
Auf einen Blick
Die Schweiz soll Ort eines riesigen volkswirtschaftlichen Experiments werden: Die Vollgeld-Initiative will das Geldsystem radikal umbauen: In Zukunft soll allein die Nationalbank Franken schöpfen können, während die Geschäftsbanken nur noch mit Sparguthaben gedeckte Kredite verleihen dürfen. Hinterlegt ist Vollgeld mit nichts – es handelt sich also eigentlich um «Leergeld». Ausweichversuche auf andere Zahlungsmittel wollen die Initianten wenn nötig mit einschneidenden Regulierungen unterbinden.
Das Wichtigste in Kürze
Die Vollgeld-Initiative will in der Schweiz ein Geldsystem einführen, in welchem die Nationalbank die absolute und direkte Kontrolle über die Geldmenge innehat. Entsprechend soll es Geschäftsbanken verboten werden, durch die Vergabe von Krediten Geld zu schöpfen. Kredite sollen nur noch vergeben werden können, wenn sie vollumfänglich mit Sparguthaben hinterlegt sind. Dies ist ein radikaler Umbau des heutigen Systems, der in dieser Form bisher nirgendwo auf der Welt ausprobiert wurde. Die Initianten erhoffen sich einen sicheren Zahlungsverkehr, weniger Finanzblasen und die Verhinderung von Bank Runs. Die mit ihrem Vorschlag verbundenen Nachteile blenden sie hingegen konsequent aus. Denn einerseits wäre das künftig direkt von der Nationalbank in Umlauf gebrachte Geld mit nichts hinterlegt – also vielmehr «Leergeld» als Vollgeld. Andererseits wäre eine grosse Menge neuer Regulierungen nötig, um Umgehungsversuche – etwa das Ausweichen auf andere Währungen oder das Schöpfen von Franken im Ausland – zu unterbinden. Die Initiative geht aber noch weiter, indem sie äusserst grosszügige jährliche Gewinnausschüttungen an Staat und Bevölkerung verspricht. Der vorgeschlagene Verfassungstext gefährdet damit auch die unabhängige Geldpolitik der Nationalbank.
Position economiesuisse
- Dem aus dem Nichts geschaffenen Geld steht keine Sicherheit oder kein Wertpapier gegenüber: Statt Vollgeld handelt es sich um Leergeld.
- Der Zahlungsverkehr würde teurer: Der Kleinkunde müsste die Zeche zahlen. > Ausweichversuche auf andere Währungen oder die Schöpfung von Franken im Ausland müssten durch eine Flut von neuen Regulierungen eingedämmt werden.
- Die Vorlage verspricht hohe jährliche Ausschüttungen durch die Nationalbank an Bund, Kantone und Bevölkerung und setzt damit deren Unabhängigkeit aufs Spiel.
- Die Initiative ist unverantwortlich: Sie verhindert zwar Bank Runs auf Sichtguthaben, gefährdet aber die Preisstabilität und riskiert eine Währungskrise.
- economiesuisse lehnt die Initiative entschieden ab: Es handelt sich um ein weltweit beispielloses Hochrisikoexperiment.

Milch und Honig
Was will die Initiative?
Die Autoren der Initiative «Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank!» versprechen der Schweiz eine rosige Zukunft: Dank Vollgeld sei das Geld auf hiesigen Konten endlich absolut sicher. Die Steuerzahlenden und die Realwirtschaft würden von der Seigniorage profitieren. Finanzblasen und Bank Runs könnten verhindert werden und der Staat müsste in Schwierigkeiten geratene Banken nicht mehr zwingend retten. Schliesslich könnte sich die Finanzbranche wieder in den Dienst der Gesellschaft stellen und das Geld- und Bankensystem wäre kein Buch mit sieben Siegeln mehr, sondern endlich wieder für jedermann verständlich. Kurz: Wenn jetzt im Rhein auch noch Milch und Honig flössen, wäre das Schlaraffenland Schweiz perfekt.
Doch wie so oft bei Vorlagen, welche die Welt radikal verbessern wollen, werden auch beim Vollgeld mögliche Vorteile glorifiziert und gravierende Nachteile und Risiken ignoriert. Hinter der Initiative steht der Verein Monetäre Modernisierung (MoMo), der sich auf Ideen des deutschen Ökonomen und Sozialwissenschaftlers Joseph Huber stützt. In den Reihen der Unterstützer finden sich mehrere bekannte Wachstumskritiker und auffallend viele Personen aus Deutschland. Ähnlich wie bei der im Juni 2016 deutlich verworfenen Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen scheint auch in diesem Fall eine internationale Gruppierung eine ideologisch eingefärbte These im direktdemokratischen «Versuchslabor» Schweiz testen zu wollen.
Seigniorage
Der Begriff «Seigniorage» leitet sich vom französischen Seigneur (Feudalherr) ab. Es ist dies eine Referenz an Zeiten, als das Recht der Münzprägung – ursprünglich verleiht vom König – in den Händen des jeweiligen Feudalherrn lag (sogenanntes Münzregal). Dieser konnte den Mehrwert zwischen dem Metallwert und dem nominalen Wert der in Umlauf gebrachten Münzen abschöpfen. Heute steht der Begriff in allgemeinerer Form für jenen Gewinn, der durch die Ausgabe von Zentralbankgeld anfällt.

Was ist Vollgeld?
Das Vollgeld-Konzept würde eine tief greifende Veränderung des heutigen Geldsystems bewirken. Doch was möchte man verändern und wie soll es funktionieren? In diesem Kapitel wird die Entwicklung des Schweizer Geldsystems kurz erläutert und danach aufgezeigt, welche Änderungen die Vollgeld-Initianten daran vornehmen wollen.
Der Weg zum heutigen Geldsystem
Das heutige Geldsystem ist relativ jung. Mit der aufkommenden Handels- und Gewerbefreiheit öffneten vor rund 180 Jahren in vielen Kantonen zahlreiche öffentliche und private Notenbanken ihre Tore, um das Bedürfnis der Bevölkerung nach einem Zahlungsmittel zu befriedigen. Neben den von diesen Banken ausgegebenen neuartigen Papierscheinen (Banknoten) zirkulierten zahlreiche verschiedene Münzen, mit dem Batzen als inoffizielle Münze der Schweiz.
Nach der Gründung des Bundesstaates 1848 wurde zunächst das Münzregal dem Bund übertragen. Dieser definierte und prägte fortan die Schweizer Münzen. Einen weiteren Schub in Richtung mehr Zentralisierung erlebte die noch junge Schweiz in den frühen 1880er-Jahren, als sie Regulierungen für die noch immer relativ marktwirtschaftlich organisierte Banknotenemission erliess.
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde den kantonalen und privaten Banken verboten, Banknoten herauszugeben. Dieses Recht wurde der neu gegründeten Schweizerischen Nationalbank (SNB) übertragen.
Wer schöpft Geld?
Seit 1907 schöpft die SNB Notenbankgeld. Die Notenbankgeldmenge – bestehend aus dem Banknotenumlauf und den Giroguthaben der Banken bei der SNB – wird als Geldmenge M0 bezeichnet und beträgt zurzeit rund 500 Milliarden Schweizer Franken. Die Nationalbank bringt das Geld in Umlauf, indem sie beispielsweise von den Geschäftsbanken Devisen gegen Schweizer Franken kauft oder Repogeschäfte abschliesst. Der Devisenankauf ist aufgrund der Eurokrise momentan das wichtigste Instrument der SNB, unter normalen Marktbedingungen ist hingegen das Repogeschäft tonangebend. Tabelle 1 zeigt die stilisierten Bilanzen der Notenbank und einer Geschäftsbank. In diesem Beispiel kauft die Notenbank von der Geschäftsbank Devisen in der Höhe von 50 Millionen Franken und verlängert dadurch ihre Bilanz um denselben Betrag. Bei der Bank bewirkt die Transaktion einen Aktivtausch: Sinkenden Devisenbeständen steht eine Erhöhung der Giroguthaben gegenüber.
Grafik 1
Mittels dem Kauf von Devisen von einer Geschäftsbank kann die SNB Schweizer Franken in Umlauf bringen.
Die SNB schöpft Notenbankgeld durch den Kauf ausländischer Devisen
Quelle: eigene Darstellung

Neben der SNB schöpfen im heutigen System auch Geschäftsbanken Geld. Durch Kreditvergabe bringen sie Buchgeld in Umlauf. Dieser Sachverhalt ist in Abbildung 2 dargestellt. Wenn eine Bank einen Kredit in der Höhe von 900’000 Franken vergibt, schreibt sie dem Kunden den entsprechenden Betrag als Sichteinlage auf seinem Konto gut. Die Sichteinlagen bilden zusammen mit dem Bargeld bei Nichtbanken die Geldmenge M1 und stehen für Zahlungszwecke zur Verfügung. M1 beträgt aktuell knapp 600 Milliarden Schweizer Franken.
Die Geldschöpfung der Geschäftsbanken unterliegt klaren Begrenzungen. Um nicht in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten, müssen die Banken sicherstellen, dass die Kreditnehmer die Kredite auch zurückzahlen können. Den meisten Krediten steht daher eine Sicherheit gegenüber, zum Beispiel in Form von Immobilien oder Wertpapieren. Zudem sind die Banken verpflichtet, einen Teil der Kundeneinlagen mit Reserven zu hinterlegen sowie Liquiditäts- und Kapitalvorschriften zu erfüllen. Schliesslich kann die SNB über ihr geldpolitisches Instrumentarium die Zinssätze am Geldmarkt und damit die Geldmenge indirekt über die Kreditnachfrage steuern.
Grafik 2
Neu geschöpftes Buchgeld entsteht bei Geschäftsbanken durch die Vergabe von Krediten.
Banken schöpfen Buchgeld durch die Vergabe von Krediten
Quelle: eigene Darstellung

Das Vollgeldsystem
Die Vollgeld-Initiative möchte unser heutiges Geldsystem in zwei Punkten grundlegend verändern. Erstens soll die Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken verboten werden, indem das Buchgeldmonopol der SNB übertragen wird. Die SNB wäre dadurch die einzige Institution, die Geld in Umlauf bringen kann. Banken könnten Kredite nur noch auf der Basis von Spargeldern vergeben, die für eine bestimmte Zeitdauer nicht abrufbar wären. Sie müssten das Vollgeld ausserhalb ihrer Bilanz auf einem neu geschaffenen Zahlungskonto – ähnlich den heutigen Wertschriftendepots – verbuchen. Zweitens wollen die Initianten auch den Prozess, wie Geld in Umlauf gebracht wird, umbauen. Die SNB soll Vollgeld schaffen, ohne dass sie etwas kauft und einen Gegenwert erhält. Kraft ihrer Institution könne sie Vollgeld als Wert definieren. Dieses «Helikoptergeld» könne sie schuldlos an den Staat und die Bevölkerung auszahlen und auf diese Weise den Geldumlauf bestimmen.
Tabelle 3 zeigt die Bilanzmechanik: Weil die SNB gesetzliche Zahlungsmittel ausgeben darf, schreibt sie sich per Knopfdruck schuldfreies Buchgeld im Umfang von 10 Milliarden Franken auf der Aktivseite gut und erhöht ihr Eigenkapital so um denselben Betrag. Dieses aus dem Nichts geschaffene Geld kann sie nun an Staat und Bevölkerung verteilen. Ihre Aktiven und ihr Eigenkapital verringern sich wieder wie in Tabelle 4 dargestellt und Staat und Bevölkerung besitzen 10 Milliarden Franken mehr.
Die Initianten versprechen sich von einem solchen System einen krisensicheren Zahlungsverkehr, weil Bank Runs nicht mehr auftreten könnten. Das Bankensystem soll sicherer und die Too-big-to-fail-Problematik entschärft werden. Zudem würde die Bevölkerung von der Ausschüttung der Seigniorage durch die SNB profitieren.
Grafik 3
Gemäss der Initiative soll neues Geld allein durch eine Bilanzverlängerung der SNB entstehen.
Buchgeld wird «gedruckt» durch eine Bilanzverlängerung

Grafik 4
Dieses Buchgeld wird anschliessend als «Helikoptergeld» an die Öffentlichkeit verteilt.
Buchgeld wird an Staat und Bevölkerung verteilt
Quelle: eigene Darstellung

Der Chicago-Plan
Vollgeld wird oft mit einem Geldsystem verwechselt, welches eine Mindestreservepflicht von 100 Prozent verlangt. Der bekannteste Entwurf für ein 100-Prozent-Reserve-System (auch 100-Prozent-Banking, 100-Prozent-Geld oder Vollreserve) ist der Chicago-Plan aus den 1930er-Jahren. Trotz einiger Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die beiden Geldsysteme in zentralen Punkten: Während Vollgeld selbst ein Vermögenswert ist und ausserhalb der Bankbilanz aufgeführt wird, wird beim 100-Prozent-Geld die Bank verpflichtet, ihre Sichteinlagen zu 100 Prozent mit Zentralbankgeld zu hinterlegen. Beim Vollgeld kann lediglich die Zentralbank Geld schaffen. Beim 100-Prozent-Geld könnten weiterhin die Banken Geld als Kredit gegen Zins in Umlauf bringen. Geld wäre demnach unter dem Chicago-Plan weiterhin eine Schuld und kein Vermögenswert.

Ein gewaltiges Experiment mit ungewissem Ausgang
Die Schweiz als Versuchskaninchen
Die von den Initianten beschriebenen Vorteile des Vollgeldsystems sind keineswegs gesichert und die Risiken und Nachteile eines solchen Systemwechsels werden grösstenteils ignoriert. Mit der Annahme der Initiative würde die Schweiz zu einem gewaltigen Versuchslabor umgebaut. Als Probanden müsste die Schweizer Bevölkerung herhalten. Die Umstellung auf Vollgeld könnte unabsehbare Folgen haben und das Wachstum und den Wohlstand in der Schweiz gefährden. Kein anderes Land kennt Vollgeld oder hat dieses System jemals ausprobiert. Die Schweiz stünde als Versuchskaninchen vor einer ungewissen Zukunft.
Louisiana und Münzgeld als untaugliche Vergleiche
Die Initianten führen Louisiana und das Münzgeld in der Schweiz als Beweis ins Feld, dass Vollgeld sehr gut funktioniere. Dieser Vergleich hält aber einer detaillierten Analyse nicht stand. Äpfel werden dabei bestenfalls mit Birnen verglichen.
Nach der US-Bankenkrise von 1837 wurde die Bankenregulierung von Washington an die einzelnen Staaten delegiert. Während Texas und Iowa Banken gleich komplett verboten, setzten andere – allen voran New York – auf das sogenannte «Free Banking», ein System ohne jegliche Bankenregulierung. Louisiana entschied sich mit dem Free-Banking-Gesetz von 1853 ebenfalls für einen marktwirtschaftlichen Weg, verpflichtete die Banken jedoch bereits ab 1842, ihre Einlagen und Banknoten zu einem Drittel mit Bargeld und zwei Dritteln mit kurzfristigen Papieren zu decken. Während das New Yorker System sehr erfolgreich war, war auch die Lösung von Louisiana ab den 1850er-Jahren relativ erfolgreich und stabil.
Das Beispiel von Louisiana taugt aber nicht wirklich für einen Vergleich. Damals existierte keine Zentralbank, die als Monopolist Geld in Umlauf brachte. Banken emittierten im Wettbewerb zueinander Banknoten. Das System stellte vielmehr einen Mix aus der Free-Banking-Periode in der Schweiz im 19. Jahrhundert und dem Chicago-Plan dar und funktionierte somit ganz anders als das von den Initianten vorgeschlagene Vollgeld.
Auch das Münzgeld entpuppt sich als untauglicher Vergleich. Der Schweizer Franken wurde zur Zeit der Einführung 1851/52 definiert als fünf Gramm Silber 900 Promille fein. Das Fünffrankenstück war eine Kurantmünze, ihr innerer Wert entsprach also ihrem Nominalwert. Banknoten verbreiteten sich erst ab den 1870er-Jahren stark und auch Buchgeld hatte damals noch nicht seine heutige Dominanz. Franken-Münzen waren neben ausländischen Kurantmünzen weit verbreitet und wurden rege genutzt. Die ersten Franken-Münzen waren jedoch kein Vollgeld, sondern hatten einen inneren Wert, der – ausser bei Rappen-Münzen mit einem Nominalwert von 20 Rappen und weniger – dem Nominalwert entsprach. Seigniorage durch die Prägung von Münzen war somit nur in sehr begrenztem Umfang möglich.
Heute beträgt der Metallwert der Schweizer Münzen nur noch einen Bruchteil ihres Nominalwerts. Entsprechend kann der Bund mit der Münzprägung Seigniorage erzielen. Trotzdem ist ein Vergleich mit dem Vollgeldsystem nicht zulässig. Zum einen bildet der Bund Rückstellungen in der Höhe von 65 Prozent der sich im Umlauf befindenden Münzen. Da gestützt auf Erfahrungswerte mit einem Schwundanteil von 35 Prozent gerechnet wird, kann der Bund selbst bei einem vollständigen Rücklauf der Münzen diese erfolgsneutral gegen Banknoten oder Buchgeld tauschen, indem er auf seine Rückstellung zugreift. Zum anderen beträgt der Münzanteil an der Gesamtgeldmenge mittlerweile weniger als ein Prozent. Die Konsumenten haben die vollgeldähnlichen Münzen grösstenteils durch Banknoten und Buchgeld ersetzt.
Zwei Hauptrisiken aufgrund fehlender Vergleiche
Damit können wir festhalten, dass die Vollgeld-Initiative ein fundamental neues Geldsystem einführen will, das es so in der Geschichte noch nie gegeben hat. Auch wenn andere Geldsysteme Ähnlichkeiten zu Vollgeld aufweisen, lassen sich keine Analogien ableiten. Damit einhergehend sind zwei Hauptrisiken auszumachen: Erstens ist die Unsicherheit gross, ob der Übergang vom heutigen System zum Vollgeldsystem ohne gravierenden volkswirtschaftlichen Schaden gelingen könnte. Zweitens ist stark zu bezweifeln, dass im Vollgeldsystem die gewünschten Effekte resultieren und gleichzeitig die negativen Auswirkungen nicht überwiegen. Vollgeld ist deswegen als riesiges volkswirtschaftliches Experiment zu taxieren, dessen Ausgang höchst ungewiss ist.
Übergang zum Banknotenmonopol
Mit der Übergabe des Banknotenmonopols an die neu gegründete SNB mussten rund drei Dutzend private und kantonale Banken ihr Emissionsrecht abtreten. Der Anteil des Notenumlaufs an der Bilanzsumme betrug 1907 im Schnitt rund zwölf Prozent. Um den Banken genügend Zeit zu geben, die notwendige Liquidität zu beschaffen, wurde eine Übergangsfrist von drei Jahren festgelegt. Bis Ende Juni 1910 mussten die Banken den Gegenwert ihrer emittierten Banknoten zu mindestens 40 Prozent in gesetzlichem Zahlungsmittel und den Rest in Bargeld, Wechseln oder Wertschriften bei der SNB abliefern. Weil die Banknoten zu rund 50 Prozent mit Münzgeld gedeckt waren und die Möglichkeit bestand, Wertschriften zu übergeben, wovon einzelne Banken stark Gebrauch machten, verlief der Übergang relativ reibungslos.
Jedoch ergaben sich für die einzelnen Banken teils grosse Veränderungen. Die privaten Emissionsbanken wurden entweder liquidiert oder fusionierten mit anderen Banken, da ihr Geschäftsfeld verboten wurde. Für die Kantonalbanken und übrigen privaten Banken wirkte sich der Wegfall einer Finanzierungsmöglichkeit negativ auf die Rentabilität aus. Mit dem Wegfall der Noten mussten sie unverzinsliche Betriebsmittel ersetzen, was meist via Aktienkapitalerhöhungen umgesetzt wurde. Dies beschleunigte die Konzentration im Schweizer Bankensektor.

Mit leeren Versprechen zu mehr Unsicherheit
Vertrauenswürdigkeit des Frankens gefährdet
Anstatt den Fall Louisiana und Münzgeld mit Vollgeld und damit Äpfel mit Birnen zu vergleichen, sollten Äpfel mit Äpfeln verglichen werden, um den ungewissen Ausgang des Vollgeld-Experiments mit verschiedenen Szenarien zumindest ungefähr skizzieren zu können. Einen Anhaltspunkt bietet das vermeintlich stärkste Argument der Initianten – die Sicherheit des Vollgeld-Frankens.
Weil Zahlungsverkehrskonten ausserhalb der Bilanz geführt würden, ist Vollgeld von Bankenkrisen nicht mehr tangiert. Die ausgegebenen Franken sind stets auf dem eigenen Konto vorhanden und könnten somit jederzeit abgehoben werden. Selbst wenn alle Kunden ihr Vollgeld gleichzeitig abheben wollen, verursacht dies keine Probleme für die Bank. Während dadurch zwar Bank Runs eliminiert werden, würde eine weit grössere Gefahr – ein Run auf die Währung – geschaffen werden. Aktuell führt die SNB auf der Passivseite das Notenbankgeld und auf der Aktivseite einen Mix aus Devisenanlagen, Aktien, Gold und Obligationen. Obschon heute teilweise kritisiert wird, dass die SNB in Euro denominierte Wertschriften in ihren Büchern hält, wäre die Situation unter Vollgeld-Bedingungen ungleich schlimmer. In einem solchen System führt die Nationalbank gar keine Aktiven mehr in ihrer Bilanz. Vollgeld würde als Aktivum definiert und anschliessend an den Staat und die Bevölkerung verschenkt. Es werden somit keine Vermögenswerte erworben, um Vollgeld in Umlauf zu bringen, sondern Vollgeld wird ganz einfach als Vermögenswert definiert.
Diese Praxis könnte das Vertrauen in den Schweizer Franken erschüttern. Wie bereits Voltaire bemerkte, strebt jede Papierwährung schliesslich zu ihrem intrinsischen Wert: Null. Vollgeld würde früher oder später dasselbe Schicksal erleiden, wenn die SNB auf der Aktivseite keine Devisen, Aktien, Gold und Obligationen mehr besässe. Das Vertrauen in den Schweizer Franken könnte schwinden und in einer panischen Flucht aus dem Franken enden. Mit Blick auf historische Vergleiche ist dies leider ein realistisches Szenario.
Die historische Bilanz von Aktivgeld ohne inneren Wert
Die Abwertung von Münzen war überall auf der Welt stets ein beliebtes Mittel, um vermeintliche Gratiseinnahmen zu generieren. Mit verschiedenen Methoden wurde der innere Wert einer Münze verringert und so eine Seigniorage erzielt. Im Byzantinischen Reich wurde der ursprünglich reinen Goldmünze günstigeres Silber beigemischt, wobei der Nominalwert beibehalten wurde. Der Silberanteil wurde stetig erhöht, bis die Münze nur noch aus Silber bestand, was das Vertrauen in die Währung beschädigte und schliesslich in einem Währungskollaps endete. In Japan wurde das Gewicht der Münze regelmässig verringert, bis deren Wert nur noch einem Bruchteil des ursprünglichen entsprach. Die japanische Bevölkerung verwendete fortan Reis als Zahlungsmittel.
Das ebenfalls als Aktivgeld konzipierte Vollgeld besitzt im Gegensatz zu den Münzen gar keinen inneren Wert. Insofern dürfte der Vertrauensverlust in eine solche Währung mindestens ebenso drastisch ausfallen wie in diesen historischen Vergleichen.
Eine Währungskrise hätte einschneidende Konsequenzen für die Schweizer Bevölkerung. Die Kaufkraft des Frankens würde erodieren und damit auch der Wohlstand der Schweiz. Jegliche Vorteile, die die Schweiz aufgrund ihrer wertstabilen Währung seit dem vorletzten Jahrhundert aufgebaut hat, würden so praktisch über Nacht vernichtet.
Mit Vollgeld wäre zwar die Gefahr von Bank Runs eliminiert, die Schweiz würde sie aber bloss gegen das hohe Risiko einer Flucht aus dem Franken eintauschen.
Mit Vollgeld sind Sparguthaben nicht geschützt
Unbestritten: Bank Runs und Bankenkrisen können hohe volkswirtschaftliche Schäden verursachen. Das Vollgeld-System verhindert jedoch nur Bank Runs, nicht aber Bankenkrisen. Der Unterschied ist bedeutend. Ein Bank Run entsteht, wenn viele Kunden gleichzeitig ihr Geld bei der Bank abheben möchten. Aufgrund des Geldschöpfungsmultiplikators ist die Bank nicht in der Lage, alle Gelder gleichzeitig auszuzahlen. Sie wird illiquid, kann eventuell andere Banken in den Strudel hineinziehen und das gesamte Bankensystem gefährden. Einen solchen Bankensturm gibt es im Vollgeldsystem nicht. Hingegen kann eine Bank Konkurs gehen, wenn ihre Kreditnehmer die Kredite nicht mehr zurückzahlen können. Da bei Vollgeld nur die Zahlungskonten sicher sind, würden im Konkursfall die Sparer weiterhin ihr Geld verlieren. Die heutige Einlagensicherung gewährleistet jedoch, dass sämtliche Einlagen eines Kunden bis zu 100’000 Franken bei in- und ausländischen Geschäftsstellen einer Bank geschützt sind.

Der Kleinkunde bezahlt die Zeche
Eingeschränkte Wahlfreiheit
Die Schweizer Bevölkerung muss nicht nur das Risiko einer Währungskrise in Kauf nehmen, sondern wird im Vollgeldsystem auch sonst kräftig zur Kasse gebeten. Denn unter Vollgeld bliebe dem Bankkunden einzig die Wahl zwischen einem sicheren, zinslosen und mit Gebühren behafteten Vollgeld-Zahlungskonto und einem Sparkonto, das zwar mit Zinszahlungen vergütet wird, jedoch einem gewissen Risiko ausgesetzt bleibt und nicht für Zahlungszwecke benutzt werden kann. Das heute von den Kunden bevorzugte Sichtkonto wäre verboten. Die Initianten begrüssen dieses Verbot, lassen dabei aber ausser Acht, dass die Wahl eines Sichtkontos durchaus ein bewusster und rationaler Entscheid sein kann. Denn die Sicherheit ist nicht das einzige Kriterium bei der Wahl des Bankkontos. So dürften die Kunden am Sichtkonto schätzen, dass sie ihr Geld grundsätzlich jederzeit abheben können und im Normalfall gleichzeitig Zinsen erhalten als Entschädigung für das eingegangene Risiko, dass sie ihr Geld in Extremsituation unter Umständen nicht vollständig abheben können. Dass sich die Kunden nicht aus Unwissen über das Risiko für ein Sichtkonto entscheiden, sondern sich dem Risiko durchaus bewusst sind, zeigt eine Umfrage, in der 88 Prozent der Teilnehmer eine diesbezügliche Frage entsprechend beantworten. Trotzdem möchten die Initianten mit einem Verbot des Sichtkontos erwirken, dass der Kunde auf dessen Vorteile verzichten muss.
Wählt ein Anleger im Vollgeld-System die mit Risiken verbundene Variante eines Sparkontos, muss er sein Geld für eine bestimmte Zeitdauer der Bank überlassen und kann währenddessen nicht darüber verfügen. Denn die heute übliche Praxis, dass bei Sparkonten eine Rückzugslimite von mehreren Zehntausend Franken existiert und damit ein Teil der Ersparnisse jederzeit verfügbar ist, wäre nicht mehr verfassungskonform: Damit Zahlungs- und Sparkonten klar getrennt sind, sieht die Initiative vor, dass die Nationalbank eine Mindesthaltedauer für Spareinlagen (zum Beispiel drei Monate) festlegt. Dies wird dazu führen, dass gerade liquiditätsintensive Unternehmen vermehrt das zinslose und gebührenpflichtige Zahlungskonto wählen müssen, um nicht in Liquiditätsengpässe zu geraten. Ein unerwarteter, kurzfristiger Liquiditätsbedarf würde zukünftig sowohl die Wirtschaft als auch Privatpersonen vor grosse Probleme stellen. Erleidet das eigene Auto aufgrund eines Unfalls einen Totalschaden, wird eine Neuanschaffung nur durch die Aufnahme eines Kredits möglich, wenn auf dem Zahlungskonto zu wenig Geld vorhanden ist. Es wäre deswegen nötig, für allerlei Eventualitäten Rückstellungen auf dem Zahlungskonto zu bilden, um jederzeit liquid zu bleiben.
Kostenfalle Vollgeld
Eine Bank muss das Vollgeld ihrer Kunden ausserhalb ihrer Bilanz führen. Es wird ihr damit verboten, Zahlungskonten als Finanzierungsquelle für Kredite zu verwenden. Wie soll sie unter diesen Bedingungen die Kosten für die Kontoführung decken? Sie müsste zahlreiche Leistungen, die heute für den Kunden teilweise kostenlos sind, diesem weiterverrechnen. Gebühren für die allgemeine Kontoführung, Überweisungen, Rechnungen oder Abhebungen am Geldautomaten erhielten ein Preisschild, für die der Kunde aufkommen müsste. Wie sich die Kosten in einem Vollgeld-System dauerhaft präsentieren würden, lässt sich aktuell mit der Tiefzinspolitik der SNB erahnen. Gebühren werden regelmässig erhöht oder neu erhoben, was sich gerade im Portemonnaie der Kleinkunden bemerkbar macht. Einen weiteren Kostenschub werden die Banken und im Endeffekt auch deren Kunden finanzierungsseitig erfahren. Zwar ist zu erwarten, dass sich die Banken anderweitig, zum Beispiel via den Kapitalmarkt oder Spareinlagen finanzieren können. Jedoch ist mit durchschnittlich höheren Fremdfinanzierungskosten zu rechnen – insbesondere bei kleineren und regional ausgerichteten Kreditinstituten, die einen schwierigeren Zugang zum internationalen Kapitalmarkt haben. Bereits Adolf Jöhr, erster Generalsekretär der SNB, zeigte dies als logische Folge des Banknotenverbots für private Banken auf. Für das Buchgeldverbot sind aufgrund ähnlicher Umstände dieselben Auswirkungen zu erwarten. Einige Banken werden aufgrund der höheren Kosten und deren unter Umständen schwierigen Weiterverrechnung wohl keine Zahlungskonten mehr anbieten. Da die Führung von Zahlungskonten mit hohen Fixkosten verbunden ist, dürften insbesondere Kleinkunden von einer kleineren Auswahl betroffen sein. Das plausibelste Szenario ist daher, dass der Kleinkunde die Zeche zahlt. Entweder muss er sein Kapital für eine staatlich bestimmte Mindestdauer der Bank überlassen, oder aber er zahlt hohe Gebühren für sein Zahlungskonto, das er erst noch aus einer geringeren Anzahl Anbietern auswählen muss.
Wenn Banken aufgrund staatlicher Eingriffe ihre Dienstleistungen nur noch vermögenden Kunden anbieten könnten, würde ihnen wohl der Schwarze Peter zugeschoben. Da der Bund gemäss Initiativtext die Versorgung der Wirtschaft mit Finanzdienstleistungen gewährleisten soll und dabei vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen kann, würde die Politik möglicherweise Preisvorschriften erlassen und die Finanzinstitute verpflichten, ein Vollgeldkonto für alle zu führen. Schlimmer noch: Eine solche Entwicklung könnte den Weg ebnen für eine vollständige Verstaatlichung des Bankwesens.

Regulierungstsunami bahnt sich an
Ausländische und alternative Währungen verdrängen den Schweizer Franken
In den vergangenen Jahren wurde der Bankensektor in ein immer enger werdendes staatliches Regulierungskorsett gezwängt. Die Initianten argumentieren, dass diese Regulierungsflut mit Vollgeld eingedämmt werden könne, weil diverse Vorschriften überflüssig würden. Zwar ist es richtig, dass gewisse bankenspezifische Regulierungen wie der Einlagenschutz auf Sichtguthaben, Staatsgarantien oder sogar Teile der internationalen BCBS-Vorschriften (Basel Committee on Banking Supervision) aufgehoben werden könnten. Jedoch treten an ihre Stellen massive Eingriffe, die nicht nur die Banken, sondern die gesamte Wirtschaft und die Bevölkerung betreffen. Die lokale Flut wird demnach von einem globalen Tsunami abgelöst.
Aufgrund der denkbaren Flucht aus dem Franken ist mit der Etablierung von anderen Währungen – zum Beispiel dem Euro – in der Schweiz zu rechnen. Da in der Schweiz kein geschlossener Euro-Zahlungsverkehr existiert, Währungsrisiken entstünden und keiner den «unsicheren Euro» dem «sicheren Franken» vorziehen würde, betrachten die Initianten dieses Szenario als sehr unwahrscheinlich. Doch erstens ist die vermeintliche Sicherheit des Vollgeldfrankens wie oben beschrieben stark zu relativieren, und zweitens ist dies nicht der einzige Entscheidungsgrund für oder gegen ein Zahlungsmittel. Die Bevölkerung und die Unternehmen könnten – wie sie dies heute überwiegend tun – den zusätzlichen Nutzen der Zinszahlungen höher gewichten als das kleine Restrisiko eines Bank Runs und deswegen künftig die europäische Gemeinschaftswährung dem Schweizer Franken vorziehen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber könnten sich daraufhin auf Lohnzahlungen in Euros einigen und Unternehmen würden zusätzlich Euros akzeptieren, wie dies heute schon in Grenzregionen der Fall ist. Der Euro-Zahlungsverkehr würde sich schliessen und durch das Verschwinden des Frankens wäre auch das Währungsrisiko eliminiert. Dies würde jedoch dem vorgeschlagenen Verfassungstext widersprechen, da die SNB ihren gesetzlichen Auftrag – eine Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes zu führen – nicht mehr erfüllen könnte.
Die Initianten hegen die Erwartung, dass nach einem positiven Entscheid der Schweiz bald auch andere Staaten auf ein Vollgeld-System umsteigen würden. Will sich der Bund nicht ebenfalls dem Prinzip Hoffnung verpflichten, dann wird er mit massiven Regulierungen in den Markt eingreifen müssen, um die Euros wieder aus dem Verkehr zu ziehen und die Schweizer Bevölkerung zurück zum Schweizer Franken zu zwingen. Selbst wenn sich die Hoffnung der Initianten erfüllte, alle Länder kurz nach der Schweiz Vollgeld einführen würden und der Euro somit keine Alternative mehr darstellte, wäre aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen damit zu rechnen, dass Alternativwährungen, wie beispielsweise das WIR-Geld oder Bitcoin, einen grossen Nachfrageschub erfahren. Die Initianten sperren sich vordergründig nicht gegen diese Möglichkeit und verkaufen den Fakt, dass der Initiativtext ausdrücklich die Schaffung und Verwendung anderer Zahlungsmittel zulässt, als liberale Errungenschaft. Das gilt aber wie zuvor dargestellt nur, solange der gesetzliche Auftrag der SNB erfüllt werden kann. Ähnlich wie beim Euro-Beispiel müsste der Bund mit Regulierungen und Verboten eingreifen, sobald die Nachfrage der Alternative eine gewisse Höhe erreicht hat. Die Initiative ermöglicht so mitnichten einen Wettbewerb der Währungen. Denn sobald sich eine Währung aufgrund ihrer überlegenen Eigenschaften bei der Bevölkerung durchgesetzt hat, müsste sie in ihrer Verwendung vom Staat entweder stark eingeschränkt oder gleich vollständig verboten werden, um der Verfassung nicht zu widersprechen. Ein liberales Projekt sieht anders aus.
Schöpfung von Franken im Ausland
Wenn Vollgeld aufgrund von Verboten und Einschränkungen die anderen Währungen in der Schweiz verdrängt hat, ergeben sich weitere Möglichkeiten, dieses zu umgehen. So ist beispielsweise die Schöpfung von Schweizer Franken im Ausland denkbar. Obschon die Initianten dies in der Theorie für möglich erachten, halten sie es in der Praxis für irrelevant, weil im Ausland kaum jemand Sichteinlagen in Franken halten werde. Diese statische Sichtweise vernachlässigt die Dynamik, die eine Umstellung auf Vollgeld mit sich bringen würde. Wie die SNB in einem Brief an die Initianten darlegt, ist es durchaus denkbar, dass Frankeneinlagen im Ausland bei veränderten Rahmenbedingungen zunehmend für inländische Transaktionen genutzt werden könnten. Um dies zu unterbinden, müsste erneut der Staat einschreiten – beispielsweise mit Kapitalverkehrskontrollen – und der Wirtschaft und der Bevölkerung entsprechende Kosten auferlegen. Wie auch immer sich die Kunden im Vollgeld-System verhalten – ob sie auf alternative Währungen oder im Ausland geschöpfte Franken ausweichen –, der Staat müsste umgehend einschreiten. Ein umfassender Regulierungstsunami wäre die Folge.
Gezielte Massnahmen statt Vorschlaghammer
Das heutige System funktioniert zwar nicht perfekt, aber doch relativ gut: Seit dem Zusammenbruch der Spar- und Leihkasse Thun im Jahre 1991 erlebte die Schweiz keinen Bank Run. Bankenpleiten konnten ohne grössere Probleme absorbiert werden und die Finanzkrise verlief für die Schweiz relativ glimpflich. Sollte es in Zukunft dennoch zu einer Bankenpleite kommen, sichert die Einlagenversicherung die Kundengelder bis zu einem Betrag von 100’000 Franken. Statt mit dem Vorschlaghammer vorzugehen, sollten dort Massnahmen ergriffen werden, wo es sinnvoll ist. So wurde in den letzten Jahren die Regulierungsdichte im Finanzbereich massiv verschärft. Künftig braucht es nicht mehr, sondern bessere Regulierung.

Das Vollgeldsystem belastet und behindert die Nationalbank
Die SNB als Spielball von Partikularinteressen
Damit die Kosten, Risiken und die eingeschränkte Wahlfreiheit verdaubar werden, versuchen die Initianten mit Ausschüttungen im Umfang von rund 10 Milliarden Franken pro Jahr an Bund, Kantone und die Bevölkerung, ihre Idee der Allgemeinheit schmackhaft zu machen. Ein solcher Geldsegen bringt grosse Gefahren mit sich. Bereits das heutige System schafft Anspruchshaltungen: Bund und Kantone budgetieren die erwarteten Ausschüttungen der SNB in der Höhe von rund einer Milliarde Franken jährlich als künftige Einnahmen und planen ihre Ausgaben entsprechend. Als 2014 die Zahlungen nach dem Rekordverlust der Nationalbank ausblieben, reagierten einige Kantone unwirsch und machten so Druck auf die SNB.
Man muss kein Prophet sein, um sich ausmalen zu können, wie sich dieser Druck im Vollgeldsystem mit Ausschüttungen im zweistelligen Milliardenbereich erhöhen würde. Würden zehn Milliarden Franken pro Jahr verteilt, entspräche dies rund sieben Prozent der heutigen Aufwendungen von Bund und Kantonen. Ein solcher Zuschuss führt erfahrungsgemäss nicht zum Abbau der Steuerbelastung, sondern zur kurzsichtigen Finanzierung von allerlei Sonderwünschen. Künftig müsste die SNB Probleme lösen, für die eigentlich die Wirtschaftspolitik zuständig sein sollte: Defizite in der Altersvorsorge, Kostenexplosionen im Gesundheitswesen oder Ineffizienzen in der Landwirtschaft sind nur einige potenzielle Gefahrenherde. Es ist illusorisch zu glauben, dass die Schaffung einer «vierten Staatsgewalt», der «Monetative», diese Begehren zu unterdrücken vermag. Vielmehr würden neue Ansprüche formuliert, die man vermeintlich einfach finanzieren könnte.
Die Nationalbank hat ihre primäre Aufgabe (Preisstabilität) in den letzten 20 Jahren sehr gut erfüllt und damit der Wirtschaft ideale Rahmenbedingungen bereitgestellt. Für die Nationalbank dürfte die Erfüllung dieser zentralen Aufgabe aufgrund des hohen Drucks zugunsten des zweiten Ziels – die Berücksichtigung der konjunkturellen Lage – zunehmend in den Hintergrund rücken. Sobald sie diesem gewaltigen Druck zum ersten Mal nachgibt, wäre die Büchse der Pandora geöffnet. Alle würden Anspruch auf das vermeintliche Gratisgeld der SNB erheben. Damit würde das Vollgeldexperiment historischen Beispielen nacheifern, die genau in diesem Punkt begonnen haben: Wenn die Geldpolitik zur Finanzierung von Staatsaufgaben eingesetzt wird, sind hohe Geldmengenausweitungen und damit hohe Inflationsraten unausweichlich. Die Erfahrung zeigt, dass die Auswirkungen einer starken Geldentwertung für die Wirtschaft, die Bevölkerung und die gesamte Volkswirtschaft verheerend sind.
Ein Spiel mit der Unabhängigkeit der SNB ist deshalb brandgefährlich. Hier nützt auch die Beteuerung der Vollgeld-Initianten wenig, dass die SNB weiterhin die Preisstabilität garantieren soll. Eine Zentralbank, die einem derartigen Druck ausgesetzt wird, kann nicht mehr weitgehend unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Akteuren handeln. Früher oder später wird sie ihrem Auftrag, eine stabile Währung bereitzustellen, nicht mehr nachkommen können.
Eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten
Das vorgeschlagene Vollgeldsystem würde die SNB also an der Erfüllung ihres Kernauftrags, eine im Gesamtinteresse des Landes stehende Geldpolitik zu führen, hindern. Weil Vollgeld ohne Gegenleistung an den Staat und die Bevölkerung ausgezahlt wird, wird eine Reduktion der Geldmenge entsprechend schwierig. Geschenke können nun mal nicht einfach zurückgefordert werden. Zwar bleibt der SNB weiterhin die Möglichkeit, kurzfristige Kreditgeschäfte zu tätigen. Jedoch könnte sich ein starker Rückgang der Geldnachfrage – beispielsweise aufgrund technischer Innovationen – als unlösbare Aufgabe herausstellen. Im Vollgeldsystem könnte die Nationalbank nicht mehr wie heute die Geldmenge reduzieren, indem sie ausländische Devisen verkauft oder den Mindestreservesatz erhöht. Stattdessen müsste der Bund mit einer Vollgeldsteuer zu Hilfe eilen, um so das ursprünglich als Geschenk verteilte Geld wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Dies dürfte langfristig schwierig umzusetzen sein. Auch hier lauert die Gefahr von hohen Inflationsraten mit entsprechend hohen Kosten für Wirtschaft und Gesellschaft.
Eine Abkehr von der dezentralen Informationsgewinnung
Nicht nur die eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der SNB, sondern auch die Tatsache, dass mit dem Vollgeld ein Monopol geschaffen wird, mindert die Qualität der hiesigen Geldpolitik drastisch. Die Wirtschaft und die Schweizer Bevölkerung sind darauf angewiesen, dass Geldangebot und Geldnachfrage möglichst übereinstimmen. Als alleinige Bereitstellerin der Geldmenge ist die SNB somit auf genaue Schätzungen der Geldnachfrage angewiesen, um ein passendes Angebot bereitstellen zu können. Im Vollgeldsystem würde einzig die SNB die Geldnachfrage abschätzen, was im Gegensatz zu heute, wo diese Verantwortung auch den Banken zufällt, aus zwei wichtigen Gründen ein Nachteil ist.
Zum einen besagt das Gesetz der grossen Zahlen, dass die Genauigkeit einer Prognose mit der Anzahl Teilnehmer tendenziell zunimmt. Insofern wird die alleinige Schätzung der SNB tendenziell zu schlechteren Prognosewerten, einer falschen Geldmenge und damit zu wirtschaftsschädigenden Auswirkungen führen. Zum anderen wirtschaften die Banken vor Ort und sind im steten Kontakt mit ihren Kunden und können so die künftige Geldnachfrage besser und zeitnaher abschätzen als die SNB, die ihre Prognose nur auf historische Daten abstützen kann. Auf die Vorteile der dezentralen Informationsgewinnung sollte daher nicht verzichtet werden.
Newsletter abonnieren
Jetzt hier zum Newsletter eintragen. Wenn Sie sich dafür anmelden, erhalten Sie ab nächster Woche alle aktuellen Informationen über die Wirtschaftspolitik sowie die Aktivitäten unseres Verbandes.