Bern

Unabhängigkeit der SNB verteidigen – Zum Wohl der Schweiz!

01.10.2024

Auf einen Blick

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht unter politischem Druck, da Politiker immer neue Aufgaben für sie fordern, etwa die Nutzung von Gewinnen für den Sozialstaat oder eine stärkere Rolle in Klimafragen. Linke Parteien fordern eine klimapolitische Ausrichtung der SNB, doch die Unabhängigkeit der SNB hat entscheidend zur Stabilität der Schweiz beigetragen. Es ist wichtig, die Politik daran zu erinnern, dass die Nationalbankgewinne und Geldpolitik keine Lösungen für soziale oder ökologische Probleme sind.

Das Wichtigste in Kürze

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht unter Beschuss. Politiker werden immer innovativer, wenn es darum geht, welche Aufgaben sie der SNB noch aufbürden könnten. Man will sich an den Gewinnen und Reserven der Nationalbank bedienen oder die Politik der SNB verändern. So wollen linke Politiker, dass die SNB eine zentrale Rolle bei Klimathemen einnimmt. Doch die SNB hat die Schweiz mit stabilen Preisen erfolgreich durch eine Vielzahl ausserordentlicher Ereignisse geführt. Dies war nur möglich, weil sie von politischen Einflussversuchen weitgehend unabhängig ist. Es ist höchste Zeit, die Politik an diesen Umstand zu erinnern. Die Nationalbankgewinne sind kein Wundermittel für den Sozialstaat und die Geldpolitik nicht der Heilige Gral für den Schutz der Umwelt.

Position economiesuisse

  • Die Unabhängigkeit der SNB muss gewährleistet bleiben. Sie ist in allererster Linie für die Preisstabilität zuständig und darf nicht zum Spielball der Politik werden.
  • Das Direktorium der SNB ist keine Interessenvertretung, sondern allein der Geldpolitik zum Wohle der Schweiz verpflichtet. Jeder Versuch, hier politisch Einfluss zu nehmen, muss bekämpft werden.
  • Preisstabilität ist eine der meistunterschätzten Faktoren für den Wohlstand der Schweiz. Der Erfolgsausweis der SNB in den letzten Jahren ist – trotz sehr schwierigem Umfeld – sehr gut. Die Inflation blieb unter Kontrolle, ganz im Gegensatz zum Ausland.
  • Es wäre fahrlässig, der SNB zusätzliche Aufgaben aufzubürden. Weder ist die SNB für Sozial- oder Umweltpolitik zuständig, noch darf sie zur Finanzierung von Staatsaufgaben herangezogen werden.
Konjunktur

Die Unabhängigkeit der SNB unter Beschuss

Geldpolitik war noch nie einfach. Doch in den letzten Jahren folgte eine Ausnahmesituation nach der anderen: Finanzmarktkrise, EU-Schuldenkrise, Mindestkurs, Frankenschock, Tiefstzinsen oder Credit-Suisse-Krise. Trotz der vielen Stürme hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) erfolgreich für stabile Preise gesorgt und damit eine auch im internationalen Vergleich bemerkenswerte Leistung erbracht. Die Kehrseite der vielen Interventionen der SNB aber war, dass sie verstärkt in die öffentliche Diskussion rutschte.

Bereits während der Finanzkrise war der Schweizer Franken als sicherer Hafen gesucht. Die Nachfrage verstärkte sich umso mehr, als die Finanzhaushalte der peripheren EU-Länder während der Schuldenkrise die Existenz des Euros bedrohten. Damit sich der Franken nicht allzu stark aufwertete, waren massive Devisenmarktinterventionen notwendig. So explodierte die Bilanz ab 2010 regelrecht und ist heute beinahe achtmal so gross wie vor der Finanzkrise (vgl. Abbildung 1).

Den grössten Teil der Bilanz machen die Fremdwährungsreserven aus. Diese bestimmen seither die Gewinne der Nationalbank: Je nach Wechselkursentwicklung können die Gewinne oder Verluste sehr hohe Dimensionen annehmen. Zudem musste die Nationalbank erstmalig negative Zinsen einführen, die sich auch in den langfristigen Bundesanleihen spiegelten (siehe Abbildung 2).

Das beherzte und mutige Vorgehen der SNB zeigte auch, wie mächtig die Geldpolitik sein kann. Entsprechend stieg erstens das mediale Interesse an. Zweitens kamen Politiker auf den Plan, wie man denn die Geldpolitik für die eigenen Interessen ausnutzen könnte. Bei einer solch grossen Bilanz könne man doch ruhig ein paar Milliarden für dies oder jenes abzweigen oder die Ausschüttungen vergrössern. Mittlerweile hat sich die Politik offenbar daran gewöhnt, über die Aufgaben der SNB zu diskutieren. So wird versucht, die Grösse und Besetzung des Direktoriums zu verändern. Einige Vorstösse wollen der SNB Aufgaben in Bezug auf Klima- und Umweltschutz aufbrummen. Der Basar ist vielfältig. Zu verlockend erscheint es, die Geldpolitik für Partikularinteressen zu instrumentalisieren.

Alle diese Vorstösse spielen fahrlässig mit der Unabhängigkeit der SNB. Gerade in jüngster Vergangenheit hat sich etwa in den USA oder der Eurozone gezeigt, dass auch einstellige Inflationsraten erhebliche Kosten verursachen. Auf der Ebene der Haushalte führt sie zu Kaufkraftverlust und gesamtwirtschaftlich zu weniger Konsum. Für Unternehmen nimmt in Zeiten steigender Preise die Unsicherheit zu und wichtige Investitionen werden aufgeschoben. Diese Effekte waren in der Schweiz dank der tieferen Inflation als im Ausland entsprechend deutlich weniger ausgeprägt. Eine unabhängige Zentralbank kann Preisstabilität gewährleisten, so wie das die SNB in der Schweiz macht.

Konjunktur

Wozu braucht es überhaupt eine unabhängige Nationalbank?

Schrittweise zur Stabilität: Der Aufstieg der Zentralbankunabhängigkeit

Die Sichtweise, dass eine Notenbank möglichst unabhängig von der Politik sein muss, ist relativ neu. Noch während der 1960er- und 1970er-Jahre war die Unabhängigkeit einer Zentralbank ein weitgehend unbekanntes Konzept. Die Geldpolitik richtete sich auch und stark an den Wünschen der Politik aus. So verfolgten Zentralbanken neben der Preisstabilität weitere wirtschaftliche Zielgrössen, und sie setzten die Geldpolitik zur Stimulierung der Wirtschaft ein, drohte diese zu schwächeln. Gerade bei Wiederwahlen bot sich die Geldpolitik an: Um während der Wahlen eine gute Wirtschaftsentwicklung vorweisen zu können, sollte die Zentralbank vorgängig die Zinsen senken. Die tieferen Zinsen kurbeln die Wirtschaft an und verbessern die Finanzierungsbedingungen für zusätzliche Staatsausgaben. Dies erhöht die Wiederwahlchancen der Regierung. Allerdings steigen verzögert auch die Preise, so dass der Stimulus nur vorübergehend wirkt.

In den 1970er-Jahren aber trat ein neues Phänomen auf: hartnäckig hohe Inflationsraten bei gleichzeitig schwachem Wachstum. Die Stagflation – eine Wortschöpfung aus Inflation und Stagnation – schmälerte die Kaufkraft, bremste Investitionen und belastete die Produktivitätsentwicklung. Der geldpolitische Stimulus verpuffte wirkungslos, nur die Preise stiegen. Es setzte eine breite wissenschaftliche Debatte ein, woraus sich ein klarer Konsens herauskristallisierte. Die Geldpolitik soll sich auf stabile Preise konzentrieren.

Die gierige Politik ist keine Erfindung von Akademikern – Erdogan und die Zentralbänker

Die Wichtigkeit der Zentralbankunabhängigkeit wurde erst kürzlich in der Türkei demonstriert, wo sich deren Präsident, Recep Tayip Erdogan, stark in die Geldpolitik einmischte. In der Türkei lagen die Inflationsraten schon länger auf hohem Niveau und schwankten seit 2010 zwischen zehn und 15 Prozent. Entgegen der empirisch gut belegten ökonomischen Theorie plädierte Erdogan für Zinssenkungen als Mittel gegen die Inflation. Der damalige Zentralbankdirektor Murat Cetinkaya war von «Erdoganomics» allerdings nicht überzeugt. Bevor Cetinkaya aber die Zinsen anheben konnte, wurde er 2019 von Erdogan entlassen. Auch den nächsten Direktor entliess Erdogan im November 2020, als dieser die Zinsen ebenfalls nicht senken wollte. Der Ersatz blieb nur gerade bis im März 2021 im Amt, bis ihn dasselbe Schicksal ereilte. Der Nachfolger führte mehrere Zinssenkungen durch und reduzierte die Zinsen während 2021 von 19 auf 14 Prozent. Die Quittung auf den Angriff der Unabhängigkeit folgte postwendend. Abbildung 3 zeigt die Explosion der Inflation während 2022. Die OECD schätzte sie auf 72 Prozent, wovon sie sich seither nicht erholt hat.

Die Neigung der Politik, sich der Geldpolitik zu bedienen, lässt sich nur aushebeln, indem der Zentralbank Unabhängigkeit gewährt wird. Diese Praxis etablierte sich zunehmend während der 1990er-Jahre. Immer mehr Staaten führten Reformen durch, welche ihre Zentralbanken unabhängiger machten. Auch die SNB wurde um die Jahrtausendwende noch unabhängiger von der Politik. Das Verdikt dieser Reformen ist klar: Mit zunehmender Unabhängigkeit konnten hohe Inflationsraten besiegt werden. Die oberen Grafik in Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen Zentralbankunabhängigkeit (ZBU) und der durchschnittlichen Inflation in den heutigen OECD-Ländern. Über die Zeit nahm die Unabhängigkeit der OECD-Zentralbanken im Schnitt zu, während die durchschnittliche Inflationsrate kontinuierlich sank.

Abbildung 4: Höhere Unabhängigkeit führt zu stabileren Preisen

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In der unteren Grafik in Abbildung 4 wird die durchschnittliche Inflation in den OECD-Ländern während verschiedener Zentralbankregimes abgebildet. Ein Zentralbankregime beschreibt einen Zeitraum, währenddessen eine Zentralbank eine unveränderte Unabhängigkeit ausweist. Die Grafik zeigt, dass unabhängigere OECD-Zentralbanken klar tiefere Inflationsraten erzielen konnten als Länder, in welchen die Politik grösseren Einfluss auf geldpolitische Entscheide ausübt. Natürlich spielen hier auch Sonderereignisse eine Rolle: So erlebten ehemals sozialistische Länder (rote Punkte) zu Beginn ihres Übergangs zur Marktwirtschaft hohe Inflationsraten, gewährten mit anderen Reformen ihren Zentralbanken allerdings gleichzeitig höhere Unabhängigkeit. Ihre Planwirtschaften hatten sozusagen Inflation angestaut – diese manifestierte sich aber in Güterknappheit, erzwungenen Ersparnissen und hoher Staatsverschuldung. Bevor die Zentralbanken ihre gewonnene Unabhängigkeit ausspielen konnten, musste die Inflations-Hypothek beglichen werden. Die Türkei (orange Punkte) stellt eine weitere Ausnahme unter den OECD-Ländern dar. Obschon die Unabhängigkeit ihrer Zentralbank von Gesetzes wegen mittelmässig bis hoch ist, weist sie durchgehend hohe Inflationsraten auf. De facto ist die Abhängigkeit der türkischen Geldpolitik aber höher, da die Gesetze von der Politik umgangen werden können, wie das vorherige Beispiel der Einflussnahme durch Erdogan zeigt. Eine Bereinigung der Daten würde den Zusammenhang zwischen Unabhängigkeit und tieferer Inflation daher sogar noch deutlicher erscheinen lassen.

Weswegen ist Inflation schlecht?

Inflation ist eine ungerechte Sache. Sie verändert die Einkommens- und Vermögensverteilung in einem Land und schafft klare Gewinner und Verlierer. Auf tiefem Niveau sind diese Veränderungen subtil, werden aber besonders sichtbar, wenn die Inflationsraten ansteigen und lange anhalten. So gehören etwa Personen ohne stabile Einkommen zu den Verlierern: Pensionierte in der zuvor erwähnten Türkei müssen beispielsweise einen Weg finden, mit ihrer Rente einen Warenkorb zu finanzieren, dessen Preis sich in einem Jahr fast verdoppelt hat. Die Inflation fordert aber nicht nur einen individuellen Tribut, sondern betrifft auch die Gesamtwirtschaft. In der Schweiz haben wir uns an tiefe Inflationsraten gewöhnt und aus den Augen verloren, welche Gefahr von höheren Inflationsraten ausgeht.

In der ökonomischen Theorie werden einige Kostenpunkte der Inflation identifiziert. So gelten etwa der benötigte Zeitaufwand zur Bestimmung des eigenen Bargeldbedarfs oder die öfter notwendigen Preisanpassungen in Restaurants oder Geschäften als Kosten von Preissteigerungen. Solange die Inflation nicht zu hoch ist, sind auch diese Kosten eher tief. Im digitalen Zeitalter, in dem Bankkonti und Preise per Mausklick angepasst werden können, verlieren sie zusätzlich an Bedeutung. Trotzdem sind Konsumenten und Unternehmen steigender Inflation gegenüber negativ eingestellt, wofür es andere Gründe geben muss.

Steigende Preise begünstigen Kreditnehmer und benachteiligen die Sparer. Wenn die Preise steigen, kann mit dem Ersparten künftig weniger gekauft werden. Auf der anderen Seite können sich Schuldner, zu welchen auch der Staat gehört, mit Inflation entschulden. Aber steigende Preise verunsichern auch. Sie verändern Preisverhältnisse, welche tief im Bewusstsein eingraviert sind. Wenn zum Beispiel Brot nicht mehr doppelt, sondern dreimal so teuer ist wie Milch, muss der eigene Einkaufskorb neu überdacht werden. Bei langfristigen Projekten leidet zudem die Planungssicherheit, wenn künftige Preise schlechter abschätzbar sind. Wenn das benötigte Material in einem Jahr doppelt so viel kosten könnte, ist die Rendite stark risikobehaftet. Entsprechend sichern sich die Vertragsparteien häufiger juristisch ab. Schliesslich schlägt die Inflation auch überproportional auf die Einkaufsstimmung. Ein Anstieg der Inflationsrate von null auf ein Prozent hat etwa denselben Effekt auf die Konsumentenstimmung wie die Zunahme der Arbeitslosigkeit um einen Prozentpunkt. Dieser Effekt ist beträchtlich, wenn man bedenkt, welche Unsicherheit höhere Arbeitslosigkeit bei den Arbeitnehmern verursacht und wie sie die finanzielle Situation der neu Arbeitslosen über den Haufen wirft.

Konjunktur

Die Angriffe auf die Unabhängigkeit der SNB

Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist eine wichtige Bedingung für stabile Preise. Obschon die Kosten der Inflation massiv sind, lanciert die hiesige Politik immer wieder Vorstösse, welche die Unabhängigkeit der SNB bedrohen. Sie bedroht damit auch den Wohlstand der Schweiz. Eine Auswertung der politischen Geschäfte seit 2014 zeigt, dass die Politik vor allem die Bilanz- oder Gewinnverwendung beeinflussen oder den Aufgabenkatalog der SNB mit Umweltaufgaben erweitern möchte (vgl. Abbildung 5).

Aber auch die Zusammensetzung des Direktoriums oder die Negativzinsen waren Schwerpunkte politischer Vorstösse. Keine Partei kann die Finger ganz von der SNB lassen, aber die SP hat besondere Schwierigkeiten damit. Abbildung 6 zeigt, dass fast vier von zehn Geschäften zur Nationalbank seit 2014 aus ihrer Feder stammten.

Das Timing der Vorstösse ist nicht zufällig: Abbildung 7 zeigt, dass sich die Geschäfte 2015 oft um die neuen Negativzinsen drehten, die Bilanz 2020 für Corona-Ausgaben angezapft werden sollte und Geschäfte zu Umweltthemen seit 2017 stetig zunehmen. Auch Volksinitiativen setzen sich mit der SNB auseinander: Eine neue Initiative möchte beispielsweise, dass die SNB auch Bitcoin in den Korb der Währungsreserven aufnimmt. Unsere Auswertung zeigt, dass die Versuchung, die SNB politisch zu vereinnahmen, gross ist und sich hartnäckig hält.

Klimaaufgaben für die SNB?

Im November 2023 entschied die UREK-N, dass die SNB nun auch Klimaberichte publizieren muss. Wie erwartet wurde der erste dieser Berichte bereits zum Politikum, und anstatt im Kontext der SNB über Preisstabilität zu berichten, wurde über das Klima diskutiert. Mehr Schaden darf nicht angerichtet werden: Das Mandat soll nicht um die Beachtung von Klimarisiken erweitert und die Anlagepolitik der SNB nicht zum Diktat links-grüner Interessen werden. Bereits innerhalb des heutigen Mandats versteht sich, dass die SNB sämtliche Finanzrisiken, darunter auch Umweltrisiken, bei ihrer Geldpolitik beachtet. Steigende Temperaturen beinhalten physische (Schäden durch vermehrte extreme Wetterlagen oder Meeresspiegelanstieg) und Transitionsrisiken (strukturelle Veränderungen der Wirtschaft). Diese stellen vor allem in besonders betroffenen Wirtschaften (küstennah, stark in fossilen Energieträgern exponiert) Risiken für die Preisstabilität dar. Die SNB ist heute ideal positioniert, um Preisstabilität zu gewährleisten. Eine solche Mandatserweiterung würde diese Position gefährden. Da die Fremdwährungsanlagen der SNB seit der Finanzkrise stark gewachsen sind, möchten einige politische Kräfte vorschreiben, dass diese grüner angelegt werden sollten. Man spricht auch von einem «tilting» (kippen) des Portfolios. Die SNB verfügt aber bereits über eine sinnvolle Anlagestrategie. Ihre Bilanz muss vollumfänglich geldpolitisch verwendbar sein und das bedeutet, dass Anlagen sicher und liquide investiert sein müssen. Eine gleichmässige Verteilung des Portfolios über das gesamte Anlageuniversum sichert ab und bevorzugt oder benachteiligt nicht. Bei einem «tilting» wären zudem politische Entscheide notwendig: Was ist überhaupt grün? Wie werden braune Anlagen bestraft und grüne belohnt? Dürfen die grünen Anlagen auch wieder verkauft werden? Was passiert, wenn ausgeschlossene Unternehmen grüner werden? Die SNB wäre in eine ständige Diskussion um ihre Anlagestrategie verwickelt. Ausserdem zeigte die Bank of England die praktischen Grenzen von «tilting» auf. Nur Anlagen in der Kohleindustrie konnten ausgeschlossen werden, da weitere Ausschliessungen das Portfolio zu unsicher und illiquide gemacht hätten. Wer diesen Argumenten nicht folgen will, kann sich auch an den Daten orientieren. Einige Zentralbanken haben sich bereits gesetzlich in irgendeiner Form einem Umweltziel verschrieben. Die Europäische Zentralbank findet zum Beispiel sogar, dass Notenbanken eine Rolle bei der Dekarbonisierung zu spielen haben. Im Vergleich mit der SNB schneiden die Klimabanken aber schlecht ab. Abbildung 8 zeigt, dass sich die Klimabanken nicht einzig auf die Preisstabilität fokussieren können und deren Wirtschaften seit 2020 höhere Inflationsraten als die Schweiz aufweisen.

Bilanzverwendung

Der Politik läuft jeweils das Wasser im Mund zusammen, wenn sie die Bilanz der SNB und einige Gewinnzahlen der letzten Jahre anschaut. Für sie suggeriert die Bilanz von 822 Milliarden Franken, dass reichlich Geld für Parteiinteressen vorhanden wäre. Ausserdem sieht sie die Nationalbankgewinne als vorprogrammiert – die meisten Kantone planen diese sogar in ihren Jahresbudgets ein. Wie die jüngsten Jahresabschlüsse aber zeigen, sind Nationalbankgewinne alles andere als garantiert. Die Politik soll sich besser auf keine oder tiefe Ausschüttungen einstellen.

Vorstösse in Zusammenhang mit der Bilanz beziehen sich meist darauf, Teile der Bilanz zu einem Staatsfonds auszusondern oder die Gewinne der SNB für die AHV oder die Tilgung der Staatsschulden zu verwenden. Auch sie würden die Bilanz von der Geldpolitik zweckentfremden. Kaum eingerichtet, würde die Politik auf Gewinnmaximierung anstelle von stabiler Preise pochen.

Seit Kurzem grassiert die Idee, dass die SNB sogar auch bei Verlusten Geld verteilen sollte. Das SNB-Observatory, eine Gruppe dreier Ökonomen, machte Musik für die Ohren der Politik, als es argumentierte, dass die SNB auch 2022 und 2023 trotz Verlusten genügend Mittel in den Rückstellungen für Währungsreserven für eine Ausschüttung gehabt hätte. Dazu muss man wissen: Die Nationalbank muss zu Zwecken der Währungsstabilität jährlich Rückstellungen für Währungsreserven bilden. Diese Zuweisungen werden jeweils vom Jahresergebnis abgezogen und beeinflussen so den ausschüttbaren Gewinn. Laut Nationalbankgesetz müssen diese Rückstellungen genügend hoch sein und sich am Wirtschaftswachstum der Schweiz orientieren. Es stellen sich also die Fragen: Sind diese Rückstellungen oder die jährlichen Zuweisungen zu hoch bemessen und verhindern eine Ausschüttung? Abbildung 9 beweist das Gegenteil. Während der Normalität vor der Finanzkrise empfand die SNB Rückstellungen in Höhe von ungefähr 30 Prozent der Bilanz als genügend hoch und wies den Rückstellungen jährlich einen Betrag gemäss dem Wirtschaftswachstum zu. Während der Krisenjahre schrumpften die Rückstellungen für Währungsreserven im Verhältnis zur Bilanzsumme markant. Bereits ab 2009 demonstrierte die SNB, dass sie die Rückstellungen als zu tief empfindet und begann höhere Zuweisungen an die Rückstellungen zu tätigen. Die Rückstellungen für Währungsreserven sind heute weiterhin tiefer als vor der Finanzkrise. Es ist richtig, diese weiterhin zu stärken.

Transparenz

Ein junger parlamentarischer Vorstoss, welcher der SNB neue Aufgaben vorschreiben möchte, stammt von Céline Widmer (SP) und befasst sich mit der Transparenz unserer Notenbank. Sie bezieht sich dabei auf einen weiteren Bericht des SNB-Observatory. Die SNB habe ein zu kleines Entscheidungsgremium und kommuniziere ihre Entscheidungen in ungenügender Weise, so der Tenor der Kritik. In einer wissenschaftlichen Erhebung (Dincer, Eichengreen, & Geraats, 2022) belegte die SNB im Vergleich mit anderen OECD-Ländern den zweitletzten Platz in puncto Transparenz. Die SP nutzt diese Zahlen nun mit Kalkül aus und fordert mehr Kommunikation, ein grösseres Entscheidungsgremium und als Zückerchen dazu, dass diese Erweiterung ein hohes Bewusstsein für Klimarisiken anstatt primär hoher geldpolitischer Kenntnisse mitbringen soll. Ihr Vorstoss ist klar populistisch: Wer ist schon gegen mehr Transparenz?

Bei Zentralbanken ist mehr Transparenz aber nicht immer zielführend. Einerseits müssen ihre Entscheidungen für die Marktteilnehmer klar verständlich sein, aber andererseits muss die Geldpolitik auch die Möglichkeit haben, die Märkte zu überraschen. Hätte die SNB diese Möglichkeit nicht, hätte der Euro-Franken-Mindestkurs und dessen Aufhebung nie durchgesetzt werden können. Und wie in der Küche zu viele Köche den Brei versalzen, verwirren zu viel Kommunikation oder ein grösseres Entscheidungsgremium die Märkte nur. Bei ständigen Pressekonferenzen und verschiedenen Stimmen kann schnell unklar werden, was wichtig ist und welche Stimmen wirklich Gewicht tragen. Klar ersichtlich wird dies an der sogenannten «Forward Guidance»-Strategie, welche viele Nationalbanken während der Tiefzinsperiode verfolgt haben. Um auch langfristige Zinsen zu beeinflussen, kommunizierten gerade das Fed und die EZB öffentlich, die kurzfristigen Zinsen für eine lange Zeit tief zu halten. Jerome Powell, der Fed-Chef, schloss noch im März 2022 an einer Pressekonferenz eine Zinserhöhung im Sommer aus. Im Juni 2022 war eine Erhöhung aber angezeigt und Powell stand vor dem Dilemma, die geldpolitisch richtige Entscheidung zu treffen oder sein Versprechen vom März zu brechen. Beide Alternativen wirken sich negativ darauf aus, Preise stabil halten zu können.

Dass die Transparenz von Zentralbanken ein zweischneidiges Schwert ist, zeigt auch die wissenschaftliche Evidenz. Danach sollte eine Zentralbank, welche sich primär der Preisstabilität verschreibt, nicht maximal transparent sein. Stabile Preise können dann am besten erreicht werden, wenn die Transparenz in einem mittleren Bereich liegt. Weiter stellte man fest, dass eine vermehrte Kommunikation der Prognosegenauigkeit von Zentralbanken eher schadet. Diese Erkenntnisse liefern klare Hinweise darauf, dass das Direktorium der SNB ihr Mandat und die Preisstabilität priorisiert und in Abhängigkeit davon transparent oder intransparent auftritt. Abbildung 10 zeigt, dass eine hohe Transparenz allein keine stabilen Preise verspricht. Verglichen mit den Notenbanken mit der höchsten Transparenz in der Erhebung, war die SNB am erfolgreichsten darin, stabile Preise zu wahren.

Konjunktur

Die Unabhängigkeit der SNB muss geschützt werden

Mittelfristig befindet sich die SNB in einer ungemütlichen Bilanz-Situation. Die stark gewachsenen Fremdwährungen wurden mehrheitlich in sichere, langfristige Anlagen investiert. Da diese Anlagen während der Tiefzinsphase gekauft wurden, werden viele davon für eine längere Zeit tiefe Erträge abwerfen. Finanziert wurden die Käufe, indem die Girokonti der Geschäftsbanken aufgestockt wurden, welche variabler verzinst werden. Mit den positiven Zinsschritten der SNB steigen auch die Zinsen, welche die SNB den Geschäftsbanken überweisen muss. Auf den Geschäften der Tiefzinsphase drohen also Zinsverluste, welche sich auf die Gewinne der Nationalbank auswirken können. Anhaltende Verluste und ein allenfalls negatives Eigenkapital würden mit Sicherheit eine politische Diskussion auslösen.

Zuvor erwähnte politische Forderungen an die Nationalbank werden in naher Zukunft nicht verstummen und wahrscheinlich werden neue dazukommen. In den nächsten Jahren und unter der neuen Direktion ist es deswegen besonders wichtig, dass wir uns an die Wichtigkeit der Unabhängigkeit der SNB besinnen. Damit die Nationalbank auch in Zukunft für stabile Preise sorgen kann, muss sie ohne politischen Einfluss agieren können, auch wenn gewisse Entscheide unbeliebt sind. Von einer unabhängigen SNB profitieren alle.

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