Person in einer Lagerhalle

Lieferengpässe nehmen vor Weihnachten weiter zu

Die jüngste Umfrage von economiesuisse zeigt, dass sich die Schwierigkeiten beim Bezug von Vorprodukten und Rohstoffen für viele Firmen weiter akzentuiert haben. Neben anhaltenden Kapazitätsengpässen beim Transport und der Produktion werden nun verstärkt Corona-Massnahmen im Herstellungsland als Gründe für Lieferschwierigkeiten genannt. Immer mehr Unternehmen sehen sich gezwungen, ihre Lager aufzustocken, neue Lieferanten zu suchen und ihre Preise zu erhöhen. Schnelle Entspannung ist nicht in Sicht.

Lieferengpässe werden zunehmend zur Last für Schweizer Unternehmen. Zwar wäre die Nachfrage vorhanden, aber weil weiterhin Vorleistungen oder Rohstoffe fehlen, kommt die Produktion nicht hinterher. Mehr als vier von fünf befragten Unternehmen melden aktuell Schwierigkeiten beim Bezug von Vorprodukten. Im Vergleich zur letzten Umfrage vor einem Monat hat sich die Lage nicht entspannt – im Gegenteil.

Immer mehr Engpässe

Die Maschinen- und Elektroindustrie kämpft schon länger mit fehlenden Komponenten und Halbleitern. Die Verknappung von Werkstoffen wie Aluminium, Holz oder Kunststoffen führt seit Monaten zu Produktionsverzögerungen – darunter leidet auch der Bausektor. Immer stärker sind aber auch Gross- und Einzelhandel betroffen. Ausländische Hersteller von Elektronik wie Smartphones können die Nachfrage nicht hinreichend befriedigen. Und ausgerechnet im wichtigen Weihnachtsgeschäfts melden Händler, die Lieferschwierigkeiten hätten sich weiter zugespitzt. So sind die Engpässe bei Skiern, Fahrrädern, bestimmten Spielwaren, aber auch bei Elektrogeräten nun besonders spürbar. Inzwischen hat sich die Mangellage flächendeckend ausgebreitet.

Doch es fehlen nicht nur Produkte und Rohstoffe. Auch die Rekrutierung von Fachkräften gestaltet sich schwierig. Mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen findet nicht genügend ausgebildetes Personal. Das sind fünfmal mehr als noch vor einem Jahr. Der Fachkräftemangel in der Schweiz akzentuiert sich damit deutlich. Besonders ausgeprägt ist er in den Bereichen Industrie, Informatik, dem Gesundheitswesen sowie der Hotellerie und Gastronomie. Halten die Probleme mit den Lieferengpässen weiter an, rechnen einige Branchen zwar mit einer kurzfristigen Entschärfung. Der Bedarf an spezialisiertem Personal wird mittel- und langfristig aber weiter ansteigen.

Neue Einschränkungen

Generell sehen sich die Unternehmen wieder stärker herausgefordert als noch im Oktober. Grund dafür sind insbesondere die steigenden Fallzahlen. Gut jeder fünfte Branchenvertreter berichtet von pandemiebedingten Arbeitsausfällen und Absatzschwierigkeiten in seinem Wirtschaftszweig. Und auch die Produktions- und Lieferketten sind wieder vermehrt direkt betroffen. 55 Prozent der befragten Unternehmen nennen staatliche Eindämmungsmassnahmen im Herstellungsland als Grund für die Engpässe. Das sind deutlich mehr als in der letzten Umfrage.

Am häufigsten nennen die Unternehmen weiterhin die Probleme beim Transport und der Logistik. Zu wenige Container und fehlende Frachtkapazitäten auf Schiffen beeinträchtigen die Lieferketten. Zudem verzögern Produktionsausfälle bei Zulieferern die Herstellungsprozesse. Diese konnten zwar in einigen Fällen behoben werden, doch sehen hier immer noch mehr als die Hälfte der Betriebe ein Grund für Verzögerungen. Bei ähnlich vielen Herstellern reicht die Produktionskapazität zudem immer noch nicht aus, um die Nachfrage zu decken. Der Handel rechnet folglich damit, im laufenden Weihnachtsgeschäft nicht alle Wünsche der Konsumentinnen und Konsumenten zeitgerecht erfüllen zu können.

Immer mehr Unternehmen reagieren

Angesichts der steigenden Nachfrage und der gestiegenen Einkaufs- und Energiekosten sind Preiserhöhungen nicht zu vermeiden. Fast 60 Prozent der befragten Unternehmen planen eine Anpassung ihrer Verkaufspreise. Der angegebene Preisanstieg bewegt sich in den meisten Fällen zwischen zwei und fünf Prozent. Allerdings dauern die Anpassungen immer etwas, und die Preiserhöhungen werden voraussichtlich erst 2022 die Konsumenten erreichen.

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Zwar sind die Lieferströme langsamer und stockender geworden, aber bisher nicht zum Stillstand gekommen. Schweizer Firmen setzten alles daran, die Probleme bestmöglich zu lösen. Immer mehr Unternehmen erhöhen folglich ihre Lager und suchen neue Lieferanten. Fast 58 Prozent der Befragten suchen neue Zulieferer in einem anderen Land als bisher. Das sind rund zehn Prozentpunkte mehr als im Oktober. Die Unternehmen geben an, damit ihre Lieferketten zu diversifizieren und ihre Abhängigkeit von Lieferanten – insbesondere aus Übersee – zu reduzieren. Das könnte die Widerstandskraft der Lieferketten nachhaltig verbessern.

Die meisten Betriebe konzentrieren sich momentan auf die Lieferketten. Wenig beliebt ist die Integration der Herstellungsprozesse für Vorprodukte in das eigene Unternehmen. Auch eine Verlagerung der bestehenden Produktion näher zum Absatzmarkt ist momentan nur für rund zwölf Prozent der Unternehmen eine Option. Ein Personalabbau oder die Erhöhung der Kurzarbeit ist in den meisten Branchen momentan ebenfalls nicht vorgesehen.

Unsicherheit steigt

Trotz dieser beeindruckenden Anpassungsfähigkeit rechnen die betroffenen Branchen erst im Verlauf des nächsten Jahres mit einem Ende der Lieferschwierigkeiten. Zwar hat sich die Lage stabilisiert, doch mit dem Auftauchen der Omikron-Variante des Coronavirus ist die Unsicherheit wieder gestiegen. Was all dies für die wirtschaftliche Erholung der Schweiz bedeutet, haben wir in unserer aktuellen Konjunkturprognose eingehender analysiert.

Die Umfrage wurde von economiesuisse vom 15. bis zum 29. November 2021 durchgeführt. Teilgenommen haben 190 Organisationen. Die Umfrage deckt alle Landesteile ab. 25 Branchenverbände haben die Umfrage konsolidiert für ihre Branche ausgefüllt. Die Auswertung zeigt ein aktuelles Stimmungsbild der Schweizer Wirtschaft. Die Antworten wurden jeweils nicht gewichtet und die Ergebnisse erheben keinen Anspruch auf Repräsentativität.