

« Der «Netzexpress» gehört zum Pflichtprogramm der Energiepolitik. »
Investitionsbedarf bei der Stromnetzentwicklung ist riesig
Auf einen Blick
- Die Netzentwicklung ist in der Energieversorgung enorm wichtig, wird leider aber gerne vernachlässigt.
- Dabei ist der Investitionsbedarf riesig und die Zeit drängt.
- Der Nationalrat hat die Chance, mit dem «Netzexpress» ein Ausrufezeichen zu setzen.
Wie überall im Leben, gibt es auch in der Politik Pflicht- und Küraufgaben. Und wie überall werden auch in Bundesbern die Pflichtaufgaben tendenziell mit weniger Begeisterung erledigt als die Kür. Manchmal werden sie sogar vernachlässigt. Geht es um unsere künftige Energieversorgung, gehört die Netzentwicklung sicher zu diesen ungeliebten Pflichtaufgaben. Doch ohne leistungsfähige Stromnetze nützt uns die beste, nachhaltigste und modernste Produktion nichts. Und ohne starke Stromnetze fehlt uns auch die Verbindung zu Europa, auf die wir uns gerade in den Wintermonaten verlassen, weil die Schweiz auf Stromimporte angewiesen ist.
Netzausbau: Langwierig und teuer
Bei der Netzentwicklung gibt es zwei grosse Herausforderungen: Modernisierung und Dezentralisierung. Die Modernisierung betrifft vor allem die bestehenden Höchstspannungsleitungen, also sozusagen die Stromautobahnen. Mehr als 60 Prozent des Übertragungsnetzes – konkret der Strommasten und Leiterseile – sind heute zwischen 50 und 80 Jahre alt. Diese Anlagen haben eine Lebensdauer von circa 80 Jahren. Ein Grossteil des Übertragungsnetzes muss deshalb in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erneuert werden. Die Dezentralisierung hingegen betrifft vorwiegend das Verteilnetz. Im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren steigt der lokale, dezentrale Leistungsbedarf an die Verteilnetze massiv an.
Beide Herausforderungen teilen zwei «unangenehme Wahrheiten»: Die Netzentwicklung dauert sehr lange und wird sehr teuer. Zuerst zu den Kosten: Eine Studie im Auftrag des BFE kommt zum Schluss, dass die Instandhaltung und Modernisierung des Verteilnetzes bis 2050 bis zu 45 Milliarden Franken kosten könnten. Für die Dezentralisierung könnten zusätzlich bis zu 39 Milliarden Franken fällig werden. Damit landen wir insgesamt bei schwindelerregenden 84 Milliarden Franken. Hinzu kommen die langwierigen und komplexen Verfahren. Netzprojekte im Übertragungsnetz dauern von der Projektierung bis zur Realisierung oft 15 Jahre und mehr. Beim Verteilnetz sieht es nicht besser aus. Auch hier dauert es zu lange. Insbesondere die Standortsuche für Trafostationen ist immer eine Herausforderung.
Netzexpress: Notwendig aber noch nicht ausreichend
Bundesrat und Parlament haben den Handlungsbedarf erkannt. Mit der sogenannten «Netzexpress»-Vorlage will man insbesondere im Übertragungsnetz Abhilfe schaffen. Die Vorlage, die am Mittwoch im Nationalrat behandelt wird, sieht wichtige Schritte vor wie den Verzicht auf ein Sachplanverfahren bei einem gleichwertigen Leitungsersatz im Übertragungsnetz oder die Sonderbehandlung von Netzanlagen des Verteilnetzes ausserhalb der Bauzone. Diese Schritte sind notwendig, aber was das Verteilnetz betrifft bei weitem nicht ausreichend. Um eine kostengünstige und schnelle Netzentwicklung zu ermöglichen, braucht es insbesondere beim Verteilnetz einen weiteren Hürdenabbau bzw. Verfahrensbeschleunigungen.
Baubewilligungsverfahren für Netzanlagen sollten beispielsweise auch im Siedlungsgebiet (Quartiere, Industriezonen) deutlich verkürzt und erleichtert werden. Das ist nicht zuletzt im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten. Denn sie bezahlen am Ende über die Strompreise auch für langwierige Verfahren. Wie immer lohnt sich zuletzt ein Blick über den Tellerrand: Die EU hat letzte Woche ein umfassendes «Grids Package» verabschiedet. Damit will sie unter anderem die Genehmigungsverfahren im Netzbereich massiv beschleunigen. Auch wenn der Nationalrat nun einen Grundstein legt, heisst es: Dranbleiben und der Netzentwicklung endlich die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Denn Beschleunigungen für den Um- und Ausbau der Verteilnetze sind dringend nötig – mehr als bisher vorgesehen.
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