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Öffentlicher Regionalverkehr – Chance für marktorientierte Reform nutzen!

23.05.2019

Auf einen Blick

Der öffentlich finanzierte Personenverkehr ist ein wichtiger Teil des Schweizer Verkehrssystems und trägt viel zur Attraktivität des Wirtschaftsstandorts bei. Der Mobilitätsmarkt ist jedoch im Wandel und stellt neue Anforderungen an alle Verkehrsträger. Insbesondere der öffentliche Regionalverkehr ist heute komplex, teuer und intransparent. Er benötigt mehr Einfachheit, Dynamik und unternehmerisches Denken, um für die Marktentwicklung gewappnet zu sein. Die von Bund und Kantonen angestossene «Reform RPV» muss diesbezüglich als Chance genutzt werden.

Das Wichtigste in Kürze

Ein grosszügig ausgebauter öffentlich finanzierter Verkehr gehört in der allgemeinen Wahrnehmung fast schon unverwechselbar zur Schweiz. Ein zentraler Bestandteil dieses Angebots ist der «regionale Personenverkehr (RPV)». Er stellt landesweit die regionale Erschliessung sowie den Anschluss ans nationale und internationale Netz sicher. Für den Wirtschaftsstandort Schweiz ist dies ein Wettbewerbsvorteil, Schweizer Firmen profitieren von den Investitionen und der resultierenden Transportleistung. Doch es gibt zunehmende Schwierigkeiten. Das anhaltende Kostenwachstum und die steigenden staatlichen Abgeltungen sind finanzpolitisch problematisch. Die Bereitstellung der Angebote «krankt» an komplexen, intransparenten Abläufen und weist Ineffizienzen auf. Dazu kommen nicht zu unterschätzende Fehlanreize und Interessenkonflikte im Zusammenspiel der involvierten Akteure, die beispielsweise im Zuge der «PostAuto-Affäre» zutage getreten sind. Die Problemzonen sind also zahlreich und vielfältig. Bund und Kantone haben mit der Vernehmlassungsvorlage «Reform RPV» Optimierungsvorschläge vorgebracht, wollen aber punkto Systemanpassungen zurückhaltend bleiben. Aus Sicht der Wirtschaft reicht dies nicht aus.

Position economiesuisse

  • economiesuisse fordert ein marktorientiertes, hochwertiges und finanziell langfristig tragbares Verkehrssystem. Dies gilt insbesondere für die regionale Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr. Die «Reform RPV» von Bund und Kantonen beinhaltet positive Elemente, müsste insgesamt aber mutiger sein.
  • Eine weitergehende Vereinfachung ist notwendig, Fehlanreize müssen abgeschwächt oder beseitigt werden. Wettbewerbliche Elemente sind zu stärken.
  • Die Politik sollte das System ergebnisorientiert ausgestalten, unternehmerisches Denken fördern und sich nicht auf Strukturerhalt beschränken. Eine weitergehende Aufgabenentflechtung zwischen Bund und Kantonen ist eingehend zu prüfen.
  • Der öffentliche Verkehr muss als Ganzes wettbewerbsfähiger werden, um im multimodalen Verkehr der Zukunft gemeinsam mit dem Individualverkehr optimal funktionieren zu können. Das System soll nicht mehr nach der Logik «mehr vom Gleichen» weiterentwickelt werden, sondern im Sinne des Kundennutzens mehr Innovation hervorbringen.
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Entwicklung des Mobilitätsmarkts

Die Schweizerinnen und Schweizer werden immer mobiler. In den letzten 30 Jahren hat sich die Anzahl der hierzulande jährlich zurückgelegten Personenkilometer mehr als verdoppelt. Dieser langfristige Trend wird sich auch in absehbarer Zukunft ungebrochen fortsetzen. Gegenüber 2015 ist gemäss Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) bis 2040 im Personenverkehr mit einem Mobilitätszuwachs von 25 Prozent zu rechnen.

Grafik 1

Verkehrsleistung in Personenkilometer

Die Ausgangslage ist eindeutig: Der motorisierte Individualverkehr (MIV) ist nach wie vor das Rückgrat des Personenverkehrs in der Schweiz. Von den etwa 134 Milliarden Personenkilometern im Jahr 2017 wurden rund 75 Prozent vom MIV erbracht. Der öffentliche Verkehr steuerte im gleichen Jahr etwa 19 Prozent bei.

Die Bereitstellung und Nutzung von Mobilitätsangeboten war und ist bis heute stark nach Verkehrsträgern segmentiert. Herr und Frau Schweizer legen ihre Wege in der Regel fast gänzlich mit dem Auto oder dem öffentlichen Verkehr zurück. Allenfalls wird zur Bewältigung einer kleinen Teilstrecke auf der ersten oder letzten Meile noch ein Fahrrad genutzt oder man geht zu Fuss. Insgesamt ist die individuelle Mobilitätskette bei den meisten Schweizerinnen und Schweizern aber eine ziemliche «Monokultur». Die verschiedenen Verkehrsträger weisen eine geringe Interoperabilität auf und werden deshalb auch weitgehend voneinander entkoppelt genutzt.

Multimodale Mobilitätsdienstleistungen («Mobility as a Service») könnten dieses Gefüge in den nächsten Jahren grundlegend verändern, sodass eine grosse Nachfrage für flexible, kombinierte Verkehrslösungen entsteht. Der öffentliche Verkehr und insbesondere der Regionalverkehr können in diesen Mobilitätsketten eine wichtige Rolle einnehmen. Beispielsweise kann eine S-Bahn-Fahrt Zürich Stadelhofen-Zürich Flughafen in ein Bündelangebot mit privaten Verkehrsangeboten wie einem Sharing-Auto, E-Trottinett oder einem E-Bike oder gar mit einem Flug verbunden werden. Dieses Bündelangebot ist dann bequem über eine App buchbar. Der Tarif orientiert sich dabei an den individuellen Bedürfnissen der Kunden (Preis, Reisezeit, Komfort usw.). Dieser will letztlich nicht ins Auto, an die Haltestelle oder in den Zug, sondern mit dem attraktivsten Angebot von A nach B.

Wenn der private und der öffentliche Verkehr auf diese Weise in Kombiangeboten zusammengebracht werden, kommt wirtschaftlichen Faktoren wie der Preiskompetenz eine besondere Bedeutung zu. Die staatsnahen Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs stellen mehrheitlich subventionierten Verkehr mit einem meist geringen Kostendeckungsgrad bereit. Der private Verkehr deckt seine Kosten fast vollständig selbst. Die Preisentwicklung für die jeweilige Nutzung ist zudem gegenläufig – die Endkundenpreise im öffentlichen Verkehr nehmen laufend zu, während jene im privaten Verkehr abnehmen. Damit die Bündelung beider Welten auch betriebswirtschaftlich sinnvoll und aus Kundensicht attraktiv wird, müssen im öffentlichen Verkehr die Preiskompetenz und die Eigenwirtschaftlichkeit gesteigert werden. Ansonsten wird das Zusammenführen der verschiedenen Verkehrsträger in multimodale Mobilitätsdienstleistungen sehr schwierig werden.

Grafik 2

Preisentwicklung der verschiedenen Verkehrsträger

Grafik 3

Kostentragende Regionalverkehr

Letztlich ist auch die Technologie für die Mobilität der Zukunft eine entscheidende Einflussgrösse. Der technologische Fortschritt erweitert stetig den Möglichkeitsraum und legt die Schwelle für die Wirtschaftlichkeit neuer Angebote immer tiefer. Das bringt eine bessere und gezieltere Leistung zu geringeren Preisen. Diese Entwicklung wirft sehr grundsätzliche Fragen auf, die sich eine Gesellschaft und eine Volkswirtschaft frühzeitig stellen müssen: Braucht es angesichts der technologischen Entwicklung langfristig überhaupt noch einen subventionierten Verkehr, der durch staatseigene Unternehmen erbracht wird, wenn sich jedes abgelegene Bergtal auch rentabel mit einem Drohnentaxi oder einem selbstfahrenden Bus auf Abruf erschliessen lässt? Dies lässt sich heute selbstverständlich noch nicht mit Sicherheit beantworten. Sicher ist jedoch, dass die Rahmenbedingungen für die Mobilität und insbesondere für den streng regulierten öffentlichen Regionalverkehr je länger je mehr nicht einer statischen Logik folgen dürfen («mehr vom Gleichen»), sondern dass es einer dynamischen Sicht bedarf, damit die Offenheit und Adaptionsfähigkeit für neue Technologien, Kundenbedürfnisse und Angebotsformen besteht.

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«Regionaler Personenverkehr» erklärt

Der öffentlich finanzierte Verkehr wird in der Schweiz traditionell als hochwertig wahrgenommen und auch im Ausland erntet er üblicherweise neidische Blicke. Diese Betrachtungsweise ist durchaus gerechtfertigt – die Angebotsqualität ist tatsächlich vergleichsweise gut und Parameter wie die Pünktlichkeit stimmen grundsätzlich. Dennoch entspricht dies einer «Schlüssellochoptik», die wichtige Fragen ausblendet: Stimmt für Nutzer und Allgemeinheit der Preis im Verhältnis zur gebotenen Leistung? Wie ist die Kostenentwicklung und lässt sie sich allenfalls optimieren? Und letztlich: Ist der öffentlich finanzierte Verkehr im Vergleich zum privaten Verkehr ausreichend agil und innovationsfähig?

Ausufernde Kosten und fehlende Innovation waren wichtige Faktoren, die beim öffentlichen Verkehr Ende der 1990er-Jahre einen Reformschub auslösten. Das Bahn- und Bussystem war im ganzen Land über die Jahrzehnte teuer, träge und ineffizient geworden, sanierungsbedürftige Verkehrsbetriebe und ein steigender Investitionsbedarf bei den Infrastrukturen belasteten den Staatshaushalt. Dies war durchaus bedrohlich für die Angebotsqualität und konnte zu einem Fernbleiben von Fahrgästen führen. Politik und Verwaltung zeigten sich ob der angespannten Situation weitsichtig und gleisten im Bereich des öffentlichen Verkehrs verschiedene Reformprojekte auf, um die verkrusteten Strukturen zu dynamisieren. Handlungsbedarf bestand auch aus einer internationalen Sicht: Die EU hatte mit dem ersten schon zu Beginn des Jahrzehnts die Weichen in Richtung mehr Dynamik und Wettbewerb gestellt. Diese Entwicklungen führten Ende der 1990er-Jahre zur «Bahnreform 1» und zur Auslagerung der SBB aus der Bundesverwaltung, was die dringend nötige Sanierung der Bundesbahnen ermöglichte. Darüber hinaus fand mit der Einführung des «Netzzugangs für Dritte» ein wegweisender Marktöffnungsschritt statt: Die SBB mussten neu auch andere Bahnen auf «ihre» Infrastruktur lassen, was insbesondere im Güterverkehr erstmals ein Mindestmass an Wettbewerb ermöglichte.

Neben den Bahnen und der Schieneninfrastruktur wurde in den 1990er-Jahren auch der für die regionale und lokale Erschliessung zuständige, «regionale Personenverkehr (RPV)» auf Schiene und Strasse grundlegend reformiert. Mit dem Inkrafttreten des revidierten Eisenbahngesetzes (EBG) per 1. Januar 1996 wurde die Finanzierung dieses «RPV» neu geregelt und ein Bestellverfahren mit Beteiligung von Bund, Kantonen und Transportunternehmen eingeführt. In diesem Verfahren wird festgelegt, welches Angebot vom Bund und den Kantonen gemeinsam zu welchen Kosten bestellt wird und auf welche Weise die Transportunternehmen dieses bereitstellen. Die grosse Errungenschaft dieser Reform war die weitgehende Vereinheitlichung einer zuvor stark verzettelten Struktur. Vor 1996 basierte die Finanzierung und Bereitstellung des öffentlichen Regionalverkehrs auf vielen verschiedenen, historisch gewachsenen Grundlagen. In einem sehr heterogenen und intransparenten System wurden Leistungen vergleichsweise unsystematisch bestellt. Entstehende Defizite wurden erst im Nachhinein durch Bund und Kantone gedeckt. Die Transportunternehmen erhielten unterschiedliche, teils redundante Abgeltungen und Finanzhilfen. Beispielsweise konnten die SBB oder PostAuto für ihre Leistungen direkt Abgeltungen von Bund, Kantonen und Gemeinden erhalten und über die nachträgliche Defizitdeckung auf Konzernebene von weiteren . Der öffentlichen Hand fehlte durch die intransparenten Prozesse und das nachträgliche Defizitdeckungsverfahren ein sinnvoller Steuerungsmechanismus.

Mit der Einführung des neuen Bestellwesens wurden die Strukturen weitgehend bereinigt. Die Anzahl der Finanzierungsquellen wurde auf zwei reduziert (allgemeiner Bundeshaushalt, Kantone). Auch die Bestellung sämtlicher Leistungen wurde systematischer gestaltet. Diese neue Struktur wurde in den letzten 20 Jahren aus unterschiedlichen Blickwinkeln regelmässig weiterentwickelt. Die Anpassungen beschränkten sich jedoch mehrheitlich auf die Verfahrensebene. Eine grundlegende Überarbeitung wurde seither nicht mehr vorgenommen.

Wie ist der öffentliche Verkehr in der Schweiz strukturiert?

Das Personenbeförderungsgesetz (PBG) unterscheidet grundsätzlich vier verschiedene Angebotsformen des öffentlichen Verkehrs:

  • Fernverkehr: Angebote von nationaler Bedeutung, die vom Bundesamt für Verkehr für jeweils zehn Jahre konzessioniert werden. Der Fernverkehr muss gemäss Gesetz eigenwirtschaftlich funktionieren.
     
  • Regionaler Personenverkehr mit Erschliessungsfunktion: Eine «Erschliessungsfunktion» liegt dann vor, wenn sich an mindestens einem Linienende ein Verknüpfungspunkt mit dem übergeordneten Netz des öffentlichen Verkehrs und am anderen Ende oder dazwischen eine Ortschaft befindet. Eine Ortschaft im Sinne des PBG ist eine Siedlung mit mindestens 100 Einwohnern. «RPV» mit Erschliessungsfunktion ist grundsätzlich abgeltungsberechtigt (Bund und Kantone).
     
  • Regionaler Personenverkehr ohne Erschliessungsfunktion (Ausflugsverkehr): Liegt bei einer Linie des regionalen Personenverkehrs keine Erschliessungsfunktion vor (z. B. Bahnlinie auf das Jungfraujoch), besteht keine Abgeltungsberechtigung.
     
  • Ortsverkehr: Der Ortsverkehr dient der Feinerschliessung von Ortschaften. Dazu gehören Linien mit einem Radius von maximal 1,5 Kilometern um das übergeordnete Netz des öffentlichen Verkehrs und kleinen Abständen zwischen den Haltestellen. Der Ortsverkehr ist von Abgeltungen des Bundes ausgenommen und wird in der Regel von Kantonen und Gemeinden finanziert.

Die Grundstruktur mit einem selbsttragenden, nationalen Verkehrsnetz und einem subventionierten öffentlichen Regional- und Nahverkehr entspricht im Wesentlichen dem international vorherrschenden Paradigma. Allerdings hat gerade die schon vor längerer Zeit einen Rechtsrahmen beschlossen, der deutlich stärker auf Dynamisierung, Transparenz und Wettbewerb setzt.

Die Allgemeinheit lässt sich den öffentlichen Regionalverkehr immer mehr kosten

Das Netz des regionalen Personenverkehrs in der Schweiz umfasst aktuell 1425 Linien (davon rund 1000 Buslinien), die von 114 Transportunternehmen bereitgestellt werden. Die allermeisten dieser Linien sind nicht kostendeckend. Das heisst, sie werden nicht ausschliesslich mit Ticketerlösen refinanziert. Sie werden deshalb durch Bund und Kantone jährlich mit insgesamt etwa 2 Milliarden Franken unterstützt. Diese Gelder fliessen als Abgeltungen an die Transportunternehmen. Auf Bundesebene wurden die notwendigen Mittel zuletzt anhand eines Verpflichtungskredits aus der allgemeinen Bundeskasse finanziert. Das Parlament hat im Sommer 2017 für den Zeitraum 2018 bis 2021 einen solchen Kredit im Umfang von 4,1 Milliarden Franken beschlossen.

Grafik 4

Eckwerte des öffentlichen Regionalverkehrs

Ein Blick auf die Kostenentwicklung offenbart ein zentrales Problem des öffentlichen Regionalverkehrs in der Schweiz: Der Abgeltungsbedarf wächst stetig und scheint sich trotz steigender Fahrgastzahlen und technologischem Fortschritt nicht vom Angebotsausbau entkoppeln zu lassen. Ein solches Kostenwachstum ist für die öffentliche Hand in zweierlei Hinsicht nicht nachhaltig. Einerseits werden Steuereinnahmen offensichtlich ineffizient verwendet und es steigt mittelfristig der Bedarf nach zusätzlichen Abgeltungen. Andererseits droht in der allgemeinen Bundeskasse ein Verdrängungseffekt. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Verkehr (BAV) beliefen sich die ordentlichen Ausgaben von Bund und Kantonen für den öffentlichen Regionalverkehr im Jahr 2018 auf knapp 2 Milliarden Franken. Auf Bundesebene wuchsen die Kosten seit 2008 durchschnittlich um etwa 2,6 Prozent pro Jahr. Die gesamten Bundesausgaben stiegen pro Jahr. Nehmen die Kosten des öffentlichen Regionalverkehrs im Vergleich zu den gesamten Bundesausgaben überproportional zu, müssen volkswirtschaftlich sinnvollere Ausgaben allenfalls zurückgefahren werden.

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Subventionsbedarf

Auf kantonaler Seite wird die Kostenbeteiligung für die gemeinsam bestellten Angebote im «regionalen Personenverkehr» individuell mithilfe einer Formel berechnet, die sich an der Bevölkerungsdichte des jeweiligen Kantons orientiert. Aufgrund dieser Berechnungslogik ist es tendenziell so, dass dicht bevölkerte Kantone mit urbanen Zentren einen höheren Anteil des öffentlichen Regionalverkehrs selbst finanzieren als ländliche, bevölkerungsschwache Kantone. Die Quoten liegen zwischen 20 Prozent (Graubünden) und 73 Prozent (Basel-Stadt), der durchschnittliche Gesamtbeitrag aller Kantone liegt etwa bei 50 Prozent.

Die unterschiedliche Höhe der kantonalen Beteiligungen entspricht auf den ersten Blick der legitimen Systemlogik: Der Bund greift in eher finanzschwachen Regionen stärker ein, damit das gewünschte öffentliche Verkehrsangebot bereitgestellt werden kann. In den städtisch geprägten, finanzstärkeren Regionen tragen die Kantone (und die Nutzer) einen grösseren Teil der Kosten selbst. Damit findet jedoch faktisch eine Umverteilung zwischen den Kantonen statt, weshalb sich gewisse kritische Grundsatzfragen aufdrängen: Was ist das exakte Zielbild der Umverteilung? Soll der öffentliche Verkehr aus einer globalen Sicht überhaupt ein Konstrukt sein, das zu einem Ausgleich unter den Kantonen führt? Gäbe es hierfür allenfalls andere, besser geeignete Instrumente? Handelt es sich auch punkto Weiterentwicklung des Verkehrssystems um das finanziell und materiell bestmögliche Modell? Diese und weitere Fragen müssen sich Parlament, Bund, Kantone und Transportunternehmen laufend stellen.

Ausschreibung, Bestellung, Abgeltung – ein komplexer «Mecano»

Die Angebote des «regionalen Personenverkehrs» werden auf Basis der zur Verfügung stehenden Mittel aus dem Verpflichtungskredit des Bundes und der Mittel der Kantone für jeweils eine Fahrplanperiode (zwei Jahre) festgelegt. Die Angebotsplanung folgt einem sehr detailliert geregelten Prozess. Über diesem Prozess steht zusätzlich eine Vielzahl von gesetzlich verankerten Anforderungen, die von den beteiligten Akteuren berücksichtigt werden müssen. Die effektive Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsangeboten ist dabei nur ein Teilaspekt.

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Gesetzliche Anforderungen

Aus einer übergeordneten Optik ergibt sich daraus eine zweite zentrale Schwierigkeit des öffentlichen Regionalverkehrs: Er muss die Anforderungen verschiedener Anspruchsgruppen erfassen, sie in einem geeigneten Bestellverfahren sinnvoll mit mehreren Akteuren abstimmen und daraus ein politisch, gesellschaftlich und volkswirtschaftlich verträgliches Verkehrsangebot formen. Die Erfüllung all dieser Ansprüche gleicht der Quadratur des Kreises.

Das Bestellverfahren ist dementsprechend kompliziert und mehrstufig ausgestaltet: Die Kantone legen anhand der vorhandenen Finanzmittel zuerst ihre Angebotskonzepte fest. Diese basieren in der Regel auf den Grundsätzen der kantonalen oder regionalen Verkehrspolitik und beinhalten einerseits längerfristige Zielgrössen (z. B. «Feinverteilung Agglomeration XY») und andererseits kurzfristige Ziele (z. B. «Erweiterung Linie XY»). Die Kantone konsultieren anschliessend das Bundesamt für Verkehr, das die Konzepte nach verschiedenen Kriterien beurteilt. Dann werden die Transportunternehmen über die gewünschten Angebote sowie über die zur Verfügung stehenden Mittel informiert und aufgefordert, Offerten einzureichen. Die Offerten werden vom Bundesamt und von den Kantonen nach detaillierten Kriterien geprüft und plausibilisiert. Aufgrund der Prüfung werden die Offerten und Angebote allenfalls angepasst, bevor die definitive Festlegung erfolgt und zwischen Bund, Kantonen und Transportunternehmen entsprechende Angebotsvereinbarungen unterzeichnet werden. Dieser Ablauf ist auf die Budgetplanung des Bundes abgestimmt.

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Bestellprozess

In der Regel impliziert das beschriebene Verfahren eine Direktvergabe von Transportaufträgen. Bund und Kantone «verhandeln» Angebote mit Transportunternehmen, denen der Auftrag grundsätzlich sicher ist. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen Ausschreibungen zur Anwendung kommen, sich also verschiedene Transportunternehmen um einen Leistungsauftrag konkurrieren. Ausschreibungen sind seit dem Jahr 2013 im Busverkehr grundsätzlich obligatorisch. Das entsprechende Paradigma ist im Personenbeförderungsgesetz festgehalten (Art. 32). Das Gesetz sieht jedoch auch sehr grosszügige Ausnahmen vor, die anstatt einer Ausschreibung weiterhin eine Direktvergabe erlauben. Die Direktvergabe kann demnach beispielsweise einer Ausschreibung vorgezogen werden, wenn eine «Zielvereinbarung» (sprich eine mittelfristige Vereinbarung zur Angebotsentwicklung) mit einem Transportunternehmen besteht und dieses seine Ziele in der vorherigen Fahrplanperiode erreicht oder wenn das gewünschte Angebot Teil eines bestehenden regionalen Netzes werden soll. Im öffentlichen Regionalverkehr auf der Schiene sind Ausschreibungen bisher überhaupt nicht vorgesehen, da die Komplexität gemäss den involvierten Akteuren zu hoch sei.

Problematische wechselseitige Beziehungen

Das Bestell- und Finanzierungsverfahren im öffentlichen Regionalverkehr leidet also auf verschiedenen Ebenen an einer hohen Komplexität. Neben der grundlegenden Gestaltung der Abläufe fallen dabei vor allem die komplexen, wechselseitigen Beziehungen der beteiligten Parteien ins Gewicht. Die gesetzlichen Grundlagen definieren eine Vielzahl von Rechten und Pflichten auf allen Systemebenen. Daraus resultiert ein spezifisches Rollenverständnis der beteiligten Stakeholder mit entsprechenden Interessen. Diese Interessen sind in der Regel komplementär und aufeinander abgestimmt, in einzelnen Fällen jedoch auch gegensätzlich und widersprüchlich. Trifft Letzteres zu, besteht ein akutes Risiko durch systemimmanente Rollen- und Interessenkonflikte.

Insbesondere der Bund vereint als Akteur viele verschiedene Rollen und Interessen auf sich. Er ist entweder vollständig oder teilweise Eigner diverser Transportunternehmen, wobei diese Eignerrolle nicht bei jedem Unternehmen von der gleichen Bundesstelle eingenommen wird. Bei PostAuto und SBB wird sie im Rahmen eines dualen Steuerungsmodells vom Generalsekretariat des UVEK und der Eidgenössischen Finanzverwaltung gemeinsam wahrgenommen. Bei den sogenannten «Privatbahnen» (BLS, SOB und weitere) ist der Eigner der Bundesanteile direkt das BAV. Die Rollen des Regulators und des Aufsichtsorgans liegen für alle Marktakteure ebenfalls beim besagten Bundesamt. Die Rollen des Bestellers und des Finanzierers teilt sich der Bund wiederum mit den Kantonen. Die Gemeinden werden auf einer vorgelagerten Stufe in die Planung der Kantone einbezogen. Die kommunale und die kantonale Staatsebene sind ihrerseits ebenfalls an nationalen, regionalen und kantonalen Transportunternehmen beteiligt und haben so auch eine Eignerrolle inne.

Die Vermutung liegt nahe, dass eine Verschiebung der Parameter in einem solch komplexen Gefüge sehr schnell zu unerwarteten oder gar unerwünschten Ergebnissen führt. Die Stabilität der gegenseitigen Beziehungen kann zweifellos erhöht, Konflikte reduziert und das Marktergebnis verbessert werden, wenn die richtigen Verbesserungen stattfinden. Eine bisher nur ungenügend umgesetzte Massnahme wäre beispielsweise griffige Corporate-Governance-Regeln für die staatsnahen Transportunternehmen.

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Regionalverkehr

Die «PostAuto-Affäre»

Ein anschauliches Beispiel der negativen Auswirkungen von Rollen- und Interessenkonflikten lieferte im Sommer 2018 die «PostAuto-Affäre». PostAuto hatte über Jahre das im Personenbeförderungsgesetz vorgesehene Gewinnerzielungsverbot für konzessionierte Transportunternehmen umgangen, indem Kosten zu hoch angesetzt und Erträge buchhalterisch «versteckt» wurden. PostAuto hat auf diese Weise ungerechtfertigt Subventionen in der Höhe von etwa 188 Millionen Franken aus dem «regionalen Personenverkehr» abgeschöpft. Möglich machten ein solches Fehlverhalten nicht zuletzt systemimmanente Spannungsfelder und Fehlanreize. Dies veranschaulicht ein Blick auf die Gesamtkonstellation.

Der Post-Konzern bewegt sich in einem komplexen Umfeld mit unterschiedlichen, teilweise nicht kompatiblen Rahmenbedingungen. Der Bund definiert die strategischen Ziele des Gesamtunternehmens und macht in diesem Zusammenhang die Vorgabe für eine branchenübliche Rendite in allen Teilbereichen des Konzerns. Gleichzeitig diktiert und überwacht er als Regulator das politisch definierte Angebotsniveau in derpostalischen Grundversorgung (Briefsendungen bis 50 Gramm, Zahlungsverkehr). Das Postgesetz (Art. 19) sieht für diese Bereiche ein Quersubventionierungsverbot vor, das heisst, es dürfen keine Erträge in andere Geschäftsbereiche abgeführt werden. Die Post-Tochtergesellschaft PostAuto AG – mit rund zehn Prozent des Konzernumsatzes ein relativ kleiner Geschäftsbereich – erbringt subventionierte Leistungen im Rahmen des «regionalen Personenverkehrs». Dort sieht das System keine Rendite vor. Diese Regel wurde von PostAuto umgangen, indem erzielte Gewinne durch Umbuchungen innerhalb einer Subholding-Struktur der PostAuto Schweiz AG gezielt verschleiert wurden, beispielsweise durch zu hohes Ansetzen von internen Betriebs- und Unterhaltsleistungen anderer Gesellschaften an den PostAuto-Betrieb.

Organigramm PostAuto

Der Revisionsbericht des Bundes zur «PostAuto-Affäre» enthält klare Empfehlungen, wie zukünftigem missbräuchlichem Verhalten vorzubeugen sei.

Unter anderem wird eine Anpassung der konzerninternen Verrechnungsmethoden bei der PostAuto Schweiz AG gefordert. Darüber hinaus wird eine Neukalkulation der geplanten ungedeckten Kosten im Rahmen der RPV-Leistungen verlangt. Die Post ihrerseits hat eine Reorganisation angekündigt und möchte die oben dargestellte Holdingstruktur anpassen.

Aus ordnungspolitischer Sicht lösen diese Massnahmen die grundsätzlichen Probleme nicht. Will der Bund potenziell schädliche Rollen- und Interessenkonflikte nachhaltig beseitigen, müssen die bestehenden Spannungsfelder grundsätzlicher und auf verschiedenen Ebenen angegangen werden. Erstens müssen wettbewerbliche Elemente im RPV gestärkt werden (unter anderem konsequente Umsetzung von Ausschreibungen mit freier Gewinnverwendung). Zweitens muss die PostAuto AG aus dem Postkonzern ausgelagert werden. Dies würde die Plausibilisierung der fälligen Abgeltungen erleichtern und das Spannungsfeld zwischen öffentlichem Regionalverkehr und strategischen Zielen der Post entschärfen. Die heutige Struktur ist nicht zuletzt aufgrund der nicht vorhandenen Synergien zwischen dem Kerngeschäft der Post und dem Personenverkehr ein Anachronismus. Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, das noch über eine Post mit integriertem Verkehrsbetrieb verfügt. Drittens und letztens wäre die Privatisierung der PostAuto AG ein logischer und sinnvoller Schritt, der die Risiken für die öffentliche Hand reduziert. In Kombination mit der wettbewerblichen Gestaltung des Bestellverfahrens kann auch so die Innovationsleistung im RPV erhöht werden.

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Stellschrauben für Systemverbesserungen

Mehr Effizienzanreize

In den Unterlagen zur «» stellt das BAV fest, dass die Anreize für Effizienzsteigerungen und einen effizienten Mitteleinsatz insgesamt zu wenig vorhanden sind und dass die Bereinigung der Anreizstrukturen ein vordringliches Ziel der Reform sein sollte.

In der Tat verläuft die im öffentlichen Regionalverkehr seit Jahren mehr oder weniger linear zum Angebotsausbau. Die Vollkosten pro Personenkilometer bleiben weitgehend konstant, während die Preise für die Konsumentinnen und Konsumenten laufend zunehmen. Der öffentliche Verkehr bietet als Massentransportmittel mit hoher Kapazität eigentlich gute Voraussetzungen, um Skalenerträge zu realisieren. Mit zunehmenden Fahrgastzahlen und einer steigenden Anzahl Personenkilometer wäre zu erwarten, dass die Vollkosten pro Personenkilometer über die Zeit abnehmen. Dass ein solcher Effekt nicht zu beobachten ist, lässt darauf schliessen, dass entweder zu geringe Effizienzgewinne realisiert oder diese falsch alloziert werden. Das heisst: Entweder schafft es der öffentliche Regionalverkehr nicht, das Kosten-Nutzen-Verhältnis nachhaltig zu verbessern, oder aber die erzielten Verbesserungen versickern im System.

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Entwicklung der Vollkosten

Ein Hebel, um zumindest einige grundlegende Effizienzanreize zu schaffen, liegt in der Duldung von Gewinnen im «regionalen Personenverkehr» oder zumindest in einer Lockerung im Bereich der Gewinnverwendungsvorgaben an die Transportunternehmen. Nach geltendem Recht sind Gewinne aus dem öffentlichen Regionalverkehr eigentlich nicht vorgesehen. Fallen sie dennoch an, müssen die Transportunternehmen sie als Reserve für die Deckung zukünftiger Fehlbeträge zurückstellen – zu mindestens zwei Dritteln oder bis die Rückstellungen einen erreichen. Erst darüber hinaus ist die Gewinnverwendung frei.

Diese Konstellation ist aus verschiedenen Perspektiven problematisch. Einerseits besteht so ein tendenzielles Risiko, dass die ungedeckten Kosten in den Offerten zu hoch angesetzt werden, da unplanmässige Defizite von den Transportunternehmen selbst gedeckt werden müssen. Andererseits besteht kein Anreiz zur Senkung der effektiven betrieblichen Kosten, weil die Gewinnverwendung sowieso streng reguliert ist. Das reduziert den unternehmerischen Spielraum und beeinträchtigt die Innovationsfähigkeit der konzessionierten Unternehmen. Es besteht ausserdem ein Umgehungsrisiko, das von grosszügiger Berechnungsmethodik (wie zuletzt im Falle der BLS AG publik geworden) bis zu missbräuchlichen Vorgängen (siehe Box: PostAuto-Affäre) reicht. Um dies zu beheben, braucht es mehr Flexibilität: Bei ausgeschriebenen Angeboten soll die Gewinnverwendung zukünftig vollständig frei sein. Dies ist eine elegante Lösung, da sie nicht nur die Effizienzanreize erhöht, sondern auch das wettbewerbliche Element der Ausschreibungen stärkt und attraktiver macht.

Wettbewerbsorientierte Vergabeverfahren

Durch die Einführung des Paradigmas der Ausschreibung im Jahr 2013 für den regionalen öffentlichen Busverkehr konnte das Vergabeverfahren für die Mehrzahl der Buslinien vereinfacht werden. Es kam auch zu einer stärkeren Ausrichtung an Leistungskriterien. Dennoch liegt nach wie vor ein grosses Potenzial brach – nur ein Bruchteil der Leistungen im Busverkehr werden heute effektiv ausgeschrieben, der Rest wird weiterhin direkt vergeben. Die Kantone und Transportunternehmen begründen dies oftmals mit der langfristigen Stabilität der Angebote und damit, dass die Qualität durch eine erhöhte Planbarkeit sichergestellt wird. Dies ist jedoch wenig überzeugend. Im heutigen Bestellverfahren müssen sehr detaillierte Aspekte zwischen Bestellern und Transportunternehmen verhandelt werden. Dies ist zeitaufwendig und kostspielig. Eine Ausschreibung ist eine vergleichsweise schlanke Alternative: Der Besteller formuliert die gewünschte Leistung, das Transportunternehmen erbringt sie auf die jeweils geeignete Weise im Rahmen der Konzessionsvorgaben. Dieses Verfahren ist insgesamt pragmatischer und ergebnisorientierter.

Im Rahmen der heutigen Abläufe wiegt die Macht des Faktischen bei der Planung des zukünftigen Angebots oftmals zu schwer. Wenn zum Beispiel ein bestimmtes Busunternehmen eine Linie während zehn Jahren bedient hat und seine Konzession ausläuft, ist der Veränderungsdruck gering. Die Transportunternehmen scheuen den Wettbewerb und die Kantone die Verwerfungen eines Anbieterwechsels. Das resultierende Marktergebnis ist dann tendenziell nicht im Sinne des Kunden und des Steuerzahlers optimal, sondern aus Sicht der Transportunternehmen und der Besteller, die oftmals gleichzeitig auch Eigentümer der betreffenden Unternehmen sind. Es gibt Anreize für einen teuren Strukturerhalt. Anders als bei den Bussen besteht im Bahnbereich schon im Grundsatz eine grosse Skepsis gegenüber Ausschreibungen. Die Vorbereitung und Durchführung einer Ausschreibung ist aus Sicht der Systemteilnehmenden sehr anspruchsvoll und die Planungssicherheit noch wichtiger als im Busbereich. Die grundlegenden Vorteile der Ausschreibungen würden jedoch auch hier zum Tragen kommen. Zudem würden die technologische Entwicklung und eine fortschreitende Standardisierung auch im Schienenverkehr dazu führen, dass mit vertretbarem Aufwand ein geeigneter Ausschreibungswettbewerb stattfinden kann. Zumindest sollte es erlaubt sein, in diese Richtung zu denken, anstatt sich ausschliesslich von heutigen Sachzwängen leiten zu lassen.

Aus einer internationalen Perspektive ist es insgesamt sehr angebracht, Ausschreibungen konsequent als primäres Vergabeverfahren anzuwenden. Im europäischen Ausland ist die Direktvergabe bereits seit Längerem nicht mehr üblich. Stattdessen werden seit einigen Jahren wettbewerbliche Vergabeverfahren wie Ausschreibungen umgesetzt.

Bessere Steuerung, wirtschaftlichere Angebote

Der heutige Bestellprozess ist so ausgestaltet, dass die Kantone die Angebotsentwicklung prägen. Sie definieren initial die Angebote, die dem Bund vorgelegt werden. Diesem kommt eher eine überwachende Rolle zu, als dass er die Konzepte der Kantone aktiv mitgestaltet. Er prüft sie zwar eingehend und stellt ihre Funktionalität in einem nationalen Kontext sicher (beispielsweise die Einbindung ins gesamte Verkehrssystem, die Infrastrukturentwicklung oder die Abstimmung auf raumplanerische Vorgaben). Er beurteilt ausserdem, ob sie die Mindestkriterien hinsichtlich Wirtschaftlichkeit erfüllen, um abgeltungsberechtigt zu sein. Dennoch dominieren schliesslich Sachzwänge die Betrachtung: Der Graubereich bei der erstmaligen Bestellung von Angeboten ist gross und die Gefahr eines unwirtschaftlichen Überangebots akut. Das BAV beurteilt nach einer relativ starren Logik, wie nachfragegerecht ein von den Kantonen gewünschtes Angebot ist. Es nimmt dabei die «Anzahl Einsteiger pro Stunde» als Massstab für die zu erwartende Nachfrage. Wenn sich diese Erwartung mit dem von den Kantonen gewünschten Angebot deckt, wird es als abgeltungsberechtigt anerkannt.

Eine solche Beurteilung der Nachfrage ist offensichtlich unpräzis und statisch. Sie kann dazu führen, dass realitätsferne Angebote genehmigt werden. Das laufende Controlling oder gar der nachträgliche Abbau eines solchen Angebots gestaltet sich relativ schwierig.

Wirtschaftliche Schwellen für die Abgeltung von Verkehrsangeboten

Die Verordnung über die Abgeltung des regionalen Personenverkehrs (ARPV) ist das zentrale Regularium, wenn es um den abgeltungsberechtigten Verkehr geht. Sie regelt den gesamten Bestellprozess und gibt insbesondere die grundlegenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Mitfinanzierung durch Bund und Kantone vor: Eine Linie muss auf jedem Teilstück durchschnittlich mindestens 32 Personen pro Tag befördern, um als abgeltungsberechtigt zu gelten. Wenn dies erfüllt ist, stellen Bund und Kantone eine Mindesterschliessung (vier Verbindungen in beide Richtungen) sicher. Werden auf dem meistbelasteten Teilstück einer Linie im Durchschnitt mehr als 500 Personen pro Tag befördert, wird ein in beide Richtungen angeboten.

Die Transportunternehmen verfügen gegenüber dem Bund und den Kantonen immer über einen Wissensvorsprung und nutzen diesen tendenziell für ein Handeln im Eigeninteresse. Gleiches gilt für die Position der Kantone gegenüber dem Bund. Es bestehen somit erhebliche Informationsasymmetrien im System. Um diese auszugleichen, ist eine stärkere Ausrichtung des Bestellprozesses an objektiven wirtschaftlichen Kriterien sinnvoll. Die Vollkosten pro Personenkilometer, die Auslastung oder der Kostendeckungsgrad eines Angebots müssten als Messgrössen stärker ins Gewicht fallen. Damit liessen sich das Kostenbewusstsein sowie die Leistungs- und Qualitätsorientierung erhöhen.

Mehr Wirtschaftlichkeit im Bestellprozess heisst letztlich nicht, dass Angebote abgebaut werden oder die flächendeckende Versorgung nicht mehr gewährleistet wird. Es heisst vielmehr, dass die Kantone und Transportunternehmen einen Anreiz erhalten sollen, neue Angebote kostengünstiger bereitzustellen und dass der Bund im Bestellprozess einen stärkeren Hebel erhält, um die Kostenentwicklung zu beeinflussen und zu überwachen.

Aufgabenteilung

Die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen ist eine wichtige Stellschraube zur Optimierung des öffentlichen Regionalverkehrs. Die bessere Einbindung des Bundes in den Bestellprozess ist (wie beschrieben) eine mögliche Lösung. Eine andere Option wäre das genaue Gegenteil, nämlich dass die materielle und finanzielle Verantwortung stärker in die Verantwortung der Kantone übergeht und sich der Bund aus dem RPV teilweise zurückzieht. Die Vorlage zur «Reform RPV» zeigt hier in Form der Variante «Teilentflechtung» eine vielversprechende Perspektive auf. Der Busverkehr soll demnach nur noch von den Kantonen bestellt und von diesen auch mehrheitlich abgegolten werden. Der Bund wäre noch mit einem gesetzlich indexierten Pauschalbeitrag an die Kantone beteiligt. Dies ist grundsätzlich ein pragmatischer Vorschlag, der einerseits helfen würde, den langfristigen Kostenanstieg zu dämpfen, und andererseits im Sinne der fiskalischen Äquivalenz die Aufgabenteilung sauberer regelt («Wer zahlt, befiehlt»).

Eine noch weitergehende Aufgabenentflechtung soll zumindest ernsthaft zur Diskussion gestellt werden. Der Bundesrat hat im Herbst 2018 einen Bericht zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen veröffentlicht und darin über 30 Aufgaben einer Prüfung unterzogen. In diesem Bericht wird auch die «Verbundsaufgabe RPV» durchleuchtet. Sowohl die Kantone als auch der Bundesrat kommen dabei zum Schluss, dass es Potenzial für eine Aufgabenentflechtung gibt.

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Fazit und Forderungen

Ein funktionierendes und bedarfsgerecht ausgestaltetes Angebot ist ein wichtiges und legitimes Ziel für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz. Damit dieses Ziel langfristig kostengünstiger und qualitativ besser verfolgt werden kann, muss an gewissen Reformschrauben gedreht werden. Ansonsten verhindern die steigenden Kosten und die organisatorische Ineffizienz, dass neue, übergeordnete Marktentwicklungen adaptiert werden können.

Ein marktorientierter, hochwertiger, finanziell tragbarer öffentlicher Regionalverkehr

Das Kostenwachstum muss so weit wie möglich gebremst werden. Die Treiber dieses Wachstums sind, wie dargelegt, einzelne Elemente und Anreizsysteme im Rahmen des Bestell- und Finanzierungsprozesses im öffentlichen Regionalverkehr. Generell wäre mehr Output-Orientierung bei Bestellung und Abgeltung wünschenswert. Die Angebotsgestaltung sollte sich weniger nach politischen Wünschen richten und stattdessen mehr einer Performancelogik folgen: Welche Nachfrage gilt es zu bedienen und was ist die effizienteste Art, dies zu tun? Es braucht Mechanismen und Abläufe, welche die Abgeltungen stärker an die Nachfrageentwicklung oder an die effektive Mobilitätsleistung koppeln. Zudem soll die Prüfung anderer Angebotsformen für sehr schlecht ausgelastete Linien bei jeder neuen Bestellung Pflicht werden (verkehrsträgerneutrale Grundversorgung). Die konsequente Nachfrageorientierung muss auch durch eine strengere Ausgestaltung der Wirtschaftlichkeitskriterien im Bestellprozess gefördert werden. Sinnvoll wäre insbesondere eine Ergänzung von Art. 7 ARPV um Kriterien wie die Vollkosten pro Personenkilometer, die Auslastung (Personen/Platzkilometer) oder den Kostendeckungsgrad (Erlös/Vollkosten).

Ebenso braucht es eine konsequente Umsetzung von wettbewerblichen Vergabeverfahren. Ansätze wie die Subjektfinanzierung oder die «technologieneutrale» Ausschreibung, das heisst nicht verkehrsträger- oder angebotsspezifisch, sondern basierend auf Parametern wie zum Beispiel Kapazität, sind dabei ins Auge zu fassen.

Weniger Komplexität, weniger Intransparenz, weniger Fehlanreize

Die heutigen Abläufe bei der Bestellung und Abgeltung von Verkehrsleistungen führen zu Fehlanreizen, die es auf verschiedenen Ebenen anzugehen gilt. Ganz grundsätzlich muss die Corporate Governance bei den staatsnahen Transportunternehmen verbessert und eine Auslagerung und Privatisierung von PostAuto aus dem Postkonzern angestrebt werden. Ebenso braucht es spezifische Massnahmen: Im heutigen Konstrukt haben die Transportunternehmen einen gewissen Anreiz, die Kosten für bestellte Angebote zu hoch anzusetzen oder aber das Kosten-Nutzen-Verhältnis ihrer Leistungserbringung über die Zeit nicht zu verbessern. Dies hat verschiedene Gründe, hängt jedoch wesentlich mit den Vorgaben zur Gewinnverwendung zusammen. Wenn Effizienzsteigerungen vollständig weitergereicht werden müssen, besteht letztlich kein Anlass, solche zu generieren. Hingegen ist die Versuchung gross, Gewinne durch eine zu hohe Ansetzung der Kosten zurückzubehalten. Deshalb braucht es zusätzliche Freiheiten bei der Gewinnverwendung. Dadurch wird das unternehmerische Denken und letztlich die Innovationsfähigkeit gestärkt. Die Erleichterungen für die Transportunternehmen müssen allerdings an die Einführung wettbewerblicher Vergabeverfahren gekoppelt werden.

Kein Strukturerhalt, sondern mehr Effizienz bei besserer Leistung

Die Vernehmlassungsvorlage «Reform RPV» ist das Resultat langwieriger Vorarbeiten und intensiver Verhandlungen zwischen Bund, Kantonen und Transportunternehmen. Sie stellt einen Kompromiss im Sinne einer Systemoptimierung dar, ohne dass Grundlegendes tangiert wird. Der öffentliche Verkehr darf jedoch kein Selbstzweck sein, sondern muss auf jene Weise verbessert werden, die den Kunden und der Volkswirtschaft am meisten Nutzen bringt. Dementsprechend müssen im weiteren Prozess (also bei der Erarbeitung einer Botschaft) auch weitere Kreise stärker einbezogen werden, allen voran die Nachfrageseite, aber beispielsweise auch das «finanzpolitische Gewissen» in Form des Eidgenössischen Finanzdepartements und der kantonalen Finanzdirektoren.

Den öffentlichen Regionalverkehr in die Mobilität der Zukunft einbinden

Mehr Wirtschaftlichkeit und eine reduzierte Komplexität helfen letztlich, dass der öffentliche Regionalverkehr in Zukunft einfacher Teil von multimodalen Verkehrsangeboten werden kann. Der Markt entwickelt sich zunehmend in diese Richtung und das System muss diese Entwicklung in geeigneter Weise nachvollziehen. Ansonsten landet die Schweiz in einer stark segmentierten Mobilitätswelt, mit einem insgesamt trägen, innovationsschwachen öffentlichen Verkehr, der im eigenen «Ökosystem» verharrt, und einem privatwirtschaftlichen Verkehr, der agil, preiswert und qualitativ hochwertig ist. Dies wäre volkswirtschaftlich sehr nachteilig und muss folglich verhindert werden.

Weitere Entflechtung prüfen

Die «Reform RPV» schlägt eine Variante «Teilentflechtung» vor, die zu einer besseren Übereinstimmung der materiellen und finanziellen Verantwortung führen soll. Der Busverkehr würde vollständig in die Verantwortung der Kantone übergehen. Der Bund beteiligt sich nur noch finanziell in Form von fix indexierten Pauschalabgeltungen. Dies ist a priori sinnvoll – das Kostenwachstum auf Bundesebene wird eingedämmt, die Detailarbeit im Bundesamt für Verkehr wird reduziert, und es entsteht mehr Kostenbewusstsein in den betroffenen Gebieten.

Längerfristig erwägen Bund und Kantone, die Aufgabenteilung im Rahmen des Projekts «Aufgabenteilung II» zu überprüfen. Eine Entflechtung der Verbundsaufgabe «regionaler Personenverkehr» wurde im Rahmen der bisherigen Arbeiten wiederholt als prüfenswert bezeichnet. Die «Reform RPV» muss diesbezüglich den Möglichkeitsraum offenhalten. Sie darf keine Tatsachen schaffen, die eine weitere Entflechtung im Rahmen einer «Aufgabenteilung II» von vornherein erschweren oder gar verunmöglichen.

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