

« Eine Schweizer Klimapolitik, die Armut fördert, ist kein Vorbild, sondern ein abschreckendes Beispiel. »
Weltklimakonferenz: «COP, die Wette gilt»
Auf einen Blick
- In Belem verhandelt die Klimadiplomatie über die weitere Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.
- Bereits im Vorfeld wird klar: Die Gegensätze verschärfen sich – zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, zwischen Staat und Privatwirtschaft, aber auch generell zwischen Ambition und Realität.
- Ohne einen Durchbruch bleibt der Weg zu den Klimazielen steinig.
Das Pariser Klimaabkommen kann getrost als diplomatische Meisterleistung bezeichnet werden. 195 Länder mit teilweise diametral auseinandergehenden Interessen unter einem ambitionierten Ziel zu vereinen, das ist kein Sonntagsspaziergang, sondern eine grosse Wette – Thomas Gottschalk hätte wahrscheinlich gesagt, «COP, die Wette gilt!». Von Anfang an war klar, dass der Weg zum Ziel kompliziert wird. Von den grossen Emittenten will China (34 Prozent der globalen Emissionen) 2060 klimaneutral sein, Indien (7.6 Prozent) 2070. Die USA (12 Prozent) sind seit Jahren immer nur eine Präsidentschaftswahl von einem vollständigen Kurswechsel entfernt. Nur die EU (6.4%) hat bisher eine Führungsrolle in der Klimapolitik einzunehmen versucht. Die Schweiz, mit ihren vergleichsweise geringen Emissionen, zählt ebenfalls zu den Front-Runnern. Die gesamten Treibhausgasemissionen liegen bei uns rund 26 Prozent unter dem Niveau von 1990, dies trotz 35 Prozent mehr Realeinkommen und 2 Mio. mehr Einwohnern. Die Schweizer Industrie hat ihre Emissionen seit 1990 fast halbiert und ihre Wertschöpfung verdoppelt. Die Herausforderungen bleiben indes riesig. Um ihr Zwischenziel von minus 50 Prozent bis 2030 zu erreichen, muss die Schweiz in den nächsten fünf Jahren mindestens gleich viele Emissionen einsparen wie in den letzten 35 Jahren.
In den COP-Verhandlungen zeigen sich derweil Risse, Widersprüche und die schiere Komplexität des Vorhabens. Gemeinsame Regeln für Kohlestoffmärkte konnten zwar letztes Jahr festgelegt werden – die Umsetzung geht aus Sicht der Unternehmen jedoch noch zu schleppend voran. Ein verbindliches Ausstiegsdatum für fossile Energieträger fehlt weiterhin und wird von gewissen Staaten gezielt blockiert. Und Finanzierungskonflikte zwischen Entwicklungs- und Industriestaaten, sowie zwischen Staat und Privatwirtschaft überschatten das eigentliche gemeinsame Ziel. Mit dem Rückzug der USA klafft zudem eine Milliardenlücke in der globalen Klimafinanzierung – diese soll jährlich unglaubliche 1’300’000’000’000 Dollar betragen. Die EU-Staaten rangen bis zum letzten Moment um einen Kompromiss für neue Klimaziele. Bisher hat weniger als die Hälfte aller Unterzeichnerstaaten, darunter die Schweiz, Ziele für die COP30 eingegeben – und die globalen Emissionen steigen kontinuierlich weiter.
Diese Entwicklungen stimmen nicht zuversichtlich. Es scheint offensichtlich, dass die Klimadiplomatie in Belem eine Belebung und bestenfalls einen Durchbruch braucht. Besonders das Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Standortattraktivität muss gelöst werden. Günstige, saubere und sichere Energie ist die Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Wohlstand ermöglicht wiederum Investitionen in den Klimaschutz und entschärft Verteilkämpfe. Dies gilt nicht nur für die Industrieländer, sondern insbesondere für Schwellen- und Entwicklungsländer, deren Energiehunger ungebrochen wächst. Eine Klimapolitik, die Armut fördert, ist für sie kein Vorbild, sondern ein abschreckendes Beispiel. Soll die Weltgemeinschaft wieder mit Überzeugung hinter dem Pariser Klimaabkommen stehen, muss man hier allen Ländern glaubhaft eine Perspektive aufzeigen. Dann verbessert sich auch die Wettquote auf einen Erfolg des Abkommens wieder.
Erstpublikation dieses Textes erfolgte am 7. November 2025 im Tages-Anzeiger.
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