# 8 / 2020
27.11.2020

Internationaler Wettbewerb um Jungunternehmen: Die Schweiz braucht Start-up-Visa

4. Neue Zulassungskategorie für Start-up-Gründer in der Schweiz notwendig

Weshalb braucht die Schweiz Start-up-Visa?

Die Gründe für die Einführung eines Start-up-Visums liegen auf der Hand. Erstens steht die Schweiz im internationalen Wettbewerb um die hellsten und engagiertesten Köpfe. Wie bereits aufgezeigt, unternehmen viele konkurrierende Volkswirtschaften vermehrt Anstrengungen, um Jungunternehmen mit Potenzial anzuziehen. Allein seit 2017 haben mindestens zehn Länder spezielle Arbeitsbewilligungen für Jungunternehmen eingeführt. Aus Expertenkreisen wird moniert, dass diese Länder nun diesen Vorteil gegenüber der Schweiz ausnützen und internationale Talente aktiv über diesen Wettbewerbsnachteil der Schweiz informieren. Es wird nebulös davon gesprochen, dass Drittstaatsangehörige in der Schweiz einen sehr komplizierten Prozess mit hohen Unsicherheiten durchlaufen müssen, um eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Andere sprechen sogar davon, dass die Schweiz vor allem Talente aus dem EU-Raum wolle und diese bevorzuge. Wenn die Schweiz weiterhin an Ort und Stelle tritt, während die Konkurrenten im Wettbewerb um talentierte Jungunternehmen handeln, wird sie weiter ins Hintertreffen geraten. Die Schweiz hat für Start-up-Gründer aus Drittstaaten bereits stark an Attraktivität einbüsst und muss schnell handeln.  

Zweitens kommen bereits heute ausländische Start-ups für Incubator- oder Accelerator-Programme in die Schweiz. Sie werden in diesen Programmen eng betreut, erhalten Zugang zu Arbeitsinfrastruktur, profitieren vom bereitgestellten Netzwerk und werden zudem finanziell unterstützt. Häufig geschieht die Teilnahme an einem solchen Programm mit einem Touristen- oder einem Ausbildungsvisum. Nach erfolgreicher Absolvierung des Förderprogramms ist eine Verbleibmöglichkeit in der Schweiz zwar erwünscht, faktisch aber kaum möglich bzw. sehr aufwendig. 

Drittens hat die Schweiz ein grosses Potenzial an Personen aus Drittstaaten, die hier ein Studium absolvieren. 2017 gingen 17 Prozent aller an Schweizer Hochschulen vergebenen Doktortitel an Bildungsausländer aus Drittstaaten. Diese sind zudem überdurchschnittlich oft im MINT-Bereich zu Hause und bilden ein grosses Fachkräftepotenzial. Sie haben aber kaum eine Möglichkeit, nach Abschluss ihrer Ausbildung hier arbeitstätig zu sein. Dadurch entgehen der Schweiz viele unternehmerisch veranlagte Jungtalente, obwohl die Schweiz in die Ausbildung dieser Personen investiert. Dieses Potenzial gehört besser ausgeschöpft.

Viertens ist das heutige Zulassungssystem für Selbstständigerwerbende aus Drittstaaten nicht auf Innovation ausgerichtet und muss zeitgemäss überarbeitet werden. Zudem ist das System zu bürokratisch und zu langsam. In der heutigen Zeit, wo der internationale Wettbewerb um Talente grösser ist denn je, kann ein unbürokratisches, schnelles Verfahren der entscheidende Grund dafür sein, dass sich ein vielversprechendes Start-up für die Schweiz entscheidet. 

Es ist also höchste Zeit, ein Start-up-Visum für die Schweiz einzuführen. 

Forderungen der Schweizer Wirtschaft

Die Wirtschaft fordert einen besseren Arbeitsmarktzugang für Start-up-Gründerinnen und -Gründer aus Drittstaaten. Die Schweiz darf den internationalen Entwicklungen auf diesem Gebiet nicht hinterherhinken. Darum muss jetzt rasch vorwärtsgemacht werden. Es braucht Anpassungen im Ausländergesetz, damit den spezifischen Anforderungen von Start-ups und deren Innovationspotenzial Rechnung getragen werden kann. Zwei Zielgruppen stehen im Fokus: Gründer, die sich mit einem Start-up oder einem Start-up-Projekt in der Schweiz ansiedeln wollen, beispielsweise in einem der Innovationsparks. Oder Personen, die bereits in der Schweiz gefördert wurden, als Studierende, Doktoranden und Postdoktoranden und nun ihre Forschungsergebnisse und Geschäftsideen in einem Start-up kommerzialisieren möchten. Es geht dabei ausschliesslich um die besten und vielversprechendsten Start-ups. Experten aus Wirtschafts- und Förderkreisen schätzen, dass bei der Einführung eines Start-up-Visums pro Jahr rund 50 bis 100 Jungunternehmen infrage kämen. Der in Kapitel 1 beschriebene volkswirtschaftliche Nutzen ist dafür umso bedeutender.

Folgende Kriterien zur Erteilung einer Arbeitsbewilligung für Gründerinnen und Gründer von Start-ups sind aus Sicht der Wirtschaft zielführend: 

  1. Das Start-up-Projekt muss von einem anerkannten Schweizer Start-up-Förderprogramm aufgenommen werden oder eine verbindliche Zusage für Risikokapital von mindestens 250'000 Franken vorweisen. Dieses Kriterium soll die Qualität und das Potenzial bescheinigen und sicherstellen. 
  2. Die Gründer müssen die üblichen Anforderungen an eine Niederlassungsbewilligung erfüllen. Sie müssen nachweisen können, dass sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt in der Schweiz während zweier Jahre bestreiten zu können. Dazu zählt auch der Nachweis über den Abschluss einer Krankenversicherung in der Schweiz bzw. einer Deckung durch eine ausländische Krankenversicherung. 
  3. Es gilt eine Probezeit von zwei Jahren. Falls der Gründer nach der Probezeit nachweisen kann, dass sich sein Unternehmen auf einem guten Weg befindet, wird die Arbeitsbewilligung um weitere drei Jahre auf insgesamt fünf Jahre verlängert. Ein wesentliches Evaluationskriterium ist dabei die Sicherstellung weiterer Finanzierungsrunden. 
  4. Start-up-Visa sollen aufgrund der übergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung vom Bund einheitlich geregelt werden. Dabei sollte eine zentrale Instanz (z. B. Innosuisse) bestätigen, dass das Start-up ein hohes Innovationspotenzial aufweist. 
  5. Die Drittstaaten-Kontingente werden um eine noch zu definierende begrenzte Anzahl pro Jahr erweitert. Diese für Start-ups spezifischen Kontingente können die Kantone auf Basis der zentral erteilten Genehmigungen beim Staatssekretariat für Migration abrufen.  
  6. Die Arbeitsbewilligungen für Start-ups werden mittels eines Schnellverfahrens bearbeitet und sind unbürokratisch auszugestalten. Einfachheit und Geschwindigkeit des Verfahrens sind im zunehmenden internationalen Wettbewerb zentral.