für Drittstaatsangehörige (Ausweis L) erteilt. Diese Bewilligung ist auf zwölf Monate beschränkt und kann höchstens einmal um weitere zwölf Monate verlängert werden. Unter Umständen kann auch eine jährlich verlängerbare B-Bewilligung erteilt werden. Bei jeder Verlängerung findet eine neue Prüfung durch die jeweilige Behörde statt. Politische Vorstösse, die analog zum Ausland spezielle Start-up-Visa forderten, wurden bisher allesamt abgelehnt.
Bisherige parlamentarische Vorstösse zum Thema Start-ups/Drittstaatenkontingente
• 17.3071 MOTION – Ein attraktiver Forschungsplatz dank Start-up-Visa für Gründer – SR Ruedi Noser
• 17.3578 MOTION – Ein attraktiver Forschungsplatz dank Start-up-Visa für Gründer – NR Martin Bäumle
• 19.4351 POSTULAT – Talente und Fachkräfte für den Technologiestandort Schweiz im 21. Jahrhundert – NR Kathy Riklin
• 19.4124 INTERPELLATION – Globaler Wettbewerb um Talente. Entsprechen die Bewilligungskriterien und -verfahren für Fachkräfte den Bedürfnissen der Wirtschaft? – SR Beat Vonlanthen
• 19.3882 MOTION – Aufenthaltsbewilligungen für Drittstaatsangehörige. Anpassung des Systems an die Bedürfnisse der Hightech-Branchen – NR Fathi Derder
• 18.3334 INTERPELLATION – Die Bürokratiemonster «Bewilligungen von Drittstaatenkontingenten» und «Kurzaufenthaltsbewilligungen (L-Bewilligungen) für EU-/Efta-Bürger» müssen vereinfacht und beschleunigt werden – NR Marcel Dobler
• 17.3067 MOTION – Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten können – NR Marcel Dobler

4. Neue Zulassungskategorie für Start-up-Gründer in der Schweiz notwendig
Weshalb braucht die Schweiz Start-up-Visa?
Die Gründe für die Einführung eines Start-up-Visums liegen auf der Hand. Erstens steht die Schweiz im internationalen Wettbewerb um die hellsten und engagiertesten Köpfe. Wie bereits aufgezeigt, unternehmen viele konkurrierende Volkswirtschaften vermehrt Anstrengungen, um Jungunternehmen mit Potenzial anzuziehen. Allein seit 2017 haben mindestens zehn Länder spezielle Arbeitsbewilligungen für Jungunternehmen eingeführt. Aus Expertenkreisen wird moniert, dass diese Länder nun diesen Vorteil gegenüber der Schweiz ausnützen und internationale Talente aktiv über diesen Wettbewerbsnachteil der Schweiz informieren. Es wird nebulös davon gesprochen, dass Drittstaatsangehörige in der Schweiz einen sehr komplizierten Prozess mit hohen Unsicherheiten durchlaufen müssen, um eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Andere sprechen sogar davon, dass die Schweiz vor allem Talente aus dem EU-Raum wolle und diese bevorzuge. Wenn die Schweiz weiterhin an Ort und Stelle tritt, während die Konkurrenten im Wettbewerb um talentierte Jungunternehmen handeln, wird sie weiter ins Hintertreffen geraten. Die Schweiz hat für Start-up-Gründer aus Drittstaaten bereits stark an Attraktivität einbüsst und muss schnell handeln.
Zweitens kommen bereits heute ausländische Start-ups für Incubator- oder Accelerator-Programme in die Schweiz. Sie werden in diesen Programmen eng betreut, erhalten Zugang zu Arbeitsinfrastruktur, profitieren vom bereitgestellten Netzwerk und werden zudem finanziell unterstützt. Häufig geschieht die Teilnahme an einem solchen Programm mit einem Touristen- oder einem Ausbildungsvisum. Nach erfolgreicher Absolvierung des Förderprogramms ist eine Verbleibmöglichkeit in der Schweiz zwar erwünscht, faktisch aber kaum möglich bzw. sehr aufwendig.
Drittens hat die Schweiz ein grosses Potenzial an Personen aus Drittstaaten, die hier ein Studium absolvieren. 2017 gingen 17 Prozent aller an Schweizer Hochschulen vergebenen Doktortitel an Bildungsausländer aus Drittstaaten. Diese sind zudem überdurchschnittlich oft im MINT-Bereich zu Hause und bilden ein grosses Fachkräftepotenzial. Sie haben aber kaum eine Möglichkeit, nach Abschluss ihrer Ausbildung hier arbeitstätig zu sein. Dadurch entgehen der Schweiz viele unternehmerisch veranlagte Jungtalente, obwohl die Schweiz in die Ausbildung dieser Personen investiert. Dieses Potenzial gehört besser ausgeschöpft.
Viertens ist das heutige Zulassungssystem für Selbstständigerwerbende aus Drittstaaten nicht auf Innovation ausgerichtet und muss zeitgemäss überarbeitet werden. Zudem ist das System zu bürokratisch und zu langsam. In der heutigen Zeit, wo der internationale Wettbewerb um Talente grösser ist denn je, kann ein unbürokratisches, schnelles Verfahren der entscheidende Grund dafür sein, dass sich ein vielversprechendes Start-up für die Schweiz entscheidet.
Es ist also höchste Zeit, ein Start-up-Visum für die Schweiz einzuführen.
Forderungen der Schweizer Wirtschaft
Die Wirtschaft fordert einen besseren Arbeitsmarktzugang für Start-up-Gründerinnen und -Gründer aus Drittstaaten. Die Schweiz darf den internationalen Entwicklungen auf diesem Gebiet nicht hinterherhinken. Darum muss jetzt rasch vorwärtsgemacht werden. Es braucht Anpassungen im Ausländergesetz, damit den spezifischen Anforderungen von Start-ups und deren Innovationspotenzial Rechnung getragen werden kann. Zwei Zielgruppen stehen im Fokus: Gründer, die sich mit einem Start-up oder einem Start-up-Projekt in der Schweiz ansiedeln wollen, beispielsweise in einem der Innovationsparks. Oder Personen, die bereits in der Schweiz gefördert wurden, als Studierende, Doktoranden und Postdoktoranden und nun ihre Forschungsergebnisse und Geschäftsideen in einem Start-up kommerzialisieren möchten. Es geht dabei ausschliesslich um die besten und vielversprechendsten Start-ups. Experten aus Wirtschafts- und Förderkreisen schätzen, dass bei der Einführung eines Start-up-Visums pro Jahr rund 50 bis 100 Jungunternehmen infrage kämen. Der in Kapitel 1 beschriebene volkswirtschaftliche Nutzen ist dafür umso bedeutender.
Folgende Kriterien zur Erteilung einer Arbeitsbewilligung für Gründerinnen und Gründer von Start-ups sind aus Sicht der Wirtschaft zielführend:
- Das Start-up-Projekt muss von einem anerkannten Schweizer Start-up-Förderprogramm aufgenommen werden oder eine verbindliche Zusage für Risikokapital von mindestens 250'000 Franken vorweisen. Dieses Kriterium soll die Qualität und das Potenzial bescheinigen und sicherstellen.
- Die Gründer müssen die üblichen Anforderungen an eine Niederlassungsbewilligung erfüllen. Sie müssen nachweisen können, dass sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt in der Schweiz während zweier Jahre bestreiten zu können. Dazu zählt auch der Nachweis über den Abschluss einer Krankenversicherung in der Schweiz bzw. einer Deckung durch eine ausländische Krankenversicherung.
- Es gilt eine Probezeit von zwei Jahren. Falls der Gründer nach der Probezeit nachweisen kann, dass sich sein Unternehmen auf einem guten Weg befindet, wird die Arbeitsbewilligung um weitere drei Jahre auf insgesamt fünf Jahre verlängert. Ein wesentliches Evaluationskriterium ist dabei die Sicherstellung weiterer Finanzierungsrunden.
- Start-up-Visa sollen aufgrund der übergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung vom Bund einheitlich geregelt werden. Dabei sollte eine zentrale Instanz (z. B. Innosuisse) bestätigen, dass das Start-up ein hohes Innovationspotenzial aufweist.
- Die Drittstaaten-Kontingente werden um eine noch zu definierende begrenzte Anzahl pro Jahr erweitert. Diese für Start-ups spezifischen Kontingente können die Kantone auf Basis der zentral erteilten Genehmigungen beim Staatssekretariat für Migration abrufen.
- Die Arbeitsbewilligungen für Start-ups werden mittels eines Schnellverfahrens bearbeitet und sind unbürokratisch auszugestalten. Einfachheit und Geschwindigkeit des Verfahrens sind im zunehmenden internationalen Wettbewerb zentral.

5. Fazit
Die Schweiz hinkt bei der Zulassung von Start-up-Gründerinnen und -Gründern aus Drittstaaten der internationalen Entwicklung hinterher. Es bedarf daher einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Der signifikante Nachteil gegenüber den USA und führenden asiatischen und europäischen Konkurrenten muss eliminiert werden.
Der Zuzug innovativer, gut ausgebildeter und leistungswilliger Talente ist für die Schaffung zukunftsträchtiger Arbeitsplätze von grosser Bedeutung. Auch für das Image der Schweiz als eine der führenden Nationen in Forschung und Entwicklung ist die Attraktivität der Zulassungen wichtig. Die Einführung von Start-up-Visa erleichtert zudem Spin-offs von Hochschulen und den Transfer innovativer Start-ups aus anderen Ländern. So erhalten auch Akteure wie Switzerland Innovation, Switzerland Global Enterprise und die regionalen Schweizer Investitionsförderungs-Agenturen ein weiteres wichtiges Argument zugunsten der Ansiedlung in der Schweiz.
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