Ungenügende Rücksicht auf gesamtwirtschaftliche Interessen
Heute hat der Bundesrat seinen Vorschlag zur Umsetzung des Verfassungsartikels der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) in die Vernehmlassung geschickt. Gleichzeitig hat er das Mandat für Verhandlungen mit der EU verabschiedet. Unbeirrt verfolgt die Landesregierung ihre bereits im Juni angekündigte Strategie einer starren Umsetzung. Für economiesuisse ist es unverständlich, dass der explizite Spielraum nicht genutzt und die in der Verfassung verlangte Wirtschaftsverträglichkeit nicht berücksichtigt wird. Der Wirtschaftsdachverband fordert vom Bundesrat dringend, die Option einer Schutzklausel in Betracht zu ziehen.
Das heute präsentierte Modell für die Umsetzungsgesetzgebung setzt auf ein starres und nicht dem Arbeitsmarktbedürfnis entsprechendes Kontingentsystem. Der Bundesrat sieht jährlich festgelegte Höchstzahlen für alle Aufenthaltsbewilligungen ab vier Monaten und Grenzgängerinnen und Grenzgänger vor. Bei deren Festlegung stützt er sich auf Indikatoren aus der Wirtschaft, dem Arbeitsmarkt sowie auf die Kantone ab. Gleichzeitig enthält die Gesetzgebung einen strikten Inländervorrang bei allen bewilligungspflichtigen Kategorien. economiesuisse bedauert, dass der Bundesrat mit diesem Vorschlag den Passus «im gesamtwirtschaftlichen Interesse» in keiner Weise berücksichtigt und damit den explizit erwähnten Spielraum für eine massvolle Umsetzung nicht nutzt. Ausserdem ignoriert er die klaren Entscheidungen der EU, dass auf der Basis von Kontingenten und striktem Inländervorrang keine Verhandlungslösung möglich sein wird. Damit geht der heute präsentierte Vorschlag auf direkten Kollisionskurs. Stattdessen fordert economiesuisse, ein Modell mit Schutzklauseln zu berücksichtigen. Zudem sollen Kurzaufenthaltsbewilligungen bis zwölf Monate und Grenzgängerinnen sowie Grenzgänger nicht kontingentiert werden.
Schutzklausel setzt richtige Anreize und hat bessere Chancen für eine Verhandlungslösung
economiesuisse hat am 8. Januar gemeinsam mit weiteren Spitzenverbänden den Vorschlag einer Schutzklausel postuliert. Dieser sieht ein sogenanntes Globalkontingent für Arbeitskräfte vor, welches jährlich neu auf Verordnungsstufe vom Bundesrat festgelegt wird und als Schutzschwelle funktioniert. Bis zu dieser Schwelle gilt für alle EU-/EFTA-Bürger die Personenfreizügigkeit wie bis anhin, anschliessend wird die Einwanderung von Arbeitskräften vorübergehend kontingentiert. Grenzgänger und Grenzgängerinnen sowie Kurzaufenthalter sind in diesem Ansatz ausgenommen, da sie nicht zur ständigen Wohnbevölkerung gehören. Für die Drittstaaten wird das bereits bestehende Kontingentsystem beibehalten. economiesuisse ist überzeugt, dass das Modell der Schutzklausel weitaus bessere Chancen hat als starre Kontingente – weil es auf Regeln zurückgreift, die in der EU bereits bekannt sind. Es ist dabei selbstverständlich, dass die vom Volk geforderte Reduktion der Zuwanderung im Vordergrund stehen muss. Dazu braucht es Anstrengungen auf verschiedenen innenpolitischen Ebenen.So haben denn die Wirtschaftsverbände bei ihrer Präsentation ihres Umsetzungsvorschlags auch klargemacht, dass es das Ziel ist, die Schutzklausel gar nicht anrufen zu müssen. Dies ist nur mit einer Senkung der Nachfrage an ausländischen Arbeitskräften möglich. Die Unternehmen haben dazu verschiedene Massnahmen angekündigt und teilweise auch bereits ergriffen, um die bessere Nutzung des inländischen Potenzials zu gewährleisten. Gleichzeitig fordern sie aber auch entsprechende Anstrengungen bei Bund, Kantonen und Gemeinden. Die Zahlen zeigen nämlich deutlich, dass staatliche und staatsnahe Betriebe in den letzten Jahren massiv Stellen aufgebaut haben und damit für die hohe Zuwanderung mitverantwortlich sind. Zusammen mit dem Schweizerischen Arbeitgeberverband wird economiesuisse den bundesrätlichen Entwurf nun im Detail analysieren. Für economiesuisse und seine Mitglieder ist es wichtig, dass die Umsetzung der neuen Verfassungsnorm dem Wählerwillen gerecht wird. Das verlangt eine wirtschaftsverträgliche Lösung, die den bilateralen Weg nicht gefährdet, wie das klare Verdikt über die Ecopop-Initiative zeigt.