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Grosse Dynamik im Jobmarkt: Jede zehnte Stelle verschwindet – und noch mehr kommen dazu

11.06.2019

Auf einen Blick

Die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust ist unter den Schweizer Erwerbstätigen in jüngster Vergangenheit wieder angestiegen. Befürchtet wird häufig, dass durch die Digitalisierung Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet werden könnten. Doch auf dem Schweizer Arbeitsmarkt gibt es dafür keine Anzeichen, weder für einen breitflächigen Anstieg der Arbeitslosigkeit noch für eine Verknappung von Arbeitsplätzen. Ganz im Gegenteil: Heute gibt es mehr Arbeitsplätze denn je. Wie kann diese grosse Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Realität erklärt werden?

Das Wichtigste in Kürze

Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass in den Medien über eine Firmenschliessung oder Restrukturierung berichtet wird. Im Mittelpunkt des Interesses steht fast immer die Anzahl der abgebauten Stellen. Oftmals folgt auf solche Meldungen die Frage, ob uns mit der Digitalisierung die Arbeit ausgehen wird. Deshalb überrascht es nicht, dass die Angst vor einem Jobverlust zuletzt deutlich zugenommen hat. Wie eine Umfrage verdeutlicht, schätzen Schweizerinnen und Schweizer die Erwerbslosigkeit doppelt so hoch ein, als sie tatsächlich ist. Ein Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt jedoch, dass es heute mehr Arbeitsplätze denn je gibt, und dies bei sehr tiefer Arbeitslosigkeit und rekordhoher Erwerbsbeteiligung. Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären? Eine wichtige Erklärung liegt darin, dass Firmenschliessungen oder Restrukturierungen mit vielen Entlassungen das positive Gesamtbild des Arbeitsmarktes verfälschen, da sie viel häufiger im Fokus der Öffentlichkeit stehen als positive Nachrichten. Eine aktuelle Auswertung von Medienberichten über Stellenaufbau und -abbau zeigt: Es wird dreimal so häufig über Letzteres berichtet, obwohl in der betrachteten Periode über 40’000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden sind. Unsere neuesten Auswertungen zu den Beschäftigungszahlen in der Schweiz verdeutlichen aber, dass in Branchen, in denen viel entlassen wird, auch viel eingestellt wird. Kommt es in einer Branche zu überdurchschnittlich vielen Unternehmensschliessungen, entstehen in dieser Branche per Saldo fast immer mehr Stellen. Die im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Firmenschliessungen und Restrukturierungen sind also nicht als Alarmsignal zu interpretieren, sondern als Teil der Arbeitsmarktdynamik und des Strukturwandels zu verstehen.

Position economiesuisse

  • Der liberale Arbeitsmarkt ist eine der grössten Stärken des Wirtschaftsstandorts Schweiz. Er darf auf keinen Fall in Gefahr gebracht werden.
  • Der Schweizer Arbeitsmarkt ist sehr dynamisch: Täglich werden über 1200 Stellen abgebaut und es entstehen über 1300 neue Stellen. Jedes Jahr werden rund zehn Prozent aller Stellen in der Schweiz abgebaut und gut zehn Prozent der Stellen werden neu aufgebaut.
  • Entlassungen im grossen Umfang verfälschen das Gesamtbild des Arbeitsmarktes. Medien berichten dreimal so häufig über Stellenabbau. Die Wahrnehmung der Öffentlichkeit wird dadurch verzerrt. Schweizerinnen und Schweizer schätzen die Erwerbslosigkeit doppelt so hoch ein, als sie tatsächlich ist.
  • In Branchen mit überdurchschnittlich hohem Stellenabbau aufgrund von Firmenschliessungen entstehen insgesamt mehr Stellen. Firmenschliessungen und Restrukturierungen sind kein Alarmsignal, sondern Teil des liberalen, dynamischen Arbeitsmarktes, in dem jedes Jahr zusätzliche Stellen entstehen.
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Ausgangslage

Angst vor Arbeitslosigkeit in der Schweiz

In der Schweiz nimmt die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust zu. Zu diesem Schluss kommt die kürzlich publizierte schweizerische Gesundheitsbefragung, die alle fünf Jahre durchgeführt wird. Angesichts der kontroversen Diskussionen rund um die Digitalisierung und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ist dies keine grosse Überraschung.

Abbildung 1

Strukturwandel: Angst

Rund 15 Prozent aller Erwerbstätigen haben sehr grosse oder ziemlich grosse Angst, ihren aktuellen Arbeitsplatz zu verlieren. Dies bedeutet im Vergleich zur letzten Erhebung von 2012 einen Anstieg um 23 Prozent.

Die Angst vor Arbeitsplatzverlust ist grundsätzlich nicht neu: Seit 1976 war die Arbeitslosigkeit gemäss dem Credit-Suisse-Sorgenbarometer in zwei Dritteln der jährlichen Erhebungen die grösste Sorge der Schweizerinnen und Schweizer. Dass neue Technologien ganze Branchen umpflügen können, ist eine unbestrittene Tatsache. Digitale Dienstleister wie Uber und Airbnb bringen etablierte Betriebe in Bedrängnis. Es ist absehbar, dass neue Technologien wie künstliche Intelligenz, 3D-Drucker, Robotik und viele andere Errungenschaften auch in Zukunft grosse Veränderungen in der Wirtschaft verursachen werden. Insofern ist es verständlich, dass die Vorstellung eines drohenden Jobverlusts existenzielle Ängste entfacht.

Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts befürchteten englische Arbeiter den Verlust ihrer Stelle und wehrten sich dagegen, teils mit gezielten Maschinenzerstörungen. Auch im Zürcher Oberland wurde 1831 eine Maschinenweberei von aufgebrachten Heimwebern angezündet. Während der grossen Depression in den 1930er-Jahren sprach John Maynard Keynes von der «technologischen Arbeitslosigkeit». Doch trotz aller Befürchtungen führte keine der industriellen Revolutionen zu breitflächiger Arbeitslosigkeit und Armut. Ganz im Gegenteil: Die technologischen Errungenschaften brachten uns gesamthaft deutlich mehr Wohlstand.

Keine Anzeichen von Verdrängung im Arbeitsmarkt

Ist die eingangs beschriebene Angst vor dem Arbeitsplatzverlust mit der arbeitsmarktlichen Lage in der Schweiz erklärbar? Hat der fortwährende technologische Fortschritt der vergangenen Jahre tatsächlich zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit oder zu sinkender Erwerbsbeteiligung geführt? Oder handelt es sich um eine unbegründete Furcht vor dem Ungewissen? Um diese Fragen zu beantworten, schauen wir uns im Folgenden drei Indikatoren an: die Beschäftigung, die Erwerbslosenquote und die Erwerbsbeteiligung.

Wir blicken zunächst auf die Entwicklung der Beschäftigung in den letzten 25 Jahren. Dabei ziehen wir die Zahlen in Vollzeitäquivalenten in Betracht. Dies hat den Vorteil, dass das gesamte Arbeitsvolumen berücksichtigt wird. Im Gegensatz zur absoluten Zahl der Beschäftigten verhindert eine derartige Betrachtung, dass eine Erhöhung des Anteils Teilzeitbeschäftigter die Anzahl der Beschäftigten aufbläht, ohne dass mehr Arbeit vorhanden wäre. Abbildung 2 zeigt, dass sich die Beschäftigung in den letzten 25 Jahren kontinuierlich erhöht hat: von 1993 bis 2018 von rund 3,2 Millionen auf etwa 3,9 Millionen Vollzeitäquivalente. Das entspricht einem Anstieg um 22 Prozent.

Abbildung 2

Beschäftigung

Allein die Zahl der Beschäftigten reicht jedoch nicht aus, um eine Verdrängung von Arbeit durch Technologie auszuschliessen. Denn mehr Beschäftigung könnte lediglich das Resultat eines Bevölkerungswachstums sein, während gleichzeitig die Arbeitslosigkeit steigen könnte. Daher ist es wichtig, auch die Erwerbslosenquote zu berücksichtigen. Als erwerbslos gelten Personen, die ohne Arbeit sind, eine Stelle suchen und innerhalb kurzer Zeit eine Tätigkeit annehmen könnten. Würde der technologische Fortschritt zu einer Verdrängung von Arbeit führen, müsste eine Erhöhung der Erwerbslosenquote beobachtbar sein. Doch auch die Erwerbslosenquote reicht nicht aus, um Verdrängung festzustellen. Denn gibt eine Person frustriert die Suche nach Arbeit auf, dann gilt sie nicht mehr als erwerbslos. Sie tritt in diesem Falle aus der Erwerbsbevölkerung aus, was zu einer Reduktion der Erwerbsquote führt. Aus diesem Grund betrachten wir im Folgenden sowohl die Erwerbslosen- als auch die Erwerbsquote.

Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der beiden Quoten in den letzten 25 Jahren. Offensichtlich ist die Erwerbslosenquote seit 1993 in etwa konstant geblieben. Sie schwankte je nach Wirtschaftslage zwischen 2,8 und 5,1 Prozent. Einen Hinweis auf eine breitflächige Verdrängung liefert sie nicht. Die Erwerbsquote hingegen ist in der betrachteten Zeitperiode von rund 80 auf 84 Prozent gestiegen. Das heisst, dass ein grösserer Anteil der Bevölkerung seine Dienste auf dem Arbeitsmarkt angeboten hat.

Abbildung 3

Erwerbslosenquote

Auch ein noch weiter zurückgehender Rückblick bis Ende 19. Jahrhundert zeigt, dass technologisch bedingte Arbeitslosigkeit zu keiner Zeit ein Massenphänomen war. Nicht nur gab es im Laufe der Zeit mehr Arbeit, sondern auch mehr Lohn, und das bei sinkender Arbeitszeit.

Auch wenn auf aggregierter Ebene keine Verdrängung zu beobachten ist, bedeutet dies nicht, dass gar keine Veränderungen stattgefunden haben. Während in den 1970er- und 1980er-Jahren die Arbeitslosigkeit unter Niedrigqualifizierten etwa gleich verbreitet war wie unter Mittel- und Hochqualifizierten, stieg sie in den darauffolgenden Jahrzehnten auf ein Vielfaches. Der technologische Wandel verursachte zwar keine generelle Verdrängung von Arbeit, wohl aber von ungelernter Arbeit. Während die Nachfrage nach Niedrigqualifizierten stetig sank, ist jene nach den Hochqualifizierten gestiegen. Es zeigt sich, dass der bildungsintensive technologische Fortschritt zu einer grösseren Nachfrage nach technischen Kenntnissen und somit höherer Qualifikation führt. Ein zweiter Trend verstärkt diese Entwicklung: Im Zuge der Globalisierung werden einfache Tätigkeiten, die kaum spezialisierte Arbeitskräfte beanspruchen, in Länder mit niedrigen Lohnkosten verlagert.

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Einseitiger medialer Fokus auf Stellenabbau

Erwerbslosenquote wird deutlich überschätzt

Wie eine Umfrage des European Social Survey aufzeigt, wird die Erwerbslosigkeitsquote in der Schweiz deutlich überschätzt. Sie lag im Jahr 2016 bei 5,1 Prozentpunkten. Geschätzt wurde sie aber von den Umfrageteilnehmerinnen und Umfrageteilnehmern auf 11,3 Prozent. Somit liegt die wahrgenommene Arbeitslosigkeit in der Schweiz doppelt so hoch, als dass sie tatsächlich ist.

Abbildung 4

Tatsächliche vs geschätzte Arbeitslosigkeit

Im vorangehenden Abschnitt wurde aufgezeigt, dass die Arbeitsmarktzahlen keinen Hinweis auf eine breitflächige Verdrängung von Arbeit liefern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wieso die Angst vor der Arbeitslosigkeit ein derart dominantes Thema ist bzw. weshalb sie von der Bevölkerung so deutlich überschätzt und wahrgenommen wird.

Eine mögliche Erklärung ist die Konfrontation mit der Erwerbslosigkeit, sei dies persönlich oder durch jemanden im näheren Umfeld. Die Erwerbslosigkeit trifft in der Schweiz vergleichsweise wenige Personen, doch für jeden Einzelnen kann die Betroffenheit finanziell gravierend sein und zu einer überproportionalen Wahrnehmung von Arbeitslosigkeit und Angst führen. Eine weitere Erklärung liefert die Dominanz dieser Thematik im öffentlichen Diskurs. Medien, Politiker und Wissenschaftler beschäftigen sich vermehrt mit dem Thema Arbeitslosigkeit, insbesondere im Kontext des technologischen Fortschritts und spezifisch im Zusammenhang mit der Digitalisierung.

Grossflächige Entlassungen verfälschen das Gesamtbild

Wir möchten uns an dieser Stelle insbesondere mit letzterer Erklärung auseinandersetzen und die Berichterstattung in den Medien etwas genauer unter die Lupe nehmen. Dazu die Ausgaben von fünf Deutschschweizer Tageszeitungen: «Neue Zürcher Zeitung», «Tages-Anzeiger», «Aargauer Zeitung», «Blick» und «20 Minuten». Dabei untersuchen wir, wie häufig die genannten Medien über abgebaute und aufgebaute Stellen berichteten.

Die Analyse bringt zutage, dass im Jahr 2016 397 Berichte erschienen sind, die von abgebauten oder aufgebauten Stellen handelten. 296 davon berichteten von einem Stellenabbau, während lediglich 101 Artikel zu aufgebauten Stellen publiziert wurden. Es wurde also dreimal so häufig über Stellenabbau berichtet wie über Stellenaufbau. Interessant ist das Ergebnis, wenn man sich vergegenwärtigt, dass im Untersuchungszeitraum auf dem Schweizer Arbeitsmarkt rund 40'000 Stellen mehr entstanden als zerstört wurden.

Es wurde aber nicht nur viel häufiger über Stellenabbau berichtet, sondern auch viel prominenter. Von den 296 Publikationen zum Stellenabbau waren , das entspricht 43 Prozent. Bei den Meldungen zu aufgebauten Stellen schafften es hingegen nur 19 Prozent prominent in die Medien. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand war die Häufigkeit, mit der es ein Abbau oder Aufbau in die Zeitungen schaffte. Hier stellen wir fest, dass ein Stellenabbau im Schnitt viel häufiger von diversen Medien gleichzeitig aufgenommen oder auch über mehrere Tage in derselben Zeitung thematisiert wurde. Mit Abstand Rekordhalter in dieser Kategorie ist der Abbau von 1300 Stellen bei Alstom, der im Januar 2016 angekündigt wurde. In Form von diversen Berichten fand sich dieser Abbau ganze 25 Mal in den untersuchten Medien.

Tabelle 1

Auswertung Studie

Was lässt sich aus dieser Medienanalyse schlussfolgern? Obwohl im Untersuchungszeitraum auf dem Schweizer Arbeitsmarkt über 40’000 zusätzliche Stellen entstanden sind, berichteten die untersuchten Zeitungen dreimal so häufig über abgebaute Stellen. Berichte zum Stellenabbau waren fast zur Hälfte prominent und fanden ihren Weg häufig gleichzeitig und mehrmals in diverse Zeitungen. Sind also die Medien an der Verbreitung der Angst vor Arbeitslosigkeit schuld? Es wäre falsch, ihnen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Ein wichtiger Grund, weshalb Medien viel häufiger über Stellenabbau berichten, liegt auf der Hand: Stellen werden vielfach in grossem Umfang abgebaut, wenn es zu einer Firmenschliessung oder einer Restrukturierung kommt. Stellenaufbau hingegen geschieht in den meisten Fällen nur schleichend und entgeht daher der öffentlichen Wahrnehmung. Nichtsdestotrotz spielen die Medien eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung der Arbeitslosigkeit in der Schweizer Bevölkerung.

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Sind Firmenschliessungen und Restrukturierungen tatsächlich Alarmsignale?

Abgebaute Stellen finden im Rahmen von Firmenschliessungen und Restrukturierungen also vielfach ihren Weg in die Medien. Dies liefert eine Teilerklärung dafür, weshalb die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust hierzulande sehr stark in den Köpfen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verankert ist. Doch sind Firmenschliessungen und Restrukturierungen wirklich als Alarmsignal zu interpretieren? Oder gehört diese Dynamik zu einem lebhaften und flexiblen Arbeitsmarkt? Wie dynamisch ist der Schweizer Arbeitsmarkt, und welche Branchen stechen dabei ganz besonders hervor? Um diese Fragen zu beantworten, analysieren wir die aktuellsten Zahlen zur Statistik der Unternehmensstruktur (STATENT) des Bundesamts für Statistik (BFS). Die Zahlen weisen aus, wie viele Stellen in den einzelnen Branchen gesamthaft auf- und abgebaut wurden. Zudem ermöglichen sie einen Blick in die Treiber der Dynamik, indem sie angeben, ob der Ab- oder Aufbau durch Firmenschliessungen oder durch bestehende Unternehmen innerhalb der Branchen stattgefunden hat.

Branchen mit vielen Firmenschliessungen schaffen mehr Stellen

Im Jahr 2016 gingen 35,2 Prozent aller abgebauten Stellen wegen Unternehmensschliessungen verloren. In 15 Branchen wurden im untersuchten Zeitraum überdurchschnittlich viele Stellen durch Firmenschliessungen abgebaut. Tabelle 2 listet diese Branchen auf und zeigt eine Übersicht über abgebaute und neu geschaffene Stellen in diesen Wirtschaftszweigen. In neun von 15 Branchen wurden nicht nur überdurchschnittlich viele Stellen durch Firmenschliessungen abgebaut, sondern auch überdurchschnittlich viele Stellen durch Firmenneugründungen aufgebaut. Gleichzeitig war in zwölf von 15 Fällen der Saldo von ab- und aufgebauten Stellen positiv. Mit anderen Worten haben 80 Prozent der Branchen, die überdurchschnittlich viele Stellen durch Firmenschliessungen abgebaut haben, insgesamt am Ende des Jahres mehr neue Stellen geschaffen.

Zu den Wirtschaftszweigen mit der grössten Abbaudynamik durch Firmenschliessungen gehören die Pharmabranche, die Personalvermittler, die sonstigen freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten, die sonstigen Dienstleistungen sowie die IT-Branche. Alle diese Wirtschaftszweige haben per Saldo mehr Stellen auf- als abgebaut. Die IT-Branche und die Personalvermittler gehörten sogar zu den grössten privatwirtschaftlichen Stellenschaffern im Jahr 2016.

Die Aufbaudynamik durch neue Firmen war besonders gross in den sonstigen freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten, der Unternehmensberatung, der Erbringung von sonstigen Dienstleistungen, dem Grundstück- und Wohnungswesen sowie in den mit Finanz- und Versicherungsleistungen verbundenen Tätigkeiten.

Tabelle 2

 Branchen mit einem überdurchschnittlichen Stellenabbau aufgrund von Firmenschliessungen

Wir haben ein kontraintuitives Resultat: Wo viele Firmen geschlossen werden, entstehen auch mehr Arbeitsplätze. Wie lässt sich das erklären? Die grosse Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ist das Ergebnis einer laufenden Neuverteilung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Denn beide Faktoren werden durch die Unternehmen in einer optimalen Kombination eingesetzt. Kleine und grössere technologische und methodische Fortschritte führen dazu, dass die optimale Zusammensetzung von Arbeit und Kapital sich fortlaufend verändert. Dadurch müssen bestehende Strukturen aufgelöst werden, wobei die Produktionsfaktoren neu zusammengesetzt werden. Dieser Prozess wird als schöpferische Zerstörung bezeichnet, denn er geht mit einer Erhöhung der Produktivität einher. Schliesslich generiert die Erhöhung der Produktivität zusätzliche Einnahmen. Führen diese Mehreinnahmen zu erhöhter Investitionstätigkeit, entstehen am Ende wiederum mehr Arbeitsplätze. Die Dynamik der Markteintritte und -austritte und somit auch die Neuverteilung von Arbeit wirken sich also positiv auf die Beschäftigung innerhalb einer Branche aus.

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Grosse Dynamik auf dem Arbeitsmarkt

«Tausende Stellen in Gefahr», «Grösster Stellenabbau seit 15 Jahren: Im Aargau verschwinden 1300 Jobs», «Schindler streicht 120 Stellen», «Sulzer schrumpft und schrumpft in der Schweiz» oder «Schlimmer als befürchtet: CS baut noch mehr Jobs ab». Das sind einige wenige der 296 Schlagzeilen, die im Rahmen unserer Medienanalyse in den untersuchten Zeitungen erschienen. Täglich lesen wir solche Sätze in den Medien. In unseren Köpfen entsteht daher leicht ein ungutes Gefühl zum Zustand der Wirtschaft und der eigenen Jobsicherheit. Müssen uns diese Meldungen – sofern wir nicht persönlich davon betroffen sind – tatsächlich beunruhigen? Oder handelt es sich dabei um ein natürliches Phänomen auf dem Arbeitsmarkt? Wie viele Stellen werden jeden Tag auf- und abgebaut in der Schweiz?

Täglich werden mehr als tausend Stellen abgebaut und neu geschaffen

Im Jahr 2016 wurden in der Schweiz insgesamt 438’085 Stellen durch bestehende Unternehmen oder Firmenschliessungen abgebaut. Dies entspricht einem durchschnittlichen Abbau von 36’507 Stellen pro Monat und 1217 pro Tag. 154’211 abgebaute Stellen respektive 35 Prozent des gesamten Abbaus gingen auf Unternehmensschliessungen zurück.

Diesem Abbau standen 479’007 neu entstandene Stellen in wachsenden oder neuen Unternehmen entgegen. Das entspricht einem Aufbau von 39’917 Stellen im Monat und 1331 pro Tag. Davon wurden 156’762 Stellen durch neue Unternehmen aufgebaut, was 33 Prozent des gesamten Aufbaus ausmachte.

Insgesamt sind also im Jahr 2016 knapp 41’000 zusätzliche Stellen entstanden. Pro Tag waren das über 100 zusätzliche, neue Jobs. Gegenüber dem Vorjahr betrug das Stellenwachstum über 25 Prozent. Im Vergleich zu 2015 ist aber sowohl weniger auf- als auch abgebaut worden. Die Dynamik des Stellenabbaus ging aber viel deutlicher zurück als die Dynamik des Stellenaufbaus: 2016 wurden rund 13’000 Stellen weniger aufgebaut, während rund 22'000 weniger Stellen abgebaut wurden. Dies führte in der Summe zum deutlichen Plus im Jahr 2016.

Im Vergleich zum Vorjahr hat die Privatwirtschaft einen deutlich grösseren Anteil zum Stellenwachstum beigetragen. Aufgrund des Frankenschocks und der daraus resultierenden Unsicherheit konnten 2015 lediglich rund fünf Prozent aller zusätzlich geschaffenen Stellen der Privatwirtschaft zugerechnet werden. 2016 Betrug dieser Anteil etwa 50 Prozent.

Tabelle 3

Stellenaufbau und Stellenabbau im Jahr 2015 und 2016

Die Analyse zeigt also eine ausgesprochen hohe Dynamik sowohl beim Stellenabbau wie auch beim Stellenaufbau. Die Anzahl der aufgebauten und der neu geschaffenen Stellen in einem Jahr entspricht rund zehn Prozent der Gesamtstellenzahl. Durchschnittlich wurden 2016 zwar mehr als 1000 Stellen pro Tag abgebaut, aber noch mehr Stellen wurden geschaffen. Doch diese Zahlen unterschätzen die Dynamik des Arbeitsmarktes sogar. Dies aus zwei Gründen: Erstens basieren die Auswertungen lediglich auf den Veränderungen des Mitarbeitendenbestands der Unternehmen innerhalb eines Jahres. Daher werden Beschäftigungsformen, die kürzer als ein Jahr dauern, nicht erfasst. Zudem bleiben Stellenrestrukturierungen innerhalb eines Unternehmens unberücksichtigt, da sie sich nicht aufs Beschäftigungssaldo auswirken. Wie die wissenschaftliche Literatur darlegen konnte, dürfte die tatsächliche Dynamik etwa 50 Prozent über dem mit der hier angewandten Methodik ermittelten Wert liegen.

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Fazit

Die Daten sprechen eine klare Sprache: In der Schweiz gibt es keine Verknappung von Arbeitsplätzen. Trotzdem nimmt die Angst vor Arbeitslosigkeit zu. Insbesondere im Rahmen der Digitalisierungsdebatten wird vielfach die Frage gestellt, ob uns in Zukunft die Arbeit ausgehen werde. Die Wahrnehmung der Arbeitslosigkeitsthematik ist unter anderem auch durch die Medienberichterstattung geprägt. So entstanden im Jahr 2016 zwar über 40’000 zusätzliche Stellen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Doch in den Medien wurde dreimal so häufig über abgebaute Stellen berichtet wie über aufgebaute Stellen. Firmenschliessungen und Restrukturierungen führen häufig zu Entlassungen in grossem Umfang. Diese Nachrichten werden viel häufiger von den Medien verbreitet als der Stellenaufbau, der häufig schleichend und in kleinen Schritten vonstattengeht. Grossflächige Entlassungen verfälschen also das sehr gute Gesamtbild des Arbeitsmarktes.

Die grosse Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ist das Ergebnis einer laufenden Neuverteilung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Denn beide Produktionsfaktoren werden durch die Unternehmen in einer optimalen Kombination eingesetzt. Kontraintuitiv und sehr interessant ist die Beobachtung, dass in Branchen mit überdurchschnittlich vielen Unternehmensschliessungen auch überdurchschnittlich viele Stellen geschaffen werden. Per Saldo resultiert daraus in der Regel ein Stellenwachstum. Die im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Firmenschliessungen und Restrukturierungen können also nicht als Alarmsignal interpretiert werden, sondern sind Teil der Arbeitsmarktdynamik und des Strukturwandels. So werden jedes Jahr rund zehn Prozent aller Stellen in der Schweiz abgebaut und gut zehn Prozent der Stellen werden neu aufgebaut.

Neue Technologien mögen einzelne Branchen oder Berufe verdrängen, gesamtwirtschaftlich gesehen bringen sie aber grosse Produktivitätssteigerungen mit sich. Auch wenn der Anteil einzelner Akteure am Wirtschaftskuchen kleiner wird, wächst dieser Kuchen gesamthaft. So brachte die Erfindung des Personal Computers (PC) in den 1980er-Jahren die Schreibmaschine immer mehr in Bedrängnis, doch führte sie in anderen Branchen zu erheblichen Produktivitätsgewinnen. Sie ermöglichte dem Bankangestellten, einen Kreditantrag viel schneller zu bearbeiten, die Sekretärin brauchte viel weniger Zeit zur Erstellung und Entsendung eines Briefs, und der Ingenieur konnte seine Berechnungen dank entsprechender Software viel schneller und präziser durchführen. Diese Produktivitätssteigerungen schlugen sich wiederum in höheren Löhnen, kürzeren Arbeitszeiten und/oder tieferen Preisen nieder. Durch das zusätzliche Einkommen stieg die Nachfrage nach weiteren Waren und insbesondere Dienstleistungen. Um diese Nachfrage zu decken, musste wiederum zusätzliche Arbeit geleistet werden, was neue Arbeitsplätze schuf. Dank der hohen Dynamik des Schweizer Arbeitsmarktes erfolgt die notwendige Strukturanpassung aufgrund des technologischen Fortschritts kontinuierlich und nicht abrupt.

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