Symbolbild: Sicht auf die Stadt Zug

Die Steuerhoheit der Kantone bleibt gewahrt

Faktencheck Nr. 5 zum Rahmenabkommen: Die Gegner des Rahmenabkommens mit der EU behaupten, aufgrund des EU-Beihilferechts würde die Schweiz ihre Steuerautonomie und die Kantone würden ihre Steuerhoheit verlieren. Ein kurzer Faktencheck zeigt: Der internationale Druck auf die Steuerpolitik der Schweiz wird zwar auch in Zukunft anhalten – aber nicht wegen des Rahmenabkommens.

Behauptung: Mit dem Rahmenvertrag verliert die Schweiz ihre Steuerautonomie und der Steuerföderalismus wird abgeschafft.

Tatsachen: In der Vergangenheit hat die EU moniert, in der Schweiz würden gewisse kantonale Steuerregimes internationale Unternehmen privilegieren und diesen so einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil verschaffen. Dies komme einer staatlichen Beihilfe gleich und sei gemäss dem Freihandelsabkommen von 1972 verboten. Die Schweiz hat diese Interpretation stets zurückgewiesen.

Nun werden die Grundsätze des materiellen EU-Beihilferechts auch im Rahmenvertrag aufgeführt. Diese sind jedoch nicht direkt anwendbar. Nur wenn im konkreten Binnenmarktabkommen eine Beihilferegelung besteht, gilt das Beihilferecht der EU für diesen Bereich auch in der Schweiz. Das ist zurzeit nur beim Luftverkehr der Fall. Über das Luftverkehrsabkommen hinaus sind die EU-Beihilferegeln in der Schweiz nicht anwendbar. Somit können sie auch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Steuerpraxis des Bundes, der Kantone oder der Gemeinden haben. Bei jedem neuen Binnenmarktabkommen muss die Schweiz einer Anwendung der EU-Beihilferegeln auf diesen Bereich erst zustimmen. Danach muss ein solches Abkommen den üblichen Weg der Ratifikation – inklusive fakultatives Referendum – durchlaufen, um anwendbar zu sein. Der Schweiz wird also nichts aufgezwungen.

Dass die kantonalen Steuerregimes momentan dennoch angepasst werden müssen, hat nichts mit dem Rahmenabkommen zu tun, sondern ist der Entwicklung der international akzeptierten Steuerregeln – insbesondere in der OECD und der G-20 – geschuldet, der sich die Schweiz nicht entziehen kann. Die Konkurrenz um Steuerreinnahmen zwischen den Staaten ist auch weiterhin gross. In Zukunft ist insbesondere mit einer Neuverteilung der Besteuerungsrechte an Gewinnen internationaler Firmen zu rechnen. Aber auch diese Entwicklung hat nichts mit dem Rahmenabkommen zu tun. Die EU hat generell nur eine sehr beschränkte Kompetenz in Steuerfragen und ist stets auf die Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten angewiesen.

Auch bei den indirekten Steuern verliert die Schweiz ihre Steuersouveränität mit dem Rahmenabkommen keinesfalls. So muss sie sich nicht an die von der EU festgelegten Normalsätze für die Mehrwertsteuer – das heisst mindestens 15 und höchstens 21 Prozent – halten. Dies gilt im Übrigen auch für die EWR/Efta-Staaten, die seit 20 Jahren voll am europäischen Binnenmarkt teilnehmen und weder ihre Steuersysteme noch die Mehrwertsteuersätze an die EU-Regeln anpassen mussten.

Übrigens: Wussten Sie, dass auch EU-Beamte Steuern bezahlen? EU-Beamte bezahlen im Land, in welchem sie stationiert sind, keine Steuern, weil die EU wie alle internationalen Organisationen von nationalen Steuern befreit ist. Die Gehälter der EU-Beamten unterliegen aber einer Gemeinschaftssteuer der EU, welche direkt in den EU-Haushalt zurückfliesst. Diese Steuer beginnt bei acht Prozent für die tiefsten Gehaltsgruppen und erhöht sich progressiv bis auf 45 Prozent des anrechenbaren Gehalts für die höchste Gehaltstufe. Von 2014 bis 2023 wird ausserdem eine zusätzliche «Solidaritätsabgabe» von sechs bis sieben Prozent einbehalten. Anders als etwa deutsche Beamte zahlen EU-Beamte auch Rentenversicherungsbeiträge, nämlich zehn Prozent des Grundgehalts. Ein 13. Monatsgehalt (Weihnachtsgeld) wie im deutschen öffentlichen Dienst gibt es hingegen nicht.


FAKTENCHECK RAHMENABKOMMEN

In unserer Sommerserie «Faktenchecks zum Rahmenabkommen» sind bereits folgende Beiträge erschienen:

1. Uups! 60 Prozent des Stimmvolkes glatt vergessen

2. Dürfen wir nur noch im Sommer schwimmen?

3. Warum Angela Merkel nie Bundesrätin werden kann

4. Wie das Rahmenabkommen unsere Souveränität stärkt

6. Rahmenabkommen stärkt Schweizer Bildungssystem

7. Lohnschutz bleibt Sache der Sozialpartner

8. Die Mär vom Tod der Kantonalbanken

9. Warum es falsch ist, die Opferrolle einzunehmen

10. Unsere Agrarpolitik bleibt eigenständig