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KI in der Schweiz: Gute Rahmenbedingungen mit bewährten Instrumenten

05.12.2023

Auf einen Blick

In den letzten Monaten hat die öffentliche Diskussion um Künstliche Intelligenz (KI) stark an Dynamik gewonnen. Möglicher Hintergrund ist, dass insbesondere durch Anwendungen von generativer KI wie ChatGPT oder allgemein verfügbare Bildgeneratoren das Potenzial der Technologie erstmals auch für die breite Masse sichtbar geworden ist. Dies hat zu einer verstärkten Wahrnehmung des Themas auch in der Politik geführt.

Für die Wirtschaft ist es von grundlegender Bedeutung, dass den Entwicklungen rund um KI aus regulatorischer Sicht angemessen begegnet wird. Die vorliegende Publikation bietet eine Annäherung an das Thema und eine Darstellung der Themen aus regulatorischer Sicht.

Das Wichtigste in Kürze

Künstliche Intelligenz ist für die Schweiz von grosser Bedeutung. Sie hat das Potenzial, die Wettbewerbsfähigkeit in wichtigen Wirtschaftsbereichen zu stärken. Die Schweiz ist Innovationsweltmeister und ein Zentrum für Finanzdienstleistungen, Pharma und Hochtechnologie. KI kann dazu beitragen, die Effizienz zu steigern, innovative Lösungen zu entwickeln und die Forschung voranzutreiben. Darüber hinaus kann die Schweiz, bekannt für ihre erstklassige Bildung und Forschung, eine Vorreiterrolle in der Entwicklung von KI-Technologien und -Anwendungen einnehmen, was zur langfristigen Steigerung von wirtschaftlichem Wohlstand führen kann. Es ist für die Wirtschaft entscheidend, in KI-Forschung, Bildung und Innovation zu investieren. So kann sie die Chancen nutzen, die diese transformative Technologie bietet.

Die medienwirksamen Entwicklungen der letzten Monate, unter anderem im Zusammenhang mit Systemen wie ChatGPT, und die regulatorischen Entwicklungen in der Europäischen Union haben die Möglichkeiten von KI in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt.

In der Politik hat dies zu Diskussionen geführt. Dabei wurden teilweise auch sehr weitgehende Forderungen wie ein temporärer Entwicklungsstopp oder gar ein Technologieverbot für spezifische Anwendungen aufgebracht. economiesuisse möchte einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion leisten und zeigt anhand der Spannungsfelder im Bereich KI auf, wie die Schweiz angemessen darauf reagieren kann.

Position economiesuisse

  • Die technologischen Entwicklungen rund um KI haben für den Innovationsstandort Schweiz grosse Bedeutung. Sie verfügen über erhebliches Potenzial in verschiedensten Einsatzbereichen: Sie können beispielsweise zur Gestaltung effizienterer und damit dynamischerer sowie kostengünstigerer Prozesse genutzt werden.
  • Wenn die Schweiz die Nutzung des Potenzials von KI nicht zulässt, machen dies andere Länder. Dem Wirtschaftsstandort gehen dadurch Innovationskraft und Attraktivität verloren.
  • KI muss in der Schweiz weiterentwickelt werden und im operativen Alltag Fuss fassen können.
  • Die zahlreichen Chancen von KI dürfen nicht durch voreilige oder übermässige Regulierung im Keim erstickt werden.
  • Einzelne notwendige Anpassungen an bestehenden Gesetzen sollten nur punktuell vorgenommen und möglichst flexibel ausgestaltet werden.
  • Eine KI-spezifische Gesetzgebung – so insbesondere eine Regulierung entlang des Modells der EU – ist abzulehnen.
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Einführung / Ausgangslange

Die Regulierung von Künstlicher Intelligenz muss mit dem bestehenden Rechtsrahmen abgestimmt sein. Vorschnelle Aktionen sind zu vermeiden, um die Entwicklung nicht im Keim zu ersticken. Gleichzeitig muss das Vertrauen der Bevölkerung in KI gesichert werden und es muss möglich bleiben, dass die Technologie langfristig zur Innovationskraft der Schweiz beitragen kann.

Bei einer allfälligen Regulierung von KI benötigt es eine gute Balance. Die Schweiz kann eine Vorreiterrolle in der globalen KI-Landschaft einnehmen, wenn sie sich auf ihre gesetzgeberischen Stärken fokussiert und eine prinzipienbasierte, technologieneutrale und mit dem bestehenden Rechtssystem abgestimmte Regulierung anstrebt.

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Was versteht man unter KI?

Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs «Künstliche Intelligenz». Eine Umschreibung kann wie folgt lauten:

KI wird heute schon in vielen Bereichen eingesetzt, darunter Maschinenindustrie, Finanzen, Gesundheitswesen, Unterhaltung, Robotik und Wissenschaft.

KI bezieht sich unter anderem auf die Entwicklung von Computern oder Maschinen, die kognitive Fähigkeiten wie Lernen, Problemlösung und Entscheidungsfindung nachbilden können.

KI stellt ein interdisziplinäres Feld dar, das verschiedene Technologien wie maschinelles Lernen, neuronale Netze, natürliche Sprachverarbeitung und Robotik umfasst.

Es handelt sich im Gegensatz zu herkömmlich automatisierten Prozessen nicht um vorprogrammierte «Wenn-Dann-Schemata», sondern um Algorithmen, welche sich selbstständig weiterentwickeln und somit «lernen» können.

Auch die mit grossem Druck auf eine regulatorische Erfassung von KI hinwirkende EU ist zurzeit noch daran, den Begriff «Künstliche Intelligenz» im Rahmen ihres «Artificial Intelligence Acts» (AI-Act) zu definieren. Die bekannten Vorschläge richten sich dabei stark entlang der Definition der OECD: «Ein KI-System ist ein maschinengestütztes System, das in der Lage ist, die Umwelt zu beeinflussen, indem es einen Output (Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen) für eine bestimmte Reihe von Zielen erzeugt. Es verwendet maschinelle und/oder menschliche Daten und Eingaben, um (i) reale und/oder virtuelle Umgebungen wahrzunehmen; (ii) diese Wahrnehmungen durch Analyse auf automatisierte Weise (z.B. mit maschinellem Lernen) oder manuell in Modelle zu abstrahieren; und (iii) Modellinferenzen zu verwenden, um Optionen für Ergebnisse zu formulieren. KISysteme sind so konzipiert, dass sie mit unterschiedlichem Grad an Autonomie arbeiten.»

In der EU wird der AI-Act weiterhin kontrovers diskutiert. Gerade auch die Definition bereitet Mühe, da die Entwicklung neuer KI-Systeme und insbesondere der generativen KI stark an Geschwindigkeit zugenommen .

Aus diesen Ausführungen ergibt sich sogleich eine zentrale Herausforderung: Die Technologie rechtlich präzise zu definieren ist nicht möglich. Versuche, KI als Technologie regulatorisch zu erfassen scheitern damit, respektive die Regulierung muss in einem sich schnell wandelnden technologischen Umfeld konstant angepasst werden.

Potenzial für Wirtschaft und Gesellschaft

Massgeschneiderte Befriedigung persönlicher Nachfrage:

KI-Systeme ermöglichen eine effiziente Zusammenführung von Angebot und Nachfrage. Diese Effizienzsteigerung wirkt sich auf Individuen, Unternehmen und öffentliche Dienstleistungen gleichermassen aus. Mit einem Gewinn an Bequemlichkeit geht einher, dass Ressourcen und Kosten eingespart werden können. Dies trägt zur Steigerung der Produktivität und der Lebensqualität bei.

Integration in alle Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft:

Die Verwendung von KI wird nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft und Wirtschaft beeinflussen. Sie entlastet den Menschen von repetitiven Aufgaben und ermöglicht eine Produktivitätssteigerung sowie die Einsparung von Ressourcen. Ähnlich der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts, bei der Maschinen repetitive körperliche Arbeiten ersetzten, zeichnet sich im 21. Jahrhundert eine Entwicklung ab, dass Maschinen vermehrt repetitive kognitive Arbeiten übernehmen.

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Regulatorische Spannungsfelder

Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz wirft diverse Fragen auf, die nicht nur technischer Natur sind, sondern auch ethische, wirtschaftliche und rechtliche Dimensionen berühren. In dieser Betrachtung wollen wir auf diese wichtigen Themen im Zusammenhang mit KI eingehen und aufzeigen, wie weit diese bereits durch den existierenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmen der Schweiz erfasst werden. Auch eine bloss punktuelle Anpassung des Rechtsrahmens hat nur dort zu erfolgen, wo bestehende Regelungen durch entsprechende Auslegung nicht angemessen auf KI-Sachverhalte angewendet werden können. [2]

Spannungsfelder

Ethik

Fragen rund um die Ethik sind sowohl bei der Entwicklung als auch der Nutzung von KI von Bedeutung. Streng rechtlich spielen zwar rein ethische Grundsätze nur soweit eine Rolle, als dass sie ausdrücklich in gesetzlichen Regeln konkreten Ausdruck finden. Die reiche Gerichtspraxis zum allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) sowie die Grundsätze einer guten Unternehmensführung (Good Governance) enthalten allerdings zahlreiche Regeln, welche aufgrund der Gedanken von Fairness oder Ethik aufgenommen wurden. Bei KI muss dabei namentlich mitberücksichtigt werden, dass die von KI gesteuerten Prozesse den ethischen Ansprüchen unserer Gesellschaft, das heisst unseren menschlichen Grundwerten und Normen entsprechen.

Die Integration ethischer Prinzipien in den Entwicklungsprozess von KI-Systemen trägt dazu bei, dass die Anwendungen das Vertrauen seitens der Nutzerinnen und Nutzer und damit der Bevölkerung verdienen. Unternehmen sollten sich dabei der Verantwortung bewusst sein, die mit der Schaffung von KI-Technologie einhergeht, und sich verpflichten, ethische Richtlinien zu befolgen.

Unter dem Thema sind folgende Punkte besonders relevant:

Ungleichbehandlung: KI-Systeme können Vorurteile verstärken und fördern, wenn sie nicht auf Basis repräsentativer Datensätze trainiert werden. Dies kann zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führen, was sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Anwendung von KI-Systemen berücksichtigt werden muss. Es gilt sicherzustellen, dass KI-Systeme in fairer Weise angewendet werden und Differenzierung nur dann gemacht werden, wenn sachlich überzeugende Argumente dies nahelegen.

Es gibt heute bereits rechtliche Instrumente, welche der unsachlichen Ungleichbehandlung entgegenwirken. So besteht in der Schweiz ein verfassungsrechtliches Diskriminierungsverbot [3] , welches sich vor allem an den Staat richtet, aber auch Private bindet, die staatliche Aufgaben wahrnehmen [4] .

Es ist heute in der Lehre breit anerkannt, dass eine unsachliche Ungleichbehandlung beim Abschluss eines Vertrags eine Persönlichkeitsverletzung darstellen kann. Dabei handelt es sich nicht um einen absoluten Schutz vor Ungleichbehandlung, sondern um ein «mittelbares privatrechtliches Diskriminierungsverbot in dem Sinne, dass eine Ungleichbehandlung wegen Merkmalen einer Person, die durch deren Persönlichkeitsrecht geschützt sind, eine Persönlichkeitsverletzung darstellen können [5] ».

Das Persönlichkeitsrecht und das Strafrecht [6] sind auch auf Fälle unfairer oder unlauterer bzw. täuschender KI-Anwendungen anwendbar: Dies beispielsweise bei Deep Fakes, bei denen die beleidigende oder verfälschte Darstellung einer Person eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts darstellen kann. Bei der Absicht einer Täuschung sind die strafrechtlichen Tatbestände anwendbar, welche ebenfalls technologieneutral formuliert sind [7] .

Auch weitere Erlasse beinhalten klare Gleichbehandlungsgebote für Private. So zum Beispiel das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann [8] und das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen [9] .

Gut trainierte KI kann die Ungleichbehandlung verhindern. So können solche KI-Systeme unvoreingenommener sein als Menschen [10] oder gar Muster aus Entscheiden herauslesen, welche eine Ungleichbehandlung aufzeigen.

Privathsphäre und Datenschutz: Bei der Nutzung von KI-Systemen sollte sowohl beim In- wie auch beim Output sichergestellt werden, dass die geltenden Datenschutzbestimmungen eingehalten werden. Relevant ist hierzu in der Schweiz in erster Linie das neue Datenschutzgesetz (DSG). Der Eidgenössische Datenschutzund Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) hat Anfang November 2023 bestätigt, dass das geltende Datenschutzgesetz auf KI direkt anwendbar ist [11] . Es kommt für die Bearbeitung von Personendaten durch private Personen und Bundesorgane zur Anwendung [12] . Folgende Bestimmungen sind dabei besonders relevant:

  • Datenminimierung (Art. 6 Abs. 2 DSG),
  • Informationspflicht/Transparenz (Art. 19 DSG),
  • Profiling (Art. 5 lit. f-g DSG),
  • Automatisierte Einzelentscheidungen (Art. 21 Abs. 1-3 DSG),
  • Auskunftsrecht (Art. 25 DSG).

Eine Analyse der einzelnen Gebiete, welche mit dem Einsatz von KI einhergehen, zeigt, dass der geltende Rechtsrahmen praktisch immer eine adäquate Handhabe bietet. Das ist jedenfalls derzeit der Fall und es wird die Aufgabe des Gesetzgebers sein, Fälle – in welchen durch die Weiterentwicklung der Technologie Lücken im Gesetz entstehen – zu gegebener Zeit zu schliessen.

KI und Staat

Wie ausgeführt, geht das Diskriminierungsverbot im Verhältnis von Staat und Bürger sehr weit, was in einer freien Demokratie wie der Schweiz eine wichtige Grundvoraussetzung für den Respekt der verfassungsmässigen Rechte der Bürgerinnen und Bürger ist.

In seinen Leitlinien «Künstliche Intelligenz für die Bundesverwaltung [13] » geht der Bund auf das Risiko der datenbasierten Diskriminierung bei KI-Entscheiden ein. Er stellt dabei den Menschen, seine Würde und sein Wohl in den Mittelpunkt. Der Einsatz von KI soll «die Chancengleichheit der Menschen unterstützen und deren Zugang zu Bildung, Gütern, Dienstleistungen und Technologie fördern und erleichtern». Die Grundrechte sollen dabei zu jeder Zeit respektiert werden. Dort, wo die Wahrscheinlichkeit besteht, dass Grundrechte beeinträchtigt werden, insbesondere im Zusammenhang mit selbstlernenden Systemen, sollte eine umfassende Folgenabschätzung durchgeführt werden. Dieser Prozess sollte durch kontinuierliche Überwachung ergänzt werden, um angemessene Schutzmassnahmen und Kontrollen zu etablieren. Das primäre Ziel besteht darin, die Betroffenen vor Diskriminierung und Stigmatisierung zu schützen. Gleichzeitig sollte die Wahrung der Privatsphäre durch strikte Einhaltung der Datenschutzbestimmungen gewährleistet werden. Diese Entwicklungen laufen analog zu denjenigen im Europarat. Damit soll auch sichergestellt werden, dass die öffentliche Hand die Instrumente von KI nicht in einer Art und Weise nutzt, welche in einer freien Gesellschaft wie der Schweiz nicht angemessen ist.

Transparenz

Entscheidungen werden in der Regel dann akzeptiert, wenn sie transparent und damit nachvollziehbar erfolgen. Das gilt genauso für Entscheidungen, die unter Nutzung von KI gefällt werden. Nutzerinnen und Nutzer müssen wissen, wann ein Entscheid von einer KI getroffen wurde. Sie sollten auch verstehen, wie KI-Systeme zu ihren Schlussfolgerungen gelangen. Dies fördert nicht nur das Vertrauen, sondern ermöglicht es auch, eventuelle Fehler oder Vorurteile in den Systemen zu identifizieren und zu korrigieren. Die Entwicklung von Methoden zur Erklärbarkeit von KI-Entscheidungen ist daher von entscheidender Bedeutung. Hierzu braucht es transparente Prozesse. Das neue Schweizer Datenschutzgesetz bietet sich als rechtliche Grundlage bereits an: Es sieht weitgehende Transparenzbestimmungen bei automatisierten Entscheiden vor. Gleichzeitig ist vor überschiessenden Anforderungen abzusehen. Auch Entscheidungen, die ohne Nutzung von KI-Systemen zustande kommen, können intransparent sein und auf zahlreichen (zum Teil auch nicht bewussten) Vorurteilen .

Auch für die OECD ist Transparenz ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit. Sie verlangt von den KI-Akteuren Transparenz, um «ein allgemeines Verständnis von KI-Systemen zu fördern» und die Interaktionen mit KI-Systemen bewusst und verständlich zu .

Wirtschaftsfreiheit

Die Wirtschaftsfreiheit und Vertragsfreiheit sind Grundpfeiler einer von freiem Wettbewerb geprägten dynamischen Wirtschaft. In der Schweiz ist die Wirtschaftsfreiheit ein Grundrecht nach Art. 26 der Bundesverfassung. Die Vertragsfreiheit wird im Schweizerischen Obligationenrecht festgehalten. Sie besagt, dass innerhalb der Schranken der Gesetze jede und jeder frei ist zu entscheiden, mit wem ein Vertragsverhältnis eingegangen . Eine wichtige Feststellung ist dabei, dass KI-Systeme diese Freiheiten nicht einschränken, sondern unterstützen können. KI kann als Werkzeug dienen, um fundierte Entscheidungen zu treffen und innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Bei der Regulierung von KI muss sichergestellt werden, dass die Wirtschafts- und insbesondere Vertragsfreiheit garantiert bleibt.

Verträge haben grundsätzlich die Schranken des Obligationenrechts und insbesondere Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 einzuhalten. Gleichzeitig besteht kein Individualisierungsverbot – unabhängig von der Frage, ob eine KI beigezogen wird. Eine Individualisierung im Sinne der Vertragsfreiheit ist grundsätzlich möglich und muss auch weiterhin möglich Die Personalisierung eines Angebots ist eine Grundvoraussetzung für den freien Wettbewerb.

Geistiges Eigentum

Die Fragestellungen zum geistigen Eigentum im Zusammenhang mit KI sind umfassend: KI-Systeme werden oft auf Basis von umfangreichen Datenmengen, Algorithmen und Werken, die von Menschen geschaffen wurden, entwickelt und trainiert.

Auch beim Output von KI-Systemen stellen sich urheberrechtliche Fragen. Bei der Datenverarbeitung mit Künstlicher Intelligenz kann eine digitale Kopie geschützter Daten entstehen, was die Rechte der Urheber verletzen kann. So können Fragmente eines Outputs in ChatGPT beispielsweise urheberrechtlich geschützt sein und der Nutzer begeht eine Urheberrechtsverletzung, ohne dies zu realisieren.

Weiter stellen sich Fragen zur Urheberschaft von durch KI produziertem Output. Falls KI kostengünstig immaterielle Güter produzieren kann, muss das Immaterialgüterrecht allenfalls neu angepasst werden. Besonders wenn KI-Systeme eigenständig kreative Werke schaffen, stellt sich die Frage nach dem Schutz und dem «Erfinder» solcher Werke. Wenn es schwierig wird, kreative oder erfinderische Handlungen eindeutig Menschen oder KI-Systemen zuzuordnen, könnten herkömmliche Kriterien wie «geistige Schöpfung» und «erfinderische Tätigkeit» herausgefordert werden. Denn kann einem durch KI hergestellten Produkt eine geistige Leistung zugerechnet werden? Hierzu wird sich eine Rechtsprechung entwickeln müssen, die die Grenzen des Immaterialgüterrechts in Bezug auf KI definiert.

Auch im Patentrecht werfen die Möglichkeiten von KI Fragen auf. So ist es zum Beispiel offen, ob KI auch Erfinder sein kann oder wem dann diese Rolle zufällt, respektive ab welchem Grad der Selbstständigkeit nicht mehr der Mensch, der die KI einsetzt, als Erfinder gilt. Hier gilt es vorerst auf die ursprüngliche Idee der jeweiligen Gesetzgebung zurückzugehen und diese auf die jeweilige Situation in Bezug auf KI anzuwenden.

Zurzeit besteht aber kein dringender Bedarf einer Anpassung am Immaterialgüterrecht aufgrund von KI, da das geltende Recht für die unmittelbare Zukunft genügend Flexibilität zu bieten scheint. Die Gerichte werden die relevanten Rechtsbegriffe weiterentwickeln und gemeinsam mit den in Fachkreisen geführten Diskussionen wird sich so eine geeignete Herangehensweise finden. International gibt es hierzu bereits Ansätze, über die Gerichte die offenen Fragen zu . Das ist auch in der Schweiz möglich.

Haftung

Der Betrieb von KI-Systemen ist mit gewissen Verantwortungsrisiken verbunden. Hierbei stellt sich zuallererst die Frage der Autonomie und danach auch, ab wann KI wirklich einen Schaden herbeigeführt hat.

Als Beispiel kann man sich einen Rasenmähroboter vorstellen, der statt der eigenen Wiese die Blumen des Nachbarn mäht. Es gibt nun zum einen den Nachbarn, der für die Blumen vergütet werden will, den Besitzer des Roboters, der vom Nachbarn zur Zahlung aufgefordert wird, und den Hersteller des Roboters, bei dem der Besitzer Regress nehmen .

Es gilt hier zwischen Fehlentscheiden und Fehlern am Produkt zu differenzieren. Von Ersterem spricht man, «falls bei der Auswahl zwischen Alternativen dasjenige Verhalten gewählt wird, das zu einem Schaden bzw. zu einer Vergrösserung des Schadens führt», währenddem ein Fehler am Produkt «auf einen Defekt an den Komponenten […] zurückzuführen» .

In der Schweiz regelt unter anderem das Produktehaftpflichtgesetz (PrHG) die Haftung des Herstellers für fehlerhafte Produkte. Das PrHG weist Nähen auf zur Europäischen Richtlinie 85/374/EWG, die aktuell und insbesondere aufgrund der schnellen technologischen Entwicklungen revidiert werden soll. Dabei werden verschiedene Schwächen des Produktehaftungsregimes adressiert, zum Beispiel der eingeschränkte Anwendungsbereich auf Produkte trotz zunehmender Bedeutung von Software, die Bestimmung der Fehlerhaftigkeit bei entwicklungsfähigen Produkten oder die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aufgrund der Beweislastverteilung. Auch der Schweizer Gesetzgeber sollte sich ernsthaft mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen.

Zumindest heute kann ein KI-System selbst nicht Haftungssubjekt sein, denn es ist nicht rechtsfähig. Auch ist es bisher unklar, ob ein KI-System unter die Software-Definition des Produktehaftpflichtgesetzes fällt. Im Bereich der Haftung gibt es offene Fragen und auch hier wird es spannend sein zu sehen, wie die Rechtsprechung damit umgeht. Die oben genannte Unterscheidung zwischen Produktfehler oder Fehlentscheid wird dabei aber voraussichtlich eine wichtige Rolle spielen.

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Internationale Entwicklungen

EU

Die Europäische Union hat im Bereich der Entwicklungen rund um die Digitalisierung einen sehr interventionistischen und damit stark auf Regulierung ausgerichteten Ansatz. So hat sie in den letzten Jahren mehrere Initiativen zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz gestartet. Im April 2021 veröffentlichte die EU-Kommission einen Entwurf einer Verordnung über KI [21] , die verschiedene Anwendungen nach Risikostufen klassifiziert. Die höchsten Risiken, wie zum Beispiel biometrische Erkennung zur Überwachung von Personen oder Social Scoring, sollen dabei verboten werden.

Die Verordnung sieht auch eine Zertifizierungspflicht für bestimmte KI-Anwendungen vor, um sicherzustellen, dass sie den europäischen Standards entsprechen. Darüber hinaus sollen Anbieter von KI-Systemen verpflichtet werden, transparente und verständliche Informationen über die Funktionsweise ihrer Systeme bereitzustellen.

Es gibt jedoch Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit der Verordnung, da einige KI-Anwendungen schwer zu klassifizieren und zu regulieren sind. So haben zum Beispiel Expertinnen und Experten aus Technik und Juristerei im Juli 2023 den EU AI-Act einem Praxistest unterzogen. Auch dort wurde festgestellt, dass man ziemlich schnell auf Probleme bei der Anwendbarkeit stösst [22] . Ebenfalls gibt es Bedenken, dass die Regulierung Innovationen behindern könnte.

Die Verordnung muss noch von den EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament gebilligt werden. Es wird erwartet, dass die Verabschiedung der Verordnung frühestens Ende 2023 erfolgen wird.

Einige EU-Mitgliedstaaten haben bereits eigene Initiativen zur Regulierung von KI gestartet, um den Einsatz von KI in bestimmten Anwendungsbereichen zu regulieren oder zu verbieten. Beispielsweise hat Frankreich 2018 eine nationale KI-Strategie veröffentlicht, die auf ethischen und rechtlichen Prinzipien basiert und die Entwicklung von KI fördern soll. Im Jahr 2020 hat Deutschland ein KI-Strategiepapier veröffentlicht, das auch ethische und rechtliche Aspekte von KI anspricht und einen Rahmen für die Regulierung von KI-Anwendungen vorschlägt [23] .

Die EU reguliert, indem sie ein möglichst allumfassendes, risikobasiertes und eigens für KI entwickeltes Gesetz erlässt. Dieses regelt die verschiedenen Rechtsbereiche und Problemstellungen zentral für KI-Systeme und Anwendungen. Dieses Vorgehen passt in die Rechtsordnung der EU und wird aufgrund des Zeitpunkts vermutlich auch zu einem Vorreitergesetz für andere Staaten. Wie sich dieses Gesetz in der Anwendung dann ausgestaltet, ist zurzeit noch schwierig abzuschätzen, da der finale Text zurzeit noch nicht vorliegt. Jedoch zeigt sich bereits jetzt, dass die rasanten Fortschritte in dieser Technologie dazu führen, dass Teile der geplanten Gesetzgebung bereits vor Inkrafttreten wieder veraltet sind.

Europarat

Derzeit laufen im Europarat Verhandlungen zu einer Konvention zu Künstlicher Intelligenz. Diese Konvention soll sicherstellen, dass KI-Systeme in einer Weise entwickelt, entworfen und eingesetzt werden, die den Menschenrechten, dem Rechtsstaat, der Demokratie und anderen wichtigen Werten entsprechen [24] .

Ein wichtiger Aspekt der Diskussionen ist die Forderung, dass KI-Systeme transparent sein sollten. Dies bedeutet, dass Entscheidungen von KI-Systemen nachvollziehbar sein müssen. Dies besonders, wenn sie Auswirkungen auf das Leben von Menschen haben können, wie beispielsweise bei der Vergabe von Arbeitsplätzen.

Ein weiterer Aspekt der Konvention ist die Idee, dass KI-Systeme die Menschenrechte respektieren sollten. Dies bedeutet, dass KI-Systeme so konzipiert sein sollten, dass sie die menschliche Würde, die Privatsphäre und die Freiheit respektieren. Zum Beispiel sollten KI-Systeme nicht verwendet werden, um Diskriminierung oder Überwachung zu fördern.

Die Konvention des Europarats richtet sich laut aktuellem Entwurf an die Mitglieder des Europarats und somit an die Staaten. Die Schweiz als Mitglied wird die aus der Konvention herausgehenden Prinzipien und Pflichten übernehmen müssen. Der konkrete Anpassungsbedarf dürfte sich bei genauerer Betrachtung aber in Grenzen halten, da die daraus resultierenden Grundprinzipien wie zum Beispiel keine Diskriminierung im Schweizer Rechtssystem bereits weitgehend technologieneutral abgebildet sind. Abschliessende Aussagen können aber erst gemacht werden, wenn der definitive Text vorliegt.

USA

Sieben führende Technologieunternehmen in den USA haben sich im Sommer 2023 mit der amerikanischen Regierung auf Grundregeln zum Umgang mit den neuen Technologien geeinigt. Dabei steht die Sicherheit im Zentrum. Die sich konkurrenzierenden Unternehmen haben erklärt sicherzustellen, dass die Technologien sicher sind, bevor sie öffentlich zugänglich gemacht werden. Ebenfalls wollen sie diese so gut wie möglich gegen Cyberangriffe schützen. Auch Transparenzbestimmungen, im Sinne einer Kennzeichnung von durch KI erstellte oder veränderte Inhalte, sind vorgesehen [25] .

Am 30. Oktober 2023 hat nun Präsident Biden eine Durchführungsverordnung zum Umgang mit KI-System erlassen. Darin enthalten sind umfassende Massnahmen, die die amerikanische Bevölkerung vor den potenziellen Risiken von KI-System schützen sollen. Dazu gehört unter anderem die Pflicht für Entwickler Ergebnisse von Sicherheitstests mit der Regierung zu teilen, die Entwicklung von Massnahmen, die gewährleisten sollen, dass KI-Systeme sicher und vertrauenswürdig sind, der Schutz vor Betrug durch KI und der Aufbau von Cybersicherheitsprogrammen. Ausserdem soll das Parlament ein Datenschutzgesetz erlassen, welches die Privatsphäre der Amerikaner auch vor durch KI generierten Risiken schützt. Weitere behandelte Themen sind die Förderung von Gerechtigkeit, ein Schutz für Verbraucher und Arbeiter. Trotzdem wollen die Vereinigten Staaten ihre Vorreiterrolle in der KIEntwicklung nicht gefährden und sicherstellen, dass Innovation und Wettbewerb weiterhin möglich sind [26] .

Während es auf nationaler Ebene keine staatliche Regulierung gibt, wurde im Staat New York ein Gesetz [27] erlassen, welches die Nutzung von KI in Bewerbungsprozessen reguliert und unangemessene Ungleichbehandlung verhindern soll. Zentral dabei sind Transparenzbestimmungen. So müssen Firmen im Bewerbungsprozess offenlegen, mit welcher KI-Software sie arbeiten. Auch soll es unabhängige statistische Untersuchungen geben, Vorurteile ausfindig zu machen und zu beheben. Wenig überraschend wird die Regulierung kritisiert; für die einen geht sie nicht weit genug, für die anderen ist sie schlicht unnötig [28] .

China

Auch in China führt die neue Technologie zu Herausforderungen. ChatGPT ist aufgrund der grossen Firewall der chinesischen Regierung nicht verfügbar und eine brauchbare chinesische Alternative gibt es zurzeit noch nicht. An den grossen KIKonferenzen ist aber auch China mit zahlreichen Projekten vertreten. Bei Gesichtserkennungssoftware sind die Chinesen zurzeit führend. Aufgrund der weit verbreiteten Videoüberwachung im Land stehen hier genügend Daten zur Verfügung.

In China wurde im Frühling 2023 der Entwurf einer Regulierung für generative künstliche Intelligenz veröffentlicht. Damit ist es das erste Land, welches eine Regulierung für Software plant, die Bilder und Texte generieren kann. Ziel ist es, dass erzeugte Inhalte die «Grundwerte des Sozialismus spiegeln». Verboten wären dann zum Beispiel die Diskriminierung aufgrund von Ethnie, Alter oder Geschlecht, die Aufstachelung zur Spaltung des Landes, Untergrabung der nationalen Einheit oder der Sturz des sozialistischen Systems.

Das Gesetz soll ausserdem diverse Pflichten für Anbieter und Entwickler von generativen KI-Programmen enthalten. Nicht nur müssen sämtliche Softwareentwicklungen den Behörden vor der Veröffentlichung vorgelegt werden, bestimmte Pflichten sollen auch bereits für die Entwicklung gelten. Im Sinne der Transparenz müssen bereits durch generative KI-Programme entwickelte Bilder oder Texte durch eine Art Wasserzeichen gekennzeichnet werden. Von gewissen Pflichten ausgenommen sind Unternehmen, die ihre Software nur ausländischen Kunden oder Firmenkunden zur Verfügung stellen.

Experten sind sich uneinig, was für eine Auswirkung die Regulierung auf Chinas Position im KI-Wettkampf haben wird. Die chinesische Regierung hat zwar ihre grundsätzliche Unterstützung für generative KI zum Ausdruck gebracht, jedoch gewichten sie die nationale Sicherheit zurzeit scheinbar höher [29]

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Diskussion in der Schweiz

Politische Diskussion

Der Bundesrat hat bereits 2019 einen Bericht über KI veröffentlicht, in dem er die Chancen und Herausforderungen der Technologie beleuchtet . Er betont darin, dass die Schweiz eine führende Rolle bei der Entwicklung und Nutzung von KI einnehmen soll, aber auch die damit verbundenen ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen berücksichtigen muss. In Bezug auf die Regulierung von KI hat der Bundesrat eine vorsichtige und differenzierte Herangehensweise empfohlen. Er bevorzugt dabei freiwillige Selbstregulierung und ethische Richtlinien, um den Einsatz von KI zu fördern. Gleichzeitig anerkennt der Bundesrat jedoch die Notwendigkeit, bestimmte Bereiche der KI durch gesetzliche Bestimmungen zu regeln, insbesondere wenn es um Risiken für die Sicherheit, Privatsphäre oder den Schutz der Grundrechte der Menschen geht.

Am 22. November 2023 hat der Bundesrat entschieden, Regulierungsansätze für Künstliche Intelligenz prüfen zu lassen. Er will dabei gleichzeitig den positiven Nutzen von KI fördern und allfällige Risiken minimieren. Der nun beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation angeforderte Bericht soll bis Ende 2024 vorliegen und verschiedene Ansätze aufzeigen, die mit den bis dann geltenden internationalen Vorgaben kompatibel sind. Der Bericht wird die Basis für den Auftrag einer konkreten Regulierungsvorlage KI 2025 .

Im Schweizer Parlament gab es in den vergangenen Sessionen diverse Vorstösse in Bezug auf KI. Verschiedene parlamentarische Initiativen wurden eingereicht, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für deren Einsatz zu klären und möglicherweise spezifische Regulierungen einzuführen. Diese Vorstösse haben ganz unterschiedliche Zielsetzungen: Einige zielen darauf ab, den Schutz der Privatsphäre zu , die Transparenz von KI-Systemen zu , die Haftung für fehlerhafte zu gewährleisten oder Deep Fakes zu . Andere gehen so weit, dass sie für gewisse Anwendungsformen eine Aufsicht oder gar ein Moratorium fordern une es wird auch der Wunsch laut, sich an der Regulierung in der EU zu orientieren.

Aus Sicht der Wirtschaft zeigen solche Vorstösse auf, dass eine Diskussion über die Möglichkeiten und Risiken von KI wichtig ist. Gleichzeitig belegen die unterschiedlichen Stossrichtungen dieser Vorstösse aber auch, dass eine vorschnelle und umfassende KI-Regulierung der falsche Lösungsansatz wäre. Es gilt vielmehr, die Entwicklungen eng zu verfolgen und dabei gezielt zu analysieren, wie weit es spezifische Lücken im Rechtssystem gibt, welche es zu füllen gilt. So scheinen viele bestehende Gesetze durch ihre Technologieneutralität zurzeit gute Lösungen auf die aktuellen Entwicklungen anzubieten und es wird an den Gerichten liegen, auf der Basis konkreter Fälle und unter Anwendung der generell abstrakten Normen eine Praxis zu entwickeln. Bloss in denjenigen Gebieten, in denen klar identifizierte Gesetzeslücken bestehen oder zu grosse Rechtsunsicherheit besteht, sollten diese durch gezielte Eingriffe behoben werden.

Ein Beispiel für einen gelungenen Vorstoss ist die Motion Dobler, FDP (23.3201) «Rechtslage der künstlichen Intelligenz. Unsicherheiten klären, Innovation

DLT-Vorlage

2019 stand der schweizerische Gesetzgeber bereits einmal vor der Herausforderung, eine neue Technologie regulatorisch zu erfassen. Die Technologie der verteilten Register (distributed ledger technology, DLT). Die damals entwickelte regulatorische Lösung hat in Bezug auf den regulatorischen Umgang mit neuen Technologien Vorbildcharakter. Statt eine eigentliche «Blockchain-Gesetzgebung» zu lancieren, wurde das DLT-Gesetz als Rahmengesetz konzipiert. Es wurden darin unterschiedliche Gesetze angepasst und ergänzt. Dabei gab es drei relevante Stossrichtungen: Erhöhung der Rechtssicherheit, Beseitigung von Hürden für Anwendungen, die auf DLT oder Blockchain basieren sowie Begrenzung neuer Risiken. Das Gesetz basierte auf den bestehenden Prinzipien unseres Rechtssystems und fand damit im Parlament breite Unterstützung. Die Umsetzung hat gezeigt, dass die Schweiz sich den Herausforderungen der technologischen Entwicklung stellen und auf Basis des bestehenden Rechts Innovation ermöglichen kann.

Position der Wirtschaft

Es ist zu früh, bereits jetzt konkrete regulatorische Eingriffe vorzunehmen. Eine übereilte Regulierung von KI hat negative Auswirkungen auf Innovation, Wettbewerb und die globale Zusammenarbeit. Gerade KMU würden durch eine solche Regulierung massiv belastet.

Die Wirtschaft möchte politischem Aktivismus eine klare Strategie für das weitere Vorgehen entgegenstellen. Gleichzeitig sieht auch sie Handlungsbedarf in gewissen Punkten. Wichtig ist jedoch, die Diskussion auf die relevanten Elemente zu fokussieren.

Das Schweizer Rechtssystem ist durch seine langen Entstehungsprozesse und seine Rechtstradition fundiert, durchdacht und nachhaltig. In den meisten Fällen muss ein Gesetz nicht grundlegend revidiert werden, da es von Beginn weg prinzipien- und risikobasiert sowie wettbewerbs- und technologieneutral ausgestaltet ist. Es schliesst somit auch vielfältige Entwicklungen – wie auch KI – bereits mit ein.

Eine umfassende gesetzliche Regulierung in Form eines KI-Gesetzes ist nicht nötig. KI als allgemeines neues «Phänomen» bzw. als neue technische Möglichkeit ist – wie jedes andere Phänomen auch – von der ganzen Rechtsordnung erfasst.

Die prinzipienbasierte Herangehensweise ermöglicht es deshalb grundsätzlich, auch rasante Entwicklungen wie KI mit dem geltenden Recht aufzufangen. Sie erlaubt den Unternehmen ausserdem, ihre neuen Produkte an den geltenden Rechtsgrundsätzen auszurichten.

Vielen Fragen im Zusammenhang mit KI dürfte damit ohne Anpassungen bereits heute mit den bestehenden Gesetzen begegnet werden können – beispielsweise im Datenschutzgesetz, im Zivilgesetzbuch, dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dem Strafgesetzbuch usw. Betreibt jemand unlauteren Wettbewerb, so verstösst er auch dann gegen die einschlägigen Regeln des UWG, wenn er dies mithilfe von KI macht. Sollte wider Erwarten gestützt auf die geltende gesetzliche Regelung keine angemessene Lösung für eine bestimmte Anwendung mit KI gefunden werden, können solche Lücken gezielt gefüllt werden.

Einzelne solche zielführenden Bestimmungen finden sich heute schon in der schweizerischen Rechtsordnung. Prominentes Beispiel ist die im Zuge der jüngsten DSG-Revision eingefügte Bestimmung von Art. 21 insbesondere Abs. 1 DSG. Demgemäss ist die betroffene Person zu informieren, wenn eine Entscheidung ausschliesslich aufgrund einer automatisierten Bearbeitung von Daten basiert und für sie mit Rechtsfolgen verbunden ist oder sie erheblich beeinträchtigt. Dies wäre zum Beispiel bei einer ausschliesslich automatisierten Festlegung von Hypothekarzinsen einzelner Kunden der Fall.

Gestützt auf Erfahrungen im Umgang mit KI kann es sein, dass punktueller regulatorischer Bedarf erkannt wird, zum Beispiel, um ausreichende Rechtssicherheit im Hinblick auf im Massengeschäft taugliche Geschäftsmodelle zu generieren, ähnlich, wie dies beispielsweise bei der DLT-Gesetzgebung der Fall war. Soweit dieser Fall eintreten wird, sollten aber solche punktuellen regulatorischen Anpassungen möglichst flexibel ausgestaltet sein, um der hohen Dynamik der technischen Entwicklung rasch Rechnung tragen zu können.

Eine KI-spezifische Gesetzgebung – so insbesondere eine Regulierung entlang des Modells der EU – ist abzulehnen. Eine solche würde nicht der Historie der Schweizer Gesetzgebung entsprechen und wäre vermutlich ausserdem schon beim Inkrafttreten wieder veraltet.

Wenn die Schweiz auf Basis ihrer Rechtsetzungstradition klar identifizierte Lücken schliesst, so ist dies dem Vorgehen der EU, welche versucht, eine kaum fassbare Technologie zu regeln, überlegen. Eine eigenständige Regulierung lässt es der Schweiz offen, Entwicklungen zu ermöglichen und Rechtssicherheit zu schaffen. Gerade im internationalen Standortwettbewerb ist ein solches Vorgehen zu bevorzugen, da es flexible und technologieneutrale Lösungen ermöglicht, die den Bedürfnissen der Schweizer Wirtschaft gerecht werden.

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