
Die Schweiz ohne Industriezölle: alle profitieren
25.03.2019
Auf einen Blick
Zölle sind aktuell hoch im Kurs: Während die USA, China, die EU und weitere Länder ihre Zölle anheben, will sie die Schweiz für Industrieimporte gleich ganz aufheben. Dies ist jedoch keine Reaktion auf den aktuellen Handelskonflikt, sondern ein alter Zopf, der schon lange abgeschnitten gehört. Er kostet die Unternehmen jedes Jahr Millionen von Franken und verteuert die Konsumentenpreise. Die stark exportorientierte Schweizer Industrie will heute keinen Schutz in Form von Zöllen mehr, sondern entlastet werden. Insbesondere auch administrativ – der Aufwand der Zollerhebung steht in keinem Verhältnis zu den generierten Einnahmen. Der Bundesrat hat vor, die Importzölle auf sämtliche Industriegüter auf null Franken zu setzen. Von dieser längst überfälligen Massnahme würden nicht nur die Unternehmen sowie Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch die Volkswirtschaft insgesamt profitieren.
Das Wichtigste in Kürze
Der Bundesrat hat vor, die Importzölle auf sämtliche Industriegüter auf null Franken zu setzen. Durch die längst überfällige Massnahme, die hochkompetitive Länder wie Hongkong und Singapur schon lange eingeführt haben, gewinnt die Schweiz gleich dreifach:
Die importierenden Unternehmen werden von ungefähr 500 Millionen Franken Zollabgaben pro Jahr entlastet. Sie haben ausserdem weniger administrativen Aufwand in der Höhe von schätzungsweise 100 Millionen Franken. Tiefere Einstands- und Handelspreise führen zu effizienteren Handelsbeziehungen, stärken die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft der Schweizer Unternehmen. Folglich können diese mehr exportieren, werden produktiver und deshalb nochmals wettbewerbsfähiger, wodurch sie mehr Arbeitsplätze schaffen können. Deshalb führt die Industriezollaufhebung zweitens direkt und indirekt zu tieferen Preisen für Konsumentinnen und Konsumenten. Schätzungen diesbezüglich liegen bei 350 Millionen Franken. Drittens profitiert die Volkswirtschaft insgesamt von der Zollaufhebung: Das Bruttoinlandprodukt (BIP) steigt um rund 860 Millionen Franken und das Einkommen pro Kopf um 43 Franken pro Jahr.
Diese positive Bilanz der Industriezollaufhebung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Handelskosten weiter sinken müssen, will der Wirtschaftsstandort Schweiz gegenüber seiner Konkurrenz nicht weiter an Attraktivität verlieren. Dazu gehören unter anderem die komplette Digitalisierung und Vereinfachung der bestehenden Zollprozesse in der Schweiz, die Reduktion des ausgeprägten Grenzschutzes für den Schweizer Agrarmarkt und der Abbau technischer Handelshemmnisse.
Position economiesuisse
- Die Zollaufhebung auf Industrieimporte ist eine wichtige Strukturmassnahme für die Schweiz. Als Exportnation erfährt sie keinen Schutz, sondern Nachteile durch Importzölle. Insbesondere die administrativen Kosten der Zollerhebung sind unverhältnismässig.
- Nicht nur die Unternehmen (rund 500 Millionen Franken Zoll- und 100 Millionen Franken administrative Entlastung), sondern auch die Konsumenten (Preissenkung um 350 Millionen Franken) und schliesslich die Volkswirtschaft insgesamt profitieren (BIP-Zunahme um 860 Millionen Franken).
- In den Freihandelsabkommen der Schweiz haben die Industriezölle kaum mehr eine Bedeutung. Der Schweiz entstehen durch die unilaterale Zollaufhebung in den Verhandlungen entsprechend keine wesentlichen Nachteile.
- Die Zollaufhebung ist ein starkes Symbol für liberale Handelsbeziehungen, die volkswirtschaftlich stets positiv wirken.
- Auf die Zollaufhebung muss der Abbau weiterer Handelshemmnisse (unter anderem durch Digitalisierung und Vereinfachung der Zollprozesse, Reduktion des ausgeprägten Grenzschutzes für den Schweizer Agrarmarkt, den Abbau technischer Handelshemmnisse und durch den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen) folgen, will der Wirtschaftsstandort Schweiz nicht weiter an Attraktivität verlieren.

Ausgangslage: Die Exportnation Schweiz ist mit Protektionismus konfrontiert
Nachdem die USA kürzlich 25 Prozent Importzoll auf Stahl und chinesische Roboter eingeführt haben, hat China umgehend reagiert und 25 Prozent Zoll auf US-amerikanische Sojabohnen und Flugzeuge eingeführt. Die EU wiederum folgte mit 25 Prozent Zollanhebung auf amerikanische Jeans und Jachten. Der internationale Handelsstreit, der im Frühjahr 2018 begonnen hat, hat sich in seiner Entwicklung seither auf weitere Produktkategorien und Länder ausgeweitet. Er wird mit einem Mittel geführt, das in den vorherigen Jahren im Vergleich zu anderen protektionistischen Massnahmen eher unpopulär geworden ist: mit hohen Importzöllen.
Auch in der Schweiz sind Zölle gegenwärtig in aller Munde. Einerseits, weil die Unternehmen teilweise vom aktuellen Handelsstreit betroffen sind und die Politik mithilft, den Schaden abzuwehren. Andererseits werden die sehr hohen Importzölle der Schweiz auf Agrarprodukte zu einem immer höheren Stolperstein beim Abschluss oder bei der Erneuerung von Freihandelsabkommen.
Zurzeit verschafft den Zöllen aber noch ein anderer Aspekt Aufmerksamkeit: Der Bundesrat hat im Dezember 2017 ein Massnahmenpaket zur Bekämpfung der «Hochpreisinsel Schweiz» gutgeheissen. Die wichtigste und weitreichendste Massnahme in diesem Paket ist die unilaterale Aufhebung der Importzölle auf Industriegüter.
Schweizer Unternehmen begrüssen diese Massnahme
Werden die Zölle abgeschafft, würden die Unternehmen in der Schweiz ungefähr 500 Millionen Franken an Zollkosten sowie 100 Millionen an administrativem Aufwand pro Jahr einsparen. Die Konsumentenpreise würden um 0,1 Prozent beziehungsweise 360 Millionen Franken sinken. Schliesslich würde die gesamte Volkswirtschaft profitieren: Das BIP würde gemäss Schätzungen jährlich um 0,1 Prozent beziehungsweise 860 Millionen Franken steigen, das Einkommen pro Kopf um 43 Franken.
Dass die Zollaufhebung die Wirtschaft ankurbelt, ist nicht verwunderlich, denn niedrige Handelshürden sind in einer globalisierten Weltwirtschaft für jeden Staat zentral. Noch mehr trifft dies aber auf die Schweiz zu, eine der international integriertesten Volkswirtschaften der Welt (die Aussenhandelsquote beträgt 84 Prozent). Die Schweiz zeichnet sich ausserdem durch die Produktion innovativer Güter und Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung aus. Entsprechend profitiert sie überdurchschnittlich davon, wenn sie Vorleistungen günstig aus dem Ausland importieren kann. Dies macht die Unternehmen gegenüber ihrer internationalen Konkurrenz wettbewerbsfähiger – auch im Export.

Dass die Schweiz ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt, ist dringend nötig: Im jüngsten «Global Competitiveness Report» beispielsweise erreicht die Schweiz keinen Spitzenplatz mehr, sondern lediglich den vierten Platz – nach den USA, Singapur und Deutschland. Beim Indikator Handelsoffenheit – der die Importzölle, die nichttarifären Handelsbarrieren, die Komplexität der Zölle und die Effizienz der Zollveranlagung misst – fällt die Schweiz weit ab gegenüber ihrer Konkurrenz, auf Rang 76.
Über Effizienz und Transparenz von Grenzverwaltungen gibt der «Global Enabling Trade Report» noch detaillierter Aufschluss. Darin zeigt sich: Die Schweiz hat bei Qualität und Umfang der Zolldienstleistungen Nachholbedarf (Platz 19), sowie bei der Zeit, die für Nachweispflichten (Platz 31) und für die Konformität tarifärer und nichttarifärer Regulierungen (Platz 5) bei der Grenze aufgewendet werden muss. Auch bei den diesbezüglichen Kosten (Platz 29 respektive 20) ist die Schweiz wenig kompetitiv.
Unilaterale Aufhebung der Importzölle auf Industriegüter
Als Industriegüter klassifizieren sich alle Güter ausser Agrargüter, Futter- und Lebensmittel. Sie können in Investitionsgüter, Rohstoffe, Halbfabrikate und Konsumgüter (z.B. Fahrräder, Autos, Haushaltsgeräte oder Kleider) unterteilt werden. Eine unilaterale Aufhebung der Importzölle bedeutet, dass die Schweiz den Zollansatz auf jene Güter autonom auf null Franken setzen würde. Sämtliche internationalen Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der WTO oder bestehender Freihandelsabkommen (FHA) blieben unverändert. Industriegüter machen wertmässig 95,2 Prozent (2018) aller Importe in die Schweiz aus. Die Importzölle auf Industriegüter betragen heute durchschnittlich 1,8 Prozent (2017). Sie generieren 40,9 Prozent aller Zolleinnahmen beziehungsweise rund 486 Millionen Franken, was 0,7 Prozent der Bundeseinnahmen entspricht (2016).

Wie die Unternehmen profitieren
Warum die unilaterale Massnahme nötig ist
Die Schweiz verfügt aktuell über 30 Freihandelsabkommen mit 40 Freihandelspartnern (Februar 2019). Aus diesen Freihandelspartnerländern sowie aus Entwicklungsländern können Industriegüter zum Nullzollansatz importiert werden – unter der Bedingung, dass die Produkte im Ursprungsland genügend bearbeitet wurden (siehe Box «Ursprungsregeln»).
Ein Blick in die Zollertragsstatistik zeigt jedoch: Drei Viertel aller Zolleinnahmen auf Industriegüter stammen von Importen aus Freihandelspartner- oder Entwicklungsländern (siehe Grafik 1). Was sind die Gründe? Verantwortlich sind einerseits die restriktiven Ursprungsregeln. Grösstenteils ist dieser Umstand aber darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen den Aufwand der Nutzung des Freihandelsabkommens als grösser einschätzen als die finanziellen Einsparungen durch den präferenziellen Zoll.
Schweizer Unternehmen bezahlen aktuell rund 500 Millionen Franken Zollkosten pro Jahr (2016: 486,1 Millionen, 2017: 506,4 Millionen) auf Importe von Industriegütern. Dies, obwohl aufgrund der Freihandelsabkommen der Grossteil dieser Zollabgaben gar nicht mehr anfallen würde. Nebst dem multi- und bilateralen Ansatz der Zollreduktion empfiehlt sich für die Schweiz entsprechend, im Bereich der Industriezölle unilateral vorzugehen.
Das unilaterale Vorgehen ist auch deshalb angezeigt, weil die Neuverhandlungen (etwa mit den USA, Indien und den Mercosur-Staaten) und Wiederverhandlungen (etwa mit Japan und Mexiko) von Freihandelsabkommen mit einigen wichtigen Handelspartnern nur schleppend voranschreiten. Hauptgrund dafür ist in vielen Fällen der sehr hohe Grenzschutz auf Agrarprodukten (durchschnittlich 35 Prozent Zoll).
Ursprungsregeln in Freihandelsabkommen
Damit ein Produkt mit einem reduzierten Zollsatz («präferenziell») in die Schweiz eingeführt werden kann, muss es im Herkunftsland vollständig gewonnen beziehungsweise hergestellt oder ausreichend be- oder verarbeitet werden. Die notwendige Verarbeitungsstufe wird anhand eines Wertschöpfungsanteils oder spezifischer Be- und Verarbeitungsschritte bestimmt. Diese «Ursprungsregeln» sind in den jeweiligen Freihandelsabkommen beziehungsweise in der Verordnung über die Ursprungsregeln für Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer unterschiedlich liberal oder restriktiv ausgestaltet. Erfüllt ein Produkt die erforderlichen Bestimmungen, beschafft ein Importeur beim Produzenten den entsprechenden Ursprungsnachweis. Er legt diesen der Importzollbehörde vor (in der Schweiz der Eidgenössischen Zollverwaltung) und archiviert die entsprechenden Dokumente. Der Ursprungsnachweis wird kontrolliert, allenfalls kommt es zu einem Nachprüfungsverfahren durch die Zollverwaltung. Die Nutzung von Freihandelsabkommen ist also stets mit einigem administrativem Aufwand verbunden.
Grafik 1
Drei Viertel der 2016 eingenommenen Industriezölle stammen aus EU-/EFTA- und weiteren Freihandelspartnerländern.

Zolleinsparungen: Sektoren und Unternehmen sind unterschiedlich betroffen
Von einer unilateralen Industrieimportzollaufhebung würde ein Fünftel der Industrieimporte profitieren. Das entspricht einem Importwert von ungefähr 45 Milliarden Franken. Die einzelnen Sektoren und Unternehmen werden unterschiedlich stark entlastet.
Tabelle 2
Besonders hoch sind die Zollansätze auf Textilien, Bekleidung sowie Holz und Papier. Auch bei den einzelnen Produkten gibt es grosse Unterschiede: Die Bandbreite der Zölle erstreckt sich von 0,3 Prozent im Sektor Elektrogeräte bis zu 8,6 Prozent im Sektor Bekleidung.

Grundsätzlich gilt: Je höher die Zölle in einer Branche sind, desto stärker wird sie entlastet. Besonders hoch im Bereich der Industriegüter sind heute die Zollansätze auf Textilien (durchschnittlich 5,6 Prozent), Bekleidung (4,0 Prozent) sowie auf Holz und Papier (3,7 Prozent). Auch auf Ebene der einzelnen Produkte gibt es grosse Unterschiede: Die Bandbreite der Zölle erstreckt sich von 0,3 Prozent im Sektor Elektrogeräte bis zu 8,6 Prozent im Sektor Bekleidung. Wie hoch die Zollbelastung einer Branche oder eines Unternehmens ist, hängt aber auch davon ab, wie hoch der Importanteil ist, der tatsächlich zollfrei importiert wird.
In absoluten Zahlen ergibt sich für unterschiedliche Produktkategorien folgendes Bild: Beim Import von Textilien, Bekleidung und Schuhen fallen jährlich ungefähr 225 Millionen Franken Zollabgaben weg (die Branche kam 2016 für gut die Hälfte der Zolleinnahmen auf). 50 Millionen Franken werden beim Import von Autos, Motor- und Fahrrädern sowie weiteren Fahrzeugen eingespart (siehe auch Erläuterungen zum Ursprungsnachweis/Parallelimporten im nächsten Abschnitt). Weitere 50 Millionen Franken Einsparungen gibt es bei Maschinen und elektronischen Geräten, 28 Millionen Franken bei Stahlprodukten und weiteren Metallen und Waren daraus, 27 Millionen Franken bei Lederware und Kunststoffen und 22 Millionen Franken bei chemisch-pharmazeutischen Produkten.
Für einzelne Unternehmen kann die Zollentlastung noch stärker ins Gewicht fallen – gerade für jene, die in volumenmässig kleinen Branchen (etwa die Textil- und Bekleidungsbranche) tätig sind. Was die heutigen Zollsätze für ein einzelnes Unternehmen bedeuten können, zeigen die drei Fallbeispiele in der Box «Konsequenzen hoher Zollabgaben».
Grafik 2
Textilien, Bekleidung und Schuhe sowie Fahrzeuge und Maschinen, Apparate und Elektronik würden am meisten Zollabgaben einsparen.

Konsequenzen hoher Zollabgaben – drei Beispiele aus der Textil- und Bekleidungsindustrie
- Ein Textilunternehmen mit rund 200 Mitarbeitenden in der Schweiz nutzt sämtliche Freihandelsabkommen und auch die Möglichkeiten der Spezialverfahren (unter anderem aktiver/passiver Veredelungsverkehr oder die Zollbegünstigung nach Verwendungszweck). Dennoch hat das Unternehmen eine Zollbelastung von rund 170’000 Franken pro Jahr. Das entspricht ungefähr 8,5 Prozent der jährlichen Investitionen des Unternehmens. Geld, das stattdessen für wichtige Investitionsprojekte wie zum Beispiel die Digitalisierung eingesetzt werden könnte.
- Ein Veredelungsbetrieb kann aufgrund der hohen Zölle nur noch in der EU einkaufen. Häufig käme es zu Engpässen bei der Verfügbarkeit. Mit einer Zollabschaffung gewinnt das Unternehmen an Flexibilität.
- Eine Weberei bezahlt jährlich im hohen fünfstelligen Bereich Zölle. Ihr selbst bringt der «Zollschutz» nichts: Sie stellt hoch spezialisierte Gewebe her, vor ausländischer Konkurrenz hat sie sich kaum zu fürchten.
Der administrative Aufwand ist unverhältnismässig hoch
Die WTO spricht von Schattenzöllen oder «nuisance tariffs» , wenn der administrative Aufwand der Zollabwicklung höher ist als die Einnahmen, die aus den Zollabgaben erzielt werden. Darunter zählen unter anderem Zollansätze unter 3,0 Prozent. Da der durchschnittliche Importzoll auf Industriegüter in der Schweiz 1,8 Prozent beträgt, fallen also auf fast alle Industrieimporte «nuisance tariffs» an.
Von welchem administrativen Aufwand ist die Rede? Unternehmen müssen jede grenzüberschreitende Transaktion dem Zollamt melden und die Mehrwertsteuer abrechnen. An der Grenze kommt es oft zu Wartezeiten, beispielsweise weil die Zollstellen nicht durchgängig geöffnet sind. Wer gemäss Freihandelsabkommen zollbefreit importieren möchte, hat ausserdem einen Ursprungsnachweis zu erbringen (siehe Box «Ursprungsregeln in Freihandelsabkommen»). Gemäss Schätzungen macht dieser Ursprungsnachweis etwa 20 Prozent des gesamten administrativen Aufwands (exklusiv Zölle) der Unternehmen zur Einfuhr aus.
Unternehmen, die Vormaterialien weiterverarbeiten und danach unter Nutzung eines Freihandelsabkommens exportieren, müssen teilweise auch künftig Ursprungsnachweise für ihre Vormaterialien haben, damit sie von einer Zollreduktion profitieren können. Für Konsumgüter, die in der Schweiz an den Endverbraucher verkauft werden, fiele der Ursprungsnachweis durch die Aufhebung der Industriezölle aber definitiv weg.
Bei den Handelspartnern der EU und der EFTA würde schätzungsweise bei 42 Prozent ihres gesamten Warenexportwerts in die Schweiz der Ursprungsnachweis entfallen. Bei den übrigen Freihandelspartnern und den Entwicklungsländern liegt dieser Anteil tiefer, bei 23 beziehungsweise 18 Prozent.
Viel Aufwand verursachen heute auch die sogenannten Spezialverfahren. Auch sie fielen fast vollständig weg. Zu den Spezialverfahren gehören die «Provisorische Veranlagung» (wegen fehlender/ungültiger Ursprungsnachweise), der «Aktive Veredelungsverkehr», die «Vorübergehende Verwendung» sowie die «Zollerleichterung je nach Verwendungszweck».

Grafik 3 zeigt eine typische Lieferkette in der Textilindustrie, die mit bis zu 15 Prozent Zollkosten belastet wird. Da die Ursprungsregeln teilweise sehr restriktiv sind, senken in der Realität auch Freihandelsabkommen die Zollkosten oft nicht. Einige Unternehmen weichen deshalb auf Spezialverfahren aus, etwa die aktive Veredelung. Deren Anwendung ist jedoch sehr kompliziert und oft wird vergessen, dass die verarbeiteten Produkte aufgrund des in wichtigen Abkommen festgehaltenen Drawbackverbots
Drawbackverbot: Diese Regel in einigen Abkommen besagt, dass keine Präferenz ausgewiesen werden darf, wenn bei der Herstellung des Produkts Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft verwendet wurden, die Gegenstand einer Rückerstattung oder Nichterhebung von Zöllen sind (z.B. im Veredelungsverkehr ein- und wieder ausgeführte Waren).
nun nicht mehr präferenzbegünstigt exportiert werden können. Bei einem unilateralen Zollabbau könnten die Unternehmen auch ohne Spezialverfahren importieren und ihre verarbeiteten Produkte haben – sofern die Ursprungsregel erfüllt wird – beim Export auch den präferenziellen Ursprung, der anderweitig durch das Drawbackverbot verloren ginge. Das Unternehmen könnte also die ganze Lieferkette zollfrei abwickeln.
Grafik 3
Die Zollkosten können bis zu 15 Prozent des Warenwerts betragen. Da die Ursprungsregeln teilweise sehr restriktiv sind, senken in der Realität auch Freihandelsabkommen die Zollkosten oft nicht.

35 Prozent aller Industriegüterimporte in die Schweiz können schätzungsweise von der administrativen Entlastung durch die Industriezollaufhebung profitieren. Das entspricht Einsparungen von mindestens 100 Millionen Franken pro Jahr aufseiten der Schweizer Unternehmen – wobei der Abklärungsaufwand für das geeignete Verfahren, das Fehlerrisiko, Bussen, Schulungen für Mitarbeitende oder die geringere Flexibilität beim (strategischen) Einkauf in diesen 100 Millionen Franken noch nicht berücksichtigt sind. Die administrative Entlastung ist hier also zurückhaltend eingeschätzt und dürfte den oben aufgeführten Betrag in der Realität übersteigen.
Bei der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) sänke durch die Industriezollaufhebung der Aufwand für Auskunftserteilung, Bewilligungen, Kontrollen und Nachprüfungsverfahren im Zusammenhang mit Ursprungsnachweisen. Schätzungen gehen von 7 Millionen Franken Einsparpotenzial aus. Ressourcen, die die EZV an die Unternehmen oder in anderer Form an die Allgemeinheit weitergeben müsste.
Schliesslich hätten auch in die Schweiz exportierende ausländische Unternehmen durch den Ursprungsnachweiswegfall weniger Aufwand. Ihre Einsparungen durch die Importzollaufhebung werden auf 150 Millionen Franken geschätzt.

Wie die Konsumentinnen und Konsumenten profitieren
Tiefere Preise, grössere Auswahl
Das Leben in der Schweiz ist teuer. Konsumgüter sind 29 Prozent, Investitionsgüter 30 Prozent teurer als in den EU-15. Für die höheren Preise sind auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite Faktoren verantwortlich, staatliche Massnahmen und Beschränkungen des Wettbewerbs tragen ihres dazu bei. Ein Teil dieser Faktoren entspricht einem Bedürfnis (beispielsweise hohe Qualität), lässt sich nicht ändern (etwa die Topografie) oder nur mit massiven Einbussen (beispielsweise hohe Produktivität beziehungsweise das hohe Lohnniveau).
Die Politik kann allerdings verfehlte staatliche Wettbewerbshindernisse abbauen, die die Kosten erhöhen und die Produkte verteuern. Wie die vorangehenden Kapitel zeigen, gehören Zölle in diese Kategorie. 500 Millionen Franken Zollabgaben bedeuten, dass die Importe um mindestens 500 Millionen Franken zu teuer sind. Soweit der Wettbewerb funktioniert, ist davon auszugehen, dass Unternehmen die niedrigeren Kosten beim Import von Kleidern, Autos oder Kosmetika an die Konsumenten weitergeben. Allerdings können nicht nur Konsumgüter, sondern auch Rohstoffe, Halbfabrikate und Investitionsgüter durch die Zollaufhebung günstiger importiert werden. Die tieferen Preise für Vorleistungen haben zur Folge, dass die Produktionskosten der Unternehmen sinken und die Importe zunehmen. Damit wird der Wettbewerb unter den Unternehmen gestärkt, was ebenfalls preissenkend wirkt.
Grafik 4
Konsumgüter, Rohstoffe, Halbfabrikate und Investitionsgüter für die Industrie oder den Agrarsektor könnten dank der Industriezollaufhebung günstiger importiert werden.

Wie stark der Preis eines Produkts aufgrund der Aufhebung der Industriezölle sinkt, ist primär abhängig von den Zollsätzen, der administrativen Belastung und dem Mengenanteil, der heute schon zollfrei importiert wird. Für Letzteres sind verschiedene Gründe verantwortlich – wie administrativer Aufwand, Ursprungsregeln und Herkunft der Ware. Ein weiterer Grund ist jener, dass ausländische Hersteller unabhängigen Importeuren (Parallelimporteuren) teilweise verweigern, den Ursprungsnachweis auszustellen. So kann beispielsweise ein Autohersteller ein Auto über seine Tochterfirma zu einem höheren Preis verkaufen, ohne in Konkurrenz zu den Parallelimporten zu stehen. Da die Industriezollaufhebung den Ursprungsnachweis im Falle der Autoimporte überflüssig macht, können Parallelimporteure gegenüber offiziellen Importeuren künftig nicht mehr benachteiligt werden.

Modellrechnungen gehen davon aus, dass die Preise in der Schweiz je nach Produktgruppe um 0,1 bis 2,6 Prozent sinken würden. Aggregiert und über alle Sektoren hinweg sänke das Preisniveau um 0,1 Prozent beziehungsweise 350 Millionen Franken (2016).
Die drei Sektoren Textil, Bekleidung und Leder/Schuhe, bei denen der Zollabbau zu den grössten Entlastungen führt, zeigen gemäss einer Modellrechnung von Ecoplan bei den einheimischen Güterpreisen mit -3,6 Prozent den stärksten Rückgang. Schweizer geben pro Monat im Schnitt 210 Franken für Schuhe und Bekleidung aus (2016). Da der durchschnittliche Zollansatz auf Bekleidung und Schuhe heute 3,6 Prozent beträgt, würden sie durch die Zollaufhebung also jeden Monat ungefähr 7.50 Franken sparen beim Kauf von Schuhen und Kleidern.

Der Nutzen für die Volkswirtschaft
Die Volkswirtschaft: wettbewerbsfähige Exportindustrie
Wie bereits erwähnt, gewinnt die gesamte Volkswirtschaft netto von einer Zollaufhebung über verschiedene indirekte Effekte:
Die Importe steigen
Einerseits verzerren Zölle die Marktpreise und somit die Handelsbeziehungen: Ohne Marktverzerrungen ziehen die Importeure bei ihren Kaufentscheidungen wieder stärker die Qualität, den Preis und die Transportkosten in Betracht, als wenn sie zusätzlich die Zollabgaben und den administrativen Aufwand miteinberechnen müssen. Die Zollaufhebung schafft so und durch die günstigeren Importkosten an sich also effizientere Handelsbeziehungen. Diese stärkt den Wettbewerb und führt zu einer Zunahme der Importe (+0,5 Prozent).
Die Exporte steigen
Weil ohne Zölle die Kosten der Vorleistungen sinken und Handelsbeziehungen effizienter werden, sinken auch die Produktionskosten der Unternehmen. Sie erhöhen ihre Produktivität und stärken so wiederum ihre Wettbewerbsfähigkeit. In der Folge steigen auch die Schweizer Exporte (+0,4 Prozent).

Das BIP steigt
Das BIP in der Schweiz würde durch all diese Effekte jährlich um 860 Millionen Franken (+0,13 Prozent) höher liegen (2016). Die administrativen Einsparungen, die die Unternehmen durchschnittlich erfahren, sind bemerkenswerterweise hauptverantwortlich für diese positiven Wohlfahrtseffekte. Diese Schätzung ist allerdings zurückhaltend. Die zu erwartenden positiven Effekte eines attraktiveren Wirtschaftsstandorts Schweiz – also etwa tiefere Regulierungs- und Handelskosten, stärker integrierte Märkte und mehr Rechtssicherheit – sind darin nicht berücksichtigt.
Die Löhne steigen
Da die Wirtschaftsleistung durch den Zollabbau steigt, nimmt auch die Nachfrage nach Arbeit und Kapital zu. Dies führt zu leicht höheren Löhnen (+0,13 Prozent) beziehungsweise 82 Franken pro Vollzeitstelle. Das Kapitaleinkommen in der Schweiz steigt um 0,19 Prozent oder 0,33 Milliarden Franken.
Das Einkommen pro Kopf steigt
Ecoplan hat auch ausgerechnet, dass bei einer Zollaufhebung die Einkommen steigen würden. Nach Abzug des im Modell angenommenen Transfers zur Kompensation der beim Staat wegfallenden Zolleinnahmen nimmt das Einkommen um 43 Franken pro Kopf der Schweizer Bevölkerung zu.
Was kostet den Staat die Zollaufhebung?
Die Zollabgaben der Unternehmen fliessen heute in die Bundeskasse. Durch die Zollaufhebung würde der Staat also ungefähr 490 Millionen Franken pro Jahr weniger einnehmen (2016).
Weil der Zollabbau zu Effizienzgewinnen führt, die eine höhere Wirtschaftsleistung und entsprechend höhere Steuereinnahmen zur Folge haben, nimmt der Staat bei gleichbleibenden Steuersätzen mehr Steuern ein. Diese zusätzlichen Steuereinnahmen dürften laut Ecoplan jährlich 150 Millionen Franken betragen. Das entspricht einer Kompensation von ungefähr 30 Prozent der wegfallenden Zolleinnahmen, angenommen, die realen Pro-Kopf-Staatsausgaben bleiben konstant. Die Lücke zwischen Staatsausgaben und -einnahmen würde also rund 310 Millionen Franken pro Jahr betragen. Setzt der Bund die 7 Millionen Franken, die die Eidgenössische Zollverwaltung an Aufwand potenziell einsparen kann, tatsächlich frei, könnte dieser Betrag von der Lücke zusätzlich abgezogen werden.
Eine Übersicht über die Auswirkungen der Industriezollaufhebung auf Staat, Unternehmen, Konsumenten und schliesslich die Volkswirtschaft insgesamt zeigt Grafik 5.
Grafik 5
Die verschiedenen Effekte auf Staat, Unternehmen und Konsumenten resultieren in einer volkswirtschaftlich positiven Bilanz.


Schwächt die Schweiz ihre Position in FHA-Verhandlungen?
Gibt die Schweiz vorschnell und ohne Not Verhandlungsmasse ab, wenn sie sich autonom entscheidet, ihre Zölle auf Industrieimporte aufzuheben? Insbesondere folgende Aspekte sind diesbezüglich zu berücksichtigen:
- Die Industriezölle haben in den Verhandlungen über Freihandelsabkommen, die die Schweiz führt, an Bedeutung verloren. Da die Industrie keine Zölle mehr wünscht und die Schweiz netto von ihnen nicht profitieren kann, bietet die Schweiz ihren Verhandlungspartnern stets von Beginn weg den Nullzollansatz an. Viel wichtiger als die Industriezölle sind heute die Diskussionen um die Bereiche Agrarzölle, Schutz des Geistigen Eigentums, Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen und nichttarifäre Handelshemmnisse geworden. Ausserdem bezahlen Entwicklungsländer, mit denen die Schweiz jüngst Freihandelsabkommen abgeschlossen hat oder mit denen sie um einen Abschluss bemüht ist – beispielsweise Indonesien, Malaysia, Argentinien, Brasilien und Indien – bereits heute keine Zölle auf Industriegüter (mit Ausnahme der meisten Textilien).
Der Vorteil von Freihandelsabkommen im Bereich Industriezölle liegt eher darin, dass die Zölle nicht auf den MFN-Zollsatz der WTO angehoben werden können, wenn sie einmal ratifiziert sind. Freihandelsabkommen bieten diesbezüglich also einen Schutz vor einer politisch willkürlichen Anhebung der Zölle. Hinter der Zollreduktion steht oft auch die Absicht, durch verbesserten Marktzugang Schweizer Investitionen anzulocken.
- Bis zum Jahr 2018 haben Zölle auch weltweit als Handelsschutzmassnahme an Bedeutung verloren. Andere Hindernisse wie bedingte Handelsschutzmassnahmen (Antidumping-, Ausgleichs- und Schutzmassnahmen), Subventionen und Exportmassnahmen sind dahingegen viel öfter erlassen worden (siehe Grafik 6).
- Zu guter Letzt profitieren auch die Freihandelspartner der Schweiz (und die Entwicklungsländer gemäss APS) von der Schweizer Industriezollaufhebung. Sie dürften den Nullzoll bei allfälligen Modernisierungen der bestehenden Abkommen kaum als Argument gegen die Schweiz verwenden. Ihre eigenen Exportunternehmen werden, da sie weniger Ursprungsnachweise ausstellen müssen, schätzungsweise um 150 Millionen Franken an administrativem Aufwand entlastet.

Dass die unilaterale Zollreduktion Freihandelsgespräche nicht wesentlich beeinträchtigt, zu diesem Schluss kommt auch eine Untersuchung mit Fallstudien zu Kanada, Neuseeland und Norwegen. Schliesslich aber ist die unilaterale Zollaufhebung schlicht der effizienteste Weg, den Handel zu erleichtern und effizienter zu gestalten. Der bilaterale Ansatz ist stets mit zusätzlichen administrativen Kosten verbunden.
Grafik 6
Subventionen, bedingte Schutzmassnahmen und Massnahmen für den Export sind beliebtere Instrumente zum Schutz der eigenen Industrie als die Erhöhung von Importzöllen (2017). Knapp die Hälfte der handelsliberalisierenden Massnahmen betraf die Reduktion der Importzölle.


Fazit und Ausblick: Die Handelskosten müssen weiter sinken
Die Industriezollaufhebung ist eine strukturelle Massnahme, von der nicht nur die Unternehmen und Konsumenten, sondern die Volkswirtschaft beziehungsweise die Gesellschaft insgesamt profitiert. Klar ist aber auch, dass die Zollaufhebung kein Allheilmittel ist. Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Unternehmen beim Warenimport weiterhin eine Zollanmeldung ausfüllen müssen. Auch kann es sein, dass der Aufwand für die Unternehmen an anderen Orten leicht steigt, beispielsweise weil sie die Produzenten und Lieferanten in Zukunft stärker sensibilisieren müssen, in welchen Fällen sie den Ursprungsnachweis benötigen und in welchen nicht. Ausserdem müssen Unternehmen, die Vormaterialien weiterverarbeiten und danach unter Nutzung eines Freihandelsabkommens exportieren, teilweise auch künftig Ursprungsnachweise für ihre Vormaterialien haben, damit sie von einer Zollreduktion profitieren können. Administrativer Aufwand fällt also beim grenzüberschreitenden Warenverkehr auch nach Aufhebung der Industriezölle an.

Die Unternehmen sind bereit, die teilweise zuerst einmal kostspieligen Umstellungen mitzutragen. Will der Wirtschaftsstandort Schweiz gegenüber seiner Konkurrenz nicht weiter an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit verlieren, muss die Aufhebung der Industriezölle jedoch zwingend weitere Vereinfachungen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr nach sich ziehen. Dazu gehört die komplette Digitalisierung und Vereinfachung der bestehenden Zollprozesse in der Schweiz (die Wirtschaft legt deshalb besonderes Augenmerk auf das Transformations- und IT-Programm DaziT der EZV, das genau dieses Ziel bis 2026 erreichen will). Auch die Reduktion des ausgeprägten Grenzschutzes für den Schweizer Agrarmarkt ist zentral sowie der Abbau technischer Handelshemmnisse und der Abschluss weiterer Freihandelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern.
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