# 6 / 2022
30.06.2022

Lehren aus der Corona-Pandemie

Forderungen

Aus den oben genannten Erkenntnissen ergeben sich einige konkrete Forderungen. Diese betreffen einerseits die Krisenorganisation beim Bund (vgl. Kapitel 3.1), andererseits den notwendigen Kompetenzaufbau bzw. -ausbau (vgl. Kapitel 3.2) sowie die unmittelbare Vorbereitung für den Herbst und Winter 2022/2023 (vgl. Kapitel 3.3). Ebenso müssen die Erkenntnisse in der laufenden Revision des Epidemiengesetzes berücksichtigt werden.

3.1 Krisenorganisation beim Bund

Es wurde weiter oben dargelegt, dass die Krisenorganisation beim Bund nicht optimal war und die bestehenden Gefässe nur unzureichend oder nicht genutzt wurden. Daher gilt es, die Krisenorganisation anzupassen. Grundsätzlich benötigt der Bund einen professionellen, permanenten Krisenstab, der in allen möglichen Krisensituationen eingesetzt werden kann. Er muss über ein vorgängig definiertes Organigramm mit klaren Verantwortlichkeiten verfügen. Denn nur mit einer permanenten Stabsorganisation ist in einer nationalen Notlage eine rasche und professionelle Eskalation aus dem Stand möglich, was auch die betroffenen Bundesstellen entlasten würde.

Im Epidemiengesetz wird in Artikel 55 festgehalten, dass der Bund über ein Einsatzorgan verfügen muss «für Ereignisse, die eine besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit hervorrufen können, insbesondere bei der Bewältigung einer besonderen oder ausserordentlichen Lage». Der Bund sollte aber nicht eine Krisenstruktur spezifisch für den Fall einer nächsten Epidemie definieren. Er sollte eine funktionstüchtige Führungsstruktur aufbauen, die die Bewältigung vielfältiger Krisen wie Strom-Blackouts, Versorgungsengpässe, Cyber-Angriffe usw. meistern kann. Es gilt dazu, den eigentlich für die Bewältigung von Notlagen vorhandenen Bundesstab Bevölkerungsschutz umzubauen. Er muss breiter gefasst werden und sollte nicht nur dem «Bevölkerungsschutz» dienen, sondern allgemein bei der Bewältigung von nationalen Katastrophen und Notlagen eingesetzt werden können. Er ist aus den Bundesdepartementen herauszulösen und im Krisenfall direkt dem Gesamtbundesrat zu unterstellen. Daher sollte er entweder organisatorisch der Bundeskanzlei angegliedert oder beim Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) hierarchisch höher angesiedelt werden, damit die Leitung des Krisenstabs höheres Gewicht innerhalb der Bundesverwaltung hat, insbesondere gegenüber den Amtsdirektorinnen und -direktoren. Die politische Verantwortung liegt weiterhin beim Bundesrat, der darüber entscheidet, wann der Krisenstab aktiviert wird. Zusätzlich sollte das Parlament die Möglichkeit erhalten, den Bundesrat zu beauftragen, den Krisenstab einzusetzen oder zu deaktivieren.

Der Bundesrat fällt während der Krise weiterhin die wichtigsten Entscheide. Der Krisenstab kann ihm diesbezüglich Anträge stellen. Der Bundesrat sollte dem Krisenstab aber klare Entscheidungskompetenzen geben, im Rahmen von definierten Handlungsspielräumen und vorbehaltenen Entscheiden, damit dieser rasch reagieren und sich mit den kantonalen Krisenstäben koordinieren kann – wofür wiederum etablierte Kommunikationskanäle notwendig sind. Ebenso braucht der Krisenstab bundesinterne Weisungsbefugnisse, um Prioritäten setzen zu können und um sicherzustellen, dass Entscheide tatsächlich kohärent und rasch umgesetzt werden. Zudem muss der Bundesrat gemeinsam mit dem Krisenstab die Krisenkommunikation anleiten und festlegen, wer wann wie kommuniziert. Seitens der Behörden darf nur durch die politisch legitimierten Stellen, also beispielsweise durch den Bundesrat oder die Kantonsregierungen informiert werden. Zusätzlich soll die Leitung des Krisenstabs kommunizieren dürfen, wenn ihr die entsprechende Kompetenz zugewiesen wurde.

Führungspersonen mit Kompetenzen im Krisenmanagement sollten ständige Mitglieder des Krisenstabs des Bundes sein. Der Vorsitz des Gremiums sollte nicht wie bisher erst bei Anbruch einer Notlage bestimmt, sondern bereits vorgängig durch eine erfahrene Krisenmanagerin oder einen erfahrenen Krisenmanager besetzt werden. Die ständigen Mitglieder werden während einer Notlage durch spezifische Fachpersonen ergänzt, im Fall einer Epidemie unter anderem durch die verantwortliche Amtsdirektorin oder den verantwortlichen Amtsdirektor sowie epidemiologische Fachpersonen aus der Verwaltung, im Falle eines Strom-Blackouts hingegen durch Energieexpertinnen und -experten. Sie sollten in den Normalstrukturen verankert sein, damit die Verbindung in die Bundesämter sichergestellt ist. Diese Fachpersonen sind so weit wie möglich bereits in Normalzeiten zu bestimmen, damit nicht wertvolle Zeit mit der Besetzung des Krisenstabs verloren geht. Falls die Krise länger dauert, müssen die Durchhaltefähigkeit sichergestellt und die Fähigkeiten erweitert werden können. Dazu sollte sich der Krisenstab während einer Krise mit kompetentem Personal aus dem VBS, der Bundesverwaltung, aber auch aus der Privatwirtschaft verstärken können.

Damit die Abläufe funktionieren, muss der Krisenstab in den unterschiedlichen Zusammensetzungen üben und jederzeit einsatzbereit sein. Der Krisenstab organisiert daher regelmässige Aus- und Weiterbildungen und Krisenübungen im Verbund. In der Vergangenheit wurden vom VBS bereits Übungen dieser Art angesetzt. Dabei haben sich jedoch regelmässig Entscheidungsträger von der Übung abgemeldet. In Zukunft müssen solche Übungen zwingend unter Beteiligung aller im Krisenfall involvierter Personen stattfinden.

Der Einbezug der Verbände, der Wissenschaft und weiterer Akteure ist wichtig. Damit die Strukturen aber schlank und schlagkräftig bleiben, sollten diese nicht direkt im Krisenstab Einsitz nehmen. Der Kontakt wird durch Verbindungspersonen aus dem Krisenstab sichergestellt, die allfällige Begleit- oder Expertengruppensitzungen leiten und die Erkenntnisse in klar definierten Kommunikationskanälen in den Krisenstab einbringen.

Während einer Krise ist eine regelmässige Lagebeurteilung inklusive der Publikation von möglichen Entwicklungsszenarien eine wichtige Aufgabe eines Krisenstabs, um sich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen und einen geordneten Arbeitsprozess der Bundesverwaltung und der Kantone anhand frühzeitig erarbeiteter Eventualplanungen zu ermöglichen. In Normalzeiten muss der Bundesstab die Lage in Bezug auf die wichtigsten Risiken permanent verfolgen. Er muss jederzeit erreichbar und innert Stundenfrist einsatzbereit sein.

Der Hauptgewinn eines stehenden Krisenstabs ist, dass dafür Personen mit den entsprechenden Kompetenzen rekrutiert werden können. Denn für die erfolgreiche Bewältigung einer Krise ist es zentral, in den Führungspositionen die richtigen Personen zu haben. Während der Corona-Krise hat man die Führungspositionen an Personen aus der Linie des Bundesamts übergeben. Das Führen in Krisen verlangt aber andere Fähigkeiten als das Führen einer Verwaltungseinheit im Normalbetrieb. Beispielsweise nimmt die verwaltungsinterne Ausarbeitung einer Verordnung mehrere Monate in Anspruch: Die Vernehmlassung dauert vier Monate, sie wird anschliessend ausgewertet und die Verordnung angepasst. Während einer Krise müssen hingegen weitreichende Entscheidungen im Tagesrhythmus, ohne breite und langwierige Abstützung und unter grosser Unsicherheit gefällt werden, damit der Bundesrat zeitnah beschliessen kann. Die Erfahrung zeigt, dass Personen aus der Verwaltung oftmals überfordert sind, wenn sich das Anforderungsprofil an ihren Job über Nacht radikal ändert und sie plötzlich Krisenmanager oder -managerin sein müssen. Es ist äusserst schwierig, Personen zu finden, die beide Kompetenzprofile – Verwalten und Krisenmanagement – erfüllen. Personen, die herausragende Fähigkeiten im Krisenmanagement mitbringen, wachsen an kurzfristigen Herausforderungen in sich laufend ändernden Situationen. Diese Personen finden keine Befriedigung, wenn sie einen Job in einer Linienfunktion in der Verwaltung ausüben müssen und dort nur ganz selten ihre Kernkompetenzen ausspielen können. Wenn der Krisenstab, wie hier gefordert, thematisch offen ist, wird er auch regelmässig benötigt und die Krisenmanagerinnen und -manager können ihre Fähigkeiten laufend anwenden und weiterentwickeln.

3.2 Notwendige Kompetenzen zur Bewältigung einer Epidemie

Die im vorangehenden Kapitel beschriebenen Massnahmen in der generellen Krisenorganisation reichen nicht aus, um eine Epidemie bzw. Pandemie erfolgreich meistern zu können. Dazu müssen bei den Behörden weitere fachliche Kompetenzen vorhanden sein. Diese müssen insbesondere die Bereiche Datenerhebung und Datenanalyse, Pandemieplanung, fachliche Mitarbeit in der Krisenorganisation des Bundes und Wissensaustausch abdecken.

1. Datenerhebung und Datenanalyse

  • Implementierung des Datenerhebungsprozesses:

    Bereits ausserhalb von Krisenzeiten müssen effiziente Datenerhebungsprozesse implementiert sein, damit diese in der Krise sofort ihren Dienst erweisen können. Die wichtigsten Daten zur epidemiologischen Lage müssen zwingend in Echtzeit vorhanden sein. Es gilt daher, die relevanten Informationen (Messgrössen und Messorte) zu definieren und die Schnittstellen aufzubauen, damit gemäss dem «once only»-Prinzip Spitäler, Arztpraxen, Labore usw. keine separaten, zusätzlichen Meldungen mehr machen müssen, sondern der Datenerhebungsprozess ohne Medienbrüche bei den Leistungserbringern in ihren IT-Systemen integriert ist.

  • Aufbau einer zentralen Datenbank:

    Diese Datenbank sollte alle Daten umfassen, die für die Bekämpfung einer Epidemie und deren wissenschaftliche Auswertung benötigt werden. Besonders zeitkritische Daten wie die Belegung der Intensivstationen und der Spitäler oder zu den Testergebnissen müssen für die Entscheidungsorgane in Echtzeit in anonymisierter Form verfügbar sein. Ebenso müssen die Daten in geeigneter Form regelmässig veröffentlicht werden.

  • Durchführung und Weiterentwicklung von standardisierten Datenanalysen.
  • Sicherstellung der Infrastruktur zur Überwachung einer Epidemie und für angewandte Forschung und Entwicklung (z.B. Testkapazitäten und Labors).

2. Pandemieplanung

  • Regelmässige Aktualisierungen des nationalen Pandemieplans.
  • Überwachung der Umsetzung des Pandemieplans in den relevanten Bundesstellen und in den Kantonen.
  • Die laufende Evaluation von Best-Practice-Ansätzen und des Managements vergangener Epidemien sind ein wichtiger Baustein, um die Pandemieplanung optimal anpassen zu können.

3. Fachliche Mitarbeit in den Krisenorganisationsstrukturen des Bundes

  • Mitarbeit beim Aufbau einer wirksamen und effizienten Krisenorganisation für das Szenario Epidemie/Pandemie.
  • Durchführung von regelmässigen Übungen auf fachlicher Ebene und zuverlässige Teilnahme der Entscheidungsträgerinnen und -träger an Verbundübungen.
  • Im Krisenfall:
    • Einsitz in den Krisenstab des Bundes in vordefinierten Rollen;
    • epidemiologische Lagebeurteilung;
    • Erarbeitung von Szenarien und Prognosen;
    • Erarbeitung von Massnahmenplänen, abgestützt auf die bereits vorhandene Pandemieplanung und die möglichen Szenarien;
    • fachliche Verantwortung für die Implementierung der gesundheitspolitischen Massnahmen gemeinsam mit den Kantonen;
    • Verantwortung für die fachliche Kommunikation in der Öffentlichkeit in Absprache mit dem Krisenstab des Bundes.

4. Wissensaustausch

  • Adressatengerechte Aufbereitung und Kommunikation der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Verwaltung, die Gesundheitsinstitutionen und die Öffentlichkeit und in Krisensituationen für die nationalen und kantonalen Krisenstäbe. Insbesondere in einer Krisensituation ist es wichtig, der Bevölkerung Orientierung zu geben. Es gilt, Kommunikationskanäle zur nationalen und internationalen Wissenschaft aufzubauen und speziell für den Fall einer Krise zu definieren, wer als offizielle Stimme der «Wissenschaft» wahrgenommen werden soll.
  • Die Förderung des Wissensaustausches zwischen den Leistungserbringern aus dem Gesundheitssektor, den Forschenden und der Verwaltung ist bereits in Normalzeiten zu etablieren. Aber insbesondere im Krisenfall ist es unverzichtbar, dass die Erfahrungen im Umgang mit einem neuen Erreger möglichst rasch und breit ausgetauscht werden und die Krisenorgane die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse kennen und berücksichtigen können.
  • Es braucht eine Übersicht über den privatwirtschaftlichen Markt und die Kompetenzen in den Unternehmen, um im Krisenfall gezielt Know-how und Ressourcen (z.B. Material oder IT/Digitalisierung) abrufen zu können, ganz im Sinne der Miliztradition in der Schweiz. Damit kann die Vorhalteleistung des Staates unterstützt werden (z.B. Labors).

Die oben genannten Aufgaben müssten eigentlich vom Bundesamt für Gesundheit geleistet werden. Leider zeigte sich während der Pandemie, dass das BAG im Allgemeinen und die Abteilung übertragbare Krankheiten im Speziellen nicht in der Lage waren, alle diese Aufgaben ausreichend wahrzunehmen. Es fehlte eine Kultur des Umsetzens. Das BAG musste entscheidende Aufgaben auslagern und stark auf die Kompetenz von Externen zurückgreifen. Es ist unerlässlich, dass die Schweiz in Zukunft besser für Epidemien jeglicher Art gerüstet ist. Entweder baut das BAG die entsprechenden Kompetenzen auf und kann eine nächste Krise besser meistern, oder Aufgaben werden bewusst ausgelagert. Dazu könnte ein Institut für Epidemienmanagement als externe Verwaltungseinheit aufgebaut werden, das im Auftrag des BAG Teile oder alle der oben genannten Aufgaben übernähme. Im Bereich der Veterinärmedizin besteht mit dem Institut für Virologie und Immunologie (IVI) bereits ein vergleichbares Kompetenzzentrum für die Überwachung und das Management von Tierseuchen und Zoonosen. Ein solches Institut würde in normalen Zeiten einige der oben genannten Aufgaben übernehmen und wäre in Krisenzeiten in die Krisenorganisation des Bundes eingebunden. Zudem könnte es sich in nationale und internationale Forschungsnetzwerke integrieren und eigene angewandte Forschung und Entwicklung betreiben.

economiesuisse fordert, dass zuerst versucht werden muss, das BAG besser aufzustellen, damit es möglichst viele der in diesem Kapitel genannten Aufgaben in hochstehender Qualität mit kurzen Reaktionszeiten erfüllen kann. Es ist dabei aber zu prüfen, ob gewisse Aufgaben besser durch ein externes Institut abgedeckt werden können. Zwingend ist auf jeden Fall, dass ein allfälliges Institut über einen Leistungsauftrag des BAG geführt würde, damit die Gesamtverantwortung weiterhin beim BAG liegt und keine Verantwortungen herumgeschoben werden können.

3.3 Unmittelbare Vorbereitungsarbeiten für den Herbst und Winter 2022/2023

Die Szenarien des Bundes zur mittel- und längerfristigen Entwicklung von Covid 19zeichnen mit dem Szenario 3 «Anstieg der Infektionszahlen kann mit vorhandenen Strukturen nicht mehr bewältigt werden» und dem Szenario 4 «Pandemiesituation mit einem neuen Erreger» Entwicklungen auf, in denen eine Krisenorganisation jenseits einer normalen Lage gefragt sein wird. Daher müssen alle Akteure – vom Bund über die Kantone bis zum einzelnen Leistungserbringer – für diese Entwicklungen gerüstet sein. Aus Sicht von economiesuisse müssen insbesondere zu folgenden Punkten unverzüglich Vorbereitungsarbeiten in die Hand genommen werden, um für den kommenden Herbst (oder allenfalls bereits für diesen Sommer) besser als in den letzten beiden Jahren gewappnet zu sein:

  • Die Krisenorganisation muss so rasch wie möglich gemäss obigen Ausführungen (vgl. Kapitel 4.1) angepasst werden. Solange keine Gesetzesänderungen notwendig sind, gibt es keine Ausrede, die einen Aufschub rechtfertigen könnte. economiesuisse beobachtet mit Sorge, dass momentan Krisenstrukturen aufgehoben werden und Know-how-Träger verloren gehen. Eine Minimalstruktur mit rascher Vergrösserungsmöglichkeit ist aufrechtzuerhalten.
  • Es braucht eine Kommunikation des Bundes, wann mit welchen Konsequenzen in welche Lage (normale, besondere bzw. ausserordentliche Lage) gewechselt würde. Dies würde die Planungssicherheit bei den Unternehmen erhöhen. Dieser Plan sollte so genau wie möglich sein. Selbstverständlich kann er nicht perfekt sein und wird je nach epidemiologischer Lage kurzfristig angepasst werden müssen.
  • Die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen muss verbindlich definiert werden, um Kompetenzkonflikte mit negativen Auswirkungen zu vermeiden. Es ist absolut unverständlich, dass es der Bund und die Kantone nicht geschafft haben, sich für den nächsten Herbst und Winter auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. Der Bund hat ein entsprechendes Grundlagenpapier ohne das Einverständnis der Kantone veröffentlicht. Aber ein Papier des Bundes nützt wenig, wenn die Kantone nicht in die gleiche Richtung arbeiten. Zudem würde ein gemeinsames Vorgehen eine Differenzierung der Massnahmen und massgeschneiderte Umsetzungen in den Kantonen besser ermöglichen. Falls sich der Bund und die Kantone bezüglich Ziele und Aufgabenteilung nicht einigen können, sollte der Bund bei sich verschlechternder Lage rasch das Heft in die Hand nehmen und entsprechende Eventualplanungen unverzüglich in die Wege leiten.
  • Es sind Schlüsselindikatoren zu bestimmen, deren Erhebung automatisiert wird und in Echtzeit stattfindet. Darunter fallen im Minimum die Anzahl Hospitalisierungen, die Belegung der IPS-Stationen und der Spitäler im Allgemeinen, wobei immer zwischen Gesamtbelegung (inkl. Fälle mit Corona) und Belegung wegen Corona zu unterscheiden ist. Ebenso sind Kennzahlen zu Tests und Impfungen zu erfassen.
  • Für die automatisierte Erfassung der Schlüsselindikatoren sind digitalisierte Schnittstellen zu definieren. Es gilt dabei auch abzuklären, welche bestehenden Systeme in der kurzen Frist besser genutzt oder ausgebaut werden könnten.
  • Es muss eine Planung erfolgen bezüglich der IPS-Kapazitäten, aber auch in Bezug auf die Kapazitäten bei allfälligen Booster-Impfungen, Tests und Contact Tracing. Diese Planung liegt in der kantonalen Verantwortung. Bezüglich IPS-Kapazitäten braucht es aber eine Absprache zwischen den Kantonen.
  • Für Reisende sind rechtzeitig ausreichend Angebote für erneute Booster-Impfungen zu schaffen und/oder die Gültigkeit des Covid-Zertifikats zu verlängern. Denn in den nächsten Monaten werden die meisten Zertifikate ungültig werden, während sich die Einreisebestimmungen international nach wie vor unterschiedlich entwickeln. Verschiedene Staaten fordern nach wie vor Impfnachweise und zum Teil Tests. Bei weitreichenden Einschränkungen könnten auch die Schreiben des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), in welcher die Systemrelevanz eines Betriebs attestiert wird, im internationalen Verkehr wieder an Bedeutung gewinnen.
  • Die Wirksamkeit der einzelnen Massnahmen, insbesondere der einschränkenden, ist zu evaluieren. Es sollte nur noch auf in den letzten zwei Jahren bewährte Massnahmen, die eindeutig wirksam waren, zurückgegriffen werden. Zudem ist endlich verstärkt das Thema Luftqualität in Innenräumen zu berücksichtigen wie beispielsweise die CO2-Messung in Innenräumen bei der Festlegung von einschränkenden Massnahmen. Bei allen Massnahmen muss die wissenschaftliche Evidenz berücksichtigt werden. Neue Massnahmen lassen sich nur durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse rechtfertigen.
  • Es braucht einen systematischen Einbezug der Wissenschaft. Da die nationale Covid 19 Science Task Force aufgelöst wurde, muss der Einbezug der Wissenschaft neu definiert werden, damit deren Politikberatung in strukturierter Form erfolgen kann.
  • Das Thema Vorratshaltung ist auf Stufe Bund, in den Kantonen und den Gesundheitsinstitutionen mit Priorität zu bearbeiten. Die aufflammenden Lieferengpässe auf den Weltmärkten verschonen die Schweiz nicht. Vorräte an kritischen Gütern müssen in der Schweiz vorhanden sein, dank ausreichend Pflichtlagern und offenen Grenzen im Warenverkehr. Auf Stufe der Gesundheitsdienstleister sind die kritischen Risiken zu überprüfen und adäquate Vorbereitungen zu treffen, darunter eine verstärkte Lagerhaltung von kritischen Gütern in den Spitälern. Dies betrifft nicht nur die in der Covid-Pandemie unverzichtbaren Masken und Desinfektionsmittel, sondern beispielsweise auch Medikamente, die benötigt werden, um Patienten an Beatmungsgeräten sediert halten zu können. Die normalen Prozesse bei der Beschaffung sind möglichst aufrechtzuerhalten. Zudem braucht es eine Aufklärungskampagne über die Vorratshaltung bei der Bevölkerung, z.B. in Bezug auf Masken, Desinfektionsmittel und Ähnliches.
  • Der Ausbau der Vorhalteleistungen in den Spitälern wurde vom nationalen Parlament bereits beschlossen. Die Kantone müssen diese den Spitälern künftig finanzieren. Hier gilt es nun die wichtigen Fragen rasch zu klären. Zuerst ist die Vorhalteleistung genau zu definieren. Betrifft sie nur IPS-Betten? Bedingt sie auch den Aufbau eines Pools an Reservepersonal? Danach ist die Menge der Vorhalteleistung zu bestimmen. Dabei gilt es zu beachten, dass eine Vorhalteleistung ein schweizweites öffentliches Gut ist, da bei Kapazitätsengpässen Patienten über die Kantonsgrenzen verlegt werden können. Eine Koordination der Kantone ist daher angezeigt. Schliesslich ist auch die Finanzierung der Vorhalteleistung wie auch der Vorratshaltung zu klären.

3.4 Konsequenzen für die laufende Revision des Epidemiengesetzes

Beim Bund wurden die Arbeiten zur Revision des Epidemiengesetzes (EpG) gestartet. Die in diesem Dossierpolitik genannten Forderungen müssen sich darin niederschlagen und die Revision muss zügig vorangetrieben werden. Die zukünftige Ausgestaltung des Epidemiengesetzes kann jedoch nicht losgelöst von weiteren notwendigen Reformen betrachtet werden: So ist sie abhängig davon, wie auf Ebene Bund in Zukunft die allgemeine Krisenorganisation aufgestellt sein wird. Erst nachgelagert können im Epidemiengesetz ergänzende Regelungen in Bezug auf die Organisationsstruktur in der ausserordentlichen und besonderen Lage definiert werden. Ziel muss es sein, dass die Krisenorgane schlagkräftiger werden. Grundsätzlich hat sich das Eskalationsmodell mit der ausserordentlichen und der besonderen Lage bewährt. In der besonderen Lage muss aber die Zusammenarbeit der Kantone untereinander und des Bundes mit den Kantonen verbessert werden.

Des Weiteren müssen das Datenmanagement und der Informationsaustausch vereinfacht und krisentauglicher ausgestaltet werden und Tests, bewährte digitale Hilfsmittel und Impf-, Test- und Genesungsnachweise eine gesetzliche Grundlage erhalten. Schliesslich ist zu definieren, welche Finanzhilfen in Zukunft bei Schäden aufgrund behördlicher Massnahmen gewährt werden sollen. Weitere Informationen zu den Forderungen von economiesuisse zu einzelnen Gesetzesartikeln im EpG finden Sie hier in der Beilage.