Brüssel

Bericht aus Brüssel vom 26. Oktober

Auch nach dem EU-Ratsgipfel ist die Spannung in Brüssel hoch, ob es noch gelingen wird, rechtzeitig eine Einigung mit London über einen geregelten Austritt Grossbritanniens aus der Union zu erzielen. Daneben sind vor allem die verschiedenen Handelssanktionen und Italiens Staatsverschuldung ein Thema, nicht hingegen die Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen mit der Schweiz.

Brexit: Die Zeit wird knapp

In Brüssel sprechen alle über Brexit, aber niemand weiss, ob die Zeit ausreicht, um die noch ungeklärten Fragen über das künftige Verhältnis zwischen der EU und Grossbritannien bis zu dessen Austritt zu klären. Ein Verhandlungsführer der EU erklärte in der Brexit-Taskforce von BusinessEurope, dass dafür höchstens noch ein Monat Zeit bliebe, damit ein Übergangsabkommen in der EU und in Grossbritannien rechtzeitig vor dem Austrittsdatum ratifiziert werden könne. Das grösste Problem ist noch immer die Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland. Zurzeit ruhen die Verhandlungen, weil Theresa May ihren Finanzhaushalt für 2019 durchs Parlament bringen muss und dort auf die Stimmen der nordirischen DUP angewiesen ist. Diese will aber eine Einigung, bei der Nordirland faktisch noch zum EU-Binnenmarkt gehören würde, nicht akzeptieren und erpresst damit die Regierung. Die Wirtschaftsverbände warnen, dass zurzeit weder die verbleibenden Mitgliedstaaten noch Grossbritannien in der Lage wären, auf den 1. April 2019 eine harte Grenze mit Grenz- und Zollkontrollen hochzuziehen. Sie befürchten ein Chaos und hoffen noch immer auf eine Einigung in letzter Sekunde.

Der Handelskrieg der USA droht die europäische Wirtschaft zu bremsen

Das andere grosse Thema ist der durch eskalierende Handelskonflikte unter den grossen Wirtschaftsblöcken gefährdete Welthandel. Bei den Handelssanktionen der USA gegen den Iran gibt sich die EU zwar kämpferisch und will beispielsweise nicht zulassen, dass deswegen der Handel zwischen dem Iran und der EU leidet. Die Kommission ist allerdings bislang nicht in der Lage, wirksame Hilfsmassnahmen für europäische Unternehmen anzubieten, die es wagen sollten, den Handel mit dem Iran fortzuführen und in der Folge vom amerikanischen Markt verbannt würden. Unter den Strafzöllen der USA gegen die EU und China sowie deren Gegenmassnahmen leiden auch Drittländer wie die Schweiz. So treffen die provisorischen Schutzmassnahmen der EU im Stahlbereich auch Schweizer Stahlunternehmen, obwohl diese 98 Prozent ihres Rohstahls aus der EU beziehen und 95 Prozent ihrer Stahlprodukte in die EU exportieren. Swissmem und economiesuisse haben dieses Thema seit Inkrafttreten der provisorischen Schutzmassnahmen im Juni in unterschiedlichster Form auf allen Ebenen vorgebracht, sind bei den EU-Vertretern jedoch bislang auf mildes Desinteresse gestossen.

Italiens Regierung auf Konfrontationskurs

Auf eine Eskalation mit der EU scheint es die populistische Regierung Italiens anzulegen. Während in allen anderen EU-Ländern laut jüngsten Zahlen sowohl die Neuverschuldung und die Gesamtverschuldung weiter zurückgegangen sind, hat die italienische Regierung einen Budgetentwurf 2019 nach Brüssel gesandt, der die rekordhohe Staatsverschuldung von bislang 131 Prozent des BIP um weitere 2,4 Prozent erhöhen will. Damit verstösst sie bewusst gegen den Stabilitätspakt der EU. Die Kommission hat den Budgetentwurf zur Überarbeitung zurückgewiesen. Viele Pfeile hat die EU jedoch nicht im Köcher, um die italienische Regierung zur Räson zu bringen. Sanktionen müssen von den EU-Mitgliedern beschlossen werden und das ist schwierig. Einen Ausschluss der viertgrössten EU-Wirtschaft aus der Eurozone wäre möglich, aber aufgrund der unabsehbaren Konsequenzen zurzeit kaum denkbar.

Die Verhandlungen über institutionelle Fragen Schweiz-EU

Auch wenn die Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen weit fortgeschritten sind, konnten sich die Parteien bislang noch nicht über die Anpassung des FZA (FlaM/Entsenderichtlinie) an die Rechtsentwicklung in der EU einigen. Der Bundesrat will sich vorläufig nicht auf ein Datum für das Ende der Verhandlungen festlegen lassen. Bislang gehen die Verhandlungen auf technischer Ebene trotz des von der EU früher festgelegten Verhandlungsendes vom 15. Oktober munter weiter. Wollen die Parteien vor den Wahlen in der EU und der Schweiz zu einem Abschluss gelangen, schliesst sich das Zeitfenster allerdings im ersten Quartal 2019. Wann die Verhandlungen auf eine politische Ebene gehoben werden, hängt auch davon ab, ob sich die Schweiz innenpolitisch auf einen Kompromissvorschlag im Bereich FZA einigen kann, der für Brüssel akzeptabel ist.