
Aussenwirtschaftsstrategie der Schweiz: Forderungen der Wirtschaft
17.01.2018
Auf einen Blick
Von den Wirtschaftszentren bis hin zu den alpinen Seitentälern – in der Schweiz gibt es kleine und mittelgrosse Firmen, die sich im Weltmarkt mit Erfolg behaupten. Damit sie auch künftig erfolgreich sein können, benötigen sie gute Rahmenbedingungen in der Schweiz und den bestmöglichen Zugang zu ausländischen Märkten. Der aufkommende Protektionismus setzt dies nun aufs Spiel. Ebenso ausbleibende Reformen in der Schweiz. Damit der Schweizer Wirtschaftsstandort weiterhin eine möglichst hohe Wertschöpfung erzielen kann, braucht es eine umfassende Aussenwirtschaftsstrategie.
Das Wichtigste in Kürze
Zwei von fünf Franken verdienen die Schweizerinnen und Schweizer dank einer erfolgreichen Aussenwirtschaft. Der Wohlstand unseres Landes basiert somit wesentlich auf den Export- und Importleistungen. Diese müssen sich die Unternehmen aber täglich aufs Neue erkämpfen, denn die Konkurrenz auf den internationalen Märkten ist hart und das Umfeld äusserst dynamisch. Neue Trends bringen neue Herausforderungen: Die Digitalisierung lässt bisherige Grenzen verschwinden, sie eröffnet neue Märkte und Chancen für die hoch innovativen Schweizer Firmen. Gleichzeitig versuchen immer mehr Staaten – auch die Schweiz –, sich gegen die Folgen des digitalen Wandels abzuschotten. Sie erlassen Verbote und stellen neue Handelshürden auf – insbesondere in jenen Märkten, in denen in Zukunft hohe Handelsgewinne möglich wären und auf die sich die Schweiz künftig konzentrieren sollte. Dieser zunehmende Protektionismus ist umso problematischer, je weniger Fortschritte die Welthandelsorganisation (WTO) zurzeit erzielt. Die eigentlich effizienteste Regelung vieler Fragen auf multilateraler Ebene bleibt dadurch auf Jahre blockiert. Somit braucht es neue Denkansätze, dank denen die Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz optimale Rahmenbedingungen für Schweizer Firmen im In- und Ausland sicherstellt.
Position economiesuisse
- Globale Ausrichtung der Aussenwirtschaftspolitik: Um die Aussenwirtschaft zu diversifizieren, müssen die Beziehungen zu Drittstaaten in Amerika und Asien noch schneller und tiefgreifender ausgebaut werden. Dazu gehören Freihandelsabkommen mit Partnern wie den USA, dem Mercosur, Indien oder Indonesien.
- Protektionismus und Dirigismus bekämpfen: Die Schweiz muss sich entschieden gegen protektionistische Massnahmen im Ausland wehren und gegebenenfalls internationale Schiedsgerichte anrufen – dies betrifft insbesondere den Schutz des geistigen Eigentums.
- Mehr Wirtschaftsinteressen in der Aussenpolitik: Die Schweiz muss sich in internationalen Organisationen multilateral oder regional konsequenter für ihre Wirtschaftsinteressen einsetzen. Das bedingt auch eine Abstimmung zwischen den Departementen, eine angepasste Verteilung des Personals sowie dessen adäquate Ausbildung in Wirtschaftsfragen.
- Autonome Spielräume schneller nutzen: Die Schweiz muss ihre Rahmenbedingungen kompetitiv halten und rasch an veränderte Umstände anpassen. In den nächsten fünf Jahren sollen die heutigen administrativen Kosten für die Aussenwirtschaft massiv gesenkt, Industriezölle beseitigt und die Basisinfrastruktur ausgebaut werden. Die Exportförderung ist neu auszurichten, ebenso die Landwirtschaftspolitik.
- Nachhaltigkeit als Chance erkennen: Die Schweizer Wirtschaftsdiplomatie muss den hervorragenden Ruf ihrer Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit stärker nutzen. Gleichzeitig muss sie sich entschieden dafür einsetzen, dass weder im Ausland noch im Inland unter dem Vorwand «Nachhaltigkeit» Protektionismus betrieben wird.

Der Schweizer Wohlstand hängt an der wettbewerbsfähigen Aussenwirtschaft
Jeder Rappen zählt im internationalen Wettbewerb
Die Nachricht ging jedem Schweizer Geschäftsführer durch Mark und Bein: Am 15. Januar 2015 hob die Nationalbank die Wechselkursobergrenze zum Euro auf, woraufhin der Franken gegenüber vielen anderen Währungen nach oben schnellte. Dienstleistungen und Produkte von Schweizer Firmen wurden im Ausland auf einen Schlag teurer. Die Metallfedern der Firma Baumann beispielsweise kosteten für die chinesischen Kunden plötzlich 18 Prozent mehr. Die Firma erzielt mehr als die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland, mehr als 10 Prozent davon in China.
Dass Produkte von Baumann plötzlich so viel mehr kosteten, war ein grosser Nachteil im Wettbewerb um diesen vielversprechenden Wachstumsmarkt. Umso gewichtiger wurde ein Vorteil, den die Firma gegenüber seinen Konkurrenten in der EU und den USA hatte: Die Schweiz konnte 2013 als erstes Land in Kontinentaleuropa ein Freihandelsabkommen mit China abschliessen. Im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern profitiert das Unternehmen seither von einem steten Zollabbau: Musste das Unternehmen 2013 noch sieben Prozent auf gewisse Produkte zahlen, sind es heute noch 4,7 Prozent. 2028 werden diese Güter zollfrei ausgeliefert werden können.
Warum die Aussenwirtschaft für die Schweiz wichtig ist
Das Freihandelsabkommen mit China ist ein grosser Erfolg der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik. Wie wichtig diese für den Wohlstand der Schweiz ist, verdeutlicht eine Zahl: Zwei von fünf Franken verdienen wir im Ausland. Die exportierte Wertschöpfung bei Dienstleistungen und Gütern macht also 40 Prozent der Schweizer Bruttowertschöpfung aus. Im Gegensatz zu reinen Exportzahlen der Zollstatistik enthält die exportierte Wertschöpfung keine Vorleistungen, die Schweizer Firmen im Ausland eingekauft haben. Es handelt sich dabei um den Wert, den wir in der Schweiz direkt erarbeiten. 40 Prozent sind international aussergewöhnlich hoch, wie Abbildung 1 zeigt.
Grafik 1
In der Schweiz werden 40 Prozent der Bruttowertschöpfung exportiert. Mit diesem Anteil gehört die Schweiz im internationalen Vergleich zur Spitze.

Insbesondere fällt auf, dass viele Schweizer KMU ihre Umsätze mit Geschäften im Ausland erzielen. Von den über 24’000 Exportunternehmen der Schweiz sind über 90 Prozent KMU. Das zeigt, dass diese äusserst innovativ und wettbewerbsfähig sind, da sie sich täglich gegen zahlreiche Mitbewerber aus dem Ausland behaupten müssen. Es weist aber auch darauf hin, wie wichtig eine durchdachte Aussenwirtschaftsstrategie ist, die diesen Unternehmen im In- wie im Ausland optimale Rahmenbedingungen ermöglicht. Denn im Gegensatz zu grossen Firmen ist es kleineren nicht möglich, Standorte in verschiedenen Regionen der Welt aufzubauen und Geschäftstätigkeiten je nach Entwicklung von einem Sitz zum nächsten zu verschieben.
Steckbrief der Schweizer Aussenwirtschaft
Doch welche Firmen stehen hinter der erfolgreichen Aussenwirtschaft? Die Schweiz zeichnet sich durch eine Vielzahl von exportierenden Branchen aus – was ein grosser Vorteil ist, weil sich eine Krise in einem einzelnen Sektor weniger stark auf die gesamte Volkswirtschaft auswirkt. Ein Drittel der Bruttoeinnahmen im Aussenhandel erwirtschaften Dienstleistungsunternehmen, zwei Drittel gehen auf das Konto der Industrie. Die umsatzmässig bedeutendste Exportbranche ist die Chemie- und Pharmaindustrie (siehe Abbildung 2). 2016 haben deren Unternehmen Einnahmen im Wert von 94 Milliarden Franken im Ausland erzielt. Das entspricht einem Anteil von 29 Prozent an den Gesamtexporten von Schweizer Waren und Dienstleistungen. Die Unternehmen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) sowie der Uhrenindustrie folgen auf den Rängen zwei und drei. Platz vier nehmen die Finanzdienstleistungen ein.
Grafik 2
2016 machten die Dienstleistungen einen Drittel der Gesamtexporte aus – Tendenz steigend. Zwei Drittel entfielen auf Waren.

Die Branchenanalyse zeigt weiter, dass die Chemie- und Pharmaindustrie ihre Exporte zwischen 2012 und 2016 überdurchschnittlich steigern konnte. Die Uhrenindustrie exportiert ebenfalls stark und konnte im betrachteten Zeitraum weiter zulegen. Wichtig ist auch die MEM-Industrie, deren Exporte in dieser Periode im Schnitt zwar leicht zurückgingen, im letzten Jahr aber wieder gestiegen sind.
Auffällig ist im Weiteren die zunehmende Bedeutung der Dienstleistungsexporte. Die Dienstleistungsbranchen haben in den letzten Jahren sogar leicht mehr zum gesamten Exportanstieg beigesteuert als die Warenexporte. Der hohe Wachstumsbeitrag lässt sich unter anderem mit der gesteigerten Nachfrage nach Schweizer ICT-Leistungen und Geschäftsdienstleistungen im Ausland erklären.

Forderungen an die Aussenwirtschaftspolitik
Aussenwirtschaftsstrategie soll zwei Ziele verfolgen
Oberstes Ziel der Schweizer Aussenwirtschaft ist die Sicherstellung und Förderung des Wohlstands in unserem Land. Die Investitionen grosser wie auch kleinerer Unternehmen sind gleichermassen wichtig für den Standort. Dieses übergeordnete Ziel erreicht die Schweiz über folgende Unterziele:
1. Ziel: Dank breiter internationaler Kooperation Marktzugang vertiefen und Rechtssicherheit erhöhen.
Die Schweizer Firmen können diskriminierungsfrei in ausländische Märkte exportieren sowie von dort importieren und das Handelspotenzial voll ausschöpfen (Marktzugang). Sie können sich auf den ausländischen Märkten auf rechtssichere Verhältnisse (Rechtssicherheit in der Marktpräsenz) und einen starken Schutz der Innovationsleistung (Schutz des geistigen Eigentums) verlassen.
2. Ziel: Für erstklassige Rahmenbedingungen im Inland sorgen.
Die Schweiz nutzt ihre Spielräume, um durch autonome Massnahmen ihre Unternehmen mit erstklassigen Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb zu stärken.
Instrumente der Aussenwirtschaftspolitik
Um die Ziele der Aussenwirtschaftspolitik zu erreichen, stehen der Schweiz grundsätzlich zwei Kategorien von Instrumenten zur Verfügung:
- Verhandlungsbasierte Instrumente: Hierzu zählen insbesondere völkerrechtliche Verpflichtungen, welche die Rahmenbedingungen im Aussenhandel international festlegen. Diese Bestimmungen kann die Schweiz direkt mit einem Partnerland (bilateral), mit mehreren Staaten (plurilateral) oder mit der gesamten internationalen Gemeinschaft (multilateral) aushandeln. Gemein ist den Bestimmungen, dass die Schweiz diese nicht alleine festlegen kann. Sie sind ein Verhandlungsergebnis.
- Autonome Instrumente: Hierbei handelt es sich um jene Elemente der Rahmenbedingungen, welche die Schweiz ohne das Einverständnis anderer Staaten definieren kann.
Grafik 3
1. Ziel: Dank breiter internationaler Kooperation Marktzugang vertiefen und Rechtssicherheit erhöhen.

Grafik 4
2. Ziel: Für erstklassige Rahmenbedingungen im Inland sorgen.

Mit diesen Instrumenten kann die Schweiz auf die internationalen Entwicklungen reagieren, die in nächster Zeit die Rahmenbedingungen für Schweizer Firmen massgeblich verändern werden. Digitalisierung und Globalisierung sind zwei zentrale Stichworte, auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird.
Multilaterale und horizontale Instrumente: Das Welthandelssystem ist fragmentiert
Dass Firmen beim Export ein Produkt komplett in der Schweiz herstellen und dann in ein anderes Land verkaufen, ist nicht mehr die Norm. Wertschöpfungsketten werden zunehmend globaler. Das bedeutet, dass es für diese Unternehmen sehr teuer ist, wenn sie bei jedem Geschäft mit einem Staat andere Regeln einhalten müssen. Deshalb sind im Welthandel multilaterale Lösungen die besten, denn damit sind die Vorschriften für alle gleich. Solche Vereinbarungen schliessen die Staaten meist über die WTO ab. Da die Komplexität der Entscheidungsmechanismen in der WTO zuletzt stark zugenommen hat, verzeichnet diese aber kaum noch Fortschritte. Die Folge ist, dass Staaten vermehrt auf plurilaterale oder bilaterale Abkommen ausweichen. Diese haben aber wie beschrieben höhere Kosten und bergen zudem die Gefahr, dass es zu Verzerrungen im Welthandel kommt – weil entweder einzelne Produktkategorien oder gar ganze Staaten ausgeschlossen werden.
- Wenn immer möglich soll die Schweiz multilaterale Vereinbarungen anvisieren. Diese sind im Welthandel klar die besten Lösungen.
Aufgrund technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen werden in Zukunft vermehrt horizontale Standards an Relevanz für die Schweizer Aussenwirtschaft gewinnen. Diese werden nicht immer in den klassischen Handelsorganisationen wie der WTO definiert, können aber je nach Ausgestaltung den Handel verzerren oder verhindern. Die Schweiz hätte in diesen Gremien aufgrund ihrer hohen internationalen Reputation allerdings die Chance, aktiv daran mitzuarbeiten, dass die internationalen Standards den Handel fördern und nicht einschränken. Das bedingt aber, dass die Schweizer Vertreter in diesen Organisationen die Wirtschaftsinteressen stärker repräsentieren und diese unter den einzelnen Bundesämtern besser koordinieren.
- Die Schweiz muss ihre Wirtschaftsinteressen bei horizontalen Themen in den massgeblichen internationalen Organisationen aktiv und koordiniert zwischen den einzelnen darin vertretenen Bundesämtern einbringen, zum Beispiel bei der Klimapolitik oder den Sustainable Development Goals (SDGs) der UNO.
Bilaterale Instrumente: Fokus muss auf Ländern mit hohen Handelsgewinnen liegen
Die Europäische Union (EU), die grösste Handelspartnerin der Schweiz, befindet sich zurzeit im Umbruch. Mit Grossbritannien wird im April 2019 eines der wichtigsten Mitglieder die Union verlassen. Das kann dazu führen, dass die EU künftig Nichtmitglieder stärker ausschliesst, weil die verbleibenden Staaten näher zusammenrücken. Für die Schweiz besteht die Gefahr, dass hiesige Unternehmen im Wettbewerb mit ihren EU-Konkurrenten diskriminiert werden, sofern der bilaterale Weg nicht Schritt hält mit der weiteren EU-Integration.
- Die Schweiz muss unbedingt die bilateralen Beziehungen mit der EU weiterentwickeln – insbesondere in den Bereichen Energie und Dienstleistungshandel.
Gleichzeitig ist Grossbritannien ein gewichtiger Zielmarkt für die Schweiz (der sechstwichtigste). Sind die Briten einmal aus der EU ausgetreten, müssen sie auch mit der Schweiz die gegenseitigen Beziehungen neu aushandeln.
- Die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik muss erreichen, dass der Marktzugang in Grossbritannien für Schweizer Unternehmen mindestens gleich bleibt oder besser wird. Ausserdem darf keine Lücke entstehen zwischen dem Austritt der Briten aus der EU und der Verhandlungslösung mit der Schweiz.
Die USA sind der Markt mit dem höchsten Potenzial für Schweizer Unternehmen (siehe Box: Neuer Aussenhandelsindex von economiesuisse). Die Nachfrage nach hiesigen Dienstleistungen und Produkten ist grundsätzlich vorhanden, die bestehenden Zölle und technischen Handelshemmnisse erschweren jedoch den Marktzugang. Vor allem KMU würden von einem besseren Marktzugang profitieren.
- Die Schweiz muss den Marktzugang in den USA vertiefen, indem sie ein Freihandelsabkommen anstrebt.
Neben diesen Hauptmärkten gibt es weitere Länder, auf die der Fokus gerichtet werden muss. Viele neue Möglichkeiten ergeben sich für Schweizer Unternehmen in Südostasien. Gleichzeitig verfügt die Schweiz weder mit Indonesien, Malaysia noch mit Vietnam über Freihandelsabkommen. Die erwähnten Möglichkeiten bleiben unausgeschöpft. Ebenfalls wichtig für die Schweizer Aussenwirtschaft ist der Mercosur, die Freihandelszone zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Hier kommt hinzu, dass die EU kurz vor dem Abschluss eines Freihandelsabkommens mit dem Mercosur steht. Das birgt die Gefahr, dass Schweizer Anbieter künftig auf diesen vielversprechenden Märkten gegenüber ihren europäischen Konkurrenten diskriminiert werden.
- Die Schweiz muss ihren Fokus bei Freihandelsfragen konsequent ausweiten: Mit Partnern wie Indonesien, Malaysia, dem Mercosur und Vietnam muss sie rasch umfassende Freihandelsabkommen abschliessen, mit China, der Türkei, Südkorea und Mexiko die bestehenden weiterentwickeln.
Neuer Aussenhandelsindex von economiesuisse
Die wirtschaftlichen Schwerpunkte verlagern sich, die Welt wird multipolarer. Das hat economiesuisse mit einem Aussenhandelsindex dargelegt, der verschiedene für die Schweizer Aussenwirtschaft relevante Faktoren zusammenfasst (genauere Angaben zum Aussenhandelsindex finden Sie in der ausführlichen Broschüre «Aussenwirtschaftsstrategie der Schweiz: Forderungen der Wirtschaft»). Die Analyse zeigt: Die USA und die EU werden auch künftig wichtige Handelspartner sein, bei denen Potenzial zur Vertiefung besteht. Aber auch der Mercosur wäre für viele Schweizer Unternehmen interessant, würden diese über bessere Handelsbedingungen wie tiefere Zölle und einfachere Zulassungsverfahren verfügen. Stark zugelegt an Potenzial haben Asiens Volkswirtschaften. So hat etwa der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) zum Mercosur aufgeschlossen und wird diesen gemessen an möglichen Handelsgewinnen in Zukunft überholen. Leider konnte die Schweiz bisher mit wichtigen Wachstumsmärkten wie Indonesien oder Vietnam kein Freihandelsabkommen abschliessen.
Grafik 5
Das höchste Potenzial liegt in den Handelsbeziehungen zu den USA und zur EU.

Digitalisierung und Protektionismus: Augen auf vor nicht zollbezogenen Hürden
Die Digitalisierung hat tiefgreifende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft. Sie hat das Potenzial, die Globalisierung stark zu beschleunigen. Geografische Grenzen lösen sich auf und Distanzen verlieren an Bedeutung. Ein 3D-Drucker und das Internet erlauben es, ein Produkt im Ausland einzukaufen und zu Hause auszudrucken. Die Ware überquert nie eine Grenze, kein Zöllner kann seinen Stempel daraufsetzen. Wie soll der Staat den Wert der Ware also besteuern? Aus der Digitalisierung ergeben sich regulatorische, wirtschaftliche und soziale Herausforderungen. Digitaler Handel, Datenschutz und Cybersecurity, neue Ursprungsregeln oder Wettbewerbseingriffe sind weitere Themen. Bereits heute zeigt sich, dass die Herausforderungen unmöglich mit einer rein nationalen Perspektive gelöst werden können, sondern eine enge, internationale Kooperation bedingen. Wie bereits oben erwähnt, handelt es sich dabei oft um horizontale Bereiche, die nicht klassische Handelsorganisationen festlegen.
Die Digitalisierung eröffnet viele Chancen. Beispielsweise können Handelshemmnisse überwunden werden. So lassen sich dank elektronischer Kommunikationsinstrumente Dienstleistungen im Ausland erbringen, ohne dass der entsprechende Experte in das Land reisen und dort eine Aufenthaltserlaubnis beantragen muss. Neue, digitale Instrumente im Zollwesen können zudem die Transaktionskosten massiv senken.
- Die Schweiz soll sich für freiheitliche Standards im internationalen Handel mit Daten einsetzen.
- Im Rahmen der WTO bedeutet das unter anderem, dass die Schweiz sich weiterhin für ein Moratorium auf Zölle beim E-Commerce sowie die Ausarbeitung für globale Regeln im elektronischen Handel starkmacht.
Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie als Reaktion auf den technologischen Wandel greifen Politiker weltweit vermehrt zu protektionistischen Massnahmen. Damit werden Befürchtungen in der Bevölkerung bewirtschaftet: Diese soll vor negativen Folgen des globalen Wettbewerbs verschont bleiben. Das Arsenal, das dabei zur Anwendung kommt, ist vielfältig: Gewisse Länder zwingen ausländische Anbieter, ihre Produkte lokal herzustellen, halten Firmen mit überbürokratischen Zulassungsverfahren und grenzwertig hohen Zöllen auf, subventionieren ihre Exportgüter oder halten Informationen beim öffentlichen Beschaffungswesen zurück. Auch ist zu beobachten, dass Staaten den Schutz des geistigen Eigentums herabstufen, um ihre lokalen Anbieter zu bevorteilen. Das wird auf Kosten der innovativen Schweizer Unternehmen geschehen, die stark in Forschung und Entwicklung investieren. Die Schweiz muss sich mit allen diplomatischen Mitteln dafür einsetzen, dass auf allen Zielmärkten der Schutz des geistigen Eigentums und der Investitionen der Schweizer Unternehmen gewährleistet ist. Nötigenfalls muss die Schweiz hierzu internationale Schiedsgerichte anrufen.
Beunruhigend ist, dass protektionistische Massnahmen immer mehr über nicht zollbezogene, sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse geschehen – unter anderem in den südostasiatischen Wachstumsmärkten. Firmen werden zum Beispiel gezwungen, Daten auf lokalen Servern zu speichern. Die Kosten solcher Massnahmen sind für die Schweizer Aussenwirtschaft sehr hoch, da aufgrund der gesunkenen Transportkosten und der neuen Möglichkeiten der Digitalisierung sich grundsätzlich immer neue Nischen auftun – insbesondere für Dienstleistungen. Da die Schweiz besonders viele innovative KMU hat, die hier hervorragend aufgestellt wären, muss es ein Ziel der Aussenwirtschaftsstrategie sein, diese nichttarifären Hürden aus dem Weg zu räumen.
- Die Schweiz muss mit der Aussenwirtschaftspolitik neben Zöllen auch nichttarifäre Handelshürden angehen.
- Zu den nichttarifären Massnahmen zählt insbesondere der Schutz des geistigen Eigentums, der für die innovativen Schweizer Firmen besonders wichtig ist und den die Schweiz konsequent sicherstellen muss – nötigenfalls soll sie bei Verletzungen Schiedsgerichte anrufen.
Hohe Kosten durch Agrarprotektionismus
Die Schweiz hat sehr hohe Agrarzölle, im Schnitt betragen sie 36,1 Prozent. Dies ist der Hauptgrund, wieso die Preise für Agrarerzeugnisse in der Schweiz 45 Prozent über dem Weltmarktniveau liegen. Darunter leiden nicht nur die Konsumenten, sondern auch Gastronomie und Lebensmittelindustrie, die hohe Preise für Agrarrohstoffe bezahlen müssen. Das hohe Schutzniveau im Agrarbereich führt nicht nur zu erhöhten Importkosten für die Wirtschaft, es blockiert auch den Abschluss weiterer, für die Schweizer Firmen wichtiger Freihandelsabkommen – insbesondere mit Indonesien und dem Mercosur. Aber auch ein allfälliges Abkommen mit den USA wird einen Abbau der Handelshemmnisse im Agrarbereich und eine Marktöffnung bedingen. Dabei hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass eine Marktöffnung eine Chance für landwirtschaftliche Betriebe sein kann. Seit beispielsweise Schweizer Produzenten ihren Käse zollfrei in die EU verkaufen können, konnten sie ihren Absatz und Gewinn markant steigern.
Nachhaltigkeit wird zunehmend zum Wettbewerbsvorteil
Die Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen – ökologisch, ökonomisch und gesellschaftlich – wird als Thema weiter an Bedeutung gewinnen. Firmen mit in dieser Hinsicht hochwertigen Angeboten werden an Wettbewerbsfähigkeit zulegen. Die Schweiz kann mit ihrem hervorragenden Ruf über ihre Aussenwirtschaft weiterhin erheblich zu einer nachhaltigeren Entwicklung auf der Welt beitragen. Gleichzeitig wird Nachhaltigkeit aber auch immer stärker zum Vorwand genommen, um protektionistische Massnahmen zu erlassen oder Steuern und Abgaben zu erhöhen. Ebenso kann der Schutz des geistigen Eigentums geschwächt werden.
- Die Schweiz soll ihren guten Ruf bezüglich Nachhaltigkeit einsetzen, um in den entsprechenden internationalen Organisationen aktiv an den Standards mitzuarbeiten.
Autonome Instrumente: Die Schweiz muss ihre Spielräume schneller nutzen
Die Schweiz zeichnet sich durch insgesamt sehr gute Rahmenbedingungen für ihre Unternehmen aus, davon profitiert auch die Aussenwirtschaft. Allerdings gibt es verschiedene Bereiche, in denen diese verbessert werden müssen, um mit der internationalen Entwicklung Schritt zu halten. Zusammengefasst betrifft dies folgende Bereiche:
- Geldpolitik: Der starke Franken setzt der Aussenwirtschaft zu. Eine umsichtige Geldpolitik wird deshalb auch in Zukunft ein wichtiger Standortfaktor sein. Die Unabhängigkeit der Nationalbank muss unbedingt gewahrt bleiben.
- Steuerpolitik: Die Schweiz braucht weiterhin ein wettbewerbsfähiges Steuersystem. Hierzu muss sie möglichst rasch eine Reform der Unternehmensbesteuerung vornehmen, die international anerkannt ist und die Wettbewerbsfähigkeit beibehält oder sogar steigert.
- Arbeitsmarkt: Die Schweiz braucht Fachkräfte und einen auch für Ausländer zugänglichen Arbeitsmarkt. Und damit sie im Welthandel weiterhin auf ihre Wettbewerbsvorteile setzen kann, braucht es im Inland führende Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie ein Angebot an Aus- und Weiterbildungen, das den wandelnden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt gerecht wird.
- Basisinfrastruktur: Um das Potenzial der globalisierten Wertschöpfungsketten nutzen zu können, werden die Anforderungen an die Basisinfrastruktur im Luft-, Boden- und Schifffahrtsverkehr steigen. Die Schweiz muss sicherstellen, dass sie in diesen Bereichen ausreichende Kapazitäten aufbaut.
- Digitales Standbein: Die Schweiz hat grosse Chancen, ein führender Standort im Bereich Digitalisierung zu werden. Das bedingt aber, dass die Politik in den Aufbau eines robusten digitalen Standbeins investiert, indem sie den Bereich E-Government stark verbessert und keine Technologieverbote oder Netzsperren erlässt.
- Exportförderung: Die Exportförderung der Schweiz sollte neu ausgerichtet werden und besser auf die Bedürfnisse der KMU eingehen. Das bedeutet, dass zum Beispiel das Zusammenspiel zwischen Switzerland Global Enterprise (S-GE) und den privaten Handelskammern verbessert wird und die Vertreter der Exportförderung international nicht mit verschiedenen Logos auftreten.
- Zölle und Zollprozesse: Um die Kosten für die Ein- und Ausfuhr von Waren tief zu halten, müssen die Abläufe konsequent digitalisiert werden.
- Agrarpolitik: Die Schweiz soll das Schutzniveau im Agrarbereich abgestuft zurückfahren, sodass Fortschritte beim Freihandel mit wichtigen Partnern nicht blockiert werden.

Fazit: Es braucht neue Denkansätze
Die Schweiz benötigt eine schlagkräftige Aussenwirtschaftspolitik. Diese muss auf künftige Trends reagieren und den verschiedenen Bedürfnissen der unterschiedlichen exportierenden und importierenden Branchen in der Schweiz Rechnung tragen. Das bedingt neue Denkansätze. Die Digitalisierung lässt physische Grenzen überschreiten. Eine Aussenwirtschaftsstrategie darf somit nicht davon ausgehen, dass ausschliesslich Zöllner an Landesgrenzen den Handel hemmen. Vielmehr sind es neue, nicht zollbezogene Hürden, die künftig Schweizer Unternehmen herausfordern. Zum Beispiel unterschiedliche Anforderungen an den Datenschutz oder der Zwang, Daten auf lokalen Servern zu speichern.
Gleichzeitig handeln Unternehmen international immer mehr Dienstleistungen. Auch die Schweiz erzielt dadurch eine hohe Wertschöpfung. Zölle sind bei Dienstleistungen weniger problematisch. Anders sieht es aus, wenn ein Staat einem Schweizer mit Lehrabschluss den Aufenthalt verwehrt, weil dieser Abschluss nicht anerkannt und ein Bachelordiplom verlangt wird. Solche Hürden hemmen den Dienstleistungshandel und müssen in einer Aussenwirtschaftsstrategie berücksichtigt werden.
Fokussiert die Aussenwirtschaftspolitik zu stark auf einzelne Staaten, verkennt sie zudem die Rolle globaler Wertschöpfungsketten. Diese bedingen gleiche Spielregeln in möglichst allen Staaten. Da die Staaten mit immer neuen Massnahmen versuchen, ihre Bevölkerung vor dem internationalen Wettbewerb abzuschotten, muss eine Aussenwirtschaftspolitik auch internationale Organisationen berücksichtigen, die keine klassischen Handelsfragen behandeln. Der Europarat beispielsweise prägt die globalen Standards in der Cybersecurity.
Um auch in den kommenden Jahren Schweizer Unternehmen im In- wie im Ausland mit optimalen Rahmenbedingungen zu unterstützen, sollte die Aussenwirtschaftspolitik die Empfehlungen in diesem Dokument aufgreifen. Damit leistet sie einen grossen Beitrag dazu, dass die hiesigen Firmen weiterhin für Wohlstand und Arbeitsplätze in der Schweiz sorgen können.
Abkürzungsverzeichnis
- ASEAN = Verband Südostasiatischer Nationen, dazu zählen die Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam (engl. The Association of Southeast Asian Nations)
- BIZ = Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
- DBA = Doppelbesteuerungsabkommen
- EZV = Eidgenössische Zollverwaltung
- EU-28 = Anzahl der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
- FHA = Freihandelsabkommen
- GAFI/FATF = Internationale Arbeitsgruppe betreffend finanzieller Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche (franz. Groupe d’action financière, engl. Financial Action Task Force)
- GRECO = Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (engl. Group of States against Corruption)
- IATA = Internationale Luftverkehrs-Vereinigung (engl. International Air Transport Association)
- ICT = Informations- und Kommunikationstechnologie (engl. information and communication technology)
- ILO = Internationale Arbeitsorganisation (engl. International Labour Organization
- IMO = Internationale Seeschifffahrts-Organisation (engl. International Maritime Organization)
- ISA = Investitionsschutzabkommen
- IWF (IMF) = Internationaler Währungsfonds (engl. International Monetary Fund, auch bekannt als Weltwährungsfonds)
- MEM-Industrie = Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie
- Mercosur = Gemeinsamer Markt Südamerikas, dazu zählen Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela (derzeit suspendiert)
- MRA = Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (engl. Mutual Recognition Agreement)
- OECD = Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (engl. The Organisation for Economic Cooperation and Development)
- SNB = Schweizerische Nationalbank
- S-GE = Organisation zur Förderung der Schweizer Aussenwirtschaft (engl. Switzerland Global Enterprise); ehemals Schweizerische Zentrale für Handelsförderung OSEC (franz. Office d’Expansion Commerciale, engl. Business Network Switzerland)
- SDGs = Von den Vereinten Nationen festgelegte politische Ziele zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung (engl. Sustainable Development Goals)
- TiSA = Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (engl. Trade in Services Agreement)
- TPP = Transpazifische Partnerschaft (engl. Trans-Pacific Partnership)
- TTIP = Transatlantisches Freihandelsabkommen (engl. Transatlantic Trade and Investment Partnership)
- UNCTAD = Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (engl. United Nations Conference on Trade and Development)
- WSC = Weltstandardkooperation (engl. World Standards Cooperation)
- WTO = Welthandelsorganisation (engl. World Trade Organization)
Newsletter abonnieren
Jetzt hier zum Newsletter eintragen. Wenn Sie sich dafür anmelden, erhalten Sie ab nächster Woche alle aktuellen Informationen über die Wirtschaftspolitik sowie die Aktivitäten unseres Verbandes.

