Wohnungen

Wohnungsmarkt: Das Bauen muss drastisch vereinfacht werden

Die aktuelle Wohnungsknappheit in den Ballungsgebieten hat viele Ursachen. Allen voran aber bremsen komplizierte Vorschriften, überlange Verfahren und zu viele Einsprachen die Behebung dieses Missstands. Denn Kapital für die Erstellung von mehr Wohnraum wäre mehr als genug vorhanden.

Es herrscht die grosse Angst, dass wir in der Schweiz nicht genügend Wohnraum für alle haben. Das Wort Wohnungsnot ist in aller Munde, auch wenn schweizweit noch keine Rede davon sein kann. Aber in den gefragtesten Wohngegenden gibt es Handlungsbedarf. Dort ist das Angebot an Wohnungen knapp und die Prognosen verdüstern sich. In einem funktionierenden Markt würde das Wohnungsangebot steigen, wenn die Nachfrage dermassen stark steigt. Im Wohnungsmarkt hält aber in den Zentren das Angebot nicht mit der Nachfrage Schritt: Es ist schwierig, eine passende Wohnung zu finden, und die Preise steigen. Doch wer ist schuld daran?

Ist die Politik oder der Markt das Problem?

Es gibt unterschiedliche Argumentationslinien. Gewisse sagen, dass die erste Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 1) dafür verantwortlich sei, weil seit ihrem Inkrafttreten (2014) nicht mehr genügend Bauland eingezont werden konnte. Dieses Argument sticht für sich allein nicht. Denn gemäss einer Analyse von Wüest und Partner besteht in den unbebauten Bauzonen Potenzial für Wohnraum für 1,6 Millionen Menschen, und mit Verdichtung könnte in überbauten Gebieten Platz für weitere 1,1 Millionen geschaffen werden. Andere machen den Markt für die Entwicklung verantwortlich. Das Argument geht so: Weil die Zinsen steigen, würde weniger in die Erstellung von Wohnungen investiert, da die Finanzierung über Hypotheken teurer geworden sei und die alternativen Anlagen wie beispielsweise Aktien wieder interessanter seien. Diese Hypothese verfängt heute noch nicht. Die Investitionsentscheide zu Bauten, die momentan erstellt werden, wurden letztes Jahr oder noch früher gefällt, als die Zinsen rekordtief waren. Der Effekt der höheren Zinsen könnte aber in Zukunft durchaus eine Rolle spielen. Summa summarum: So einfach ist die Antwort nicht, wie es manche gerne hätten.

Mangelhafte Kohärenz der kommunalen und nationalen Politiken

RPG 1 taugt nicht zum alleinigen Sündenbock. Es ist weit verbreiteter politischer Konsens, dass in den Zentren stärker verdichtet werden sollte. Dieses Ansinnen ist aus Sicht der effizienten Bodennutzung sinnvoll. Aber die Umsetzung ist mehr als mangelhaft. Die nationale Politik hat zwar mit RPG 1 Verdichtung befohlen. Aber in den Gemeinden wird nicht entsprechend gehandelt. Um zu verdichten, müssen höhere Gebäude mit grösserer Ausnutzung in bereits bebauten Siedlungsgebieten erstellt werden. Aber in den Zentren wird nicht genug aufgezont. Nur ein zusätzliches Stockwerk zuzulassen, wie es gewisse Städte gemacht haben, reicht nicht aus, um die grosse Nachfrage nach zentral gelegenem Wohnraum zu befriedigen. Wenn Bauherrinnen grösser bauen möchten, als es die kommunale Bau- und Zonenordnung zulässt, müssen sie über langwierige Verfahren mit teilweise abschreckenden Vorschriften gehen. Zudem sind die Baubewilligungsprozesse für alle Arten von Bauten sehr zäh. Die Zürcher Kantonalbank hat aufgezeigt, dass es in der Schweiz im Schnitt 140 Tage dauert, bis ein Baugesuch bewilligt ist. In den Zentren, wo am dringendsten gebaut werden sollte, dauert es aber deutlich länger. So seien es in der Stadt Zürich 330 und in Genf sogar 500 Tage. Schweizweit dauern die Verfahren im Schnitt rund 67 Prozent länger als 2010. Teil des Problems stellen die häufigen Rekurse dar, die oftmals unbegründet eingereicht werden – mit der einzigen Absicht, das Projekt zu verzögern. Und natürlich sind nicht die Gemeinden allein schuldig. Auch nationale Vorschriften in Bezug auf Lärm und Ortsbildschutz erschweren oftmals unnötig den Bau von neuen Wohnungen.

Lösungen sind bekannt; es gilt, sie rasch umzusetzen

Der Handlungsbedarf ist unbestritten. Es liegt eine gewisse Tragik darin, dass die Lösungen eigentlich längst bekannt wären: In der Schweiz muss schneller mehr gebaut werden können. Dazu braucht es unter anderem:

  • Ein schlankes Planungs- und Baurecht, das unter anderem maximale Bearbeitungsfristen und einen «One stop shop» vorsieht.
  • Mehr Flexibilität in den Bau- und Nutzungsordnungen, damit die bauliche Entwicklung und die Nutzung bestehender Gebäude rasch an sich ändernde Bedürfnisse angepasst werden können.
  • Verdichtetes Bauen vorantreiben, unter anderem dank Aufzonungen, höheren Ausnutzungsziffern und einer besseren Nutzung der dritten Dimension (Bauen im Untergrund und in die Höhe).
  • Die Siedlungsentwicklung nach innen fördern, indem Entwicklungshemmer wie Lärmvorschriften und das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) massvoll gelockert werden.
  • Ein funktionierender Immobilienmarkt, der die Knappheit im Preis abbildet und somit den Wohnungsbau an die richtigen Orte lenkt.

Ausreden gibt es keine mehr. Es gilt nun, rasch die Bautätigkeit in der Schweiz anzukurbeln. Und zwar nicht durch staatlich finanzierte Bauprojekte, sondern durch gute Rahmenbedingungen. Denn Geld, um zu bauen, wäre ausreichend vorhanden.