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Warum Handel die nachhaltige Entwicklung unterstützt und nicht bremst

05.11.2020

Auf einen Blick

Dank globalem Handel und ausländischen Direktinvestitionen geht es den Menschen heute viel besser als noch 1990. Die Armut wurde weltweit massiv reduziert und die Lebensqualität hat stark zugenommen. Langfristig wirkt sich der Handel auch positiv auf die Umwelt aus. Schweizer Firmen, die exportieren, importieren oder im Ausland investieren, nehmen eine wichtige Rolle bei der nachhaltigen Entwicklung auf der Welt ein. Damit das so bleibt, braucht es auch künftig einen Abbau von Handelshürden. Von zentraler Bedeutung sind die zwischenstaatlichen Organisationen (UNO, OECD, WTO usw.), die Nachhaltigkeitsstandards aushandeln und weiterentwickeln. Hier soll die Schweiz wie bis anhin aktiv mitwirken.

Das Wichtigste in Kürze

Nachhaltigkeit wird heutzutage zu Recht überall grossgeschrieben. Die nachhaltige Entwicklung stellt eine der grössten globalen Herausforderungen unserer Zeit dar. Sich dabei nur den ökologischen Aspekt vor Augen zu halten, wäre aber zu kurzgefasst. Denn Nachhaltigkeit umfasst gleichzeitig auch eine ökonomische und eine soziale Dimension. Es braucht daher ganzheitliche Lösungen und eine starke Einbindung der Wirtschaft, der auf diesem Themenfeld eine Schlüsselfunktion zugutekommt. Schliesslich dient der internationale Handel laut UNO als Motor für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung.

Waren- und Dienstleistungshandel sowie ausländische Direktinvestitionen reduzieren die Armut, verbessern die Lebensqualität vieler Menschen und wirken sich langfristig positiv auf die Umwelt aus. Dazu braucht es eine gute Regierungsführung in den einzelnen Ländern und verantwortungsvolle Unternehmen. Schweizer Firmen tragen dank ihrer vergleichsweise hohen Nachhaltigkeitsstandards und hochwertiger Exportprodukte wesentlich zu einer nachhaltigen Entwicklung auf der Welt bei. Sie zählen zu den wichtigsten ausländischen Direktinvestoren, vor allem in Entwicklungsländern. Damit verbunden sind oft ein starkes Engagement im Ausbildungsbereich und der Transfer moderner Technologien.

Um auch künftig positiv Einfluss nehmen zu können, benötigen Schweizer Firmen einen möglichst hindernisfreien Zugang zu den Weltmärkten. In einer Zeit stockender multilateraler Handelsliberalisierungen wird dieser zunehmend durch bilaterale Freihandelsabkommen sichergestellt. Diese sind in erster Linie Wirtschaftsabkommen, die den Abbau von Handelsbarrieren zum Ziel haben. Von zentraler Bedeutung sind zwischenstaatliche Organisationen (UNO, OECD, WTO usw.), die Nachhaltigkeitsstandards aushandeln und weiterentwickeln. Hier soll die Schweiz wie bis anhin aktiv mitwirken.

Position economiesuisse

  • Grenzüberschreitender Handel und ausländische Direktinvestitionen wirken sich positiv auf die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit aus. Weltweit haben sie zu enormen Wohlfahrtsgewinnen geführt, seit 1990 über eine Milliarde Menschen aus der Armut befreit und zugleich die Lebenserwartung in den ärmsten Ländern der Welt um 13 Jahre erhöht.
  • Langfristig hat der Welthandel auch positive Effekte auf die Umwelt. Allerdings wird diese in vielen Ländern zurzeit noch ungenügend berücksichtigt.
  • Schweizer Unternehmen fördern die globale nachhaltige Entwicklung mit ihren vergleichsweise hohen Nachhaltigkeitsstandards sowie dem Export von technologisch hochwertigen und innovativen Schweizer Produkten.
  • Globaler Handel und Freihandelsabkommen allein schaffen noch kein Gleichgewicht zwischen ökonomischer, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit. Handelsgewinne können und sollen aber dafür genutzt werden, alle drei Dimensionen zu stärken und besser in Einklang zu bringen.
  • Zur Erhöhung der Nachhaltigkeit braucht es einen ganzheitlichen Ansatz: Bilaterale Kooperationen, regionale Lösungen, die internationale Zusammenarbeit (IZA) und multi- oder plurilaterale Abkommen können die Nachhaltigkeit entlang aller drei Dimensionen in anderen Ländern verbessern, sofern dies die politischen und wirtschaftlichen Institutionen vor Ort zulassen.
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Nachhaltige Entwicklung spielt sich in mehreren Dimensionen ab

Die nachhaltige Entwicklung gehört zu den grössten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Laut der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UN) bezeichnet diese «eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können». Um eine weltweit nachhaltige Entwicklung zu erzielen, haben die UN-Mitgliedsstaaten für die Zeitperiode bis 2030 gemeinsam 17 Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) definiert. Zentrale Elemente sind beispielsweise die Förderung eines gerechten Wirtschaftswachstums für alle, der Schutz der Menschenrechte sowie der Erhalt der natürlichen Ressourcen des Planeten. Die UN-Mitgliedsstaaten sind sich darin einig, dass diese Herausforderungen und Verpflichtungen miteinander verknüpft sind und integrierte Lösungen erfordern. Es ist daher notwendig, die SDG-Agenda 2030 ganzheitlich zu betrachten und bewusst dort einzugreifen, wo die stärkste Wirkung erzielt werden kann.

Nachhaltigkeit umfasst Aspekte zu Umwelt, Wirtschaft und Soziales

Die SDGs machen aber noch etwas anderes deutlich: Eine nachhaltige Entwicklung umfasst nicht nur die Berücksichtigung ökologischer Aspekte, sondern enthält auch eine soziale und eine ökonomische Dimension.

Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit und eine Auswahl an Indikatoren

Die drei Dimensionen sind eng miteinander verbunden und stehen in einer gegenseitigen Wechselbeziehung. Wirkt beispielsweise ein Faktor auf eine bestimmte Dimension, kann das über kurz oder lang positive oder negative Folgen für die anderen Dimensionen haben. Diese werden mithilfe von Indikatoren gemessen. Solche Messverfahren sind aber Bestandteil kontroverser Diskussionen, da gewisse Aspekte nur schwer quantifizierbar sind. Eine trennscharfe Abgrenzung der drei Dimensionen ist nicht möglich, weil sich diese teilweise überlappen und gemeinsame Schnittmengen aufweisen.

Die Interdependenzen innerhalb des Nachhaltigkeitsdreiecks lassen sich am folgenden Anschauungsbeispiel illustrieren: Schafft ein international tätiges Unternehmen neue Arbeitsplätze in einem Entwicklungs- oder Schwellenland, erhöht es mithilfe von Wissens- und Technologietransfers den materiellen Lebensstandard und die Kaufkraft vor Ort (ökonomische Dimension). Dadurch kann die lokale Bevölkerung einen besseren Zugang zu Bildung und Gesundheit erlangen (soziale Dimension). Mit steigendem Einkommen nimmt zudem der Konsum zu, was aus sozialer und ökonomischer Sicht wünschenswert ist. Kurz- bis mittelfristig können mehr Konsum und mehr Produktion zwar einen steigenden CO2-Verbrauch bewirken. Längerfristig erlauben höhere Einkommen der lokalen Bevölkerung jedoch, in ökologisch nachhaltigere Güter, wie zum Beispiel in effizientere Klimaanlagen zu investieren. Zudem verhilft die Einführung neuer Technologien durch ausländische Unternehmen oftmals zu einer ressourcenschonenderen Produktion vor Ort (ökologische Dimension).

Vorsicht vor unvollständigen Analysen bei der Nachhaltigkeit (Beispiel Borneo)

Wie bereits erwähnt, müssen komplexe Herausforderungen möglichst ganzheitlich betrachtet werden. So auch die nachhaltige Entwicklung. Es genügt nicht, sich nur auf eine Dimension zu fokussieren. Andernfalls können unbeabsichtigt neue Probleme entstehen, wie der Einsatz von Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) auf der Insel Borneo in den 1950er-Jahren zeigt. Mit dem Insektizid DDT gelang es zwar Stechmücken zu töten und dadurch die Verbreitung der Krankheit Malaria auf der Insel zu stoppen. Es hat aber auch dazu geführt, dass die Hüttendächer auf Borneo reihenweise einstürzten und die Nahrungsmittelvorräte der Bevölkerung knapp wurden. Denn DDT vernichtete nicht nur die Malariamücken, sondern auch Wespen, die zuvor wiederum Raupen gefressen hatten. Ohne die Wespen stieg die Verbreitung der Raupen exponentiell an. In der Folge machten sich die Raupen ungehindert an den Hüttendächern der Einheimischen zu schaffen. Zudem starben viele Katzen durch den Einsatz von DDT, sehr zur Freude der Nagetiere auf der Insel. Diese frassen fortan ungestört die Getreidevorräte der Lokalbevölkerung auf. Das Beispiel Borneos zeigt, wie eine gut gemeinte Massnahme zur Stärkung der sozialen Dimension (bessere Gesundheit dank Malariabekämpfung) zu einer Veränderung der ökologischen Dimension (weniger Wespen, mehr Raupen/weniger Katzen, mehr Nagetiere) und letztlich zu einer Schwächung der ökonomischen Dimension (weniger Vorräte, Beschädigung des Eigentums) führte.

Wirtschaft ist auf nachhaltige Entwicklung angewiesen

Die Wirtschaft selbst hat ein grosses Eigeninteresse an einer nachhaltigen Entwicklung entlang aller drei Dimensionen. Denn nur mit einem nachhaltigen und schonungsvollen Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital lässt sich die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit auf Dauer sicherstellen. Nachhaltigkeit ist die Basis unternehmerischen Handelns, denn nur so ist ein ökonomischer Erfolg in der langen Frist garantiert. Aus diesem Grund streben weitsichtige Unternehmen nicht nur nach einer kurzfristig hohen Rendite für das eingesetzte Kapital. Sie haben auch ein grundsätzliches Interesse an zufriedenen, gesunden und gut ausgebildeten Mitarbeitenden. Diese sind tendenziell produktiver und eher bereit, im Unternehmen zu bleiben. Des Weiteren sind Unternehmen auf eine intakte Umwelt angewiesen, die auch in Zukunft relevante natürliche Ressourcen bereitstellt. Zudem kommt unternehmerischen Lösungen bei der Bewältigung von ökologischen und sozialen Herausforderungen eine entscheidende Bedeutung zu.

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Internationaler Handel ist Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung

Die UN hat in ihrer Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung klar festgehalten, dass die Wirtschaft für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele eine zentrale Rolle spielt. Ihrer Ansicht nach ist der internationale Handel der Motor für ein integratives Wirtschaftswachstum, die Armutsbekämpfung und die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung.

Handel ist ein weitreichender Begriff. Er umfasst den Austausch verschiedenster Güter (Importe und Exporte), dient sowohl der Produktion von neuen Gütern als auch dem Konsum und stiftet so einen wichtigen Nutzen für die Menschen. Zum Handel zählen aber keineswegs nur materielle Dinge. Ebenso dazu gehören ausländische Direktinvestitionen sowie die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen, beispielsweise wenn Schweizer Spezialisten in einem anderen Land eine Maschine reparieren oder ausländische Unternehmen in der Absicherung von Risiken beraten.

Importe und Exporte von Gütern erhöhen Wohlstand

Der Austausch von materiellen und immateriellen Gütern bringt allen beteiligten Ländern mehr Wohlstand, weil fortan jeder Handelspartner nur noch das selbst produziert, was er relativ am besten kann. Diese Spezialisierung einzelner Länder führt zu einer internationalen Arbeitsteilung: Güter werden importiert, wenn ihre Produktion im eigenen Land zu teuer ist. Hingegen werden Güter exportiert, sofern ihre Herstellung im Inland günstiger ist als im Ausland. Zum einen erhöhen Importe die Auswahl an Gütern im Inland und senken die Preise für die Konsumierenden. Zum anderen wirken sich Exporte positiv auf die Beschäftigung aus. Dadurch erhöht sich das Einkommen der lokalen Bevölkerung. Importe und Exporte von Gütern steigern somit insgesamt den Wohlstand aller beteiligten Handelspartner. Als Folge des weltweiten Waren- und Dienstleistungshandels kommt es zudem zu einer Integration von lokalen Unternehmen in internationale Wertschöpfungsketten.

Intensivierung des Handels heizt den Wettbewerb und damit den Fortschritt an

Die Spezialisierung der Länder führt dazu, dass bestimmte Bereiche der Wirtschaft zunehmend einem stärkeren – auch ausländischen – Wettbewerb ausgesetzt sind. Einzelne inländische Anbieter können dadurch zwar vom Markt verdrängt werden. Dennoch sind die langfristigen Folgen eines erhöhten Wettbewerbs insgesamt positiv. Unternehmen werden gezwungen, sich einem ständigen Erneuerungsprozess zu unterziehen. Die daraus resultierenden Verbesserungen der Produktionsverfahren lösen aber nicht nur bestehende Strukturen auf, sondern treiben auch den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt im Markt voran. Folglich sind besonders innovative inländische Anbieter erfolgreich und können sich dank technologischer und methodischer Fortschritte im Markt durchsetzen und dadurch ihre Produktivität erhöhen. Das wiederum generiert zusätzliche Einnahmen. Mehreinnahmen, die schliesslich wieder für neue Investitionen eingesetzt werden können und am Ende neue Arbeitsplätze schaffen.

Ausländische Direktinvestitionen bringen weit mehr als nur Arbeitsplätze

Daneben umfasst der globale Handel auch die ausländischen Direktinvestitionen. Diese bezeichnen eine Kategorie von Investitionen, die von hiesigen Unternehmen mit der Absicht vorgenommen werden, eine dauerhafte Beteiligung an einem ausländischen Unternehmen zu erwerben. Ausländische Direktinvestitionen haben sowohl eine direkte als auch eine indirekte Wirkung.

Eine direkte Wirkung entsteht beispielsweise, indem ein Unternehmen im Ausland eine Zweigniederlassung eröffnet, vor Ort lokale Mitarbeitende beschäftigt und deren Löhne zahlt. Diverse Studien belegen, dass ausländische Firmen in Entwicklungs- und Schwellenländern tendenziell höhere Löhne bezahlen als einheimische. Eine indirekte Wirkung entfalten ausländische Direktinvestitionen über sogenannte Spillover-Effekte (Übertragungseffekte), auch Externalitäten genannt. Im Falle von Spillover-Effekten haben bestimmte Einflussfaktoren (wie z.B. die Produktion oder der Konsum von Gütern) positive oder negative Auswirkungen auf andere Faktoren. Ein positiver Spillover-Effekt entsteht zum Beispiel dann, wenn ein Schweizer Unternehmen Mitarbeitende im Ausland ausbildet und damit das lokale Wissen über effizientere Produktionsmethoden erhöht. Gleichzeitig stellt die von einer Fabrik im Ausland verursachte Luftverschmutzung einen negativen Spillover-Effekt dar. In beiden Fällen werden die Vor- beziehungsweise Nachteile nicht im Preis berücksichtigt, weshalb sie extern sind.

Positive Struktureffekte der Direktinvestitionen

Die untenstehende Grafik zeigt, dass es bei ausländischen Direktinvestitionen zu vier unterschiedlichen Arten von Spillover-Effekten kommen kann. Ausländische Firmen können beispielsweise neue Technologien und Wissen in ein Land bringen (Wissenstransfer). Das erhöht die Produktivität der Wirtschaft vor Ort. Weiter können ausländische Firmen Angestellte ausbilden, welche dann im Zielland zu lokalen Firmen wechseln (Arbeitsmobilität). Neue Teilnehmende im Markt erhöhen überdies den Wettbewerb, wodurch Produktivität und Effizienz im Markt zunehmen. Zudem erleichtert der Zuzug von ausländischen Unternehmen inländischen Firmen den Zugang zu Exportmärkten, weil diese die Infrastruktur und Netzwerke von ausländischen Firmen für sich selbst nutzen können.

Wirkung von ausländischen Direktinvestitionen

Ausländische Direktinvestitionen ermöglichen im Weiteren auch die Integration lokaler Unternehmen in internationale Wertschöpfungsketten. Dank positiver Spillover-Effekte profitieren dabei selbst Firmen, die als Zulieferer oder Kunden von ausländischen Tochterunternehmen fungieren.

Ökonomische Dimension: Offene Märkte reduzieren Armut

Kofi Annan, ehemaliger Generalsekretär der UN, sagte einmal: «Offene Märkte bieten die einzige realistische Hoffnung, Milliarden von Menschen in Entwicklungsländern aus der bitteren Armut zu befreien und gleichzeitig den Wohlstand in den Industrieländern zu erhalten.» Er war der festen Überzeugung, die Ursache von Armut und Unterentwicklung sei nicht zu viel, sondern zu wenig Handel, und sprach sich daher stets für den Abbau von Handelsbarrieren aus. Auch die Wissenschaft ist sich einig: Offene Märkte und Handel wirken sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes aus. Sie erhöhen beispielsweise direkt das Wachstum des Bruttoinlandprodukts pro Kopf, die Kapitalinvestitionen sowie die Produktivität. Ausserdem verringern sie die strukturelle Arbeitslosigkeit und damit die Armut.

Der Anteil der Personen, die von extremer Armut betroffen sind, hat sich in den letzten Jahrzehnten weltweit stark reduziert. Lebten 1981 noch 42,5 Prozent aller Menschen in extremer Armut, waren es 2017 nur noch 9,2 Prozent (siehe nachfolgende Grafik). Somit war die weltweite Armutsrate 2017 niedriger als je zuvor. Für das Jahr 2019 wird gar ein Rückgang der globalen Armutsrate auf 8,2 Prozent prognostiziert. Seit Beginn der 1990er-Jahre wurden insgesamt über eine Milliarde Menschen aus der Armut befreit.

Gleichzeitig hat der Anteil des Handels am globalen Wirtschaftswachstum seit 1980 stark zugenommen. Der Wert der Exporte der am wenigsten entwickelten Länder hat sich zwischen 2000 und 2018 gar mehr als versechsfacht (von 41 auf 257 Milliarden US-Dollar).

Entwicklung von Armut und Welthandel seit 1981

Bei der Reduktion der Armut spielt der Handel eine entscheidende Rolle. Eine Studie bezüglich afrikanischer Staaten zeigt, dass Handelsoffenheit und der dadurch ausgelöste Strukturwandel längerfristig die Armut verringern und dass der Privatsektor stark zur Armutsbekämpfung beiträgt. Zur gleichen Schlussfolgerung kommen auch die Weltbank und die Welthandelsorganisation (WTO): Die Ausweitung des internationalen Handels und die daraus resultierenden Wachstumsschübe, Produktivitätsgewinne und Einkommenssteigerungen tragen wesentlich zur Armutsbekämpfung bei. Im Jahr 2018 veröffentlichten die Organisationen einen gemeinsamen Bericht, der anhand von acht Fallstudien konkret aufzeigt, welchen Beitrag der Handel zur Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern leistet. Konkret erhöht sich laut einer Studie der Weltbank das BIP pro Kopf in einem Land um ein Prozent, wenn dessen Integration in globale Wertschöpfungsketten um ein Prozent steigt.

Soziale Dimension: Marktöffnungen verbessern die Lebensqualität

Auch die Effekte offener Märkte auf die soziale Nachhaltigkeit sind überwiegend positiv. Sie erhöhen den Zugang der Bevölkerung zu Bildung, insbesondere auch von Frauen. Darüber hinaus gehen Marktöffnungen mit einer grösseren Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt einher und reduzieren die Kinderarbeit. Seit 1990 lässt sich zudem eine Zunahme der Lebenserwartung in den am wenigsten entwickelten Ländern um 13 Jahre sowie eine tiefere globale Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren um fast 60 Prozent beobachten.

Die sozialen Aspekte sind auch Bestandteil des Human Development Index (HDI), welcher den sozialen Fortschritt von Staaten misst. Verschiedene Untersuchungen kommen dabei zum gleichen Ergebnis: Es existiert ein positiver Zusammenhang zwischen Handel und HDI. Beispielsweise ist festzustellen, dass sich ein Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen positiv auf die Entwicklung des HDI auf dem afrikanischen Kontinent auswirkt. Mit Blick auf die Entwicklungsländer seit 1991 lässt sich diese positive Beziehung untermauern: Der Bestand von ausländischen Direktinvestitionen hat in diesen Ländern stark zugenommen, während sich der HDI in denselben Ländern ebenfalls positiv entwickelte.

Relative Entwicklung von ausländischen Direktinvestitionen und sozialer Nachhaltigkeit in Entwicklungsländern

Ökologische Dimension: Gemischte Erkenntnisse zu den ökologischen Folgen des Handels

Wie sich eine Zunahme des Handels auf die ökologische Nachhaltigkeit auswirkt, ist umstritten. Kritikern zufolge nutzen entwickelte Länder Handelsliberalisierungen aus, um ihren ökologischen Fussabdruck auf ärmere Länder mit niedrigeren Standards abzuwälzen. Diese Hypothese lässt sich gemäss Auswertungen der ETH allerdings nicht empirisch belegen. Ganz im Gegenteil: Liberalisierungen durch Freihandelsabkommen verursachen keine Verschiebung der ökologischen Belastung in einkommensschwache Länder.

Ein anderer Ansatz zur Ermittlung des Wirkungszusammenhangs findet sich in der Umweltkurve nach Kuznets (siehe nachfolgende Grafik). Die Kurve beschreibt die Beziehung zwischen der Umweltbelastung und dem Pro-Kopf-Einkommen. In der Anfangsphase des Wirtschaftswachstums nehmen gemäss der Kurve die Schadstoffemissionen zu und die Umweltbelastung nimmt ebenfalls zu. Dies geschieht aber nur bis zu einem gewissen Niveau des Pro-Kopf-Einkommens. Danach kehrt sich der Trend um, so dass bei steigendem Pro-Kopf-Einkommen die Umweltbelastung abnimmt. Für verschiedene umweltbezogene Aspekte wie die Wasser- oder Luftverschmutzung und den ökologischen Fussabdruck wurde die Anwendbarkeit der Umweltkurve nach Kuznets bestätigt.

Demnach kann Handel kurz- bis mittelfristig zu einer Zunahme der CO2-Emissionen führen, da Produktion und Konsum ansteigen. Dabei können negative Spillover-Effekte wie nicht im Marktpreis berücksichtigte ökologische Kosten der Produktion oder des Konsums auftreten. Längerfristig verhelfen die durch den Handel eingeführten neuen Technologien jedoch zu einer effizienteren und ressourcenschonenderen Produktion vor Ort (positiver Spillover-Effekt). Zudem verändert sich mit steigendem Einkommen auch das Konsumverhalten der lokalen Bevölkerung – man kauft schliesslich nicht doppelt so viele Kühlschränke, nur weil man das Doppelte verdient. Die Nachfrage nach ökologisch nachhaltigeren Produkten, wie beispielsweise effizienteren Klimaanlagen, nimmt längerfristig zu und das Bedürfnis nach einer intakten Umwelt wird höher gewichtet.

Umweltkurve nach Kuznets

Die Wirtschaft wird bei der Lösung von Umweltproblemen oftmals nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei lassen Preissignale sparsamer wirtschaften, da effizientere Produktionsmethoden und neue Ressourcen erschlossen werden können. Ein kleines Anschauungsbeispiel: In den 1950er-Jahren wog eine Aludose 85 Gramm. Heute wiegt diese nur noch 13 Gramm. Mittels Innovationen und Recycling ist es nun möglich, 85 Prozent des Materials einzusparen. Die Materialverbrauchsreduktion scheint sich insbesondere für Industrieländer mit, relativ gesehen, hohen Einkommen zu bewahrheiten. In der Schweiz ging der Ressourcenverbrauch pro Kopf seit 1990 um 30 Prozent zurück, während die Wirtschaftsleistung pro Person um einen Viertel zulegte.

Positive Wirkung des Handels ist stark vom Kontext abhängig

Die positive Wirkung des Handels auf die nachhaltige Entwicklung entlang aller drei Dimensionen hängt stark vom jeweiligen Kontext ab. Dazu zählen unter anderem die Ausgestaltung der rechtlichen und politischen Institutionen im Land, Rechtssicherheit, Infrastruktur, Finanzmärkte, Bildungsstand der Bevölkerung usw. Sie ist auch davon abhängig, wie stark sich ausländische Unternehmen mit ihren Investitionen lokal einbetten und wie stark sie mit den einheimischen Firmen und Anspruchsgruppen interagieren. Die Schweiz versucht, mit dem Instrument der internationalen Zusammenarbeit einen positiven Beitrag in den Bereichen wirtschaftliche Grundlagen, Bildung und Infrastruktur in Entwicklungs- und Schwellenländern zu leisten. Trotz Erfolgen kann die internationale Zusammenarbeit aber eine verfehlte Politik im lokalen Kontext oder eine ungerechte Verteilung der Wohlstandsgewinne vor Ort nicht ausreichend verändern. Dies trifft ebenso auf den internationalen Handel und damit verbunden auf Freihandelsabkommen zu. Reformen im institutionellen Bereich müssen von innen kommen, das heisst, sie müssen von den Menschen und Entscheidungsträgern im jeweiligen Land politisch angestrebt und eingefordert werden. Dies ist oftmals ein langwieriger und schwieriger Prozess. Nicht umsonst gilt das 16. SDG, das die Förderung inklusiver Institutionen und die Rechtsstaatlichkeit umfasst, als jenes, das am schwierigsten zu realisieren ist.

Marktöffnungen wirken sich über Kausalketten auf die nachhaltige Entwicklung aus

Für eine umfassende Beurteilung der Auswirkungen des Handels auf die nachhaltige Entwicklung reicht es nicht aus, sich auf einzelne Aspekte zu konzentrieren. Die betroffenen Kausalketten müssen ebenfalls berücksichtigt werden. So können Handelsliberalisierungen in mehreren Schritten verschiedene SDGs positiv beeinflussen. Die untenstehende Grafik verdeutlicht dies anhand eines Schweizer Industriebetriebs, der in seiner ausländischen Zweigniederlassung ein Frauenförderungsprogramm nach dem Standard des Hauptsitzes umsetzt und damit gleich zu mehreren nachhaltigen Entwicklungszielen der UN einen positiven Beitrag leistet.

Einfluss des Frauenförderungsprogramms im Tocherunternehmen eines Schweizer Industriebetriebs auf die nachhaltigen Entwicklungsziele

Zu welchem Zeitpunkt und wie sich ein Effekt auswirkt, ist ebenfalls unterschiedlich. Die Wirkung kann beispielsweise kurzfristig negativ sein, langfristig hingegen positiv ausfallen. Unter anderem zeigt sich das in afrikanischen Ländern. Dort verdienen Teile der lokalen Bevölkerung nach einer Marktöffnung erst weniger, weil sie noch nicht über die neu verlangten Fähigkeiten verfügen. Da die Marktöffnung jedoch auch das Ausbildungsangebot beeinflusst, ändert sich dies auf längere Frist, sodass die Arbeitskräfte vor Ort ebenfalls von den neuen Stellen profitieren können.

Relevanz des Dienstleistungshandels nimmt weltweit zu

Im Kontext von Handel und nachhaltiger Entwicklung spielt der Dienstleistungssektor eine tragende Rolle. So betrug der wertmässige Anteil des Dienstleistungshandels am globalen Gesamthandel im Jahr 2018 bereits 22 Prozent. Und die Chancen für die Nachhaltigkeit sind gross: Der Dienstleistungshandel fördert den Wissenstransfer, benötigt weniger natürliche Ressourcen als der Warenhandel, verursacht minimale ökologische Transportkosten und führt somit generell zu einer tieferen Umweltbelastung. Er ermöglicht Entwicklungsländern, sich in äusserst profitablen globalen Wertschöpfungsketten zu integrieren und hochproduktive Arbeitsplätze zu schaffen.

Innovation im Nachhaltigkeitsbereich dank Digitalisierung und Handel

Viele Nachhaltigkeitsprobleme können mithilfe von Innovation gelöst werden. Innovation entspringt von cleveren Talenten und Unternehmen, nicht vom Staat. Über den Handel fliessen nicht nur Waren, Dienstleistungen oder Investitionen in ein anderes Land. Es werden auch Ideen, Erfahrungen, neue Technologien und Wissen ausgetauscht. Zudem entstehen neue Kontakte und es bilden sich länderübergreifende Netzwerke. Die Digitalisierung dient so auch als wichtiger Treiber von Innovationen im Nachhaltigkeitsbereich und fördert den weltumspannenden Wissenstransfer auf eindrückliche Weise. Gekoppelt mit politischen Freiheiten und offenen Märkten wird die Gesellschaft künftig noch viel grössere Fortschritte entlang aller drei Dimensionen der Nachhaltigkeit erzielen können. Somit werden neue Erfindungen wie effizientere Kühlschränke oder eine energiesparendere Zementproduktion auch in Entwicklungs- oder Schwellenländern Realität. Zusammen mit Institutionen, die allen Menschen zugutekommen, und den richtigen wirtschaftlichen Anreizen, wie beispielsweise Patenten, bieten Digitalisierung und Handel ein unglaubliches Potenzial als Motor der Nachhaltigkeit.

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Wie die Schweizer Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt

Die Schweiz ist eine Exportnation. Sie erwirtschaftet einen erheblichen Teil ihrer Wertschöpfung mit dem Export von Gütern und Dienstleistungen. Hierzulande werden 40 Prozent der gesamten Wertschöpfung exportiert. Dennoch nimmt die Schweiz im internationalen Waren- und Dienstleistungshandel absolut gesehen keine führende Position ein. Ganz anders bei den ausländischen Direktinvestitionen: Hier gehört die Schweiz gemäss UNCTAD (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung) zu den zehn grössten Wirtschaftsmächten. Entsprechend gross ist auch der Einfluss, den Schweizer Unternehmen mittels Direktinvestitionen auf die globale nachhaltige Entwicklung ausüben. Es gibt kaum ein multinationales Unternehmen aus der Schweiz, das sich nicht zu einem internationalen Standard bezüglich sozialer oder ökologischer Nachhaltigkeit verpflichtet hat – sei es über den Global Compact, die Principles for Responsible Investments, die Equator Principles, die UN Principal Guidelines on Business and Human Rights oder die OECD Guidelines for Multinational Enterprises.

Schweizer Unternehmen exportieren Nachhaltigkeit mittels Standards und Produkten

Die Schweiz besetzt in verschiedenen Nachhaltigkeitsrankings Spitzenplätze. So belegt sie beispielsweise den zweiten Platz im Green Economy Index sowie im Nachhaltigkeitsranking von Robeco. Zudem erreichen mehrere Schweizer Unternehmen Topplatzierungen in den renommierten Dow Jones Sustainability Indices, einer Familie von Aktienindizes, welche nebst ökonomischen auch ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen. Folglich haben die hohen Nachhaltigkeitsstandards von Schweizer Firmen einen entsprechend positiven Einfluss auf die Nachhaltigkeit ihrer Zweigniederlassungen im Ausland, gerade auch im Vergleich zu jenen von anderen Ländern.

Daneben steuern Schweizer Unternehmen auch mit dem Export von innovativen, technologisch hochstehenden und qualitativ erstklassigen Produkten zu einer nachhaltigen Entwicklung in ihren Partnerländern bei. Beispielsweise verbessern von Schweizer Pharmaunternehmen entwickelte Medikamente die Gesundheitsversorgung in anderen Ländern. Zugleich exportieren Schweizer Industrieunternehmen ressourceneffiziente Maschinen ins Ausland und leisten damit einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Produktion vor Ort.

Davon abgesehen verschieben sich die Präferenzen der Konsumierenden zunehmend hin zu mehr Nachhaltigkeit. Deshalb bieten Schweizer Unternehmen ein immer differenzierteres Angebot und reagieren so auf die wachsende Nachfrage nach nachhaltigeren Produkten und Produktionsverfahren. Gleichzeitig erfüllen Schweizer Import- und Exportfirmen bereits heute eine Vielzahl von Normen und Produktevorschriften. Entsprechend haben Nachhaltigkeitsüberlegungen für die Schweizer Wirtschaft eine grosse Bedeutung.

Sustainable Finance: Schweizer Markt wächst rasant

Dass auch die Finanzindustrie mit ihrer Tätigkeit einen grossen Hebel zur positiven nachhaltigen Entwicklung hat, ist unbestritten. Entsprechend beeindruckend ist, wie stark nachhaltige Anlageklassen in den letzten Jahren gewachsen sind. Die wichtigsten Finanzmärkte haben sich in der Global Sustainable Investment Alliance GSIA (Zusammenschluss der sieben weltweit grössten Mitgliedsorganisationen für nachhaltige Investitionen) zusammengetan. Im Jahr 2018 hielten sie nachhaltige Investitionen in der Höhe von fast 31 Billionen US-Dollar. Der Bestand hat sich somit im Vergleich zu 2016 um 34 Prozent erhöht. In der Schweiz betrug das Marktvolumen für nachhaltige Investitionen im Jahr 2018 bereits 717 Milliarden Franken. Diese Zahl hat sich seit 2016 mehr als verdreifacht (damals lag sie noch bei 215 Milliarden Franken). Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBV) hat zum Thema Sustainable Finance ein Positionspapier erstellt, das die wichtigsten Aspekte aufgreift.

Schweizer Direktinvestitionen sind wichtig für Entwicklungsländer

Mit einem Kapitalbestand von fast 1,5 Billionen Schweizer Franken schaffen Schweizer Firmen über zwei Millionen Arbeitsplätze ausserhalb der Schweiz. Ebenso eindrücklich ist der wirtschaftliche Fussabdruck von Schweizer Firmen in Entwicklungsländern. Der Kapitalbestand beträgt 202 Milliarden Schweizer Franken. Über 660'000 Arbeitsplätze hängen damit zusammen. Setzt man diesen Bestand in Relation zur Grösse der Schweizer Volkswirtschaft und vergleicht den Wert mit dem weltweiten Verhältnis von ausländischen Direktinvestitionen und BIP fällt auf, dass sich die Schweizer Wirtschaft fast viermal stärker in diesen Regionen engagiert als der Rest der Welt (siehe untenstehende Grafik). Damit verbunden sind beispielsweise häufig ein starkes Engagement im Ausbildungsbereich und der Transfer moderner Technologien.

Anteil der Direktinvestitionen in Entwicklungsländern am BIP

Das Center for Corporate Responsibility and Sustainability (CCRS) der Universität Zürich ist der Frage nachgegangen, wie stark Schweizer Direktinvestitionen in Entwicklungsländern lokal verankert sind und wie sie zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Die Fallbeispiele zeigen dabei eindrücklich auf, welch positiven Beitrag Schweizer Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung vor Ort leisten.

Schweizer Direktinvestitionen am Beispiel von Nestlé Philippines

Die positiven Effekte von Schweizer Direktinvestitionen in Entwicklungsländern lassen sich am Beispiel des Schweizer Nahrungsmittelherstellers Nestlé aufzeigen, der auf den Philippinen eine Zweigniederlassung besitzt. Die Marke Nescafé als Teil von Nestlé Philippines bezieht heute nicht nur seine Kaffeebohnen von den Philippinen, sondern verarbeitet und verkauft auch den Grossteil seiner Endprodukte im Land. Zudem sind die Mehrzahl der Angestellten in leitenden Positionen Filipinos. Nestlé Philippines ist stark in die lokale Wirtschaft eingebettet und wird deshalb von den meisten Filipinos als einheimisches Unternehmen wahrgenommen. Zugleich verpflichtet sich das Unternehmen zur Einhaltung globaler CSR-Standards und hat den NESCAFÉ-Plan entwickelt, damit lokale Kaffeebauern Zugang zu ertragreicheren Pflanzen haben und der Kaffeeanbau nachhaltig bleibt. Gemeinsam mit der Rainforest Alliance (RA) und dem Common Code for the Coffee Community (4C) stellt Nestlé sicher, dass die international anerkannten Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden. Seit der Gründung ihrer ersten Tochtergesellschaft vor 100 Jahren hat Nestlé auf den Philippinen nicht nur Zehntausende von Arbeitsplätzen geschaffen, sondern auch einen wertvollen Wissenstransfer in den lokalen Privatsektor ermöglicht. Dies half dabei, ein nationales wirtschaftliches Ökosystem rund um die Produktion, die Kommerzialisierung und den Konsum von Kaffee aufzubauen. Dank eines umfassenden Kapazitätsentwicklungsprogramms für Zulieferer und der strengen Sozial- und Umweltstandards von Nestlé Global gelang es dem Unternehmen in den letzten Jahrzehnten, die Nachhaltigkeit seiner lokalen Lieferanten zu erhöhen.

Exkurs: Unternehmens-Verantwortungs-Initiative ist kontraproduktiv

Die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative (UVI), über die am 29. November 2020 abgestimmt wird, will die Klagemöglichkeiten gegen kleine und grosse Schweizer Unternehmen ausbauen. Konkret sollen diese in der Schweiz auf die weltweite Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzvorschriften verklagt werden können. Ein Unternehmen haftet so sogar für Vorfälle von eigenständigen Drittfirmen, wenn diese von ihnen wirtschaftlich abhängig sind. Zum Beispiel als Zulieferer oder als Empfänger von Darlehen.

Heute ist die Schweiz mittels Direktinvestitionen überdurchschnittlich stark in Entwicklungsländern engagiert. Über ausländische Tochtergesellschaften tragen Schweizer Unternehmen das hiesige Modell der Lehrlingsausbildung in die ganze Welt. Dieses Engagement steht wegen der UVI auf dem Spiel. Denn durch die neuen, unberechenbaren Haftungsrisiken können sich Schweizer Unternehmen gezwungen sehen, sich aus Entwicklungsländern zurückzuziehen und sich von lokalen Produzenten (Bauern, Gewerbe) zu trennen, wenn diese ein potenzielles Haftungsrisiko darstellen. Menschenrechte und Umweltschutzbestrebungen sind besonders dann gefährdet, wenn Firmen aus Ländern mit tieferen Sozial- und Umweltstandards in die Lücke springen, welche Schweizer Unternehmen vor Ort hinterlassen. Die UVI gefährdet somit letztlich auch das Erfolgsmodell der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Der international abgestimmte Gegenvorschlag führt nicht zu solchen Fehlanreizen, sondern fokussiert auf eine konstante Verbesserung der unternehmensinternen Sorgfaltsprüfungsprozesse.

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Wirkungsvolle Instrumente im Bereich Nachhaltigkeit aus Schweizer Perspektive

Die Schweiz engagiert sich im Rahmen ihrer Aussenpolitik mit einer Vielzahl von multilateralen, plurilateralen und bilateralen Instrumenten für mehr soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit (siehe übernächste Grafik). In diesem Zusammenhang wird nachfolgend zuallererst der Nutzen von Freihandelsabkommen beschrieben und dann mit demjenigen von weiteren Instrumenten verglichen.

Multilateraler Abbau von Handelshürden als Königsweg

Angesichts der positiven Effekte des Handels auf die nachhaltige Entwicklung ist eine möglichst allgemeinverbindliche und liberale internationale Handelsordnung von zentraler Bedeutung. Handelsliberalisierungen sind am effizientesten, wenn sie im Rahmen der WTO, also multilateral erfolgen. Denn so gelten sie für alle WTO-Mitglieder und die Wirtschaft kann mit einem einzigen, einheitlichen Regelsatz weltweit planen. Aufgrund der steigenden internationalen Handelsstreitigkeiten und protektionistischen Massnahmen setzt die Schweizer Handelsdiplomatie jedoch auch vermehrt auf den Abschluss präferenzieller Freihandelsabkommen. Zurzeit verfügt die Schweiz über 32 solcher Verträge mit insgesamt mehr als 40 Staaten. 29 davon wurden im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ausgehandelt, bei der auch die Schweiz Mitglied ist. Diese Freihandelsabkommen bauen Zölle ab, was für Schweizer Firmen und ihre Kunden vor Ort die Handelskosten verringert. Sie reduzieren aber auch nichttarifäre Handelshemmnisse, wie zum Beispiel unterschiedliche Produktanforderungen.

Nachhaltigkeitskapitel in Freihandelsabkommen: Kooperation besser als Zwang

Beim internationalen Handel geht es allerdings um weit mehr als nur den Abbau von Zöllen. Freihandelsabkommen schaffen verbindliche Regeln, so dass alle Partner von den Vorteilen des Handels profitieren können. Seit 2010 enthält beispielsweise jedes Freihandelsabkommen der Schweiz ein Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung. Darin einigen sich die Vertragsstaaten, im Einklang mit den internationalen Übereinkommen, auf verbindliche Bestimmungen bezüglich ökologischer und sozialer Aspekte. Diese verfolgen einen Kooperationsansatz, weshalb sie nicht mit Schiedsgerichtsverfahren eingeklagt werden können. Das heisst aber nicht, dass diese Bestimmungen nicht überwacht und durchgesetzt werden können. Im Rahmen von gemischten Ausschüssen werden jeweils handelsrelevante Nachhaltigkeitsthemen besprochen. Und schon gar nicht bedeutet dies, dass der Kooperationsansatz deshalb wirkungslos ist. Auswertungen der Bestimmungen zu Arbeitsstandards in Handelsabkommen halten etwa fest, dass der Kooperationsansatz effektiver zur Verfolgung von sozialen Nachhaltigkeitszielen beiträgt als Zwangsmassnahmen.

2019 wurde eine Überprüfung des Modellkapitels zu Handel und nachhaltiger Entwicklung durch die EFTA vorgenommen, sowohl in Bezug auf den Inhalt der Bestimmungen als auch den Ansatz zur Streitbeilegung. Die neuen Bestimmungen umfassen Themen wie beispielsweise nachhaltige Bewirtschaftung der Wald- und Fischereiressourcen, biologische Vielfalt, Klimawandel, integrativer Handel und die soziale Verantwortung der Unternehmen. Zudem stärkte die EFTA den Ansatz zur Streitbeilegung mit ihren Freihandelspartnern. Der neue Ansatz sieht die Möglichkeit vor, dass die Partner ein Panel von unabhängigen Experten einsetzen können, falls Probleme auf dem traditionellen Konsultationsweg nicht zu lösen sind.

Warum Nachhaltigkeits-Wirkungsanalysen von Schweizer Freihandelsabkommen wenig bringen

Wirkungsanalysen von Schweizer Freihandelsabkommen auf die Nachhaltigkeit von Staaten wie Indonesien – oft verbunden mit einem kurzen Zeithorizont – sind nicht aufschlussreich. Denn bezogen auf den Warenhandel sind die Exporte der Schweiz für unsere Wirtschaft zwar absolut grundlegend, im Verhältnis zur Marktgrösse bestimmter Partnerländer jedoch zu klein, als dass sich kausale Aussagen machen lassen. Unsere Warenexporte nach Indonesien entsprechen beispielsweise nur 0,05 Prozent des dortigen Bruttoinlandprodukts. Folglich kann auch nicht erwartet werden, dass sich Schweizer Exporte ausschlaggebend in den Kennzahlen zur Nachhaltigkeit in Indonesien, etwa den CO2-Emissionen, widerspiegeln.

Abschluss von Investitionsschutzabkommen ist zentral

Für eine nachhaltige Entwicklung sind neben Freihandelsabkommen auch Investitionsschutzabkommen zentral. Die Schweiz hat mehr als 120 solcher Abkommen abgeschlossen. Diese schaffen Rechtssicherheit, indem sie Investitionen von Schweizer Unternehmen in den Partnerländern, und von ausländischen Unternehmen in der Schweiz, vor willkürlicher Enteignung sowie Diskriminierung schützen. Zusätzlich regeln diese Abkommen den Kapitaltransfer ins Heimatland. Die dadurch verbesserten Rahmenbedingungen erhöhen nachweislich den Bestand an ausländischen Direktinvestitionen. Je höher die Rechtssicherheit ist, desto eher sind Unternehmen bereit, langfristige Investitionen in einem anderen Land zu tätigen.

Schweizer Freihandelsabkommen stärken wirtschaftliche Integration

Freihandelsabkommen erhöhen nachweislich den internationalen Austausch von Gütern. Es hat sich gezeigt, dass Schweizer Unternehmen nach Inkrafttreten derartiger Abkommen auch ihre Investitionen in den Partnerländern stark erhöhten. Des Weiteren haben sich die Exporte in diese Länder, im Vergleich zum Gesamtwachstum der Schweizer Exporte, mehr als doppelt so stark entwickelt. Nachfolgende Grafik verdeutlicht ausserdem, dass mit zunehmender Anzahl internationaler Wirtschaftsabkommen auch die Exporte der Schweiz gestiegen sind.

Entwicklung der Vertragswerke in der Schweizer Aussenwirtschaft sowie der Exporte aus der Schweiz

Schweiz engagiert sich mit diversen internationalen Instrumenten für mehr Nachhaltigkeit

Freihandelsabkommen müssen in erster Linie Wirtschaftsabkommen bleiben und Handelshemmnisse minimieren. Sie dürfen daher nicht überfrachtet werden. Das bedeutet, dass Freihandelsabkommen Schweizer Unternehmen primär den diskriminierungsfreien Zugang zu ausländischen Märkten ermöglichen sollen. Auf diese Weise ermöglichen Exporte, Importe und Direktinvestitionen den Schweizer Unternehmen, positiv zum Wirtschaftswachstum und zur Erreichung der SDGs in den Zielmärkten beizutragen.

Um dieses Wachstum möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen und die daraus resultierenden negativen Spillover-Effekte zu minimieren, ist Kostenwahrheit ein wichtiger Faktor. Das heisst, dass nach dem Verursacherprinzip alle Kosten, die infolge eines Tuns oder Unterlassens entstehen, von den Verursachern getragen werden. Gleichzeitig sind aber auch weitere Begleitmassnahmen erforderlich. Diese sind nicht über bilaterale Freihandelsabkommen zu erreichen, sondern mithilfe von zielgerichteten Instrumenten über die entsprechenden multilateralen Plattformen wie beispielsweise die UNO, OECD oder die WTO. Die Schweiz beteiligt sich aktiv an diesen Instrumenten und der Weiterentwicklung der globalen Regelwerke. Sie ist in allen wichtigen Organisationen vertreten und prägt Standards wann immer möglich mit (siehe untenstehende Grafik). Die gefassten Beschlüsse aus diesen Gremien nimmt die Schweiz in ihre Freihandelsverträge auf und trägt somit ihren multilateralen Verpflichtungen Rechnung.

Die Schweiz ist international stark engagiert und trägt mit einem bunten Strauss an Instrumenten zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele bei

Eine stimmige Aussenpolitik muss diese Aufgabenteilung berücksichtigen. Freihandelsabkommen müssen sich primär auf ihre Kernfunktion fokussieren, um gezielt dort einzugreifen, wo sie die grösste Wirkung entfalten: im Abbau von internationalen Handelshemmnissen. Jedoch sollen, im Sinne einer Politikkohärenz, die Anliegen der nachhaltigen Entwicklung auch in Freihandelsabkommen berücksichtigt werden. Diesbezüglich schafft die Schweiz nicht neue Regeln, sondern bezieht sich auf bestehende internationale Umweltabkommen sowie auf die Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), beispielsweise bei Standards für soziale Arbeitsrechte im Ausland. Die grundlegenden Standards zur nachhaltigen Entwicklung müssen jedoch weiterhin in den entsprechenden internationalen Organisationen ausgehandelt und weiterentwickelt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass es zu einem einheitlichen Verständnis kommt und in allen beteiligten Staaten dasselbe gilt. Bilaterale Freihandelsabkommen sind kein effektives Instrument, um Regeln über Arbeitsstandards oder Umweltschutzanliegen weiterzuentwickeln – es verlangt schliesslich auch niemand von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation, Zölle abzubauen. Werden in Freihandelsabkommen divergierende Nachhaltigkeitsbestimmungen festgelegt, schwächt dies die Bemühungen von zwischenstaatlichen Organisationen, die für die Entwicklung international geltender Standards zuständig sind. Trotzdem bekräftigen Freihandelsabkommen die Nachhaltigkeitsbestimmungen und tragen zu deren Umsetzung bei.

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