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Der russische Krieg belastet die Schweizer Wirtschaft deutlich stärker als die Sanktionen

Offensichtlich treffen die westlichen Sanktionen gegen Russland auch die Schweizer Unternehmen. Doch die indirekten Auswirkungen des Krieges, vor allem in Form von Preissteigerungen und Lieferengpässen, sind bedeutender. Dies trifft mit Ausnahme der Banken auf alle Branchen zu, wie eine Detailauswertung unserer neuesten Umfrage zeigt.

Eine kürzlich von economiesuisse veröffentlichte Umfrage zeigt, dass der Krieg in der Ukraine die Schweizer Wirtschaft breitflächig belastet. Jede zweite befragte Schweizer Firma ist betroffen. Eine grosse Rolle spielen dabei die kriegsbedingten Schwierigkeiten beim Bezug von Rohstoffen und die Verwerfungen auf den Energiemärkten. Auch die westlichen Sanktionen bleiben nicht ohne Auswirkungen: Rund jedes vierte befragte Unternehmen gibt an, davon betroffen zu sein. Damit sind etwa halb so viel Firmen von westlichen Strafmassnahmen tangiert wie von den Auswirkungen des Kriegs. Obwohl die Sanktionen für diese Unternehmen belastend sind, werden sie grossmehrheitlich unterstützt.

Die Detailauswertung der Umfrage von economiesuisse zeigt nun, dass die Branchen sehr unterschiedlich von den Sanktionen und von den Kriegsauswirkungen betroffen sind:

  • Die Banken und Vermögensverwalter sind am stärksten von den westlichen Sanktionen betroffen. Etwa jedes zweite befragte Finanzinstitut muss auf die Sperrung von Finanzvermögen und den Ausschluss von fünf russischen Banken aus dem SWIFT-System reagieren. Aber auch viele Vermögensberatungsunternehmen geben an, von den Sanktionen tangiert zu sein.
  • Die Kriegsbetroffenheit ist bei der Exportindustrie am grössten: Das gilt für die Chemie-, die Elektro- und Metallindustrie sowie für den Grosshandel. Diese Branchen rapportieren auch eine hohe Sanktionsbetroffenheit – es sind zwischen 30 und 40 Prozent der Firmen. Einerseits betreiben einige Unternehmen Standorte in Russland und Weissrussland – oder beziehen von dort Rohstoffe. Die Produktion steht dort aber oftmals still. Andererseits bestehen Exportverbote. Dies betrifft viele Schweizer Unternehmen als Zulieferer für europäische Produzenten oftmals auch indirekt.
  • Wenig unter den Sanktionen leidende Branchen (Textilindustrie, Bau, Lebensmittelindustrie) geben an, doch stark von den Auswirkungen des Krieges betroffen zu sein. Hier erschweren und verteuern die Lieferengpässe und Preissteigerungen bei Materialien und Rohstoffen (Holz, Öle, Energie) die Produktion.
  • Beim Transport spielt eine gewisse Rolle, dass viele Lastwagenfahrer in Europa aus Russland, Weissrussland oder der Ukraine stammen. Diese sind zwar nicht mit Sanktionen belegt, aber es besteht Unsicherheit darüber, ob sie weiterhin die Grenzen überqueren können. Die Luftfahrtindustrie ist zusätzlich von den Luftraumsperrungen betroffen – sowohl im Westen wie auch über Russland.
  • Der Tourismus spürt insbesondere die Aussetzung des Visaabkommens mit Russland – wenn auch nicht immer direkt. Russische Gäste bleiben der Schweiz teilweise auch aus Angst vor möglichen Repressionen fern. Einige Tourismusanbieter melden zudem, dass vereinzelte amerikanische und asiatische Reisende Europa kriegsbedingt meiden.
  • Auch in der Pharmaindustrie zeigt sich, dass die Sanktionen Auswirkungen haben, obwohl Medikamente explizit nicht dem Sanktionsregime unterstellt sind: Aufgrund der Schwierigkeiten im internationalen Zahlungsverkehr können Medikamente nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen beispielsweise in ein Spital im Donbass geliefert werden.

Die Sanktionsmassnahmen belasten zwar die Schweizer Exportwirtschaft und den Schweizer Finanzplatz, doch halten sich die Probleme insgesamt in Grenzen. Die eigentliche Herausforderung stellen die kriegsbedingten Verwerfungen dar. Gerade vor dem Hintergrund der Brutalität des Krieges ist die Unsicherheit gross, welche weiteren Schritte Russland unternimmt. So lange nicht die Aussicht auf eine friedliche Konfliktlösung besteht, werden die Lieferengpässe und hohe Preisniveaus bei Energie, Rohstoffen und verarbeiteten Produkten anhalten.

Die Resultate stammen aus einer Umfrage von economiesuisse, die vom 2. bis zum 10. März 2022 durchgeführt wurde. Die Antworten wurden jeweils nicht gewichtet und die Ergebnisse erheben keinen Anspruch auf Repräsentativität. Mehr Informationen zur Umfrage finden Sie hier.