Staatsbesuch: Wann kommt das EFTA-Freihandelsabkommen mit Indien?
Der Besuch von Bundespräsidentin Doris Leuthard in Indien stand im Zeichen der Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen. Die 34 Unternehmensvertreter begleiteten die Bundespräsidentin. Sie konnten unter der Leitung von economiesuisse-Präsident Heinz Karrer mehrere Gespräche auf Ministerebene führen und trafen auch den indischen Premierminister Narendra Modi. Zentraler Punkt des Besuchs war die Beschleunigung der Verhandlungen über ein EFTA-Freihandelsabkommen sowie die Neuverhandlung des unlängst von Indien gekündigten bilateralen Investitionsschutzabkommens.
Indien verzeichnet seit drei Jahren ein robustes Wachstum. Die Schweizer Wirtschaft ist seit vielen Jahrzehnten ein wichtiger Partner des BRIC-Landes. So sind die Schweizer Unternehmen die weltweit elftgrössten Direktinvestoren. Auch indische Unternehmen investieren in der Schweiz, beispielsweise in der Maschinen- und Bauindustrie.
Die indische Regierung wird in den kommenden Jahren besonders in Infrastrukturen investieren. Dabei stehen das Eisenbahnsystem – weltweit des zweitgrösste – sowie das Stromnetz im Vordergrund. Die Infrastrukturlücken sollen in den kommenden Jahren möglichst geschlossen werden, da sie die Produktivität der indischen Wirtschaft heute stark beeinträchtigen. Angesichts der Grösse des Landes und vieler unterversorgter Regionen ein wichtiges, aber auch sehr ambitioniertes Unterfangen. Der Eisenbahnminister Suresh Prabhu beschrieb in seinem Treffen mit den Schweizer Unternehmern die Investitionspläne zur dringenden Erneuerung und Erweiterung. Er zeigte grosses Interesse an Schweizer Rollmaterial, Komponenten und Ingenieurdienstleistungen. Schweizer Firmen sind bei laufenden Ausschreibungen in der Schlussrunde oder liefern bereits Komponenten.
Die Wirtschaftsministerin Nirmala Sitharaman betonte mehrfach, dass die Modi-Regierung auf einen kontinuierlichen Reformprozess setzt. So sollen die Verwaltungsverfahren transparenter werden und umfangreiche Regulierungen aus der Zeit der sozialistischen Wirtschaftspolitik vor 1991 schrittweise reduziert werden.
Finanzminister Arun Jaitly spielt eine grosse Rolle bei den Reformen. So schaffte die im Juli eingeführte General Sales Tax die Voraussetzung für einen integrierten indischen Binnenmarkt. Bisher führten unterschiedliche Steuern und Abgaben in den 29 Bundesstaaten zu erheblichen tarifären Handelsbarrieren zwischen den Landesteilen. Das Finanzministerium ist auch für Schweizer Direktinvestoren wichtig, da es die Verhandlungen für ein neues Investitionsschutzabkommen führt. Indien hatte im April 2016 das Investitionsschutzabkommen mit der Schweiz überraschend gekündigt.
Die Reformen sind mehr auf die Stärkung des indischen Produktionsstandorts und weniger auf Marktöffnungen und Liberalisierungen ausgerichtet. Unter dem Motto «Make in India» sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Marktöffnungen haben es da bedeutend schwerer – auch weil die Regierung keine Mehrheit im Oberhaus hat. So ist trotz der Unterstützung durch den indischen Premierminister Modi und trotz der Unterzeichnung einer Absichtserklärung offen, bis wann die seit 2008 laufenden Verhandlungen über das EFTA-Freihandelsabkommen abgeschlossen sein dürften. Zuerst müssen heikle Punkte gelöst werden: Problematisch für Schweizer Unternehmen sind Schwächen beim Patentschutz in Indien. Hier muss das Freihandelsabkommen Verbesserungen für die innovationsbasierte Schweizer Wirtschaft bringen. Die indische Seite wiederum fordert den Zugang zum Datenhandel und die Anerkennung der indischen Datensicherheit.
Gerade für exportierende KMU auf beiden Seiten würde ein Freihandelsabkommen zu Verbesserungen beim Marktzugang führen.