Forschung

Ausbau der Fachmittelschulen schwächt die Berufslehre

Auf der Sekundarstufe II findet eine schleichende Verschiebung hin zu den Fachmittelschulen statt – zulasten der beruflichen Grundbildung. Während im Schuljahr 2010/11 noch 64 Prozent der Jugendlichen eine Lehre absolvierten, sind es heute nur noch rund 59 Prozent. Konkret bedeutet dies ein Rückgang von 13'000 Lernenden. Aus Sicht der Wirtschaft geht diese Entwicklung in die falsche Richtung und muss korrigiert werden.

Das duale Bildungssystem der Schweiz ist ein Erfolgsmodell. Auf der Sekundarstufe II leisten die Unternehmen einen essenziellen Beitrag, weil sie junge Menschen als Lehrlinge praxisnah für die berufliche Zukunft ausbilden. Und dank der Durchlässigkeit des Systems stehen Absolventinnen und Absolventen einer Berufslehre alle Türen offen.

Doch die Berufsbildung wird schleichend durch die allgemeinbildenden Schulen verdrängt. Im Schuljahr 2010/11 besuchten fast 64 Prozent der Lernenden eine berufliche Grundbildung. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil auf 59 Prozent und somit um knapp fünf Prozentpunkte gesunken. Im selben Zeitraum hat der Anteil der allgemeinbildenden Schulen um drei Prozentpunkte zugelegt. Ebenfalls erhöht hat sich die Zahl der Lernenden, die eine Berufsmaturität oder andere Zusatzausbildungen absolvieren.

 

Abbildung 1 zeigt auf, wie sich die absoluten Zahlen im Schuljahr 2020/21 im Vergleich zu 2010/11 entwickelt haben. In absoluten Zahlen waren 13'000 Lernende weniger in der beruflichen Grundbildung. Hingegen haben die allgemeinbildenden Schulen deutlich zugelegt: Fast 10'000 Lernende mehr absolvierten im Schuljahr 2020/21 entweder ein Gymnasium, eine Fachmittelschule (FMS) oder andere und ausländische allgemeinbildende Ausbildungen.

Fachmittelschulen auf dem Vormarsch

Das stärkste Wachstum verzeichnen die Fachmittelschulen. Im Schuljahr 2020/21 besuchten knapp fünf Prozent aller Lernenden eine FMS – das sind 4796 mehr als noch vor zehn Jahren. Stark verbreitet sind Fachmittelschulen insbesondere in der Westschweiz und in der Region Basel (vgl. Abbildung 2).

 

Genf hatte schon vor zehn Jahren einen hohen Anteil von über zwölf Prozent und ist auch weiterhin der Kanton mit den meisten Lernenden an einer FMS. In der jüngeren Vergangenheit hat aber vor allem die Waadt bei den Fachmittelschulen massiv zugelegt. Ein Drittel der gesamten Zunahme in der Schweiz entfällt auf diesen Kanton. Ebenfalls eine starke Zunahme verzeichnet der Kanton Bern. Hier besuchten im Schuljahr 2020/21 rund 80 Prozent mehr Lernende eine FMS als noch vor zehn Jahren.

Schleichende Verdrängung der Berufslehre stoppen

Kurz zusammengefasst zeigen die Zahlen, dass eine schleichende Verdrängung der Berufslehre durch die allgemeinbildenden Schulen stattfindet. Der Hauptgrund für diese Entwicklung sind nicht die Gymnasien, hier war der Anteil an Lernenden über die letzten zehn Jahre ziemlich stabil. Das Wachstum fand vor allem bei den Fachmittelschulen statt.

Diese Entwicklung sägt am Ast des Erfolgsmodells Schweiz, wo die duale Berufsbildung eine zentrale Rolle einnimmt: Tiefe Arbeitslosigkeit, gerade bei den Jungen und gute Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten für alle sind direkt verknüpft mit der starken Berufsbildung. Der Ausbau der allgemeinbildenden Schulen, besonders problematisch bei den Fachmittelschulen, muss daher rückgängig gemacht werden. Die Stärkung der Berufslehre ist deshalb eine zentrale Forderung der soeben publizierten Leitlinien der Wirtschaft für die Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik.

 

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