# 4 / 2017
06.04.2017

Frontalangriff auf Wirtschaftsinteressen

Destabilisierung der rechtlichen Rahmenordnung

Starre und unflexible Rechtshierarchie

Die SBI will eine starre Ordnung des Rechts herstellen. Damit stellt sie die rechtlichen Basiselemente infrage und sorgt anstatt für Klarheit für zusätzliche Verwirrung und Unsicherheit. Denn die Hierarchien von innerstaatlichem Recht und Völkerrecht sind grundsätzlich unterschiedlich. Während Ersteres eine klare Rangordnung vorgibt, sind völkerrechtliche Verträge einander gleichgestellt – mit Ausnahme des zwingenden Völkerrechts (ius cogens), welches in jedem Fall gilt.

Zwar sind gemäss Bundesverfassung innerstaatliches und Völkerrecht gleichsam massgebend. Konflikte zwischen den beiden Rechtssystemen sind selten. In solchen Fällen ist es jedoch einleuchtend, dass Gerichte und Verwaltung über einen gewissen Abwägungsspielraum verfügen, um fallweise zu gewichten und vernünftig entscheiden zu können. Diese flexible und an Sachfragen orientierte Lösung hat sich bewährt.

Die SBI ignoriert diesen Umstand jedoch komplett und erschwert der Schweiz mit ihrer fundamentalen Änderung der Rechtshierarchie pragmatische Lösungen: Verstösst eine neue Verfassungsbestimmung gegen internationale Verpflichtungen der Schweiz, ergibt sich automatisch eine Pflicht zur Neuaushandlung oder «nötigenfalls» zur Kündigung des betroffenen internationalen Vertrags. Dabei ist irrelevant, ob es sich lediglich um ein Detail oder um eine zentrale Abweichung handelt.

Damit stellt die Initiative jeden durch die Schweiz abgeschlossenen internationalen Vertrag unter einen Dauervorbehalt. Unsere Vertragspartner wissen somit nicht mit Sicherheit, ob ein abgeschlossener Vertrag nicht plötzlich aufgrund innenpolitischer Veränderungen seine Gültigkeit verliert. Dies schafft eine enorme Rechtsunsicherheit und schwächt die Position der Schweiz als verlässlichen Vertragspartner massiv.

«Staatsvertragsinitiative»

Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben im Juni 2012 über die Initiative «Staatsverträge vors Volk» abgestimmt und sie mit klaren 75,3 Prozent abgelehnt. Die Initiative der Auns forderte, dass alle Staatsverträge zwingend dem Volk vorgelegt werden müssen, also ein obligatorisches Referendum eingeführt würde. Das Resultat zeigt deutlich, dass die Schweizerinnen und Schweizer eine derartige Bürokratiemaschine nicht wollen und stattdessen auf die verantwortlichen Instanzen vertrauen. Mit der Selbstbestimmungsinitiative würde ein ähnlicher Mechanismus erforderlich. Darüber hinaus geht sie noch weiter, was den Umbau des gesamten Systems anbelangt.

Unklare Formulierungen bringen Rechtsunsicherheit statt Klarheit

Problematisch sind auch zahlreiche unklar formulierte Passagen im Initiativtext, die wichtige Fragen unbeantwortet lassen. Die SBI ist deshalb nicht nur unnötig, sondern auch fehlerhaft. Damit löst sie Rechtsunsicherheiten und Fragen aus, anstatt diese zu beantworten.

Tabelle 1

Viele offene Fragen

Hohe Rechtsunsicherheit und Isolationsgefahr

Die Schweiz ist auf eine stabile rechtliche Rahmenordnung angewiesen. Die SBI zielt jedoch genau auf diesen zentralen Erfolgsfaktor. Mit ihrer starren und unflexiblen Rechtshierarchie, dem faktischen Kündigungsautomatismus sowie dem umfangreichen Rückwirkungsgebot destabilisiert die SBI ganz grundsätzlich die rechtliche Rahmenordnung der Schweiz. Mit einem derart starren Korsett stünde sie weltweit alleine da – allerdings ohne Vorteile für die Schweiz, dafür mit umso mehr Problemen für unser Land.

Zwar sind Anpassungsverfahren im Falle eines „Widerspruchs“ in Abkommen vorgesehen. Müsste die Schweiz aber zahlreiche bereits bestehende Abkommen anpassen, wäre das schwierig und würde ein schlechtes Licht auf die Schweiz als Vertragspartnerin werfen. Ausserdem ist das auch innenpolitisch fragwürdig, da diese Verträge teilweise sogar vom Volk direkt bestätigt wurden.

Auf diese und weitere Fragen liefert die SBI keine Antwort und schafft vielmehr zusätzliche Rechtsunsicherheit. Entgegen der Absicht der Initiative dürfte dies gar dazu führen, dass nationale oder internationale Gerichte nicht weniger, sondern noch viel häufiger zur Klärung dieser Unsicherheiten einbezogen werden müssen.