

« Der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz ist untrennbar mit offenen Märkten und internationaler Vernetzung verbunden. »
Offenheit bleibt die beste Resilienzstrategie
Auf einen Blick
- In ihrem Gastkommentar vom 22. Oktober plädieren Phil Baumann und Marc M. Winistörfer für eine staatliche Prüfung ausländischer Investitionen.
- Dadurch würde die geoökonomische Resilienz der Schweiz gestärkt und das Land vor dem Einfluss der Grossmächte geschützt, so die Argumentation.
- Dieser Ansatz greift jedoch zu kurz: Investitionskontrollen sind nicht im Interesse einer offenen und vernetzten Schweiz. Gerade jetzt, da das Parlament über ein solches Gesetz berät, drängt sich eine kritische Beurteilung auf.
Der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz ist untrennbar mit offenen Märkten und internationaler Vernetzung verbunden. Als Kapitalexporteurin gehört die Schweiz weltweit zu den führenden Ländern. Weil das inländische Kapital den Investitionsbedarf nicht zu decken vermag, sind ausländische Direktinvestitionen essenziell. Gerade weil sich die Schweiz gegenüber ausländischen Investitionen offen – aber stets umsichtig – verhalten hat, konnte sie sich trotz kleinem Heimmarkt im internationalen Standortwettbewerb behaupten. Selbst die USA mit ihrem grossen Binnenmarkt haben kürzlich ihre Verfahren zur Prüfung ausländischer Investitionen (Commitee on Foreign Investment, CFIUS) vereinfacht, um zusätzliche Investitionen anzuziehen. Auch das Vereinigte Königreich will nach Kritik von Investoren sein staatliches Prüfverfahren lockern.
Der Blick ins Ausland zeigt auch, dass staatliche Investitionskontrollen den Nachweis für Effizienz und Effektivität bisher nicht erbringen konnten. Trotz zahlreicher Prüfungen sind Ablehnungen von Übernahmen in Ländern mit entsprechenden Kontrollmechanismen selten. Den hohen administrativen Kosten für Behörden und Unternehmen steht damit ein begrenzter Nutzen gegenüber. Nicht legale Firmenübernahmen sind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, sondern vielmehr illegale Aktivitäten wie Cyberkriminalität, Wirtschaftsspionage oder der Diebstahl geistigen Eigentums.
Auch ohne staatliche Investitionsprüfung verfügt die Schweiz bereits heute über wirksame Schutzmechanismen gegenüber ausländischen Investitionen. Ihre Investitionsschranken liegen sogar über dem Durchschnitt der OECD-Staaten. Insbesondere ist die Schweiz restriktiver gegenüber ausländischen Direktinvestitionen als ihre Nachbarländer, welche allesamt über eine Investitionskontrolle verfügen. Spezielle gesetzliche Regelungen – etwa die Fusionskontrolle im Wettbewerbsrecht oder Meldepflichten im Börsenrecht – gewährleisten einen zuverlässigen Schutz sensibler Eigentumsverhältnisse bei systemrelevanten Infrastrukturen und Unternehmen. Zahlreiche kritische Infrastrukturen, beispielsweise in der Energie- und Telekommunikationsversorgung, befinden sich zudem in öffentlicher Hand von Bund, Kantonen oder Gemeinden.
Schliesslich sind bis heute keine Übernahmen bekannt, die in der Vergangenheit die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Schweiz gefährdet hätten. Das bestätigt auch der Bundesrat. Gerade bei den vielzitierten Übernahmen der jüngsten Vergangenheit (z.B. Syngenta oder Gategroup) wäre eine staatliche Intervention kaum mit dem Verweis auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Schweiz zu rechtfertigen.
Vor diesem Hintergrund ist die laufende parlamentarische Beratung von besonderer Bedeutung. Der Ständerat hat sich bereits für einen schlanken und administrativ überschaubaren Geltungsbereich ausgesprochen. In der kommenden Wintersession soll nun auch die grosse Kammer Augenmass wahren und dem Ständerat folgen. Denn: Geoökonomische Resilienz entsteht nicht durch Abschottung, sondern durch Diversifizierung, Rechtssicherheit und stabile Partnerschaften. Wer von Partnerländern glaubwürdig mehr Marktöffnung für Direktinvestitionen einfordert, darf sich im eigenen Land nicht hinter überschiessenden Investitionskontrollen verschanzen. Ein solches Vorgehen würde die Unsicherheit für Investoren und Eigentümer
potenzieller Zielunternehmen erhöhen und damit die Attraktivität des Standorts Schweiz schmälern. Zudem wären Gegenmassnahmen wichtiger Handelspartner nicht auszuschliessen. Angesichts anhaltender geopolitischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten wäre dies besonders kontraproduktiv.
Erstpublikation dieses Textes erfolgte am 5. November 2025 in der NZZ.
