Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch schüttelt Hand

Rumänien: Was tun, wenn die Arbeiter fehlen?

Rumäniens Wirtschaft hat sich von ihrer Krise erholt und wuchs letztes Jahr mit sieben Prozent überdurchschnittlich. Fast 20 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, die geografische Nähe und tiefe Lohnkosten machen Rumänien zu einem attraktiven Standort für Schweizer Unternehmen. Sie sehen grosses Potenzial in Rumänien. Ein Problem gibt es jedoch: Für die vielen Arbeitsstellen finden sich kaum Arbeitskräfte. Auf einer Wirtschaftsmission mit Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch hat sich gezeigt: Gelingt es Rumänien, seine strukturellen Probleme zu lösen, würde das Land attraktiver werden – nicht nur für hier tätige Unternehmen, sondern insbesondere auch für die Rumänen selbst.

«Wir hätten in Rumänien mehr als unsere 100 Angestellten, wenn wir sie finden würden», sagte der Vertreter einer Schweizer IT-Firma. Die Teilnehmenden der Wirtschaftsmission mit Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch in Rumänien erfahren während ihrer zweitägigen Reise, dass die Talentknappheit jedoch nicht nur den IT-Sektor, sondern sämtliche Branchen betrifft. Sogar der Inhaber einer kleinen Bäckerei 60 Kilometer ausserhalb Bukarests meinte, er habe die Teigwalze vor allem deshalb gekauft, «weil wir hier keine Leute gefunden haben, die die Arbeit machen würden».

Rumänien als siebtgrösster Markt Europas

Ein Report ehrte Rumänien denn auch jüngst mit einer besonderen Auszeichnung: als Land mit dem höchsten Talentemangel Europas. Das klingt paradox für viele Länder, die von zu vielen Arbeitsstellen nur träumen können. Hier aber ist der Mangel eine echte Herausforderung. Denn die Unternehmen investieren gerne in das Land, und sie sehen auch sehr viel Potenzial in der Zukunft: Rumänien ist mit seinen fast 20 Millionen Einwohnern der siebtgrösste Markt Europas. Die Mittelklasse wächst und die Lohnkosten sind im europäischen Vergleich tief. Viele Leute sind gut ausgebildet, sprechen sehr gut Englisch. Und, so erfährt die Delegation, sie sind hochmotiviert und kulturell der Schweiz ähnlich, weshalb es im Arbeitsalltag seltener zu Missverständnissen kommt.

Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch
Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch mit den Inhabern der Kleinbäckerei Casa Budui, 60 Kilometer ausserhalb Bukarests.

 

Hoher Reformbedarf bei der Infrastruktur

Die einen begegnen dem Arbeitskräftemangel, indem sie wie der Bäcker Prozesse digitalisieren, soweit sie können. Denn Kapital ist gut erhältlich. Die anderen versuchen mit hohen Löhnen zu locken. Doch nicht einmal das hält die Leute davon ab, zu gehen: Auch wenn viele Rumänen gerne in ihrer Heimat und nahe bei ihrer Familie leben würden, wandern sie oft ins nahe Westeuropa ab. Die rumänische Wirtschaft ist zwar letztes Jahr mit sieben Prozent überdurchschnittlich gewachsen. Das Wachstum basiert aber hauptsächlich auf Konsum und das Land kämpft mit strukturellen Herausforderungen. Grosser Reformbedarf besteht etwa bei der Verkehrsinfrastruktur, im Gesundheitsbereich und beim Bildungssystem. Der hohe bürokratische Aufwand und die mangelnde Planbarkeit aufgrund sich häufig ändernder rechtlicher Rahmenbedingungen erschweren den unternehmerischen Alltag zusätzlich.

Diskussion über «Wachstumsstrategien
Diskussion über «Wachstumsstrategien für KMU» an der Spiru Haret Universität in Bukarest

 

Einige Reformen bereits in Gang gesetzt

Bei Gesprächen mit dem rumänischen Minister für Business Environment, Commerce and Entrepreneurship, Ștefan-Radu Oprea, und dem Wirtschaftsminister Dănuț Andrușcă zeigt sich, dass die Politik viele Probleme erkannt hat. Dank einem neuen Public-Private-Partnership-Gesetz soll beispielsweise die Infrastruktur verbessert werden. Vor wenigen Monaten wurde InvestRomania gegründet, ein «one-stop-shop» für ausländische Investoren, um deren Probleme rasch lösen zu können. Gelingt es der Regierung, diese und weitere wichtige Reformen umsetzen zu können, erhielten die Unternehmen wichtige Anreize, in den bereits jetzt attraktiven Standort Rumänien noch mehr zu investieren.