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Ein Rahmenabkommen bringt Vorteile für die Schweiz

Mit einem Rahmenabkommen kann die Schweiz den bestehenden Marktzugang zur EU sichern und wahren sowie die Rechtssicherheit zwischen der Schweiz und der EU verbessern. Diese Ziele müssen im Vordergrund stehen.

Kurz vor Ende der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen ist in unserem Land ein heftiger innenpolitischer Konflikt ausgebrochen. Es geht um die flankierenden Massnahmen bzw. um deren Anpassung. Dabei werden Instrumente mit Zielen verwechselt. Das Verhandlungsergebnis zum Rahmenabkommen wird jedoch nicht an dessen Wirkung auf Instrumente, sondern anhand von dessen Wirkung im Ziel der Übung zu bewerten sein. Deshalb ist ein Blick auf die anzustrebenden Vorteile für die Schweiz wichtig. Aus wirtschaftlicher Sicht sind drei Ziele zu erreichen: Erstens ist der bestehende Marktzugang der Schweiz zur EU zu sichern. Zweitens muss der Marktzugang zur EU in Zukunft weiterentwickelt werden können. Drittens ist die Rechtssicherheit zwischen der Schweiz und der EU zu verbessern.

Schweiz als Exportnation

Das Ziel der Sicherung des bestehenden Marktzugangs und auch das Ziel der Option auf dessen Weiterentwicklung bringen direkte Vorteile für die Schweizer Exportnation. Rund 55 Prozent unserer Exporte gehen in den EU-Markt, die Schweizer Unternehmen, grosse wie KMU, sind in den europäischen Binnenmarkt integriert. Das soll so bleiben. Warum muss der bestehende Marktzugang gesichert werden? Die Welt ist dynamisch – auch bei unseren Nachbarn und in der EU hat sich viel verändert. Wenn die Bilateralen nicht von Zeit zu Zeit angepasst werden, dann fehlt schon bald das Gegenstück auf der Partnerseite. Ein Rahmenabkommen soll diese Anpassungen vereinfachen. Das ist besonders bei den technischen Normen oder bei der Finanzmarktregulierung offensichtlich.

Wegen der fehlenden institutionellen Regelung mit der EU konnten in den vergangenen zehn Jahren für die Schweiz wichtige Dossiers nicht abgeschlossen werden. Die Überwindung dieses europapolitischen Stillstands bringt Vorteile: erstens den Abschluss des seit Jahren überfälligen Stromabkommens, zweitens die Äquivalenz-Anerkennung der Schweizer Börsenregulierung, drittens die gegenseitige Anerkennung der Prüfung technischer Normen und viertens die Sicherung der Teilnahme am 9. Forschungsprogramm. In all diesen Bereichen laufen Parallelverhandlungen zum Rahmenabkommen.

Die institutionelle Neuregelung soll für die fünf Abkommen der Bilateralen I, namentlich die Abkommen über Personenfreizügigkeit, Agrarprodukte, Luft- und Landverkehr und technische Handelshemmnisse, gelten. Man kann deren direkten ökonomischen Wert abschätzen – dabei schwanken die Zahlen zwischen 10 und 36,5 Milliarden Franken pro Jahr (KOF, Ecoplan). Langfristig geht es aber auch darum, ob unser Wirtschaftsstandort attraktiv ist; investierende Unternehmen müssen deshalb auch künftig einen diskriminierungsfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt haben. Hierfür ist die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs zentral. Die Schweiz wird auch in Zukunft ein wirtschaftliches Interesse an neuen Abkommen haben.

Rechtssicherheit

Ebenso wichtig für die Wirtschaft ist die Verbesserung der Rechtssicherheit, gerade in einer Zeit, da Protektionismus en vogue ist. Ein Rahmenabkommen würde es der Schweiz ermöglichen, die Einhaltung der Regeln in den Abkommen besser durchzusetzen. Die Schweiz hat heute diese Möglichkeit nicht, da die fünf Abkommen keinen verbindlichen Mechanismus vorsehen. Sollte der Protektionismus auch in der EU weiter zunehmen, erhielte die Schweiz mit dem Rahmenabkommen ein Instrument, das sie heute nicht hat.

Ob und wie diese Vorteile auch tatsächlich erreicht werden können, hängt letztlich vom Inhalt des Abkommens ab. Deshalb ist auch dessen Qualität wichtiger als der Zeitpunkt. Bei einer Beurteilung des Rahmenabkommens sollten diese Vorteile ebenso diskutiert werden wie die Nachteile. Ausschlaggebend müssen die gesteckten Ziele sein, nicht die Instrumente. Angewendet auf die aktuelle Situation: Im Zusammenhang mit dem Freizügigkeitsabkommen ist die Bekämpfung von Lohndumping ein Ziel, die flankierenden Massnahmen sind ein Instrument zu dessen Erreichung.

 

Dieser Beitrag erschien am 13. September 2018 als Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung.