Frau sitzt vor Computer im Onlinemeeting

economiesuisse Speed-Talk am Digitaltag 2020

An drei Online-Panels diskutierten hochkarätige Experten die drängendsten Fragen rund um die digitale Entwicklung der Schweiz. Die kurzen, aber sehr einprägsamen Debatten profitierten von den profunden Kenntnissen der Teilnehmenden und ihren offenen, ehrlichen und durchaus auch selbstkritischen Aussagen. Sie lieferten damit wichtige Erkenntnisse und Denkanstösse für vertiefende Diskussionen, die noch geführt werden müssen.

Wie digitalisiert ist die Schweiz? Wo gibt es Nachholbedarf, welches sind die drängendsten Probleme, die behoben werden müssen, und wohin will die Schweiz eigentlich? In dreimal 45 Minuten diskutierten insgesamt 15 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diese und weitere Fragen zu «Lehren und Lernen im digitalen Zeitalter», «Mobilität der Zukunft» und «Gesundheit im digitalen Fieber». Sie lieferten damit wertvolle Inputs zu laufenden Debatten und regten zum Denken und Weiterdiskutieren an. Rund 120 Zuschauerinnen und Zuschauer folgten den drei Online-Debatten, zu welchen economiesuisse im Rahmen des Digitaltags 2020 lud. Sie konnten ihre Fragen direkt via Chat stellen. Derweil brachte der Cartoonist «Crazy David» die Diskussionsergebnisse mit Pinsel und Farbe auf humoristische Weise zu Blatt (Bildgalerie siehe unten). economiesuisse dankt allen Beteiligten herzlich für ihr Mitwirken.

Panel I «Lehren und Lernen im digitalen Zeitalter»

Im Bildungswesen werden seit einigen Jahren kleinere und grössere Digitalisierungsanstrengungen unternommen. Dass diese nicht genügen, hat die Corona-Krise deutlich aufgezeigt, da waren sich alle Panelistinnen und Panelisten einig. Der Aufholbedarf wurde vor allem während der Fernunterrichtszeit im Frühling sichtbar. Nur dank dem beherzten Einsatz aller Beteiligten war es innert kürzester Zeit möglich, den Unterricht auf digitalen Kanälen weiterzuführen. Die Schweiz sollte hier dringend nachrüsten, so die einhellige Meinung. Dazu gehöre, dass sich Lehrpersonen kontinuierlich im Bedienen der technischen Mittel als auch mit Blick auf die Inhalte und die unterschiedlichen (Lern)-Softwares weiterbilden. Trotzdem dürfe der persönliche Austausch mit den Schülerinnen und Schülern und die fürs Lernen und Denkenlernen wichtige individuelle Betreuung durch die Lehrpersonen nicht vernachlässigt werden. 

Die Benachteiligung sozial schlechtergestellter Kinder aus bildungsfernen Familien, die mitunter keinen oder nur einen erschwerten Zugang zu Computer hätten oder auf Lernunterstützung durch Eltern verzichten müssten, kam ebenso zur Sprache, wie die Chance, die Digitalisierung gerade diesen Kindern bietet. Konkret würden Lern-Softwares auf den Schüler oder die Schülerin zugeschnittenes Lernen ermöglichen. Speziell Lernschwache könnten zum Beispiel davon profitieren, wenn sie dank eines Programms in dem für sie richtigen Tempo lernen könnten und sich nicht der Geschwindigkeit der anderen anpassen müssten. Auch geben solche Programme rasch Feedback, das Gelernte kann auf Richtigkeit überprüft werden – somit sei eine kontrollierende Begleitung durch die Eltern weniger entscheidend. 

Als Fazit kann economiesuisse festhalten, dass digitale Werkzeuge kein Allheilmittel sind und richtig angewandt werden müssen. Es braucht immer auch eine Abwägung, wann ihr Einsatz zielführend ist und wann er dem Lernen vielleicht sogar hinderlich ist. Bei aller Digitalisierung dürfen soziale Kompetenzen und auch der Spass beim Lernen nicht vergessen gehen. Diese mit unterschiedlichen Aktivitäten, wie zum Beispiel einem Wandertag, zu fördern und dabei einmal komplett auf digitale Mittel zu verzichten, ist auch in unserer digitalisierten Welt unabdingbar.
 

Zum Bildprotokoll

 

Panel II «Mobilität der Zukunft»

«Digitalisierung hilft!» Nicht nur in der Bildung oder im Gesundheitswesen, sondern ganz besonders auch im Bereich Mobilität. So das Eingangsvotum von Christoph Mäder, Präsident von economiesuisse. Er meinte bewusst «Mobilität» und nicht «Verkehr», denn Ersteres strebten wir an, Letzteres nicht. Unter «Mobilität» versteht sich der Transport von Personen oder Gütern von A nach B, was einem persönlichen und unternehmerischen Bedürfnis entspricht. «Verkehr» hingegen definiert die unerwünschte Nebenwirkung, welche hohe Infrastrukturkosten, Risiken und Emissionen verursacht. Mäder meinte, dass der technologische Fortschritt uns dabei helfen soll, dass Mobilität immer nachhaltiger, effizienter und letztlich auch emissionsfrei möglich wird.

In der Panel-Diskussion kamen nebst technischen Visionen, wie dem autonomen Fahren oder Luft-Taxis, auch nüchterne Themen zur Sprache, wie die Forderung nach Kostenwahrheit oder nach einer besseren Abstimmung von individuellen Angeboten im ländlichen Gebiet und Massentransporten zwischen Ballungsgebieten. Bei der Weiterentwicklung solle das Bedürfnis der Kunden im Fokus stehen («was brauchen wir überhaupt?») und es wurde der Ruf nach einer technischen Alternative zum heutigen Auto laut. Letzteres überzeuge noch heute sowohl in zeitlicher Hinsicht wie auch bezüglich Bequemlichkeit, werde aber wenig effizient eingesetzt und verursache zu viele Emissionen.

Sobald in Mobilitätsketten gedacht werde, stehe auch das Umsteigen vom einen auf den anderen Verkehrsträger im Vordergrund. In diesem Bereich sehen die Expertin und Experten noch Verbesserungspotenzial. Verschiedentlich wurde betont, dass auch Handlungsbedarf bei der Elektrifizierung bestünde: sowohl auf der Strasse wie auf der Schiene. Ein Publikumsvotum verlangte zudem ein besseres Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern und der Raumplanung. Darauf wird hervorgehoben, dass generell an eine frühzeitige Planung der Mobilitätszukunft zu denken sei, da die Vorlaufzeiten für Infrastrukturen mit 20 bis 30 Jahren sehr lange währen würden – ausser es würden digitale Lösungen gefunden, die rascher umgesetzt werden können. 

 

Zum Bildprotokoll

 

Panel III «Gesundheit im digitalen Fieber» 

Im Schweizer Gesundheitswesen spricht man seit Jahren von der zwingenden Digitalisierung. Dies zu Recht, meinten die Expertin und Experten auf dem Panel. Dank digitaler Prozesse könne und müsste in erster Linie die Effizienz im Gesundheitswesen unbedingt gesteigert werden. Auf die Frage, weshalb denn die Schweiz hier im Vergleich zum Ausland weit hinterherhinke, fand sich vor allem eine Antwort: Der Wohlstand mache die Schweiz bequem. Wir leisten uns Ineffizienzen, zumal die Qualität grundsätzlich stimmen würde. Das Gesundheitswesen sei zudem sehr fragmentiert. Es herrsche in vielerlei Hinsicht ein Silo- bzw. Inseldenken. Das Bild der Malediven wurde gezeichnet, zwischen welchen langsame Fähren verkehrten statt Daten-Expresszüge. Dass das elektronische Patientendossier noch nicht umgesetzt sei, sei eigentlich inakzeptabel. Ebenso, dass 30 Prozent der Hausärzte Krankengeschichten noch auf Papier dokumentierten oder das BAG in der Krise per Fax anvisiert werden müsse. 

Die mangelnde Digitalisierung allein dem Datenschutz zuzusprechen, nannte jemand ganz selbstkritisch eine «faule Ausrede». Zwar seien anspruchsvolle Datensicherheitsfragen zu klären. Aber diese seien lösbar. Auch bedinge die Digitalisierung eine Standardisierung über Kantonsgrenzen hinweg.  Das stösst in manchen Kreisen auf Widerstand, nicht zuletzt, um bereits getätigte Investitionen zu schützen. Es sei aber nötig, dass Informationen medienbruchfrei über die gesamt Behandlungskette erfolgen könnten. Durch die digitalisierten Prozesse würden nicht nur Fehler verhindert, sondern auch wertvolle Zeit freigespielt, die zum Beispiel für den Austausch mit Patientinnen und Patienten genutzt werden könne, der heute oft zu kurz komme. 

Schliesslich waren sich alle einig, dass die Corona-Krise die eklatanten Versäumnisse im Gesundheitswesen schonungslos offengelegt hat und die Zeit der Ausreden nun vorbei sei. Damit schloss sich der Kreis zu economiesuisse-Präsident Christoph Mäder, der bereits im Begrüssungsvotum verlangt hatte, dass «man es jetzt einfach tun muss: zum Wohle der Schweiz und unserer Bevölkerung».

Zum Bildprotokoll

 

 

Referentenliste

  • Marc Weder (Leiter des Geschäftsbereichs Education and Research Customers bei Microsoft Schweiz)
  • Noémie Duschletta (CEO von Young Enterprise Switzerland, YES)
  • Prof. Stefan Wolter (Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung, SKBF)
  • Dr. Carl Bossard (Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug und Schulberater)
  • Susanne Hardmeier (Generalsekretärin der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, EDK)
  • Andreas Hinterberger (Manager Public Policy DACH-Region bei Uber)
  • Katja Christ (Nationalrätin GLP und Mitglied der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen, KVF-NR)
  • Prof. Thomas Sauter-Servaes (Leiter des Studiengangs Verkehrssysteme an der ZHAW School of Engineering)
  • Andreas Kronawitter (Geschäftsführer von Intelligent Transport Systems Switzerland, ITS-CH)   
  • Michel Kunz (Leiter Anlagen und Technologie bei den SBB)
  • Dr. Daniel Liedtke (CEO der Privatklinikgruppe Hirslanden)
  • Prof. Jürg Blaser (Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Informatik, SGMI)
  • Anna Hitz (Präsidentin der Interessengemeinschaft eHealth)
  • Dr. Stefan Spycher (CEO der Careum Stiftung und ehemaliger BAG-Vizedirektor)
  • Fabian Vaucher (Präsident des Schweizerischen Apothekerverbands, pharmaSuisse)