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Schweizer Handel: Eine wichtige Branche steht vor grossen Herausforderungen

11.06.2018

Auf einen Blick

Die Schweiz ist eine Handelsnation. Die internationale Vernetzung und der rege Handel mit dem Ausland sind wichtige Pfeiler der Schweizer Wirtschaft und somit auch des Schweizer Wohlstands. Als rohstoffarmes Land kommt dem Import in die Schweiz besondere Bedeutung zu. Nicht nur wichtige Exportbranchen, sondern auch die Deckung des täglichen Bedarfs der Konsumenten hängt zentral vom Import ausländischer Produkte ab. Doch die Branche befindet sich im Umbruch. Eine Erhebung von economiesuisse und Handel Schweiz zeigt auf, mit welchen Herausforderungen der Handel zu kämpfen hat: die Digitalisierung, die zunehmende Regulierungsdichte, bestehende und neue Handelshemmnisse und der Einkaufstourismus. Trotzdem blickt die Branche zuversichtlich in die Zukunft.

Das Wichtigste in Kürze

Die Handelsbranche ist für die Schweizer Volkswirtschaft von enormer Bedeutung. Sie ist der grösste rein privatwirtschaftlich organisierte Arbeitgeber und trägt massgeblich zur Wirtschaftsleistung der Schweiz bei. Dabei ist sie nicht einfach eine Branche unter vielen, sondern hat eine besondere Stellung: Als Bindeglied zwischen Produzenten und Konsumenten nimmt sie zahlreiche Aufgaben im Wirtschaftssystem wahr. Besonders wichtig ist der Importhandel. Er versorgt die Schweizer Exportindustrie mit Vorleistungen aus dem Ausland. Ohne einen tadellos funktionierenden und in die internationalen Wertschöpfungsketten gut integrierten Importgrosshandel wäre die Schweiz deutlich weniger wettbewerbsfähig. Doch trotz ihrer enormen Bedeutung steht die Branche heute vor grossen Herausforderungen. Wie eine aktuelle Umfrage von economiesuisse und Handel Schweiz zeigt, haben die Händler vor allem mit drei grossen Herausforderungen zu kämpfen: Digitalisierung, Einkaufstourismus und Regulierungen. Die Branche nimmt sich trotz Schwierigkeiten der technologischen Herausforderungen und der gestiegenen Konkurrenz aus dem Ausland an. Besonders zu schaffen machen ihr aber die Regulierungsdichte und der Protektionismus. Die Einschätzung der Umfrageteilnehmer ist deutlich: Die Regulierungsdichte steigt, und Politiker unternehmen nicht genug dagegen.

Position economiesuisse

  • Der Handel nimmt eine zentrale Rolle in unserer offenen, arbeitsteiligen Wirtschaft ein.
  • Eine hohe Effizienz des Imports ist unabdingbar für den Erfolg der Schweizer Exportindustrie.
  • Der Staat darf weder den Export noch den Import von Produkten und Dienstleistungen durch unnötige, übertriebene oder falsche Regulierung einschränken. Der Handel wird durch einen barrierefreien Marktzugang gefördert.
  • Der Einkaufstourismus wird durch Handelshemmnisse und Agrarprotektionismus befeuert und fügt dem Schweizer Handel grossen Schaden zu. Die Politik ist gefordert, hier Abhilfe zu schaffen.
  • Die Handelsunternehmen müssen auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagieren und ihre Strukturen anpassen.
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1. Einleitung

Unverzichtbar für eine funktionierende Wirtschaft

Heutzutage wird mit dem Begriff Handel vielfach die starke Zunahme der internationalen Wirtschaftsverflechtung im Zuge der Globalisierung assoziiert. Doch der grenzüberschreitende Austausch von Waren und Dienstleistungen ist keine Erfindung der Neuzeit. Gesellschaftlich war der Handel schon immer sehr wichtig. Kaufleute waren oftmals auch Reisende, Gelehrte und Entdecker. Sie förderten nicht nur den wirtschaftlichen, sondern auch den kulturellen Austausch unterschiedlicher Regionen der Welt. Heute ist der Handel mehr denn je ein unverzichtbarer Teil unseres Lebens. Nicht nur ist er einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige, er übernimmt auch eine Reihe von essenziellen Aufgaben, die für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar sind.

Handel bezeichnet einerseits den Austausch von materiellen und immateriellen Gütern, andererseits aber auch die Gesamtheit aller Handelsunternehmen. Die allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige (NOGA) differenziert den Handel in Grosshandel, Detailhandel und Handel mit Motorfahrzeugen. Letzterer wird aufgrund seiner Grösse separat ausgewiesen.

Im Wirtschaftskreislauf sind Gross- und Detailhändler eingebettet zwischen Produzenten und Konsumenten. Der Grosshändler kauft in grossen Mengen direkt beim Produzenten im Inland oder im Ausland (Import) ein. Er verkauft die Ware in kleineren Mengen entweder dem Detailhändler oder dem inländischen Sekundärproduzenten (Abbildung 1). Die durch die Sekundärproduzenten verarbeiteten Produkte werden über den Grosshandel oder direkt ans Ausland (Export) oder weiter an den Detailhandel verkauft. Der Detailhandel wiederum verkauft in kleinen Mengen an den Endverbraucher.

Abbildung 1

Stark vereinfachte Darstellung. Es kann durchaus sein, dass zum Beispiel der Detailhändler direkt im Ausland einkauft, der Endkunde direkt beim Produzenten konsumiert oder die verarbeitende Industrie direkt ins Ausland exportiert.

Schema der Handelsbranche

Unerfreulicher Trend zu mehr Handelsbarrieren

Der Handel befindet sich im Wandel. Die erweiterten technischen Möglichkeiten sorgen für einen hohen Anpassungsdruck. So haben in den letzten Jahren beispielsweise im Detailhandel Selbstbedienungskassen Einzug gehalten. Die Digitalisierung erleichtert auch die vertikale Integration von Gross- und Detailhandel oder erhöht die Importkonkurrenz. Doch viel problematischer als der strukturelle Wandel ist der raue protektionistische Wind, der seit der Finanzkrise weht. Wie eine Auswertung des Global Trade Alert zeigt, wurden weltweit seit November 2008 mehr als doppelt so viele handelshemmende wie handelsfördernde Massnahmen ergriffen.

Im Folgenden soll die Handelsbranche in der Schweiz näher durchleuchtet werden. Welche Funktionen übernimmt der Handel und wie steht es um seine volkswirtschaftliche Bedeutung? Mit welchen Herausforderungen hat die Branche zu kämpfen und wie sieht es um ihre Zukunft aus?

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2. Volkswirtschaftliche Bedeutung des Handels

Jeder siebte Franken wird im Handel erwirtschaftet

2016 arbeiteten hierzulande insgesamt rund 590'000 Personen im Handel (Quelle: BFS, SAKE). Die Branche beschäftigt somit 13,4 Prozent aller Erwerbstätigen in der Schweiz. Sie stellt den grössten rein privatwirtschaftlich organisierten Arbeitgeber im Land. Seit der Jahrtausendwende ist der Anteil jedoch leicht rückgängig. Dies ist vor allem auf zwei Trends im Detailhandel zurückzuführen: Erstens wurden durch die voranschreitende Urbanisierung viele kleinere Läden durch wenige mittelgrosse ersetzt. Zweitens führte der technologische Fortschritt (z. B. E-Commerce) zu Beschäftigungsabbau, brachte aber auch grosse Produktivitätsgewinne.

Jeder zweite Erwerbstätige im Handel arbeitet im Detailhandel. Im Grosshandel sind rund 35 Prozent beschäftigt. Die restlichen 15 Prozent fallen auf den Autohandel. Während seit 1980 prozentual weniger Leute im Detailhandel beschäftigt sind, nahm die Bedeutung des Grosshandels stark zu. Der Anteil der Beschäftigten im Grosshandel ist in den letzten 35 Jahren um 20 Prozent gestiegen.

Die Branche leistet auch einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftsleistung der Schweiz. Sie generiert eine Bruttowertschöpfung von über 90 Milliarden Franken jährlich. Jeder siebte Franken wurde 2016 direkt im Handel erwirtschaftet. Den mit Abstand grössten Beitrag dazu steuert der Grosshandel bei: Fast zwei Drittel der gesamten Bruttowertschöpfung in der Handelsbranche entfallen auf den Grosshandel. Der Detailhandel trägt 27 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei, während die restlichen rund acht Prozent vom Autohandel kommen. Anteilsmässig hat, ähnlich wie bei der Beschäftigung, der Grosshandel seit 1980 deutlich zugelegt. Sein Beitrag zur Wertschöpfung ist in der betrachteten Periode von 50 auf 64 Prozent gestiegen. Der Detailhandel hingegen musste einen starken Rückgang der nominalen Bruttowertschöpfung verkraften. Während der Grosshandel eine deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft liegende Bruttowertschöpfung erwirtschaftet, ist dieser beim Detailhandel nur unterdurchschnittlich.

Abbildung 2

Punkto Beschäftigung (in Vollzeitäquivalenten) und Bruttowertschöpfung hat seit 1980 insbesondere der Grosshandel deutlich zugelegt.

Anteil des Handels an Beschäftigung und Wertschöpfung

Wachstumssprung nach der Jahrtausendwende

Der Handel ist ein wichtiger Wachstumstreiber der Schweizer Wirtschaft. Seit 2000 lag das Wachstum der realen Bruttowertschöpfung im Handel durchgehend über dem Schnitt der gesamten Schweizer Volkswirtschaft. Zwischen 2000 und 2007 fiel das Wachstum insbesondere im Grosshandel mit 5,6 Prozent sehr hoch aus. Zwischen 2007 und 2016 war das überdurchschnittliche Wachstum in der Handelsbranche in gleichen Teilen dem Detailhandel und dem Grosshandel zu verdanken. Damit trug der Handel einen wichtigen Beitrag zum Wachstum bei und half entscheidend mit, eine Rezession zu verhindern.

Doch was steckt dahinter? Das Wachstum der realen Bruttowertschöpfung setzt sich additiv aus den Komponenten «Wachstum der Beschäftigung» und «Wachstum der Arbeitsproduktivität» zusammen (BFS 2015). Die Zerlegung zeigt, dass der Detailhandel seit der Jahrtausendwende grosse Produktivitätsgewinne verbuchen konnte. Auch der Grosshandel steigerte die Produktivität, besonders zwischen 2000 und 2007. Ab 2007 erhöhte sich hier die Wertschöpfung auch aufgrund eines verstärkten Beschäftigungswachstums. Trotzdem weist der Grosshandel eine fast doppelt so hohe Arbeitsproduktivität wie die Gesamtwirtschaft auf. Die Arbeitsproduktivität im Detailhandel und im Autohandel liegen hingegen deutlich darunter. Dies führt in der Summe dazu, dass die Produktivität des Handels insgesamt leicht über dem Landesdurchschnitt liegt.

Halten wir fest: Der Handel ist einer der grössten Wirtschaftszweige der Schweiz. Jeder siebte Franken wird hierzulande im Handel verdient. Entsprechend hoch ist auch seine Bedeutung für die Beschäftigung. Seit der Jahrtausendwende hat der Grosshandel immer mehr an Bedeutung gewonnen.

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3. Der Handel: eine Branche mit vielen Funktionen

Handel überbrückt Raum und Zeit

Der Handel hat diverse Funktionen. Dank ihm können Raum und Zeit überbrückt werden, er verteilt Mengen um, übt eine Qualitäts- und Sortimentsfunktion aus, sorgt für Beratungs- und Serviceleistungen und hilft mit, die Versorgung in der Schweiz auch im Notfall sicherzustellen. Im Folgenden werden diese Funktionen kurz beleuchtet.

Eine der wichtigsten Funktionen ist die Raumüberbrückung. So verbindet der Grosshändler zum Beispiel den Produzenten in China über den Detailhändler mit dem Konsumenten in der Schweiz. Somit erhält der Produzent Zugang zu Kunden, die ihm selbst nicht bekannt sind. Dadurch wird es für den Hersteller viel einfacher, sich neue Märkte zu erschliessen. Auch der Endverbraucher muss nicht mühsam nach einem Hersteller suchen. Diese Aufgabe wird ihm vom Händler abgenommen. Der Handel bringt somit Angebot und Nachfrage zusammen und nimmt auch eine Preisfindungsfunktion ein. Zur Raumüberbrückung zählt auch der Transport: Die physische und dispositive Übertragung der Ware übernimmt der Händler. 

Doch der Händler sorgt nicht nur für die Überbrückung von Raum, sondern auch von Zeit. Durch gezielte Lagerhaltung und Distribution wird die Zeit zwischen der Produktion und dem Konsum überbrückt. Für den Produzenten hat dies einen nachfrageglättenden Effekt, was zu einer ausgeglicheneren Auslastung führt. Der Konsument hingegen kann dank der Lagerhaltung des Handels jederzeit auf die Produkte zugreifen.

Von grosser Bedeutung ist auch die Mengenumverteilungsfunktion. Grundsätzlich haben die Produzenten ein Interesse daran, ihre Produkte in möglichst grossen Mengen zu verkaufen. Der Konsument hingegen möchte zur richtigen Zeit gerade nur so viel wie nötig kaufen, oft nur ein Einzelstück. Die Grosshändler kaufen in sehr grosse Mengen beim Produzenten ein und bündeln die zersplitterte Nachfrage der Verteiler oder des produzierenden Gewerbes. Dies ermöglicht beim Produzenten Skalenerträge und senkt die Transaktionskosten des Käufers.

Kundenbedürfnisse dezentral erfassen

Der Grosshändler nimmt zusätzlich eine Qualitäts- und Sortimentsfunktion ein. Der Produzent hat oftmals wenig Informationen über die spezifischen Bedürfnisse der Kunden. Der Händler setzt sein Sortiment gemäss den Bedürfnissen der Nachfrager zusammen. Er besitzt die dezentralen Strukturen und kennt die Bedürfnisse der Kunden. Somit wird sichergestellt, dass tatsächlich das richtige Produkt mit der richtigen Qualität hergestellt und verkauft wird.

Eine weitere wichtige Funktion der Händler ist die Beratungs- und Servicefunktion. Der Handel übernimmt die Beratungsfunktion gegenüber dem Nachfrager und liefert ihm somit wertvolle Informationen, ohne dass dieser sich direkt an den Hersteller wenden muss. Zudem übernimmt der Händler oft auch die Servicefunktion. Somit muss der Kunde sein Produkt nicht direkt nach Übersee an den Produzenten schicken, zu welchem vielleicht sprachliche Differenzen bestehen. Der Händler besitzt somit auch eine Pufferfunktion. Er ist Anlaufstelle und Vertrauensperson.

Zuletzt sollte auch die Versorgungsfunktion des Handels nicht unerwähnt bleiben. Im Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung wird festgehalten, dass der Bund mit Betrieben Vereinbarungen über eine Pflichtlagerhaltung treffen kann. Die Handelsbetriebe stellen die wichtigen Funktionen der Versorgung des Landes sicher. Ihre grossen Warenvorräte helfen, Notfallsituationen zu überbrücken.

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4. Der Importgrosshandel: Wichtiger Bestandteil der Schweizer Exportwirtschaft

Vorleistungen aus dem Ausland sind unverzichtbar

Die bisherigen Ausführungen haben die grosse wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Grosshandels in der Schweiz zutage gebracht. Oft geht aber vergessen, dass der Grosshandel nicht nur den Detailhandel, sondern auch das verarbeitende Gewerbe beliefert. Im Folgenden wird begründet, weshalb gerade der Importgrosshandel für die Exportnation Schweiz unverzichtbar ist.

Dass die Schweiz eine Exportnation ist und ohne Aussenhandel niemals so wohlhabend wäre, ist eine allgemein anerkannte Tatsache. Der Wert der Exporte beträgt etwa zwei Drittel des gesamten Bruttoinlandprodukts. Zwei von fünf Franken verdient die Schweiz im Aussenhandel. Um im Wettbewerb mit der internationalen Konkurrenz bestehen zu können, braucht die Schweizer Wirtschaft Zugang zu günstigen Rohstoffen, Halbfertigerzeugnissen und gesicherten Lieferketten. An dieser Stelle kommt der Importgrosshandel ins Spiel. Er versorgt die Schweizer Industrie mit den nötigen Vorleistungen aus dem Ausland.

Die Schweizer Exporte hängen in einem erheblichen Umfang von ausländischen Vorleistungen ab. Die Aufteilung der Exporte nach Wertschöpfungskomponenten zeigt, dass ein Viertel der Wertschöpfung im Ausland anfällt (Seco, 2014). Bei der chemisch-pharmazeutischen Industrie, die wertmässig die Hälfte der Exporte hierzulande ausmacht, beträgt der Anteil sogar 40 Prozent. Insgesamt fällt die Hälfte aller Arbeitsstunden, die in Schweizer Exporten stecken, im Ausland an. Ausländische Beschäftigte tragen einen wesentlichen Teil zur Herstellung Schweizer Exportprodukte bei (bezieht sich aufs Jahr 2008; vgl. hierzu Seco, 2014). Der Importgrosshandel sorgt nun dafür, dass die Vorleistungen am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, in der richtigen Menge zur Weiterverarbeitung in der Schweiz eintreffen.

Integration in globale Wertschöpfungsketten

Damit hängen in der Exportnation Schweiz sehr viele Arbeitsplätze von einer funktionierenden Zulieferindustrie ab. Gerade die kleinräumige Marktversorgung der Industrie durch ein gut funktionierendes Netz an Grosshändlern fördert die Konkurrenz und macht Rohwaren wie Stahl, Kunststoffe, Chemikalien und vieles mehr zu Weltmarktpreisen verfügbar.

Durch die Integration in globale Wertschöpfungsketten hat die Schweiz deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Wie das Staatssekretariat für Wirtschaft in einem Bericht schreibt, führte die Zunahme der Vorleistungsimporte zwischen 1995 und 2008 zu einer Steigerung der industriellen Wertschöpfung um 1,7 Prozent. Gleichzeitig erhöhte sich dadurch die Wertschöpfung der Gesamtwirtschaft um 0,5 Prozent.

Die Vorteile ausländischer Vorleistungen lassen sich jedoch nicht nur auf tiefere Kosten reduzieren. Denn durch globale Wertschöpfungsketten lassen sich die Auswirkungen von Wechselkursschwankungen auf die Wirtschaft abfedern. Zwar erhöhten sich für die Schweizer Industrie nach dem Frankenschock die Arbeitskosten im Vergleich zu den ausländischen Konkurrenten deutlich, doch dieser Effekt konnte teilweise durch die höhere Kaufkraft des Frankens und den dadurch günstigeren Vorleistungen gemildert werden. Durch ausländische Vorleistungen aus unterschiedlichen Währungsräumen lassen sich Wechselkursrisiken teilweise auch diversifizieren.

Ohne einen tadellos funktionierenden und in die internationalen Wertschöpfungsketten gut integrierten Importgrosshandel wäre die Schweiz deutlich weniger wettbewerbsfähig. Für die Exportnation ist der Importgrosshandel also zentral.

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5. Herausforderungen im Handel

Der technologische Wandel als Hauptschwierigkeit

Die Handelsbranche ist im stetigen Wandel. In den letzten Jahrzehnten konnte vor allem im Detailhandel eine Verschiebung vom stationären zum Onlinehandel hin beobachtet werden, insbesondere in den Warengruppen Textilien und Elektronikartikel. Erweiterte technische Möglichkeiten verstärken einerseits den Wettbewerb um Kunden, andererseits führten sie auch zu grossen Produktivitätssteigerungen. Die starke Währung, das Aufkommen der Sharing Economy, aber vor allem auch Protektionismus bringen die Handelsbranche unter Druck. Viele Händler müssen erneut über die Bücher gehen und ihre Geschäftsmodelle anpassen.

Die Erhebung bringt ans Licht, dass die Digitalisierung und der technologische Fortschritt die grösste Herausforderung für die Branche darstellen (Abbildung 3). Über 60 Prozent aller Umfrageteilnehmer sehen die Digitalisierung als die wichtigste zu bewältigende Schwierigkeit an. Knapp an zweiter Stelle folgt der Onlinehandel. 59 Prozent der Handelsunternehmen orten im Onlinehandel und im E-Commerce eine wichtige Herausforderung für die Branche. In die Top drei schafft es auch der Einkaufstourismus bzw. die Verlagerung der Nachfrage ins Ausland. 53 Prozent aller Erhebungsteilnehmer sehen darin eine grosse Schwierigkeit. Die zunehmende Regulierungsdichte rangiert mit einer Nennung von 37 Prozent auf dem vierten Platz, gefolgt von Protektionismus und Handelshemmnissen, die von etwas über 30 Prozent aller Teilnehmer genannt werden.

Etwa jeder vierte bis fünfte Händler sieht eine Herausforderung in der Logistik, der Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, den zunehmenden Liefergeschwindigkeiten und im zunehmenden Multi-Channeling. Als weniger problematisch betrachten die Handelsunternehmen die sich verändernde Altersstruktur der Kunden (Stichwort «Silver Economy»), die Zunahme der On-Demand-Produktion, die sich ändernden Zahlungsmethoden, den Einkauf als Erlebnis und den 3D-Druck.

Die grössten Herausforderungen im Handel lassen sich in drei Hauptgruppen aufteilen: Digitalisierung (Digitalisierung und technologischer Fortschritt, Onlinehandel und E-Commerce), Einkaufstourismus und Regulierungen (Regulierungen, Protektionismus und Handelshemmnisse). Auf diese Punkte wird im Weiteren detaillierter eingegangen.

Abbildung 3

Die Digitalisierung und die damit verbundenen Entwicklungen stehen im Sorgenbarometer der Handelsfirmen zuoberst.

Die grössten Herausforderungen im Handel

Digitalisierung: Schwierigkeiten bei der Umsetzung

Die grössten Herausforderungen der Handelsbranche stellen Themen rund um den technologischen Fortschritt dar: Digitalisierung, Onlinehandel und E-Commerce werden jeweils von 60 Prozent als grösste Herausforderung eingestuft.

Die immer stärkere elektronische Vernetzung und Integration bringt einerseits viele Vorteile und Erleichterungen mit sich. So werden zum Beispiel Händler von der Notwendigkeit entlastet, umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu zahlreichen unterschiedlichen Abnehmern zu unterhalten. Es existieren neue B2B-Plattformen, über die Unternehmen untereinander einfacher kommunizieren können. Sie können zudem durch Onlinemarketing und Onlinevertrieb viel einfacher ihre Zielgruppe ansprechen. Andererseits kreiert der technologische Fortschritt auch neue Herausforderungen. So ermöglicht das Internet, Absatzstufen wie den Grosshandel zwischen Hersteller und Endverbraucher auszuschalten und direkten Kundenkontakt herzustellen. Direktbeschaffungen nehmen zu, die Ware geht vermehrt von der Herstellung direkt zum Endverbraucher. Produzenten schliessen sich selbst zu Angebotsplattformen zusammen und schalten den Zwischenhandel aus.

Die stärkere elektronische Vernetzung und Integration führt auch zu einer näher zusammenrückenden Welt. Durch die Ausdehnung grosser internationaler Handelshäuser über die Landesgrenzen hinweg ergibt sich ein harter Kampf um Marktanteile. Wettbewerbsvorteile im Handel sind zunehmend daran geknüpft, immer grössere Datenmengen verfügbar zu machen, schnell zu verarbeiten und sicher auszutauschen.

Folglich bewerten sich 85 Prozent der Handelsunternehmen als aktiv oder als sehr aktiv im Bereich der Digitalisierung. 91 Prozent der Unternehmen trieben zum Zeitpunkt der Erhebung mindestens ein Projekt zur digitalen Kundenbindung voran.

Auch wenn der Handel bestrebt ist, die Digitalisierung voranzutreiben, so harzt es vor allem bei der Umsetzung. Neun von zehn Unternehmen haben Schwierigkeiten, mit der Digitalisierung Schritt zu halten, obwohl sie in diesen Bereichen zahlreiche Projekte vorantreiben. Die Hauptursachen für das harzige Vorankommen liegen für 80 Prozent der Umfrageteilnehmer an den fehlenden Ressourcen. Die Digitalisierung erfordert von Handelsunternehmen grosse Investitionen in IT (Vernetzung der Systeme), Software (CRM, ERP und Produktionssteuerung) und Personal. Auch die Verbesserung und Automatisierung der eigenen Prozesse bindet Ressourcen und ist eine wichtige Voraussetzung für die Digitalisierung (z. B. der Bau von Hochregallagern). 60 Prozent sehen fehlende technische Voraussetzungen als Dämpfer, während jedes zweite Unternehmen fehlende Fachkräfte und Wissen im Bereich der Digitalisierung beklagt. 50 Prozent der Teilnehmer bekunden Schwierigkeiten bei den aufwendigen internen Abstimmungen.

Die Entwicklungen zeigen, dass der Handel auf die zunehmende Vernetzung und Integration der Märkte reagieren muss. Es stellt sich die Frage, wie die Händler den Veränderungen am besten begegnen sollen. Zunächst ist es wichtig, die Digitalisierung der eigenen Prozesse zu meistern. Im Handel als Schnittstelle in der Wertschöpfungskette mit Just-in-time-Anforderungen ist dies zentral. Insbesondere Warenwirtschaftssysteme (sogenannte ERPs) und Kundenbewirtschaftungssysteme (sogenannte CRMs) müssen eingeführt und optimiert werden. Erst wenn die Digitalisierung der eigenen Prozesse gemeistert ist, kann sich ein Unternehmen die zunehmende Vernetzung und Integration der Märkte zu eigen machen. Und erst dann wird es möglich sein, die Transformation des eigenen Geschäftsmodells erfolgreich anzugehen (z. B. Big-Data-Anwendungen).

Trotz Abschwächung: Einkaufstourismus bleibt ein grosses Problem

Gemäss Untersuchungen der Credit Suisse fliesst jeder zehnte Franken, den Schweizer Konsumenten im Detailhandel ausgeben, in die Kassen von ausländischen Händlern. Der Einkaufstourismus belief sich 2016 auf 10 Milliarden Franken. Nicht nur der stationäre Detailhandel ist von der Nachfrageverschiebung ins Ausland betroffen, sondern auch der Online-Handel. Gemäss dem Verband des Schweizerischen Versandhandels stieg der grenzüberschreitende Online-Handel zwischen 2010 und 2017 von 0.5 auf 1.6 Mia Franken. Seit der Aufhebung der Frankenuntergrenze im Januar 2015 sank der Umsatz des Schweizer Detailhandels kontinuierlich.

Der Grosshandel, der den Detailhandel beliefert, leidet ebenso unter dem Einkaufstourismus. Handwerker, Gewerbetreibende und Fachbetriebe stehen ebenfalls unter einem Kostendruck und suchen günstigere Kanäle. Nicht erfasst ist auch das Ausmass des Onlinehandels aus dem Ausland. 2017 sind die Onlineeinkäufe aus dem Ausland um zehn Prozent auf 8,6 Milliarden Franken gestiegen. So kauft heutzutage zum Beispiel der Handwerker seine Werkzeuge immer öfter auf Amazon, also online im Ausland.

Der Einkaufstourismus dürfte sich aber abschwächen. Im letzten Jahr hat der Schweizer Franken gegenüber dem Euro um rund zehn Prozent an Wert verloren. Zudem steigen die nominellen Preise in der EU etwas stärker als in der Schweiz. Entsprechend ist seit Mitte 2017 ein Rückgang des Einkaufstourismus zu beobachten. Unlängst teilte der südbadische Handelsverband mit, dass die Umsätze mit Schweizer Einkaufstouristen um 40 Prozent eingebrochen seien. Ob es sich hierbei tatsächlich um eine Trendwende handelt oder nur um ein vorübergehendes Phänomen, dürfte im Wesentlichen von der Währungssituation abhängen.

Zunehmende Regulierungsdichte

Wie die Ergebnisse zum Vorschein gebracht haben, liegt eine der grössten Herausforderungen des Handels im regulatorischen Umfeld. Auf die Frage, wie die aktuelle Regulierungsdichte auf einer Skala von 1 bis 10 eingeordnet wird, wurde am häufigsten mit 8 geantwortet. Der Mittelwert (Median) aller Antworten liegt bei 7. Daraus ist zu schliessen, dass die Unternehmen das aktuelle regulatorische Umfeld eher negativ bewerten. Und das Regulierungsnetz wird immer dichter: So schätzen rund 78 Prozent der Umfrageteilnehmer die Tendenz als steigend oder eher steigend ein. Lediglich sechs Prozent sehen eine Reduktion der Regulierungsdichte, während jeder Sechste eine gleichbleibende Tendenz feststellt. Vier von fünf Betrieben finden, dass die Politik mehr gegen die Regulierungsdichte machen müsste, wogegen lediglich knapp 15 Prozent umgekehrter Meinung sind.

Abbildung 4

Die Einschätzung der Branche ist deutlich: Die Regulierungsdichte steigt, und Politiker machen nicht genug dagegen.

Einschätzung der Handelsunternehmen zur Regulierung

Importhandelshemmnisse bremsen besonders stark

Offensichtlich wird das regulatorische Umfeld stetig schwieriger. Angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Handelsbranche ist diese Entwicklung besorgniserregend. Als Schmiermittel eines funktionierenden Wirtschaftssystems darf sie nicht zu stark in ihrem Handeln eingeschränkt werden. Vielmehr ist sie auf gute Rahmenbedingungen angewiesen, damit sie den Schweizer Kunden ein breites Sortiment zu international kompetitiven Preisen bieten kann.

Neben der zunehmenden Regulierungsdichte sind es vor allem Protektionismus und Handelshemmnisse, die der Branche zu schaffen machen. Jeder dritte Betrieb ortet hier Schwierigkeiten für den Handel. Wie die Erhebung weiter zutage bringt, hat der Freihandel für 70 Prozent der Umfrageteilnehmer einen wichtigen oder sehr wichtigen Stellenwert. Auf die Frage, welche Auswirkungen Handelshemmnisse auf die Schweiz haben, antworten entsprechend auch die meisten, dass dadurch unproduktive Branchen entstehen und Innovationen verhindert werden.

Importhandelshemmnisse sind für die Schweiz besonders problematisch, weil sie die inländische Produktion verteuern. Allein durch den Protektionismus im Agrarbereich entgehen der Schweiz jährlich mehrere Milliarden Franken. Auch Handelshemmnisse im Export schädigen die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Wirtschaft. Als offene Volkswirtschaft ohne namhafte natürliche Ressourcen sind wir in besonderem Masse auf den Zugang zu den Weltmärkten angewiesen. Der stetige Ausbau von Handelsbeziehungen und eine auf Offenheit und Marktzugang ausgerichtete Aussenwirtschaftspolitik sind für eine funktionierende Import- und Exportbranche und somit auch für die Schweizer Wirtschaft zentral.

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6. Ausblick

Hausaufgaben für die Branche, aber auch für die Politik

Der Handel steht vor anspruchsvollen Aufgaben. Die wichtigste und dringendste ist es, die digitale Transformation zu meistern und das Geschäftsmodell erfolgreich anzupassen. Durch die Digitalisierung wird die gesamte Wertschöpfungskette verändert. Doch auch in Zukunft wird der Handel viele wichtige Funktionen haben, auch wenn deren Erfüllung in einer anderen Form geschehen sollte.

Die Digitalisierung erfordert eine Anpassung an das sich verändernde Umfeld, bietet aber auch neue Chancen. Der Wille, die Digitalisierung voranzutreiben, ist in der gesamten Branche vorhanden. Nun muss er konsequent umgesetzt werden. Für den Handel ist es unumgänglich, hierzu Ressourcen freizuschaufeln und schlagkräftige digitale Kapazitäten aufzubauen. Doch nicht nur der Handel muss seine Aufgaben machen, sondern auch die Politik. Denn die stetig zunehmende Regulierungsdichte ist auf lange Frist nicht haltbar. Um einen effizienten Handel mit konkurrenzfähigen Preisen zu ermöglichen, müssen die Regulierungsdichte abgebaut und Handelshemmnisse abgeschafft werden.

Wichtige Volksentscheide für den Schweizer Handel

Dem Ziel eines freieren Handels widersprechen verschiedene Volksinitiativen, die demnächst zur Abstimmung kommen. Sie sehen sogar noch weiter einengende Regulierungsvorschriften vor, die den Handel gravierend belasten würden. Zwei davon sind die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative und die Fair-Food-Initiative.

Die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative fordert die Einführung von weltweit beispiellosen, äusserst weitgehenden Haftungsbestimmungen für Auslandsaktivitäten von Schweizer Unternehmen (inkl. KMU), die international anerkannte Menschenrechte und internationale Umweltstandards verletzt haben. Dabei würden die Unternehmen in der Schweiz automatisch und ohne Verschulden auch für das Verhalten von Unternehmen haften, die sie in irgendeiner Weise (auch wirtschaftlich) kontrollieren. Gemäss der Initiative könnten sie sich von dieser Haftung nur befreien, wenn sie lückenlos nachweisen können, dass sie weitgehende Überwachungen und Kontrollen in ihrer Wertschöpfungskette vorgenommen haben.

Die Fair-Food-Initiative geht in eine ähnliche Richtung. Sie sieht vor, dass nur noch Lebensmittel in die Schweiz eingeführt werden dürfen, die hohen Standards bezüglich Qualität, Umweltschutz, Tierwohl und Arbeitsbedingungen genügen. Für jedes importierte Produkt wäre ein Nachweis zu erbringen, dass die hohen Schweizer Standards erfüllt werden. Hierzu müsste ein rigoroser Kontrollapparat aufgezogen werden. Die Initiative bricht internationale Handelsverträge und ist dadurch protektionistisch und handelshemmend. Steigende Lebensmittelpreise, weniger Auswahlmöglichkeiten und massiver Einkaufstourismus und Rechtsunsicherheit wären die unmittelbaren Folgen.

Aktuell sind auch die von den USA beschlossenen Strafzölle eine Bedrohung für den Handel. Sie können weltweit die Tendenzen zu protektionistischen Massnahmen erhöhen (wie die Reaktion Chinas zeigt) und in Europa wie auch in der Schweiz Gegenmassnahmen provozieren. Letztlich gefährden sie auch die Errungenschaften der Welthandelsorganisation WTO.

Trotz der vielen grossen Herausforderungen blickt die Branche optimistisch in die Zukunft: Nur knapp 20 Prozent der Befragten in der Erhebung von economiesuisse und Handel Schweiz sehen die Zukunftsaussichten der Handelsbranche negativ. Doppelt so viele sehen die Zukunft des Handels positiv. Die Händler sind hoffnungsvoll und auch bereit, ihren Part zu übernehmen, wie die vielen Initiativen im Bereich der Digitalisierung zeigen. Doch ist auch die Politik bereit, Verantwortung zu übernehmen und den Wirtschaftsstandort Schweiz in eine florierende Zukunft zu führen?

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