Digitalisierung

2. Schweizer Digitaltag: Verblüffende Neuheiten, spürbare Skepsis

Der heutige zweite Schweizer Digitaltag zeigt eindrücklich auf: Die Digitalisierung eröffnet uns unzählige neue Möglichkeiten, unser Leben zu vereinfachen. Doch Veränderung bringt Ungewissheit und Unsicherheit. Deshalb dominiert in den Köpfen vor allem eine Frage: Werden die neuen Technologien uns Menschen in Scharen arbeitslos machen? Eine Frage, die sich die Menschheit nicht zum ersten und wohl auch nicht zum letzten Mal stellt.

ARMAR-6. So heisst der neueste humanoide Roboter des Karlsruher Instituts für Technologie. Er ist der erste seiner Art, der in einem kommerziellen Betrieb zum Einsatz kommt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Robotern ist ARMAR-6 nicht auf eine ganz spezifische Aufgabe spezialisiert und arbeitet auch nicht hinter Absperrungen, um Menschen nicht verletzen zu können. ARMAR-6 assistiert den Menschen. Er kann Werkzeuge verwenden, mit Menschen kommunizieren und von Menschen lernen. Er erkennt Situationen und eilt zu Hilfe. Alles dank künstlicher Intelligenz.

Was sich nach Fiktion anhört, ist heute Realität. Maschinen und Roboter nehmen den Menschen immer mehr Arbeit ab. Doch geht uns dadurch die Arbeit aus? Müssen wir mit technologiebedingter Massenarbeitslosigkeit rechnen? Eine Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Unzählige Experten und Wissenschaftler versuchen mit einem Blick in die Glaskugel die Zukunft vorherzusehen; mit unterschiedlichen Ergebnissen. So überrascht es wenig, dass am Weltwirtschaftsforum 2017 die Alarmglocken geläutet wurden und man darüber sprach, dass 50 Prozent aller Stellen bis 2050 verschwinden werden, nur um im darauffolgenden Jahr die Situation wieder völlig anders zu beurteilen. In die Zukunft kann niemand vorausschauen, doch wir können von der Vergangenheit lernen.

Fakten vs. Wahrnehmungen

Ein Blick in die Statistikbücher zeigt: Die Zahl der Arbeitsplätze nahm in den letzten 100 Jahren stetig zu. Gleichzeitig beteiligten sich immer mehr Personen aktiv im Erwerbsleben; alles ohne Hinweise auf eine weitverbreitete Arbeitslosigkeit. Ganz im Gegenteil: Jahrein jahraus entstehen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt deutlich mehr neue Arbeitsplätze als wegfallen. Allein in den letzten zehn Jahren waren es jährlich 70'000 Stellen, trotz oder gerade wegen des rasanten technologischen Fortschritts.

Und doch: Gemäss dem Crédit Suisse-Sorgenbarometer war die Arbeitslosigkeit zwischen 2003 und 2016 unangefochten die grösste Sorge der Schweizerinnen und Schweizer. Und auch im öffentlichen Diskurs um die Digitalisierung ist sie dominant. Wieso weicht die Wahrnehmung so sehr von den Realitäten auf dem Arbeitsmarkt ab?

Eine Antwort liefert unsere Studie zum Strukturwandel in der Schweiz. Hierzu untersuchten wir, wie häufig Medien über abgebaute und neue Stellen berichteten. Im untersuchten Jahr entstanden in der Schweiz rund 490'000 neue Arbeitsplätze, während 460'000 wegfielen. Trotzdem fanden Artikel über Stellenabbau doppelt so häufig den Weg in die Berichterstattung, und dann erst noch in einer viel prominenteren Form.

Das ist zwar nicht die alleinige Ursache für die verzerrte Wahrnehmung, aber sie trägt sicherlich dazu bei. Auch die Ungewissheit, wie der Wandel vonstatten gehen wird, verunsichert die Menschen. Diese Unsicherheit darf uns jedoch nicht dazu verleiten, auf Vorrat zu regulieren und uns gegen den Wandel zu stemmen. Vielmehr muss sich die Schweiz auf ihre alten Stärken besinnen: gute Rahmenbedingungen, Offenheit, Anpassungsfähigkeit und vor allem eine exzellente Bildungs-, Forschungs- und Weiterbildungslandschaft.