

Neues Kartellgesetz: Was sich für Unternehmen ändert
19.12.2025
Auf einen Blick
- Kernelemente des neuen Kartellrechts sind die Einführung eines wirkungsbasierten Ansatzes bei Abreden und Missbrauchstatbeständen sowie die Modernisierung der Fusionskontrolle.
- Für Unternehmen entsteht ein wirksamer, aber effizienterer Rahmen. Sinnvolle Kooperationen, die den Wettbewerb nicht beeinträchtigen, werden ermöglicht.
- Nach der materiellen Revision braucht es nun mutigere institutionelle Reformen, die die Kartellverfahren spürbar verbessern.
In der Wintersession hat das Parlament die Teilrevision des Kartellgesetzes verabschiedet. Die Revision modernisiert zentrale materiellrechtliche Bestimmungen und passt zugleich verschiedene Verfahrensregeln an. Dabei wurden mehrere Anliegen der Wirtschaft aufgenommen und im Gesetz verankert. Nachfolgend geben wir einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen und deren Bedeutung für Unternehmen.
1. Wirkungsbasierte Prüfung von Wettbewerbsabreden
Mit der neuen Regelung in Art. 5 Abs. 1bis KG präzisiert der Gesetzgeber die Anforderungen an die Beurteilung von Wettbewerbsabreden. Künftig ist bei der Prüfung der Erheblichkeit stets eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen, welche sowohl qualitative Elemente – namentlich Erfahrungswerte zur Art der Abrede – als auch quantitative Elemente wie die konkreten Marktumstände im Einzelfall berücksichtigt. Ausgangspunkt ist dabei, dass Wettbewerbsabreden nicht deshalb unzulässig sind, weil sie eine bestimmte Form aufweisen, sondern weil sie geeignet sind, den wirksamen Wettbewerb zu beeinträchtigen. Die Art der Abrede bleibt ein wichtiges Indiz, da sie aufgrund allgemeiner Erfahrung Rückschlüsse auf ein typisches Schädlichkeitspotenzial zulässt. Dieses Indiz kann den Tatbestand jedoch nicht abschliessend begründen. Die neue Regelung verlangt deshalb zusätzlich eine Prüfung, ob sich dieses Schädlichkeitspotenzial im konkreten Marktumfeld tatsächlich realisieren kann. Kartellrechtliche Eingriffe knüpfen damit nicht mehr allein an die formale Qualifikation einer Abrede an, sondern an deren konkretisierte Eignung, den Wettbewerb im Einzelfall erheblich zu beeinträchtigen. Ergänzend wurde der Katalog der Vermutungstatbestände in Art. 5 Abs. 3 KG präzisiert. Indirekte angebotsseitige Bruttopreisabsprachen fallen künftig nicht mehr automatisch unter die Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung, sondern unterliegen der allgemeinen Prüfung nach Art. 5 Abs. 1 KG.
2. Präzisierung der Missbrauchskontrolle
Auch bei der Missbrauchskontrolle nimmt die Revision eine gezielte Präzisierung vor. Ausgangspunkt war die durch das bundesgerichtliche Urteil SIX/DCC (BGer 2C_596/2019 vom 2. November 2019) entstandene Unsicherheit, ob für die Annahme eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung bereits eine abstrakte Gefährdung des Wettbewerbs genügen könne. Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen sind jedoch häufig wettbewerblich ambivalent und können – je nach Marktstruktur und Kontext – sowohl leistungsfördernd als auch wettbewerbsbeschränkend wirken. Mit der Anpassung von Art. 7 Abs. 3 KG stellt der Gesetzgeber deshalb klar, dass ein Missbrauch nur dann vorliegt, wenn das beanstandete Verhalten im konkreten Einzelfall effektiv geeignet ist, den wirksamen Wettbewerb zu beeinträchtigen. Erforderlich ist keine nachgewiesene tatsächliche Wettbewerbswirkung, wohl aber eine nachvollziehbare Analyse der potenziellen Wirkungen unter Berücksichtigung der konkreten Marktumstände. Damit wird zugleich die jüngere bundesgerichtliche Praxis – namentlich im Entscheid Vifor/HCI Solutions (BGer 2C 244/2022 vom 23. Januar 2025) – gesetzlich abgesichert und der Fokus der Missbrauchskontrolle konsequent auf den Schutz des Wettbewerbs als System ausgerichtet.
3. Modernisierung der Fusionskontrolle
Ein weiterer Kernpunkt der Teilrevision ist die Modernisierung der Zusammenschlusskontrolle. Der bisherige qualifizierte Marktbeherrschungstest setzte die Eingriffsschwelle sehr hoch und erfasste wettbewerblich problematische Zusammenschlüsse zum Teil nur unzureichend. Mit der Einführung des international etablierten Significant Impediment to Effective Competition Tests (SIEC-Test) wird der materielle Prüfstandard nun angepasst. Künftig kann die WEKO Zusammenschlüsse untersagen oder mit Bedingungen und Auflagen versehen, wenn sie den wirksamen Wettbewerb signifikant beeinträchtigen, auch unterhalb der Schwelle einer Einzelmarktbeherrschung, etwa bei einseitigen Effekten in konzentrierten Märkten. Gleichzeitig erlaubt der SIEC-Test eine systematischere und transparentere Berücksichtigung von Effizienzvorteilen. Ergänzend sieht die Revision Erleichterungen für internationale Zusammenschlüsse vor: Bei Transaktionen, die der Europäischen Kommission unterliegen, kann die Schweizer Meldepflicht unter bestimmten Voraussetzungen entfallen. Damit werden Doppelspurigkeiten reduziert und grenzüberschreitende Verfahren effizienter ausgestaltet, ohne den materiellen Wettbewerbsschutz zu schwächen.
4. Berücksichtigung von Compliance Massnahmen (Compliance Defense)
Die Teilrevision stellt klar, dass wirksame kartellrechtliche Compliance-Massnahmen bei der Bemessung von Sanktionen künftig mildernd berücksichtigt werden können. Damit anerkennt der Gesetzgeber, dass Unternehmen durch präventive interne Strukturen – etwa Schulungen, klare Richtlinien und funktionierende Kontrollmechanismen – einen eigenständigen Beitrag zum Schutz des wirksamen Wettbewerbs leisten. Die Sanktionspraxis wird dadurch stärker an Prävention und individueller Verantwortungsübernahme ausgerichtet, ohne die Wirksamkeit der kartellrechtlichen Durchsetzung in Frage zu stellen.
5. Weitere relevante Neuerungen
Über die Anpassungen bei Wettbewerbsabreden, Machtmissbrauch und Zusammenschlusskontrolle hinaus enthält die Teilrevision weitere materiell- und verfahrensrechtlich relevante Neuerungen. Das Kartellzivilrecht wird gestärkt, indem die Aktivlegitimation auf Endkunden ausgedehnt, die Verjährung während laufender behördlicher Verfahren gehemmt und die gerichtliche Feststellung unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen ausdrücklich ermöglicht wird. Ergänzend präzisiert der Gesetzgeber zentrale Verfahrensregeln – namentlich durch Ordnungsfristen, die ausdrückliche Verankerung des Untersuchungsgrundsatzes, die Einführung einer Parteientschädigung sowie eine Verbesserung des Widerspruchsverfahrens.
6. Nächste Schritte
In der Gesamtschau verbessert die Teilrevision den Wettbewerbsschutz, indem sie behördliche Eingriffe gezielter dort ermöglicht, wo eine Beeinträchtigung des wirksamen Wettbewerbs tatsächlich zu erwarten ist und gleichzeitig für wettbewerblich unproblematische Verhaltensweisen klarere Leitplanken setzt. Das Kartellrecht wird dadurch präziser und effizienter ausgestaltet und kann seine Steuerungswirkung dort entfalten, wo sie sachlich geboten ist.
Die parlamentarischen Beratungen zum materiellen Kartellrecht haben zugleich deutlich gemacht, dass damit nur ein erster Schritt getan ist. Für die Wirtschaft bleibt die institutionelle Ausgestaltung der Wettbewerbsaufsicht weiterhin von zentraler Bedeutung. Die inzwischen abgeschlossene Vernehmlassung zur Institutionenreform hat aus Sicht der Wirtschaft gezeigt, dass die vorgeschlagene Vorlage die Gelegenheit für einen mutigeren Reformschritt nicht genutzt hat und zentrale strukturelle Fragen nur begrenzt adressiert. Entsprechend wurden diese Punkte im Vernehmlassungsverfahren klar eingebracht. Erst das Zusammenspiel von zeitgemässen materiellen Regeln und einer überzeugenden institutionellen Ausgestaltung gewährleistet ein Kartellrecht, das wirksamen Wettbewerb schützt und zugleich verlässlich und verhältnismässig angewendet wird.
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