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Bundesfinanzen 2023: Tiefrote Zahlen erfordern Priorisierung

10.11.2022

Auf einen Blick

Nachdem der Bundeshaushalt glimpflich durch die Corona-Krise gekommen ist, steht er in den nächsten Jahren massiv unter Druck. Schuld daran sind weder «Corona» noch andere äussere Umstände. Die Situation ist hausgemacht. Die vom Parlament laufend beschlossenen Ausbauvorhaben überfordern die finanziellen Kapazitäten des Bundes bei Weitem. Ab 2024 wird die Schuldenbremse nicht mehr eingehalten. Eine Lösung kann nur die Rückkehr zu finanzpolitischer Disziplin und eine Priorisierung der Aufgaben bringen. Das sieht auch der Bundesrat so. In den nächsten Monaten wird er ein Bereinigungspaket vorschlagen.

Das Wichtigste in Kürze

Das Parlament beschliesst in der Wintersession das Bundesbudget für das Jahr 2023. Hält sich das Parlament an die Vorgaben des Bundesrats, ist das Budget schuldenbremskonform. Weitere Massnahmen sind nicht nötig.

Alles andere als schuldenbremskonform sind die Jahre ab 2024, mit denen sich das Parlament im Rahmen der noch unverbindlichen Finanzplanung ebenfalls auseinandersetzen muss. Gegenwärtig diskutierte und teilweise bereits beschlossene Ausbauvorhaben überfordern die finanziellen Möglichkeiten des Bundes bei Weitem. Die Ausgaben sind ab 2024 um Milliardenbeträge zu hoch. Getrieben wird das Ausgabenwachstum vom Ausbau der Armee, von milliardenschweren zusätzlichen Prämienverbilligungen, von Fördergeldern für Energie-, Klima- und Umweltmassnahmen sowie von Zusatzausgaben für Kinderkrippen und den öffentlichen Verkehr.

Die laufend länger werdende Wunschliste von neuen teuren Bundesprojekten ohne (Gegen-)Finanzierung zeigt, wie wichtig und richtig die Schuldenbremse ist. Sie fordert zu haushälterischer Disziplin auf und verlangt, dass Prioritäten gesetzt werden. Beides braucht es jetzt, damit die Bundesfinanzen zur nötigen Stabilität zurückfinden.

Position economiesuisse

  1. Das Budget 2023 muss die Schuldenbremse einhalten. Der Finanzplan ist zu bereinigen.
  2. Ohne konsequente Gegenfinanzierung muss auf neue Ausgaben verzichtet werden.
  3. Mehreinnahmen über Steuererhöhungen sind in der kurzen Frist keine Option; sie müssten zuerst vom Volk als gewollter Staatsausbau bestätigt werden.
  4. Ausgaben dürfen nur unter restriktiven Bedingungen in den ausserordentlichen Haushalt verschoben werden; eine Umgehung der Schuldenbremse ist ein Verstoss gegen die Verfassung.
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Bundesfinanzen im Überblick

Nachdem der ordentliche Bundeshaushalt glimpflich durch die Corona-Krise gekommen ist, zeichnen sich in den nächsten Jahren hohe Fehlbeträge ab. Die schwierige Situation ist hausgemacht. Die vom Parlament laufend beschlossenen Ausbauvorhaben übersteigen die Einnahmen des Bundes bei Weitem. Ab 2024 kann die Schuldenbremse gemäss der heutigen Planung nicht mehr eingehalten werden.

In den Planungsjahren ab 2024 zeichnen sich ein zunehmender Ausgabenüberhang und damit verbundene Defizite ab. Soll die Schuldenbremse eingehalten werden, ist eine Bereinigung des Finanzplans notwendig.

Entwicklung ordentlicher Bundeshaushalt 1990 bis 2026

Die Schuldenbremse stellt sicher, dass der Bundeshaushalt im Gleichgewicht bleibt. Die im Grunde einfache Fiskalregel – Ausgaben müssen durch Einnahmen finanziert sein – verhindert wie kein anderes Instrument finanzpolitische Fehlentwicklungen und stellt die Nachhaltigkeit beim staatlichen Geldausgeben sicher. Die grosse Bedeutung der Schuldenbremse zeigt sich gerade aktuell. Der Bundeshaushalt ist wie nie seit Einführung der Schuldenbremse vor 15 Jahren auf expansivem Kurs. Die geplante Expansion ist zum allergrössten Teil nicht finanziert und würde deshalb zu hohen, stetig wachsenden Schulden führen. Die Schuldenbremse, die in der Bundesverfassung verankert ist, verhindert diese unerwünschte und für die Schweiz schädliche Entwicklung. Die unerlaubten Defizite in der Finanzplanung müssen deshalb abgebaut werden.

Um eine konjunkturgerechte Finanzpolitik zu gewährleisten, sind Defizite in schlechten Jahren erlaubt (respektive sind in guten Jahren Überschüsse verlangt). «Strukturelle», also nicht konjunkturbedingte Defizite entstehen, weil mehr Ausgaben beschlossen wurden, als Einnahmen zur Verfügung stehen.

Einhaltung der Schuldenbremse bis 2026

Die Schuldenbremse sichert auch den Abbau der Neuverschuldung, die während der Corona-Pandemie angefallen ist. Die ausserordentlichen Ausgaben summieren sich auf gut 27 Milliarden Franken. Das Parlament ist hier konsequent geblieben und hat sich wie die Wirtschaft und der Bundesrat für einen vollständigen Abbau des Fehlbetrags ausgesprochen. Dieser Abbau ist nicht verantwortlich für die Lage der Bundesfinanzen. Er belastet das ordentliche Budget nicht. Der Schuldenabbau findet sozusagen im Hintergrund statt, indem «überschüssige» Gelder (Zusatzausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank SNB und Überschüsse des ordentlichen Haushalts) dafür verwendet werden. Der Fehlbetrag, den es aktuell zu bereinigen gilt (Saldo des sogenannten Amortisationskontos), beträgt rund 20 Milliarden Franken (Stand Ende 2021).

Anpassung der Rechnungslegung

Im März 2021 hat das Bundesparlament die Motion 16.4018 «Für eine Rechnungslegung, die der tatsächlichen Finanz- und Ertragslage entspricht» angenommen. Die Motion gibt dem Bundesrat den Auftrag, die Haushaltsführung periodengerechter auszugestalten. Die Umsetzung der Motion hat zu einer Änderung des Finanzhaushaltsgesetzes (FHG) geführt, die mit dem Voranschlag 2023 erstmals zur Anwendung kommt. Die Revision hat breite Auswirkungen auf das Zahlenwerk. Als wichtigste Anpassung wird die Finanzierungsrechnung abgeschafft. Sie bildete bislang die Grundlage der Schuldenbremse.

Die Schuldenbremse bleibt das zentrale Steuerungsinstrument des Bundeshaushalts, die wichtigen Referenzwerte werden jedoch neu aus der Erfolgsrechnung und der Investitionsrechnung hergeleitet. Der sogenannte Selbstfinanzierungsgrad des Bundes ist der Saldo aus den schuldenbremswirksamen Aufwänden und Erträgen (sog. laufende Ausgaben und laufende Einnahmen). Mit ihm wird überprüft, ob die Nettoinvestitionen des Bundes aus eigenen Mitteln finanziert werden können oder ob dafür Schulden aufgenommen wurden. Ist das Finanzierungsergebnis negativ und grösser als ein allfällig von der Schuldenbremse erlaubtes konjunkturelles Defizit, werden die Vorgaben der Schuldenbremse nicht eingehalten. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist nach wie vor das zentrale Kriterium, um die Lage der Bundesfinanzen einzuschätzen und zu steuern.

Ebenfalls neu ist die Berücksichtigung von Rückstellungen und Abgrenzungen. Zudem enthalten die einzelnen Einnahme- und Ausgabenkategorien statt nur den ordentlichen auch die ausserordentlichen Buchungen sowie die Investitionen. Innerhalb der einzelnen Kategorien kann entsprechend nicht mehr zwischen dem ordentlichem und dem ausserordentlichen Haushalt unterschieden werden. Um den Vorjahresvergleich vom Budget (Voranschlag) zu ermöglichen, mussten die Staatsrechnung 2021 und der Voranschlag 2022 angepasst werden. Die in diesem Dossier abgedruckten Grafiken beinhalten deshalb teilweise einen Strukturbruch zwischen den Rechnungen der Jahre 2020 und 2021.

Die Revision des FHG hat wegen der Neudefinition des Einnahmen- und Ausgabebegriffs auch Auswirkungen auf die Definition der Schulden. Der zentrale Begriff ist nun die «Nettoschuld», die sich aus dem Fremdkapital abzüglich des Finanzvermögens zusammensetzt. Die Veränderung der Neuverschuldung kann neu direkt aus dem Finanzierungssaldo hergeleitet werden (siehe Tabelle im nächsten Kapitel). Die internationalen Definitionen gehen von anderen Schuldenbegriffen aus. Die Nettoschulden gemäss Definition FHG sind für einen internationalen Vergleich deshalb nicht direkt verwendbar.

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Budget 2023 und Finanzplan 2024-2026

Der Voranschlag für das Jahr 2023 und der Finanzplan für die Jahre 2024 bis 2026 basieren auf den Konjunkturprognosen vom Juni 2022. Zurzeit besteht aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der steigenden Preise grosse Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz. Die Erholung der Wirtschaft von der Corona-Pandemie setzt sich zwar fort, allerdings in abgeschwächtem Tempo.

2023 erlaubt die Schuldenbremse ein Defizit, weil die Wirtschaft nach der Corona-Pandemie noch nicht voll ausgelastet ist. Ab 2024 wachsen die Ausgaben deutlich stärker als erlaubt. Der Grund dafür sind Parlamentsbeschlüsse des laufenden Jahres.

Überblick Voranschlag 2023 inkl. Finanzplan 2024 bis 2026

Das Budget 2023 des Bundes entspricht trotz des Defizits den Vorgaben der Schuldenbremse. Weil die Wirtschaft nach der Corona-Pandemie noch nicht voll ausgelastet ist, ist ein Fehlbetrag von knapp einer Milliarde Franken erlaubt. Dieser Fehlbetrag wird im Voranschlag noch nicht ausgeschöpft; mit 160 Millionen Franken ist der bestehende Spielraum aber klein. Würde das gesamte konjunkturell erlaubte Defizit ausgenutzt, entstünden Neuschulden von 0,9 Milliarden Franken. Damit steigen die Nettoschulden im Voranschlag 2023 auf 134,4 Milliarden Franken. Die Schulden werden gemäss Finanzplanung in den Folgejahren weiter zunehmen.

Ab 2024 wachsen die Ausgaben deutlich stärker als die Einnahmen. Der Grund dafür sind Parlamentsbeschlüsse des laufenden Jahres. Bis 2026 entstehen hohe Finanzierungsdefizite, die von der Schuldenbremse nicht mehr erlaubt sind. Der Bereinigungsbedarf beträgt 2024 bereits 1,1 Milliarden Franken und steigt 2025 auf 3 und 2026 auf 3,1 Milliarden Franken an.

Stabile Einnahmenentwicklung

Im ordentlichen Haushalt werden die Einnahmen 2023 auf 79,7 Milliarden Franken geschätzt. Insbesondere die grossen Steuern des Bundes, die Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer, setzen ihr kräftiges Wachstum fort. Diese Steuerquellen machen gut 70 Prozent der Bundeseinnahmen aus. Die Ablehnung der ursprünglich bereits budgetierten Verrechnungssteuerreform verbessert die Einnahmeentwicklung kaum, weil die Reform kurzfristig zu keinen spürbaren Mindereinnahmen geführt hätte. Umgekehrt muss nach dem knappen Volks-Nein langfristig auf Mehreinnahmen verzichtet werden.

Insbesondere die grossen Steuern des Bundes, die Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer, setzen ihr kräftiges Wachstum auch 2023 fort. Diese Einnahmenquellen machen gut 70 Prozent der Bundeseinnahmen aus.

Einnahmenentwicklung 1990 bis 2026

Laufende Einnahmen nach Kategorien

Die konsumbasierten Mehrwertsteuereinnahmen reagieren direkt auf die Teuerung, weshalb sie 2023 relativ stark zunehmen. Ein Sprung findet auch 2024 statt. Er bildet die im September 2022 vom Volk beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung zugunsten der AHV ab. Die Einnahmen dieser Steuererhöhung leitet der Bund allerdings vollumfänglich an die AHV weiter. Anders als bei der Mehrwertsteuer macht sich die Teuerung bei der Einkommenssteuer vorderhand nicht bemerkbar. Die Tarife werden an die Teuerungsentwicklung angepasst, um den Effekt der sogenannten kalten Progression zu vermeiden. Dämpfend auf die Einnahmen der Einkommenssteuer wirkt die geplante Erhöhung des Abzugs für die Krankenkassenprämien, die ab 2026 zu Steuerausfällen von 380 Millionen Franken führen wird. Diese Vorlage befindet sich in der parlamentarischen Beratung. Während die Einnahmen der Mehrwertsteuer typischerweise der wirtschaftlichen Entwicklung folgen, wird dasselbe neu auch für die Einnahmen der Einkommenssteuer und der Gewinnsteuer angenommen; dies nach teilweise markant höheren Wachstumsraten in der Vergangenheit.

Der Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftswachstum und den grossen Steuern des Bundes (MWST, DBST) ist offensichtlich. Dank der staatlichen Transferleistungen (Kurzarbeit, Notkredite, etc.) sind diese Einnahmen auch während der Pandemie auf hohem Niveau stabil geblieben. Die Volatilität ist bei der VST, den Verbrauchssteuern und den Spezialeinnahmen deutlich grösser.

Veränderung Einnahmen 2023

Die Einnahmen aus der Verrechnungssteuer sind hinsichtlich ihrer Höhe volatil und schwer vorherzusagen. In der Tendenz sinken die Einnahmen jedoch. Lagen sie vor wenigen Jahren noch bei Spitzen von über 10 Milliarden Franken, wird für 2023 mit einem Betrag von 6,7 Milliarden Franken gerechnet.

Die Einnahmen der Kategorien übrige Verbrauchssteuern und verschiedene Fiskaleinnahmen sind geprägt vom Trend zu Elektroautos (sinkende Mineralölsteuereinnahmen), von einem veränderten Verbuchungsmodus der Lenkungsabgaben (künftige Rückerstattungen werden neu budgetwirksam als Rückstellungen verbucht) und von der ab 2024 vorgesehenen Abschaffung der Industriezölle.

In die Kategorie der nichtfiskalischen Einnahmen fallen die Gewinnausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank. Diese Ausschüttungen bestehen einerseits aus dem ordentlich budgetierten Teil von 700 Millionen Franken und andererseits aus den ausserordentlichen Zusatzausschüttungen von bis zu 1,3 Milliarden Franken. Die Zusatzausschüttungen werden für den Corona-Schuldenabbau verwendet. Angesichts der aktuellen geldpolitischen Entwicklungen sind jedoch die gesamten Gewinnausschüttungen der SNB in Frage gestellt. Der Wegfall der Zusatzausschüttung betrifft den ordentlichen Haushalt nicht. Er verzögert hingegen den Abbau der Corona-Verschuldung. Sollte sich nach Abschluss der Budgetberatungen ein Ausfall der ordentlichen Ausschüttung bestätigen, würde sich ein solcher auf die Rechnung 2023 auswirken.

Ausgabenwachstum nimmt zu

Im Budget 2023 verzeichnen der Beitrag an die AHV und die IV, die Armee und die Einlage in den Bahninfrastrukturfonds (BIF) die grössten Mittelzuwächse. In den Finanzplanjahren steigen die Ausgaben für die Armee weiter, hinzu kommen Überbrückungsleistungen aufgrund der fehlenden Assoziierung an Horizon Europe sowie die Kosten der Gegenvorschläge zur Prämienentlastungsinitiative und zur Gletscherinitiative.

Nach drei Jahren Pandemie sind ab 2023 keine ausserordentlichen Ausgaben mehr für Corona-Massnahmen vorgesehen. In knapp zwei Jahren hat der Bund solche Ausgaben von gegen 30 Milliarden Franken getätigt. Neue ausserordentliche Ausgaben ergeben sich indes im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Von den insgesamt 2,1 Milliarden Franken für die Schutzsuchenden aus der Ukraine fallen 1,7 Milliarden Franken als ausserordentliche Zahlung an (Sozialhilfepauschale an Kantone). Ab 2024 sind generell keine ausserordentlichen Ausgaben mehr eingeplant.

Ausser der Landwirtschaft wachsen in den nächsten Jahren alle Ausgabenbereiche; infolge neuer Ausgabenbeschlüsse teilweise kräftig. Die Ausgabespitzen 2020/2021 ergeben sich infolge den ausserordentlich getätigten Abfederungsmassnahmen während der Corona-Pandemie.

Ausgabenentwicklung 1990 bis 2026

Laufende Ausgaben nach Aufgabengebieten

Bei der Sozialen Wohlfahrt steigen die 2023 budgetierten Ausgaben einerseits aufgrund der ausserordentlichen Ausgaben für Schutzsuchende aus der Ukraine und andererseits aus demografischen Gründen (u.a. mehr Neurentner). Der Bundesbeitrag an die AHV erhöht sich aber auch infolge Teuerungskorrektur der AHV-Renten. Zudem werden die zweckgebundenen Einlagen aus der Mehrwertsteuer an die AHV und die IV teuerungsbedingt zunehmen. 2024 führen die Mehreinnahmen aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV (AHV 21) zu einem Wachstumssprung. Der Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative, der gemäss Beschluss Nationalrat vom Juni 2022 bereits im Finanzplan berücksichtigt ist, hat ab 2025 eine starke Ausgabensteigerung von fast zwei Milliarden Franken zur Folge.

Der grösste Ausgabenposten ist die Soziale Wohlfahrt. Dieser Bereich macht zusammen mit den übrigen stark gebundenen Bereichen Finanzen und Steuern sowie Verkehr bereits 65 Prozent der gesamten Ausgaben aus. Bei diesem Ausgabenanteil sind kurzfristige Anpassungen kaum möglich.

Veränderung Ausgaben 2023

Bezüglich Armee hat das Parlament in der Sommersession eine Motion verabschiedet, welche die Ausgaben für die militärische Landesverteidigung bis 2030 auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöhen will. Dieser Beschluss betrifft bereits das Budget 2023, hat aber vor allem auf den Finanzplan Auswirkungen. Die Wachstumsraten steigen deutlich auf jährlich 8 Prozent, um bis 2030 ein über 3 Milliarden Franken höheres Ausgabenniveau zu erreichen.

Im Aufgabengebiet Finanzen und Steuern sind die neuerdings steigenden Zinskosten bemerkenswert. Nachdem die Zinszahlungen jahrelang abgenommen haben (Negativzinsen, sinkende Verschuldung), führen das anziehende Zinsniveau und die hohe Neuverschuldung des Bundes zu einer Trendumkehr. Die Zeit der Negativzinsen ist vorbei und Schulden sind nun auch beim Bund wieder mit Kosten verbunden.

Das Wachstum bei den Beziehungen zum Ausland ist einerseits auf den zweiten Beitrag der Schweiz zugunsten ausgewählter EU-Mitgliedsstaaten (Kohäsionsbeitrag), andererseits auf höhere Darlehen an die Immobilienstiftung für internationale Organisationen (FIPOI) zurückzuführen. Der Bereich Bildung und Forschung wächst moderat, wobei das Wachstum vor allem bei den Bundesbeiträgen an den ETH-Bereich und an die Institutionen der Forschungsförderung stattfindet. Finanziell ins Gewicht fallen auch Übergangsmassnahmen zur Überbrückung der fehlenden Vollassoziierung an Horizon Europe.

Die Gesamtausgaben im Verkehrsbereich schliesslich sind rückläufig, nachdem im Vorjahr hohe Ausgaben für Corona-Massnahmen im öffentlichen Verkehr und bei der Luftfahrt getätigt wurden. Beim Strassenverkehr stagniert das Wachstum, weil zweckgebundene Einnahmen aus der Mineralölsteuer einen Rückgang verzeichnen und sich auf tieferem Niveau stabilisieren. Gleichzeitig steigen 2023 teuerungsbedingt sowohl die Einlagen in den Bahninfrastrukturfonds (BIF) als auch die Finanzhilfen für den kombinierten Güterverkehr. In den Folgejahren sollen die Ausgaben für den Bahnverkehr, den Güterverkehr und den regionalen Personenverkehr gemäss Planung weiter zunehmen.

Schulden

Die Schulden des Bundes sind während der Corona-Pandemie stark gewachsen. Zur Finanzierung der Corona-Hilfen musste sich der Bund am Kapitalmarkt verschulden. Zudem hat er seinen relativ hohen Bestand an flüssigen Mitteln abgebaut. Die Nettoschulden erfassen beides; sowohl die Geldaufnahme am Kapitalmarkt wie auch den Abbau der flüssigen Mittel. Im Zuge des revidierten Finanzhaushaltgesetzes werden die Nettoschulden neu definiert und statt der Bruttoschulden als Standardkennzahl verwendet (siehe Box Anpassung der Rechnungslegung).

Der Schuldenanstieg infolge Corona-Pandemie ist ab 2020 klar erkennbar und muss in den nächsten Jahren kompensiert werden. Die Schuldenquote sinkt dank des prognostizierten Wirtschaftswachstums; dieses Wachstum ist allerdings sehr unsicher.

Nettoschulden Bund

Der Abbau der netto rund 20 Milliarden Franken betragenden Corona-Schulden beginnt 2023. Das Parlament hat beschlossen, zukünftige Haushaltsüberschüsse und allfällige Zusatzausschüttungen der SNB für den Schuldenabbau zu verwenden. Unter der Voraussetzung, dass die Mittel effektiv anfallen, können auf diese Weise jährlich maximal rund 2,3 Milliarden Franken in den Schuldenabbau geleitet werden. Der Bund hat dafür bis 2035 Zeit, notfalls kann die Frist um vier Jahre erstreckt werden.

Die ab 2024 im Finanzplan eingestellten Finanzierungsdefizite führen zu einem weiteren Schuldenanstieg. Weil dieser nicht im Rahmen der von der Schuldenbremse erlaubten Entwicklung liegt, ist eine Bereinigung der Defizite gefordert. Damit dürften sich die Schulden weniger stark als aktuell abgebildet erhöhen.

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Bereinigungskonzept für den Bundeshaushalt

Angesichts der finanzpolitisch schwierigen Situation hat der Bundesrat beschlossen, bis Februar 2023 ein Bereinigungskonzept auszuarbeiten. Dieses soll Massnahmen für einen schuldenbremskonformen Voranschlag 2024 enthalten sowie den Finanzplan für die nachfolgenden Jahre auf Kurs bringen. Aus einem Zusatzbericht vom Oktober 2022 geht die Stossrichtung hervor, und es werden mögliche Optionen skizziert.

Die grundsätzlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für die Haushaltsstabilisierung sind klar. Bundesrat und Parlament können erstens auf neue oder erweiterte Aufgaben verzichten. Das senkt die Ausgaben. Mit dem gleichen Ziel können zweitens bei den bestehenden Aufgaben Korrekturen vorgenommen werden. Drittens kann versucht werden, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Eine weitere Option, das Schuldenmachen, ist nicht möglich. Die Schuldenbremse verbietet das.

Der Bundesrat spricht sich im Zusatzbericht grundsätzlich dafür aus, bei den Ausgaben anzusetzen. Einerseits müssen neue Ausgaben konsequent gegenfinanziert werden. Dies soll durch Kürzungen in anderen Bereichen erfolgen. Weil selbst dann aufgrund der jüngst getätigten Ausgabenbeschlüsse des Parlaments in den Jahren ab 2024 Defizite entstehen, soll das Parlament andererseits auf diese Beschlüsse zurückkommen oder bei den bestehenden Ausgaben ansetzen.

Der Bundesrat verweist im Zusammenhang mit Einsparungen bei bestehenden Ausgaben darauf, dass kurzfristige Kürzungen nur bei den gesetzlich schwach gebundenen Ausgaben möglich sind. Kürzungen würden damit einseitig zulasten der Bildung und Forschung, der Armee, der Landwirtschaft oder der internationalen Zusammenarbeit gehen. Der Anteil dieser gesetzlich schwach gebundenen Ausgaben am Bundeshaushalt beträgt ein Drittel. Bei diesem Drittel müssten ab 2025 bis zu 10 Prozent der Mittel gestrichen werden (3 Mrd. Fr.). Die übrigen zwei Drittel der Ausgaben sind aufgrund von Gesetzen und anderen Verpflichtungen stark gebunden und können kurzfristig kaum beeinflusst werden. Dafür braucht es in der Regel längerfristige Reformen.

Zur Möglichkeit von Mehreinnahmen äussert sich der Bundesrat vorsichtig. Erhöhungen der Mehrwertsteuer oder der direkten Bundessteuer brauchen Verfassungsänderungen und entsprechend eine Volksabstimmung. Sie fallen deshalb als kurz- bis mittelfristige Lösungen ausser Betracht. Als denkbare Massnahmen bezeichnet der Bundesrat einzig die Erhebung der Automobilsteuer auf Elektrofahrzeugen und die um ein Jahr verzögerte Inkraftsetzung der vom Parlament 2021 beschlossenen Abschaffung der Industriezölle (2025 statt 2024). Letztere Massnahme wirkt jedoch lediglich 2024 und führt damit nicht zu strukturellen Verbesserungen im Finanzplan. Sollte der Bereinigungsplan Gesetzesänderungen umfassen, will der Bundesrat die entsprechenden Vernehmlassungsvorlagen bis zum Frühling 2023 verabschieden.

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Position economiesuisse

1) Das Budget 2023 muss die Schuldenbremse einhalten. Der Finanzplan ist zu bereinigen.

Das Parlament beschliesst in der Wintersession das Bundesbudget für das Jahr 2023. Hält sich das Parlament an die Vorgaben des Bundesrats, ist das Budget schuldenbremskonform. Weitere Massnahmen sind für das nächste Jahr nicht nötig.

Die finanziellen Mittel des Bundes genügen jedoch nicht, um ab 2024 alle vom Parlament beschlossenen Vorhaben zu finanzieren. Gleichzeitig diskutiert das Parlament weitere Projekte mit teilweise hohen Preisschildern (siehe Tabelle «Mögliche Mehrbelastungen Bundeshaushalt»). Mit dem Beschluss von neuen Ausgaben droht die finanzielle Überlastung noch grösser zu werden. Die Schuldenbremse verbietet, dass eine solche Situation eintritt. Und das ist richtig so. Es braucht deshalb jetzt Bereinigungsmassnahmen, damit der Finanzplan ab 2024 die Schuldenbremse einhält.

Zusätzlich zum ohnehin defizitären Finanzplan stehen kurz- bis mittelfristig vor allem auf der Ausgabenseite zahlreiche noch nicht finanzierte Vorhaben auf der Agenda. Angesichts der Haushaltslage ist für diese Projekte eine Gegenfinanzierung zwingend.

Mögliche Mehrbelastungen Bundeshaushalt

Der massive Schuldenaufbau der Neunziger und frühen Nuller Jahre hat gezeigt, wozu eine Ausgabenpolitik ohne Zügel führt. Die Erfahrungen unter Corona waren diesbezüglich nicht beruhigender. Im Krisenmodus hat das Parlament in kürzester Zeit Milliardensummen ausgegeben. Dieses Ausgabengebaren setzt sich offenbar fort.

Der Bundeshaushalt ist am Punkt, an dem es eine Grundsatzdiskussion braucht. Sind neue Aufgaben wirklich nötig und ist jede Aufgabenerweiterung unverzichtbar? Können Abstriche beim Bestehenden gemacht werden und wenn ja, wo? Ist man bereit, für mehr staatliche Aufgaben vors Volk zu gehen und höhere Steuern und Abgaben zu fordern?

Als Hilfestellung für die Frage, ob der Bund tatsächlich neue Aufgaben übernehmen oder bestehende Aufgaben intensivieren soll, können beispielsweise folgende Überlegungen einbezogen werden:

  • Ist die Realisierung technisch und zeitlich überhaupt möglich?
  • Wird die föderale Ordnung im Bundesstaat respektiert (insbesondere die verfassungsmässige Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen)?
  • Ist eine neue Lösung effizient (kostengünstig) und nachhaltig mit Blick auf Auswirkungen und Folgekosten?
  • Gibt es günstigere, eventuell private Lösungen?
  • Schliesslich: Kann die Finanzierung unter realistischen Annahmen sichergestellt werden und, wenn ja, wie?

2) Ohne konsequente Gegenfinanzierung muss auf neue Ausgaben verzichtet werden.

Wofür der Bund das Geld der Steuerzahlenden ausgibt, ist vor allem eine politische Frage. Für die Wirtschaft stehen wachstums- und wohlstandsfördernde Aufgaben im Vordergrund. Ausgabenbeschlüsse sollten zudem von den Kriterien Wirksamkeit, Effizienz, Nachhaltigkeit und der Einhaltung der föderalen Ordnung geleitet sein. Ganz sicher aber, und ist eigentlich selbstverständlich, muss aufgezeigt werden, wie neue Aufgaben finanziert oder gegenfinanziert werden. Das stellt auch der Bundesrat im oben erwähnten Zusatzbericht vom Oktober 2022 klar: «Allfällige neue Aufgaben müssen entweder durch Mehreinnahmen gedeckt oder durch Einsparungen in anderen Bereichen kompensiert werden». Das ist letztlich auch das, was die Schuldenbremse verlangt: Mit den bestehenden Einnahmen sind die Ausgaben zu finanzieren. Wer mehr ausgeben will, muss neue Mittel beschaffen. Ungedeckte Checks gibt es – zu Recht – keine.

Kürzungen bei bestehenden Aufgaben oder Totalverzichte sind politisch schwierig umsetzbar. Dennoch darf auch dieser Weg nicht a priori verschlossen bleiben. Was vor 30 Jahren wichtig war, muss heute nicht mehr dieselbe Bedeutung haben. Andere oder neue Themen können als Aufgaben für den Staat wichtiger geworden sein. Wenn nichts vom Alten je in Frage gestellt werden darf, bedeutet jede neue oder erweiterte Staatsaufgabe einen Staatsausbau. Ob das Volk (und auch die Wirtschaft) bereit ist, einen regelmässigen Staatsausbau mit höheren Steuergeldern mitzutragen, erscheint fraglich. Bei einer derart grossen Zahl von meist teuren Ausbauvorhaben, wie sie derzeit in der Diskussion stehen, muss es im Sinne einer Prioritätenverschiebung möglich sein, Bestehendes zu hinterfragen oder im mindesten das Mittelwachstum auf neue Aufgaben umzuleiten. Reicht das nicht, bleibt nichts anderes übrig, als auf Ausbauvorhaben zu verzichten und auch bei jüngst beschlossenen Projekten noch einmal über die Bücher zu gehen. Dasselbe sagt auch der Bundesrat in aller Klarheit unter dem Titel «Rückkommen oder Verzicht auf neu beschlossene Ausgaben» (z.B. Gegenvorschlag Prämienentlastungsinitiative).

3) Mehreinnahmen über Steuererhöhungen sind in der kurzen Frist keine Lösung; sie müssten zuerst vom Volk als gewollter Staatsausbau bestätig werden.

Auch der Bundesrat dämpft allfällige Hoffnungen. Die realistischen Optionen erscheinen sehr begrenzt. Bei der Firmensteuer (Gewinnsteuer) wird es in den nächsten Jahren darum gehen, die Einnahmen auf dem heutigen Niveau zu halten, nachdem sich mit der Mindestbesteuerung der OECD (nach Plan ab 2024) die Rahmenbedingungen des Unternehmensstandorts Schweiz in einem sensiblen Bereich verschlechtern werden. Allfällige Mehreinnahmen aus der Mindestbesteuerung werden nicht ansatzweise helfen, die Finanzprobleme des Bundes zu lösen. Sie müssen vielmehr für Standortmassnahmen verwendet werden, um die bestehenden und für den Bundeshaushalt gewichtigen Firmensteuereinnahmen zu sichern.

Bei der Einkommenssteuer stehen gegenwärtig eher Steuerentlastungen als Steuererhöhungen zur Diskussion (Erhöhung Steuerabzug Krankenkasse, Abschaffung Eigenmietwert und Heiratsstrafe bzw. Einführung Individualbesteuerung). Diese müssen hinsichtlich der finanziellen Folgen für den Bundeshaushalt sorgfältig geprüft und abgewogen werden. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für den allgemeinen Bundeshaushalt wäre ein Novum. Solche Erhöhungen waren bisher immer für einen gewissen Zweck bestimmt (z.B. für die AHV oder IV). Zudem hat das Volk für die Sicherung der AHV gerade eine weitere Anhebung der Mehrwertsteuer ab 2024 beschlossen. Nochmals eine Erhöhung dürfte es deshalb in nächster Zeit schwer haben.

Steuererhöhungen brauchen in jedem Fall eine Volksabstimmung und Volksabstimmungen sind politische Risikozonen. Sie zeigen aber klipp und klar, was mehrheitlich gewünscht und nicht gewünscht ist – ob die Bevölkerung eine neue Staatsaufgabe mitträgt, und sie effektiv auch zu bezahlen bereit ist.

4) Ausgaben dürfen nur unter restriktiven Bedingungen in den ausserordentlichen Haushalt verschoben werden; eine Umgehung der Schuldenbremse ist ein Verstoss gegen die Verfassung.

In Krisen kann der Bund mehr ausgeben, als er effektiv Mittel zur Verfügung hat – dieses Notventil der Schuldenbremse ist richtig und in der Corona-Pandemie wurde davon zum ersten Mal seit Bestehen der Schuldenbremse in grossem Umfang Gebrauch gemacht. Ein Notventil ist aber das, was es ist: eine letzte Lösung in einer besonders schwierigen Situation. Damit die Schuldenbremse über den Weg des ausserordentlichen Haushalts nicht umgangen werden kann, sind die Kriterien restriktiv.

Ohnehin besteht die Verpflichtung, dass auch Fehlbeträge im ausserordentlichen Haushalt ausgeglichen werden müssen. Das hat sich bei den Corona-Schulden und der Diskussion um ihren Abbau gezeigt. Der Abbau ist Pflicht, einzig besteht die Möglichkeit, sich dafür Zeit zu nehmen. Weil die Finanzierung damit von heute in die Zukunft verschoben wird, ist es richtig, dass die Anwendungskriterien für ausserordentliche Zahlungen restriktiv sind und auf die restriktive Handhabung auch bestanden wird. Der ausserordentliche Zahlungsbedarf darf nicht zu einer praktischen Lösung werden, um finanziellen Restriktionen im ordentlichen Haushalt aus dem Weg zu gehen. Das hat das Volk mit der Einführung der Schuldenbremse nicht gewollt.

Die Ausnahmekriterien galten im ersten und zweiten Corona-Jahr und sie gelten momentan für die Schutzsuchenden aus der Ukraine. Sie dürfen aber weder für eine Teilentschuldung der SBB noch zur Abfederung von steigenden Preisen, Energiekosten oder Krankenkassenprämien in Anspruch genommen werden. Die inflationäre Anwendung einer Regelung, die einzig für die äussersten Krisen gedacht ist, würde die finanzielle Glaubwürdigkeit und Stabilität des Bundes aufs Spiel setzen. Sie führt die Schweiz über kurz oder lang auch in eine Lage, die mit Blick über die Grenzen bestens bekannt ist: hohe und laufend zunehmende Verschuldung, sinkende Handlungsmöglichkeiten und dafür steigende volkswirtschaftlichen Risiken zum Nachteil der Bevölkerung und der Wirtschaft.

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