Wer kontrolliert die Kontrolleurin?

Unternehmen mit einer Zielvereinbarung reduzieren ihren CO2-Ausstoss deutlich stärker als die Gesamtindustrie. Doch die Finanzkontrolle kommt in ihrer Evaluation des Zielvereinbarungssystems zu einem ganz anderen Schluss, weil ihr ein folgenschwerer Fehler unterläuft: Sie vernachlässigt in ihrem Vergleich, dass einige Grossemittenten ihren Betrieb einstellten und nur deswegen der CO2-Ausstoss der Gesamtindustrie so stark reduziert wurde. Es ist schlecht für die Schweiz, wenn die Finanzkontrolle ihre Glaubwürdigkeit untergräbt. Und es wäre fatal für die Industrie, wenn das Erfolgsmodell Zielvereinbarungen kaputt gemacht würde.

Die Medien berichteten in den letzten Tagen breit über die Untersuchung der Finanzkontrolle, welche die CO2-Abgabebefreiung für Unternehmen mit Verminderungsverpflichtung evaluierte. Die Schlussfolgerung lautete, dass die Reduktionsleistung des Systems etwas bescheiden sei. Diese Interpretation fusst auf einem Vergleich zwischen Unternehmen mit einer Zielvereinbarung und Unternehmen ohne eine solche. Bei beiden findet die Finanzkontrolle eine ähnlich grosse Reduktion der Emissionen in den letzten Jahren.

Eigentlich müsste es eine Kernkompetenz der Finanzkontrolle sein, korrekte Vergleiche anzustellen. Dass man also Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen vergleicht. Doch in ihrer Evaluation des Zielvereinbarungssystems machte sie einen folgenschweren Fehler: Die Gesamtindustrie schnitt nur deswegen etwa gleich gut ab wie die befreiten Unternehmen, weil man Äpfeln mit Birnen verglich. Bei den befreiten Unternehmen wurden nur solche betrachtet, die eine Verpflichtung, ohne Unterbrechung, für den gesamten Zeitraum von 2013 bis 2020 eingegangen sind. Bei der Gesamtindustrie hingegen wurde der gesamte CO2-Ausstoss aller Industriefirmen herangezogen. Und hier passierte im Zeitraum zwischen 2013 und 2020 einiges, weil Betriebe ihre Tore schlossen oder stark umstrukturierten. Und das schenkt ein. Allein die Schliessung der Tamoil-Raffinerie in Collombey im Jahr 2016 hat zu einer Reduktion von ca. 640’000 Tonnen CO2 geführt. Das macht bei den von der FK zugrunde gelegten Industrieemissionen (ohne Abfallverbrennung) rund 8,3 Prozent des CO2-Austosses der Gesamtindustrie in einem Jahr aus. Auch zwei grosse Papierfabriken und viele andere Unternehmen wurden in dieser Zeit aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen oder haben ihre Produktionsvolumen reduziert. Würde man die 20 Prozent Emissionsreduktion der Gesamtindustrie um die Schliessungen nur dieser Grossemittenten korrigieren, fällt die Reduktionsleistung deutlich unter 12 Prozent.

Eigentlich hätte die Schlussfolgerung der Finanzkontrolle folgendermassen lauten sollen: Die Reduktionsleistung der Unternehmen mit einer Zielvereinbarung ist gross und übersteigt diejenige der Gesamtindustrie deutlich. Das von der Schweizer Wirtschaft mit dem Bund entwickelte Instrument der CO2-Abgabebefreiung und der Zielvereinbarung hat sich eindeutig bewährt. Es motiviert die Unternehmen zu starken Emissionsreduktionen unter Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit. Leider aber hatte die Finanzkontrolle für das Zielvereinbarungssystem kein Lob, sondern nur Schelte übrig.