Finanzpolitische Zügel nicht schleifen lassen

Nach Bekanntgabe der voraussichtlich guten Zahlen zur Rechnung des Bundes für das Jahr 2010 drohen Bundesrat und Parlament, die Zügel in der Finanzpolitik schleifen zu lassen. Geht es nach ihrem Willen, soll aufgrund der momentan guten Lage für 2011/12 auf rund 50 Sparmassnahmen des Bundes verzichtet werden.

Die aktuellsten Hochrechnungen für die Bundesrechnung gehen für das Jahr 2010 von einem überraschenden Überschuss in Höhe von rund 3 Mrd. Franken aus. Das sind an sich gute Nachrichten. Weniger erfreulich ist hingegen die Reaktion der Politik. So wollen Bundesrat und ständerätliche Finanzkommission nun auf zahlreiche, seit langem vorbereitete und im Konsolidierungsprogramm (KOP) 2011/12 enthaltene Sparmassnahmen aus der Aufgabenüberprüfung des Bundes verzichten.

Das Ziel der Massnahmen der Aufgabenüberprüfung (AÜP) ist eine möglichst dauerhafte Entlastung des Bundeshaushalts. Zur Ingangsetzung der langfristig wirkenden Massnahmen sind auch im KOP 2011/12 bereits kleinere und mittlere, rasch realisierbare Aufgabenverzichte enthalten. Damit soll schon jetzt ein Beitrag zur nachhaltigen Gesundheit der Bundesfinanzen geleistet werden. Der gute Abschluss der Bundesrechnung im vergangenen Jahr darf kein Grund sein, auf solch langfristig wirkende Massnahmen zu verzichten. Trotz des erfreulichen Schuldenabbaus der letzten Jahre belasten die Schuldzinsen den Bund heute mit jährlich fast 3 Mrd. Franken. Vor dem Hintergrund der kapitalen finanziellen Herausforderungen der nächsten Jahre – so zum Beispiel in der Verkehrsfinanzierung oder bei den Sozialwerken – sind deshalb die nötigen strukturellen Reformen frühzeitig einzuleiten und konsequent umzusetzen.

Weiter gilt es, der schleichenden Zentralisierung von Kantonsaufgaben auf den Bund entgegen zu wirken. Dies ist beispielsweise bei der drohenden Verstetigung des ursprünglich befristeten Impulsprogramms des Bundes zur familienergänzenden Kinderbetreuung der Fall. Eine entsprechende Korrektur ist denn auch im AÜP-Teil des KOP 2011/12 vorgesehen. Der gute Rechnungsabschluss 2010 darf nicht als Begründung herhalten, um aus solchen freiwilligen, befristeten Anschubfinanzierungen Daueraufgaben des Bundes zu machen.

Vor dem Hintergrund der grossen internationalen Herausforderungen muss sodann bald die Attraktivität des schweizerischen Unternehmenssteuerrechts gestärkt werden. Dies ist für den Erhalt von Wohlstand und Arbeitsplätzen in der Schweiz unbedingt nötig. Für die entsprechenden Reformen muss ein genügend grosser finanzieller Handlungsspielraum geschaffen werden. Eine konsequente Umsetzung der Massnahmen aus der Aufgabenüberprüfung ist ein nicht unwesentlicher Beitrag dazu. Davor sollte die Politik auch in einem Wahljahr nicht zurückschrecken. Wie der aktuellste Finanzmonitor des Meinungsforschungsinstituts gfs.bern zeigt, stossen eine Zurückhaltung bei der Festlegung staatlicher Aufgaben und eine allgemein restriktive Finanzpolitik bei der Stimmbevölkerung auf hohe Akzeptanz.