Wirtschafts- und Wissenschaftsmission im Mercosur: Paraguay auf der Aufholjagd

Die Wirtschafts- und Wissenschaftsmission von Bundesrat Schneider-Ammann weilt noch bis zum 4. Mai in den Mercosur-Staaten, um vor Ort die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen voranzutreiben. Auftakt war der Besuch Brasiliens. Aktuell werden die Gespräche nun in Paraguay weitergeführt – mit aufschlussreichen Erkenntnissen. So strebt das südamerikanische Land ein jährliches Wirtschaftswachstum von fünf Prozent an. Dieses Potenzial haben auch Schweizer Unternehmer erkannt.

«Mit unseren Agrarexporten in die Schweiz zielen wir vor allem in die Nischenbereiche», so der Agrarminister von Paraguay, Marcos Medina Britos, im Direktgespräch. Im persönlichen Austausch wird schnell klar, dass er die agrarpolitische Debatte in der Schweiz sehr genau mitverfolgt. Angesichts der Fleischproduktion erklärt sich beispielsweise, weshalb Paraguay für Märkte wie die Schweiz in erster Linie erstklassige Erzeugnisse verkaufen will. Das Land hat sich in wenigen Jahren zum sechstgrössten Rindfleischexporteur entwickelt. Auf einer Fläche wie diejenige von Deutschland leben etwas mehr als sieben Millionen Menschen. Über 90 Prozent des Landes können für die Agrarproduktion genutzt werden. Jedem Rind stehen im Durchschnitt 1,2 Hektaren zur Verfügung – eine extensive Fleischproduktion. Das Land kann heute 100 Millionen Menschen ernähren und die wichtigsten Absatzmärkte sind Chile (43 Prozent), Russland (21 Prozent) und Brasilien (acht Prozent). In den kommenden Jahren soll die Produktion verdreifacht werden. Neben der erfolgreichen Marktposition in der Massenproduktion sollen künftig auch Nischenprodukte aufgebaut werden. Die EFTA wäre hier ein willkommener Partner.

Das Land ist mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 5’000 Dollar vergleichsweise arm. Das Aufholpotenzial jedoch ist in allen Bereichen beträchtlich. Egal ob bei der Infrastruktur, der Ausbildung oder dem Sozialsystem – die Herausforderungen sind sehr gross. Gleichzeitig hat das Land eine sehr junge Bevölkerung. 70 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner sind jünger als 35 Jahre.

Jährliches Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent bietet enormes Handelspotenzial

Paraguay weist stabile Makrodaten auf. Trotz Krise der Weltwirtschaft und dem Markteinbruch für Agrarprodukte wuchs die Wirtschaft in den vergangenen elf Jahren durchschnittlich um 5,1 Prozent. Die Inflation ist mit fünf Prozent vergleichsweise tief, ebenso die Steuerbelastung mit zehn Prozent Unternehmensgewinnsteuern. Mit Anreizprogrammen sollen Investoren für die verarbeitende Industrie ins Land gebracht werden. Angesichts des kleinen Heimmarktes hat Paraguay auch keine hohen Zollschranken für die Importe. Dank der geografischen Lage im Herzen Südamerikas bietet sich das Land als Plattform für Investitionen an, deren Produkte für die Märkte der Nachbarstaaten bestimmt sind. Die industrielle Fertigungstiefe ist sehr klein. Schrittweise werden aber Industriekapazitäten aufgebaut. Als Beispiel seien ein Familienunternehmen in der Schweiz in der Kunststoffbranche oder eine mittelgrosse Produktion für Elektrokabel eines japanischen Grossunternehmens für die Automobilbranche genannt. An einem Wirtschaftsforum hat Nestlé den Aufbau eines Dienstleistungszentrums für 20 Länder Lateinamerikas verkündet – dadurch entstehen schon bald 200 neue Arbeitsplätze.

Schweizer Unternehmer erkennen wirtschaftlichen Auftrieb Paraguays und schaffen die Basis für eine erfolgreiche Handelsbeziehung

Auch die hiesigen Schweizer Geschäftsleute verspüren den Auftrieb und haben kürzlich die Schweizerisch-Paraguayische Handelskammer vor Ort gegründet. Diese bietet Beratungsdienstleistungen für Unternehmen aus der Schweiz an. Dabei arbeitet sie eng mit Switzerland Global Enterprises (S-GE) zusammen. Gefragt nach den Wirtschaftsaussichten meint der im vergangenen Jahr zurückgetretene Finanzminister Santiago Peña (39 Jahre): «Wir werden in den kommenden Jahren mit jährlich mindestens fünf Prozent weiterwachsen, auch dann, wenn die Regierung nichts macht.»


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