# 06 / 2019
11.02.2019

Agrarpolitik einfach erklärt

Wer profitiert vom Grenzschutz? Und wer verliert?

Die OECD zeigt in ihrer Analyse zur Agrarpolitik in der Schweiz, dass der Grenzschutz den Bauern kaum hilft. Durch den Grenzschutz entsteht eine Produzentenrente von durchschnittlich 3,3 Milliarden Franken pro Jahr. Dass heisst, die Konsumenten in der Schweiz zahlen diesen Aufpreis im Vergleich zu den ausländischen Preisen. Jedoch profitieren die Bauern nur im Umfang von rund einem Viertel von diesem «Gewinn». Der Rest geht in Form von Renten an vor- und nachgelagerte Stufen der Wertschöpfungskette, wie zum Beispiel den Handel. Folglich ist der Grenzschutz fürdie Unterstützung der Bauern ein hoch ineffektives Instrument mit letztlich sehr hohen Streuverlusten

Wie die OECD-Studie weiter zeigt, verursacht der Grenzschutz hohe Kosten. Sichtbarste Auswirkung der abschottenden Landwirtschaftspolitik sind die hohen Konsumenten- und Produzentenpreise. Die Lebensmittelpreise liegen in der Schweiz etwa 75 Prozent über dem EU-Schnitt. Insbesondere bei stark geschützten Produkten ist die Preisdifferenz zwischen In- und Ausland sehr gross. So müssen Schweizer Konsumenten für Fleisch 2,5-mal so viel berappen wie EU-Bürger. Mehrere Studien sowie auch Berechnungen des Bundesrats zeigen auf, dass bei einer Liberalisierung die Gewinne der Konsumenten deutlich höher sind als die Verluste der Produzenten. Wie Chavaz & Pidoux nachweisen, führt der Grenzschutz nicht nur bei Produkten, die in der Schweiz produziert werden, zu höheren Preisen. Denn auch auf 300 exotische und tropische Produkte werden Zölle erhoben, was bei den Schweizer Konsumenten mit bis zu 3,8 Millionen Franken Zusatzkosten pro Jahr zu Buche schlägt.

Die OECD-Studie zeigt zudem auf, dass diverse Branchen entlang der Wertschöpfungskette von einer Liberalisierung profitieren würden. Denn das heutige Regime führt zu hohen Preisen bei Vorleistungen und Zwischenprodukten. Von einer Senkung der Produzentenpreise würde beispielsweise die Lebensmittelindustrie profitieren, die dank günstigeren Vorleistungen konkurrenzfähiger würde.

Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass sich die Schweizer Lebensmittelindustrie vor allem dort wettbewerbsfähig zeigt, wo sie die Vorleistungen zu Weltmarktpreisen aus dem Ausland beziehen kann, wie zum Beispiel bei Schokolade und Kaffee. 72 Prozent aller Lebensmittelexporte fallen in die Kategorie «andere Lebensmittel und Getränke». In übermässig geschützten Bereichen ist die Schweiz hingegen kaum wettbewerbsfähig. Auch die Tourismusbranche würde bei einer Öffnung der Agrarmärkte wieder wettbewerbsfähiger werden

Der Agrarprotektionismus führt gemäss OECD zum Erhalt überholter Strukturen. Andere Branchen wie zum Beispiel die Maschinenindustrie agieren im weltweiten Wettbewerb und müssen wegen der internationalen Konkurrenz laufend ihre Ressourcen optimieren, Strukturen anpassen und innovativ sein. Demgegenüber wird der Agrarsektor stark vor ausländischer Konkurrenz abgeschirmt. Dies bremst die Innovationsfähigkeit des ganzen ersten Sektors und bindet Ressourcen in eher unproduktiven Bereichen, die ohne Grenzschutz nicht überlebensfähig wären.

Simulationen der OECD zeigen auf, dass es bei einer vollkommenen Liberalisierung im Landwirtschaftssektor Gewinner und Verlierer gäbe. So würde der Sektor in den heute stark geschützten Bereichen weniger produzieren. Doch dafür würde sich die Produktion in die heute wenig geschützten Bereiche verlagern, und es würde in einigen Bereichen sogar mehr produziert. Es gäbe eine generelle Verschiebung der Ressourcen von den Bereichen, die weniger wettbewerbsfähig sind, in jene Bereiche, die eher einen komparativen Vorteil aufweisen. Die OECD-Studie zeigt beispielsweise auch auf, dass die Schweiz bei Milch und Milchprodukten bei einer allfälligen Liberalisierung mit der EU konkurrenzieren könnte und exportorientierter produzieren würde. Von einer Liberalisierung würden demnach auch die Milchproduzenten profitieren.

Das einzige Ziel der Agrarpolitik, das mit dem Grenzschutz erreicht wird, ist die Erhaltung des heutigen Produktionsniveaus. Eine kürzlich vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) in Auftrag gegebene Studie kommt zum Schluss, dass bei einer vollständigen Liberalisierung die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz um 8 bis 15 Prozent zurückgehen würde, je nachdem wie stark die Konsumenten Schweizer Produkte bevorzugen würden, wenn sie die freie Wahl hätten. Demnach sichern Zölle und Kontingente eine etwas höhere inländische Produktion. Doch die Schweizer Bauern würden bei einer Abschaffung des Grenzschutzes immer noch 85 bis 92 Prozent ihrer Produktion aufrechterhalten. Auch eine Studie von Chavaz & Pidoux kommt zu ähnlichen Ergebnissen.