Kusstechnische Vorsicht des Bundesrats
Für freundeidgenössische Verhältnisse stiess der bundesrätliche Vorschlag zur MEI-Umsetzung auf vergleichsweise starke Kritik. Kein Wunder: Der Vorschlag ist strikter als die Verfassung. So sollen Kurzaufenthalter schon ab vier Monaten kontingentiert werden. Da sie aber gar nicht zur ständigen Wohnbevölkerung gehören, verlangt die Wirtschaft die kontingentsfreie Niederlassung bei einem Aufenthalt bis zu einem Jahr. Weiter will der Bundesrat im Ausländergesetz Kontingente einführen, parallel dazu im Personenfreizügigkeitsabkommen Spezialregeln für EU-/EFTA-Bürgerinnen und -Bürger.
Diese Zweiteilung ist politisch gewagt, verdeutlicht aber auch die Blockade der Schweizer Europapolitik. Man konnte mit Brüssel vergangene Woche zwar Gespräche vereinbaren. Schön. Dies hat die EU aber bereits in ihrer ersten Antwort vor sieben Monaten angeboten. Ebenso hat sie schon damals Verhandlungen über die Einführung von Kontingenten abgelehnt. Dem vom Bundesrat am Mittwoch verabschiedeten Mandat fehlt somit bis auf Weiteres das Gegenstück auf EU-Seite.
Daraus ergeben sich zwei Fragen. Erstens: Über was soll nun in Brüssel «gesprochen» werden? Hier schlägt die Wirtschaft ein Modell mit Schutzklauseln vor. Zweitens: Was machen wir, wenn mit der EU keine Lösung gefunden werden kann?
Der Bundesrat liess sich hier in Pokermanier nicht in die Karten blicken. Doch trotz Wahljahr hätte die Landesregierung – bei aller kusstechnischen Vorsicht – zumindest ein paar Zielkriterien aufzeigen sollen. Denn ein Schmusekurs wird es mit der EU sicher nicht, und eine Antwort auf die beiden offensichtlichen Fragen wird spätestens dann vorliegen müssen, wenn das Geschäft ins Parlament geht – nach den Wahlen.