Der grüne Schatten auf den Solarpanels

Solarstrom polarisiert: Von den einen wird er als Patentlösung für die Stromversorgungssicherheit gepriesen, von den anderen als Luftschloss abgetan, das den Blick aufs Machbare trübt. Fakt ist, dass Solarstrom eine wichtige Rolle in der zukünftigen Versorgungssicherheit einnehmen kann und wird – global und in der Schweiz.

Auch wenn die Berechnungen je nach Studie mit 14 bis 65 Terawattstunden pro Jahr sehr unterschiedlich ausfallen, ist das Potenzial der Solarenergie im Vergleich zu denjenigem anderer Technologien und zum Gesamtverbrauch der Schweiz (ca. 60 TW/h) auf jeden Fall beträchtlich. Um das Potenzial einzuschätzen, darf jedoch nicht nur das theoretisch Mögliche bedacht, sondern es muss auch das realistisch Machbare berücksichtigt werden. Denn wie der Energieexperte Jürg Rohrer kürzlich sagte: «Die viel grössere Herausforderung ist es, dieses Potenzial umzusetzen.»

Hier liegt die Krux: Zum einen basieren viele Einschätzungen der Solarenergie auf einem hohen Umsetzungsgrad. Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) errechnete ein Ausbaupotenzial von etwa 50 TW/h in der Schweiz, wofür jedoch 90 bis 95 Prozent der Dachfläche in der Schweiz mit Solaranlagen ausgerüstet werden müssten. In der Realität setzen Private aber oft nur knapp die Hälfte des möglichen Potenzials um, unter anderem weil ein umfassender Zubau aufgrund der fehlenden Marktöffnung und tiefen Vergütung für den produzierten Strom in vielen Kantonen ein Verlustgeschäft wäre. Und der Zubau müsste viel schneller voranschreiten, als dies heute der Fall ist.

Links-grüner Widerspruch

Zum anderen produzieren Solaranlagen im Flachland, wo die meisten Dächer stehen, 75 Prozent ihrer Leistung im Sommer. Wir haben aber eine Stromlücke im Winter. Zwar könnte die überschüssige Sonnenenergie gespeichert und im Winter abgezogen werden, doch solche Energieumwandlungen sind sehr ineffizient, würden ein Vielfaches der verfügbaren Dachfläche der Schweiz benötigen und aufwendige Speicherung voraussetzen. Dieses Problem würde selbst die von linker Seite geforderte Ausbaupflicht auf privaten Dächern nicht lösen.

Hier kommen alpine Solaranlagen ins Spiel. Sie produzieren im Winter gleich viel Strom wie im Sommer. Eine solche Pionieranlage wurde bereits am Muttsee im Kanton Glarus gebaut. Doch auch bei dieser Technologie gibt es Herausforderungen, hauptsächlich durch Gegenwind von Umwelt- und Landschaftsschützern. Ein Beispiel hierfür ist der Bau einer alpinsolaren Grossanlage in Grengiols im Wallis, wo ausgerechnet Umweltorganisationen auf die Bremse stehen.

Die Solarenergie spielt zweifelsohne eine wichtige Rolle in der Stromversorgung der Zukunft, aber es wäre blauäugig, alle Karten auf sie zu setzen. Dort, wo wir auf Solarenergie setzen, braucht es eine Marktöffnung, die eine marktgerechte Vergütung für Private ermöglicht, sowie signifikant beschleunigte Verfahren und gleich lange Spiesse bei der Interessenabwägung zwischen Versorgungssicherheit und Umwelt- und Landschaftsschutz.

Diese und weitere Massnahmen haben wir kürzlich in unseren «Fünf Grundpfeilern einer sicheren, nachhaltigen und wirtschaftlichen Stromversorgung» gefordert. Allerdings braucht es auch ein Umschwenken der links-grünen Energiepolitik, die momentan in einem Widerspruch gefangen ist, einerseits auf Solarenergie zu bauen und andererseits Solaranlagen nicht bauen zu wollen.

 

Die Erstpublikation dieses Texts erschien am 18. Mai 2022 als Gastbeitrag auf tagesanzeiger.ch.