# 3 / 2020
20.07.2020

Finger weg von einem Staatsfonds

Staatsfonds im Ausland – Vorbild für die Schweiz?

AHV-Ausgleichsfonds ist auch eine Art Staatsfonds.

Staatsfonds im weiteren Sinne sind weltweit nichts Aussergewöhnliches. Genau genommen verfügt auch die Schweiz mit dem Strassenfonds, dem Bahninfrastrukturfonds und dem AHV-Ausgleichsfonds über eine Art Staatsfonds. Diese staatlichen Engagements an der Investmentfront dienen jedoch in erster Linie der Einnahmenglättung. Zudem sind diese Fonds nicht schuldenfinanziert, sondern die Bevölkerung zahlt Abgaben und Steuern, die im Fonds zweckgebunden werden. 

Die aktuellen Vorschläge zur Errichtung eines Staatsfonds orientieren sich jedoch an den grossen Investmentfonds, insbesondere an jenen von Norwegen und Singapur. Letzteres verfügt sogar über zwei voneinander unabhängigen Fonds, wovon einer – nebst anderen Aufgaben – auch für die Verwaltung eines Teils der Devisenreserven der Zentralbank zuständig ist. 

Singapur: Zwei Staatsfonds mit unterschiedlichen Zielen

Der bekanntere Staatsfonds Singapurs trägt den Namen «Temasek» und untersteht dem Finanzministerium. Dieser Fonds wurde 1974 gegründet, zur Verwaltung der (im asiatischen Wirtschaftssystem nicht unüblichen) Firmen oder Firmenbeteiligungen des Staates an Unternehmen wie beispielsweise Singapore Airlines. Die Basis des Fonds bilden also reale Assets. Die finanziellen Engagements von Temasek haben in der Folge immer stärker zugenommen; das verwaltete Gesamtvermögen beträgt heute rund 313 Milliarden Singapur-Dollar. Laut eigenen Aussagen verwaltet Temasek sein Vermögen unabhängig von der Politik, schüttet jedoch regelmässig Dividenden an das Finanzministerium aus. Strategische Vorgaben im Sinne der Förderung bestimmter Wirtschaftsbereiche, Technologien usw. werden dem Fonds daher nicht gemacht, er ist alleine der Mehrung des eigenen Vermögens verpflichtet.

Von Temasek unabhängig werden die Reserven der singapurischen Zentralbank im Fonds «GIC Private Limited» verwaltet, wobei diese Anlagen nur einen Teil des durch GIC angelegten Vermögens ausmachen. Über den monetären Umfang der Beteiligungen sowie über Gewinne und Verluste wird öffentlich nicht berichtet, weil dies – so die Befürchtung – Rückschlüsse auf den Umfang von Singapurs Währungsreserven erlauben würde. Das könnte die Durchsetzung der auf einen stabilen Aussenwert der Währung zielenden Geldpolitik erschweren. Singapur kennt keine unabhängige Zentralbank wie die meisten westlichen Staaten und insbesondere auch die Schweiz. Der Vorsitzende der entsprechenden Währungsbehörde ist gleichzeitig Finanzminister des Stadtstaates. Dass dies funktionieren kann, liegt einerseits am nur bedingt demokratischen politischen System, andererseits an der wechselkursorientierten Währungspolitik. Dies bedeutet, dass die Zentralbank von Singapur keine eigenständige Geldpolitik verfolgt, sondern sich an derjenigen ihrer Handelspartner ausrichtet. 

Aus diesem Grund ist auch eine institutionelle Unabhängigkeit zur Sicherstellung der geldpolitischen Glaubwürdigkeit nicht zwingend notwendig. Darin unterscheidet sich Singapur fundamental von der Schweiz. Deren eigenständige, auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik bedingt eine von der Politik unabhängige Zentralbank, um die währungspolitischen Ziele glaubhaft durchsetzen zu können. Der Kauf, der Verkauf und die Bewirtschaftung von Devisenreserven sind dabei Mittel zum Zweck. Der Vorteil der langfristigen Preisstabilität darf nicht unterschätzt werden – tiefe Inflationsraten schaffen Stabilität und Glaubwürdigkeit für Ersparnisse und Investitionen in der Schweiz. Sie minimieren auch ökonomische Preisverzerrungen und ermöglichen so ein höheres Wirtschaftswachstum. So können beispielsweise langfristige Verträge abgeschlossen werden, ohne dass sich die darin abgemachten Preise real stark ändern.

Norwegen: Öl als Wohlstandsquelle

Der norwegische «Government Pension Fund Global» (GPFG) wurde 1990 gegründet und gilt als grösster Staatsfonds weltweit. Sein aktueller Marktwert beträgt umgerechnet rund eine Billion Schweizer Franken. Die Verwaltung des GPFG obliegt innerhalb der politischen Richtlinien des Finanzministeriums der Zentralbank (Norges Bank). Die Anlagen – die ausschliesslich aus Aktien, verzinslichen Wertpapieren und Immobilien im Ausland bestehen – müssen also gewissen Vorgaben entsprechen, was durchaus zu (politischen) Diskussionen führt. 

Der Grund für die Existenz des GPFG liegt in der Erkenntnis, dass die Erdölreserven Norwegens, und damit die wichtigste Einnahmequelle des Landes, eines Tages erschöpft sein werden. Der Fonds stellt für die norwegische Regierung ein Instrument dar, um die Öleinnahmen in langfristig rentable Geschäftsfelder zu investieren. Damit soll der Nutzen des Erdölreichtums auch künftigen Generationen zugänglich gemacht werden. Bis zur Einrichtung des Fonds flossen die Erträge aus der Ölförderung direkt in den Staatshaushalt. Die gesetzliche Grundlage des Fonds besagt hingegen, dass lediglich ein jährlicher Sollertrag von drei Prozent dem staatlichen Haushaltsbudget zur Verfügung steht. Der Hintergrund des norwegischen Staatsfonds kann daher vor allem als Selbstdisziplinierung der Politik verstanden werden (ähnlich einer Schuldenbremse).

Der GPFG finanziert sich ausschliesslich durch die Einnahmen aus dem Geschäft mit Erdöl. Andere staatliche Einlagen oder Kapitaleinlagen aus Schuldverschreibungen gibt es nicht. Hier liegt der grosse Unterschied zur Schweiz, die bekanntermassen über fast keine natürlichen Rohstoffe und damit nicht über dieselbe «reale Wertbasis» verfügt.

Wie sich zeigt, sind die ausländischen Staatsfonds mit den in der Schweiz propagierten Ideen nicht vergleichbar, weil die Voraussetzungen im Ausland fundamental anders sind. Im Folgenden gehen wir spezifisch auf die Schweizer Staatsfondsideen ein und zeigen, dass deren Folgen höchst problematisch sein würden.