# 4 / 2016
13.05.2016

Asylgesetzrevision: für ein zukunftsfähiges und faires Asylwesen

Ein zukunftsfähiges Asylsystem für die Schweiz

Mehr Effizienz dank des Prinzips «alles unter einem Dach»

Die Neustrukturierung des schweizerischen Asylwesens, die mit der Gesetzesrevision erreicht werden soll, verfolgt vier Hauptziele:

  • Schutzbedürftige Personen sollen in der Schweiz weiterhin Schutz erhalten und sich rasch in die Gesellschaft integrieren können.
  • Deshalb sollen Asylverfahren rasch, aber auch rechtsstaatlich korrekt abgewickelt werden (60 Prozent aller Verfahren sollen innerhalb von 140 Tagen rechtskräftig entschieden werden).
  • Der Anreiz, offensichtlich unbegründete Asylgesuche einzureichen, soll gesenkt und der Missbrauch bekämpft werden.
  • Die Glaubwürdigkeit eines effizienten und fairen Asylwesens soll nachhaltig gestärkt werden.

Um diese Ziele zu erreichen, sind sowohl eine Neustrukturierung der Abläufe wie auch eine zielgerichtete Anpassung der benötigten Infrastruktur notwendig. Dazu wurden drei verschiedene Typen von dauerhaften Asylunterkünften festgelegt.

Asylunterkünfte mit unterschiedlichen Funktionen

Verfahrenszentrum: In den Verfahrenszentren des Bundes werden Asylgesuche quasi unter einem Dach eingereicht, geprüft und entschieden. Die Schweiz wird in sechs Verfahrensregionen eingeteilt, die alle über ein Zentrum verfügen. Weil alle am Verfahren Beteiligten (Befrager, Rechtsbeistand, Rückkehrberatung, medizinische Versorgung usw.) am selben Ort sind, können die administrativen Abläufe und damit die Verfahren an sich verkürzt werden.

Ausreisezentren: In den Ausreisezentren werden die Personen mit abgelehnten Gesuchen (inkl. Dublin-Fälle) untergebracht. Diese Personen werden nicht wie früher in die Kantone verteilt, sondern bleiben bis zu ihrer Ausreise im Bundeszentrum. Die Rückführung wird damit beschleunigt und die Kantone werden in den Bereichen Unterbringung und Nothilfe entlastet.

Besondere Zentren: Asylsuchende, die die öffentliche Sicherheit gefährden oder den Betrieb der normalen Unterkunft stören, werden in dafür vorgesehenen Bundeszentren untergebracht und nicht in die Kantone verteilt.

Unentgeltlicher Rechtsbeistand ermöglicht rechtsstaatlich korrekte Abwicklung

Um die Verfahren rasch, effizient und doch fair abwickeln zu können, will der Bund den Asylsuchenden eine Rechtsvertretung zur Verfügung stellen. Damit wird sichergestellt, dass die rechtsstaatlichen Voraussetzungen auch mit massiv verschärftem Tempo der Verfahren erfüllt werden können – für ein Land wie die Schweiz mehr als nur eine Pflicht. Gleichzeitig sollen dadurch weniger Rekurse eingereicht werden, weil die Asylsuchenden besser informiert sind. Dass die Referendumsführer diesen notwendigen und sinnvollen Schutz unter dem Begrifft «Gratisanwälte» missbilligen, zeigt, dass sie weder den Rechtsstaat achten noch für ein zukunftsfähiges Asylsystem einstehen. Denn die Kostenargumentation greift hier definitiv zu kurz: Die Rechtsvertreter haben kein Interesse daran, die Verfahren zu verzögern, da sie mittels Pauschale vergütet werden. Ausserdem sind die Kosten für die Rechtsvertretung immer noch tiefer als die Kosten, die anfallen, wenn ein Asylbewerber – mit Steuergeldern finanziert – über Monate oder Jahre ohne definitiven Entscheid in der Schweiz weilt.

Die unentgeltliche Rechtsvertretung ist kein Privileg nur für Schweizer Bürgerinnen und Bürger, sondern steht in der Bundesverfassung (Art. 29 Abs. 3) und wird auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 und 13) allgemein garantiert. Mit dem Referendum gegen den in der Revision vorgesehenen Rechtsbeistand greift die SVP den erwähnten Verfassungsgrundsatz an. Damit versucht sie einmal mehr, an rechtsstaatlichen Prinzipien zu rütteln und die Menschen vor dem Recht in zwei Klassen einzuteilen.

Plangenehmigungsverfahren

Aufgrund der aktuellen Unterbringungsproblematik bei Asylsuchenden hat das Parlament innerhalb des sogenannten Dringlichkeitsrechts eine Bestimmung über die bewilligungsfreie Nutzung von Bauten und Anlagen des Bundes zur Unterbringung von Asylsuchenden erlassen. Für solche Umnutzungen kommen momentan nur militärische Bauten und Anlagen infrage. Für Anlagen, die dauerhaft genutzt werden sollen, oder für die Überbauung von Grundstücken des Bundes ist nach heutigem Recht ein umständlicher Bewilligungsmarathon zu durchlaufen. Dies soll mit der Revision vereinfacht werden, indem ein sogenanntes Plangenehmigungsverfahren umgesetzt wird. Es ermöglicht eine bessere Koordination und eine Vereinfachung und damit Beschleunigung der Bewilligungsverfahren, vor allem auch deshalb, weil die Einhaltung der verschiedenen bundes- und kantonalrechtlichen Bestimmungen von einer einzigen Behörde erstinstanzlich beurteilt wird. Die Einsprachemöglichkeiten werden damit minimiert. Das Bundesamt für Migration arbeitet bei der Standort- suche eng mit Kantonen und Gemeinden zusammen, das Plangenehmigungsverfahren kommt deshalb kaum zum Zug. Rund zwei Drittel der Standorte sind bereits heute festgelegt. Enteignungen müssen nicht befürchtet werden. Das VBS, das ebenfalls über das Instrument der Plangenehmigungsverfahren verfügte, setzte dessen «Ultima Ratio», die Enteignung, in den letzten 20 Jahren nie um. Durch die schnelleren und konzentrierten Verfahren wird der Platzbedarf für Asylsuchende generell abnehmen.

Erfolgreiche Testphase in Zürich

Am 6. Januar 2014 konnte der Testbetrieb zur Neustrukturierung im Juchhof in Zürich gestartet werden. Die Anlage vereint alle notwendigen Stellen an einem Ort, auch den vorgesehenen Rechtsbeistand. Hier sollen jährlich 1300 bis 1400 Asylgesuche bearbeitet werden.

Die externe Evaluation kommt zum Schluss, dass der Testbetrieb planmässig funktioniert und dass sich das Betriebsmodell für eine schweizweite Umsetzung eignet. Der Testbetrieb erreichte eine Beschleunigung der Verfahren um rund 39 Prozent, das ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass alles unter einem Dach abgewickelt werden kann. Im Bereich des Wegweisungsvollzugs ist festzustellen, dass Gesuchsteller ohne Bleibeperspektive den Testbetrieb rascher als den Regelbetrieb kontrolliert oder unkontrolliert verlassen. Weggewiesene Personen aus dem Testbetrieb bezogen wesentlich seltener und kürzer Nothilfe als weggewiesene Asylsuchende, die ein Verfahren des Regelbetriebs durchlaufen haben. Die Evaluation bestätigt grundsätzlich die Wirtschaftlichkeit der Neustrukturierung des Asylbereichs aus Sicht des Bundes. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung bekräftigt die Annahme, dass die Neustrukturierung des Asylbereichs mittelfristig zu wesentlichen Kosteneinsparungen führt.

Der Rechtsbeistand trägt positiv zu Rechtsstaatlichkeit, Effizienz, Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des Asylverfahrens im Testbetrieb bei. Die Verfahrensbeschleunigung hat zu keinen nachteiligen Auswirkungen bei der Qualität der Entscheide geführt. Gleichzeitig wurde eine klar niedrigere Beschwerdequote festgestellt. Die frühzeitige und umfassende Information zum bestehenden Rückkehrhilfeangebot hat ausserdem dazu geführt, dass dieses vermehrt in Anspruch genommen wurde.

Grafik 1

Der Testbetrieb konnte die Verfahren im gewichteten Durchschnitt um 77 Tage schneller rechtskräftig abschliessen als der Regelbetrieb.

Rasche Verfahren – ein Vergleich

Das Dublin-Verfahren, beschleunigte und erweiterte Verfahren