Das Selbstverständliche steht schon lange in unserem Gesetz

Die Polemiken der Initianten der Unternehmens-Verantwortungs-Initiative (UVI) und ihre Vorwürfe gegen Schweizer Unternehmen wollen den Eindruck erwecken, dass unsere Unternehmen sich international in einem rechtslosen Raum bewegen und nur das Schweizer Rechtssystem Abhilfe bietet. Das ist nicht nur eine Verdrehung der Tatsachen, sondern auch eine Anmassung sondergleichen.

Wie wir als natürliche Personen, haften Unternehmen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig jemandem Schaden zufügen. Dies gilt in der Schweiz wie auch im Ausland: Das Unternehmen, das Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung zulässt, haftet nach dem Recht des Landes, wo der Schaden entstanden ist. Verursacht eine Tochtergesellschaft den Schaden, dann haftet auch sie. Schon heute. Warum nur reicht das den Initianten nicht? Die Instrumente, Klagen einzuleiten, wären vorhanden. Klagen, die im Ausland gegen Unternehmen eingereicht werden, wären auch in der Schweiz möglich, sie wären aber keine Selbstläufer, und genau das strebt die Initiative an. 

Denn statt im Einzelfall gegen schwarze Schafe vorzugehen und die bestehenden Instrumente zu nutzen, setzen die Initianten auf eine neue Verfassungsbestimmung, die alle Unternehmen unter Generalverdacht stellt und Klagen gegen hiesige Unternehmen zu Selbstläufern machen würde.

Die Initiative will viel mehr als Haftbarkeit der Unternehmen: Sie will in der Verfassung verankern, dass bis zum Beweis seiner Unschuld das Schweizer Unternehmen für das Verhalten eines – auch wirtschaftlich abhängigen Unternehmens – einstehen muss. Dies vor dem Schweizer Richter nach Schweizer Recht mit der absurden Konsequenz, dass ein Schweizer Unternehmen unter Umständen haftbar würde, während die eigentlich verantwortliche Gesellschaft im Ausland ohne Konsequenzen davonkäme. Eine solche Regel – man stelle sich vor, andere Länder hätten sie – hebelt international vereinbarte Zuständigkeitsregeln aus und würde einen globalen Alleingang der Schweiz bedeuten. Mit unberechenbaren und gerade in der Krise möglicherweise brisanten Folgen für uns alle.

Die Initiative will viel mehr als Haftbarkeit der Unternehmen.

Eine derart explizite Haftung mit Beweislastumkehr bis hin zu wichtigen Zulieferern, wie sie die Initiative verlangt, kennt kein anderes Land und es zeichnet sich auch nirgendwo eine solche Regelung ab. Frankreich hat zwar ein relativ weitgehendes Gesetz, das aber nur für Unternehmen gilt, die mindestens 5000 Mitarbeitende in Frankreich oder 10'000 Mitarbeitende weltweit haben. Zudem trägt in Frankreich der Kläger die ganze Beweislast. Eine Beweislastumkehr, wie sie die Initiative verlangt, hat das französische Parlament aus guten Gründen ausdrücklich abgelehnt. In der EU und in Deutschland laufen derzeit zwar Diskussionen über strengere Regulierungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte, diese sind jedoch umstritten und konkrete Gesetzesprojekte liegen nicht vor. Gerade die Diskussion in Deutschland zeigt auf, dass man hier keinesfalls als einzelnes Land in die falsche Richtung gehen will, sondern im sensitiven Bereich des internationalen Schutzes der Menschenrechte und der Umwelt nur ein international abgestimmtes Vorgehen infrage kommt. Damit dürften sich allfällige Entwicklungen im Bereich verbindlicher Sorgfaltsprüfungspflichten auf Stufe EU ergeben, das heisst entlang der Lösung des Gegenvorschlags – und nicht etwa unberechenbare Haftungsbestimmungen à la UVI.

Der Gegenvorschlag, der in Kraft tritt, wenn die Initiative abgelehnt wird, baut auf diesen Entwicklungen in der EU auf und geht sogar noch einen Schritt weiter. Entgegen anderslautender Behauptungen ist er damit topmodern und führt die Schweiz an die Weltspitze. So nimmt er die Anliegen der Initiative auf, verzichtet aber auf ihre brachialen Instrumente und die damit verbundenen erheblichen Risiken für Schweizer Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Schweiz. Er hat aber nichts mit Freiwilligkeit zu tun, im Gegenteil. Der Gegenvorschlag ist eine strenge Regulierungsvorlage, mit der die Unternehmen in der Schweiz einerseits zu umfassenden Rechenschaftspflichten und andererseits zu verbindlichen Sorgfaltsprüfungen verpflichtet werden.

Bei den Bereichen «Kinderarbeit» und «Konfliktmineralien» handelt es sich um besonders sensitive Bereiche. Deshalb will der Gegenvorschlag, dass Schweizer Unternehmen hier besonders gut hinschauen. Mit der Sorgfaltsprüfungspflicht muss ein Unternehmen wissen, unter welchen Bedingungen beispielsweise ein Lieferant arbeitet, von dem es Produkte bezieht. So können Mineralien zum Beispiel aus einem Kriegsgebiet stammen, sodass mit dem Handel gleichzeitig Konflikte mitfinanziert werden. Auch bei einem Verdacht auf Kinderarbeit muss ein Unternehmen Massnahmen ergreifen. Damit soll sichergestellt werden, dass Unternehmen beispielsweise keine Lieferanten berücksichtigen, die sich nicht an die Regeln halten. Ein anspruchsvolles Vorhaben, welches die davon betroffenen Unternehmen vor grosse Herausforderungen stellen wird. Über die Sorgfaltsprüfung müssen die betroffenen Unternehmen ebenfalls jährlich Bericht erstatten. Er dient als Basis für einen lösungsorientierten Dialog. Wer gegen diese Regeln verstösst, wird vom Staat persönlich mit einer Busse von bis 100'000 Franken bestraft. 

Schliesslich, und das ist das Entscheidende. Mit dem Gegenvorschlag fahren wir auf der gleichen Strasse wie die Länder, die bereit sind, hier ihren Beitrag zu leisten und mit denen wir gemeinsame Werte teilen. Internationale Entwicklungen können wir so mitprägen und weiterentwickeln. Wir sind damit in der Lage, mit der Spitze mitzuhalten. Mit der UVI stellen wir uns ins Abseits. Daher ein klares NEIN zur UVI und ein JA zum Gegenvorschlag.