Die Versorgungssituation in der Schweiz bleibt kritisch
Ein turbulentes Energie-Jahr liegt hinter uns. Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Versorgungssicherheit in Europa akut gefährdet und damit die Unternehmen stark verunsichert. Europa wurde gezwungen, seine Energieversorgung innert kürzester Zeit neu auszurichten. Die unsichere Verfügbarkeit von Strom und Gas und die daraus resultierenden hohen Preise sind zu einem beständigen, in einzelnen Fällen sogar existenziellen unternehmerischen und konjunkturellen Risiko geworden.
Ehrlicherweise hatten wir Glück im Unglück, weil der Winter weitestgehend sehr milde verlief. Das warme Wetter – das muss man heute feststellen – war massgeblich dafür verantwortlich, dass es in den vergangenen Monaten nicht brenzlig wurde. Dennoch – und auch das soll nicht verschwiegen werden – ist es auch beachtlich, welche Resilienz und Anpassungsfähigkeit die Schweizer Firmen und die ganze Gesellschaft in den vergangenen Monaten an den Tag gelegt haben. Mit kurzfristigen betrieblichen Anpassungen, mit Investitionen in die Energieeffizienz oder sogar in die eigene Stromproduktion, mit der befristeten Umstellung von Gas auf Heizöl oder mit der Anschaffung von Notstromaggregaten haben unsere Unternehmen Energie gespart und sich für den Notfall vorbereitet. Allein in der Tech-Industrie wurden mit kurzfristig umgesetzten Massnahmen durchschnittlich zehn Prozent Strom sowie Gas eingespart. Heute dürfen wir feststellen, dass wir das Worst-Case-Szenario einer Gas- oder Strommangellage auch deshalb verhindern konnten.
Nun müssen wir den Blick nach vorne richten. Das Risiko einer kritischen Versorgungssituation wird auch im nächsten Winter und wahrscheinlich in den kommenden Jahren bestehen bleiben. Unabdingbar für eine hohe Versorgungssicherheit sind auf mittlere und lange Sicht der Ausbau der inländischen Stromproduktion in einem technologieoffenen Umfeld sowie kurzfristig ein geregeltes Verhältnis zu Europa, so dass der dringend nötige Abschluss eines Stromabkommens möglich wird. Dessen Wichtigkeit zur Stärkung unserer Stromresilienz kann nicht genug betont werden, ganz zu schweigen von der Kosteneffizienz eines solch international koordinierten Systembetriebs.
Um in einer schweren Energiemangellage mit Strom- und/oder Gaskontingentierungen das Schadensausmass für Wirtschaft und Gesellschaft auf ein Minimum zu reduzieren, fordert die Wirtschaft weiterhin einen möglichst uneingeschränkten und praktikablen Kontingenthandel. Aber auch mit weiteren Spar- und Effizienzanstrengungen können wir kurzfristig noch viel tun. Aus diesem Grund steht die Wirtschaft weiterhin voll hinter der Energiespar-Alliance. Sensibilisierung und Vernetzung sind ein Erfolgsfaktor, damit wir uns im kommenden Winter nicht auf das Wetter verlassen müssen, sondern die Versorgungssicherheit selbst in der Hand haben.
Dieser Text basiert auf einem Referat anlässlich des Frühlingsevents der Energiespar-Alliance vom 20. April 2023.