Bundesfinanzen 2019: Achtung Risiken

12.11.2018

Auf einen Blick

Das Budget 2019 inklusive Finanzplan 2020 bis 2022 weist eine solide Haushaltslage aus. Erhebliche Risiken bestehen dennoch. Schwankungen der Verrechnungssteuer oder ein Scheitern der AHV- und Steuervorlage würden das optimistische Bild rasch eintrüben. Priorität hat deshalb der Erhalt des finanzpolitischen Spielraums.

Das Wichtigste in Kürze

Die Bundesfinanzen geben ein solides Bild ab. Nach dem Rekordergebnis von 2017 weisen auch die Schätzungen für 2018 sowie der darauf basierende Voranschlag 2019 positive Ergebnisse aus.

Mittelfristig wird ebenfalls mit Überschüssen gerechnet. Allerdings ist diese Planung mit Vorsicht zu geniessen. Vor allem bei den Einnahmen bestehen derzeit Risiken. So sind die Erträge der Verrechnungssteuer in den letzten Jahren stark gestiegen. Ein starkes Wachstum wird auch für die nähere Zukunft geplant.

Die Gründe für das starke Wachstum der Verrechnungssteuer sind jedoch nicht restlos klar. Neben der guten Wirtschaftslage spielen zurzeit auch vorübergehend wirkende Sonderfaktoren eine Rolle (Negativzinsen, US-Steuerreform). Ein Rückgang der rekordhohen Verrechnungssteuereinnahmen würde das optimistische Bild für die Bundesfinanzen rasch eintrüben.

Gleichzeitig ist alles daranzusetzen, dass die AHV- und Steuervorlage gelingt und bis 2020 umgesetzt wird. Ohne diese Vorlage würde Steuersubstrat wegfallen, das dem Bundeshaushalt in den letzten Jahren hohe Erträge gebracht hat. Der Bund müsste mit erheblichen Korrekturen bei den Einnahmen und Ausgaben rechnen.

Für die Budgetberatung im Parlament empfiehlt economiesuisse deshalb Zurückhaltung. Um den Bundeshaushalt bestmöglich für die Zukunft zu rüsten, braucht es eine Ausgabenpolitik, die Budgeträume freihält und allfällig verfügbare Mittel gezielt für wohlstands- und wachstumsfördernde Projekte einsetzt.

Position economiesuisse

  • Das Bundesbudget 2019 soll in der vom Bundesrat beschlossenen Form umgesetzt werden.
  • 2019 sollen keine neuen Ausgaben beschlossen werden, da der finanzielle Spielraum für die Zukunft erhalten werden muss.
  • Die vom Parlament im letzten Jahr beschlossenen Entlastungsmassnahmen müssen unverändert umgesetzt werden.
  • Die Umsetzung der AHV- und Steuervorlage ist für die gesunde finanzielle Entwicklung des Bundes unverzichtbar.
  • Darüber hinausgehende Projekte sollen strikt nach ihrem Beitrag für Wachstum und Wohlstand priorisiert werden.
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Bundesfinanzen im Überblick

Der Bundesrat hat im August 2018 die Botschaft zum Voranschlag 2019 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2020 bis 2022 zuhanden des Parlaments verabschiedet. Das Budget wird wie jedes Jahr in der Wintersession von beiden Räten behandelt und beschlossen.

Der Voranschlag weist ein positives Finanzierungsergebnis von 1,3 Milliarden Franken aus. Der ordentliche Überschuss geht zu einem grossen Teil auf deutlich höhere Einnahmen bei der Verrechnungssteuer zurück. Bereits das Jahr 2017 konnte durch rekordhohe Verrechnungssteuereinnahmen mit einem überraschend hohen ordentlichen Überschuss von 2,8 Milliarden Franken abgeschlossen werden. Die Hochrechnungen für das Jahr 2018 weisen ebenfalls höhere Einnahmen aus der Verrechnungssteuer auf als erwartet. Aufgrund der angewandten Schätzmethode, die sich auf Vergangenheitswerte abstützt, prognostiziert der Bund auch für das Jahr 2019 ein hohes Wachstum der Verrechnungssteuereinnahmen. Daraus ergibt sich aktuell eine recht komfortable Haushaltslage. Der Blick in die Zukunft ist jedoch gerade mit Bezug auf die Verrechnungssteuer unsicher und mit Risiken behaftet.

Tabelle 1

2019 beträgt der budgetierte strukturelle Überschuss 1 Milliarde Franken. Die gute Ausgangslage ist jedoch mit Unsicherheiten verbunden.

Eckwerte Voranschlag 2019 inkl. Finanzplan 2020-2022

Das Wirtschaftswachstum ist positiv für den Bundeshaushalt. Insbesondere im laufenden Jahr (2018) hat die Wirtschaft kräftig zugelegt, und auch 2019 soll die Wirtschaftsleistung der Schweiz gemäss Voraussagen über dem langfristigen Trend liegen. Steigende Unternehmensgewinne und höhere Haushaltseinkommen sowie die erwartete Zunahme beim Konsum wirken sich positiv auf die Steuereinnahmen aus.

Aufgrund der guten Auslastung der Wirtschaft verlangt die Schuldenbremse für das Haushaltsjahr 2019 einen Überschuss von 300 Millionen Franken. Einnahmen in dieser Höhe stehen dem Bund für Ausgaben nicht zur Verfügung. Der effektive Spielraum im Budget beträgt bei einem ordentlichen Überschuss von 1,3 Milliarden Franken also gut 1 Milliarde Franken (sogenannter struktureller Überschuss).

Grafik 1

Seit 2005 schreibt der Bund positive Ergebnisse. Die Schuldenbremse hat massgeblich dazu beigetragen.

Bundeshaushalt 1990 bis 2022

Für die Finanzplanjahre 2020 bis 2022 sind die Aussichten etwas weniger günstig. Das gilt vor allem für das Jahr 2020, in dem sich das vom Parlament im September beschlossene Bundesgesetz zur Steuerreform und AHV-Finanzierung STAF (nachfolgend AHV- und Steuervorlage) erstmals im Bundeshaushalt niederschlägt. Eine zusätzliche Einlage, die der Bund im Rahmen dieses Gesetzes in die AHV leistet, kostet den Bund 831 Millionen Franken. 2020 resultiert deshalb nach heutiger Planung ein Defizit von 400 Millionen Franken. Ab 2021 sind die Aussichten wieder positiv. Die Überschüsse erreichen bis 2022 die Marke von 1 Milliarde Franken.

Grafik 2

Der Bundeshaushalt darf nicht überlastet werden. Das Defizit im Finanzplan 2020 von 400 Millionen Franken muss deshalb noch bereinigt werden. Die Überschüsse 2021 und 2022 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Haushaltslage mittelfristig eng bleibt.

Struktureller Saldo bis 2022
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Gute konjunkturelle Lage und Verrechnungssteuer prägen Einnahmen

Aktuelle Hochrechnungen für 2018 zeigen ein starkes Einnahmenwachstum, das sich 2019 fortsetzt. Die Gesamteinnahmen werden 2019 auf 73,6 Milliarden Franken geschätzt und nehmen im Vergleich zum Budget 2018 um 3,1 Prozent oder 2,2 Milliarden Franken zu. Das für die Einnahmenentwicklung als Richtwert geltende nominale Wirtschaftswachstum liegt bei 2,7 Prozent (reales Trendwachstum von 1,7 Prozent plus 1,0 Prozent Teuerung).

  • Neben der Verrechnungssteuer ist die direkte Bundessteuer der stärkste Treiber des Einnahmenwachstums. Dank der guten konjunkturellen Lage nehmen die Erträge der Gewinn- und der Einkommenssteuer um 6,8 Prozent respektive 4,8 Prozent zu.
     
  • Wird die AHV- und Steuervorlage angenommen, dürfte sich das positive Wachstum bei den Gewinnsteuern auch in den Finanzplanjahren weiterziehen, da die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz gesichert bleibt. Der Bund kann ausserdem aufgrund der geplanten Gewinnsteuersenkungen in den Kantonen mit Mehreinnahmen rechnen (Steuerzahlungen an Kantone und Gemeinden können Firmen beim Bund in Abzug bringen). Mit 4,0 Prozent fällt das durchschnittliche Wachstum der Gewinnsteuer (2018 bis 2022) deutlich höher aus als das durchschnittliche BIP-Wachstum im gleichen Zeitabschnitt (2,7 Prozent p.a.).
     
  • Bei der Einkommenssteuer ist in den Jahren 2018 und 2019 eine starke Zunahme zu beobachten. Grund dafür ist ebenfalls die gute wirtschaftliche Entwicklung. Auch über die Finanzplanjahre ist das Wachstum robust (3,1 Prozent). Gedämpft wird es durch die geplante Abschaffung der Heiratsstrafe 2021 und der damit verbundenen Entlastung der Privathaushalte im Umfang von 1 Milliarde Franken.

Grafik 3

Die Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer sind die zwei wichtigsten Pfeiler bei den Einnahmen. Die Einnahmen aus der Verrechnungssteuer sind stetig gestiegen und machen heute 10 Prozent der Bundeseinnahmen aus.

Einnahmen 2019
  • Der konjunkturelle Aufschwung ist auch bei den Einnahmen der Mehrwertsteuer, die 2019 stärker als das BIP zunehmen, spürbar. Bis 2022 wachsen die MWST-Einnahmen durchschnittlich um 2,8 Prozent, was in etwa dem nominellen Wirtschaftswachstum entspricht.
     
  • Bei der Verrechnungssteuer wird 2019 aufgrund des starken Wachstums der Vergangenheit ein weiterer deutlicher Einnahmenanstieg von über 14 Prozent erwartet. Ob sich dieser Trend effektiv so fortsetzt – der Bundesrat rechnet bis 2022 mit weiteren hohen Einnahmenzuwächsen – ist aber fraglich. Mehr dazu in Kapitel 4.1.

Grafik 4

Die Einnahmenentwicklung ist geprägt durch die Wachstumsbeiträge der Verrechnungssteuer und der direkten Bundessteuer. Aufgrund von Sonderfaktoren können einzelne Einnahmeposten stärker oder schwächer als der Durchschnitt der Einnahmen wachsen (z.B. Übrige Verbrauchssteuern, Nichtfiskalische Einnahmen).

Entwicklung Einnahmen VA18/VA19

Im Voranschlagsjahr stechen weiter zwei Entwicklungen ins Auge: die relativ hohe Zunahme der sogenannt «Übrigen Verbrauchssteuern» (3,3 %) und eine starke Abnahme bei den «Nichtfiskalischen Einnahmen» (-16,1 %). Die Massnahme ist für den Bund finanziell neutral (reiner Durchlaufposten). Sie trägt aber dazu bei, dass die Einnahmen insgesamt stärker wachsen als das BIP, was für den Bund untypisch ist. Der Rückgang bei den «nichtfiskalischen Einnahmen» ist auf Einmaleffekte im laufenden Jahr 2018 zurückzuführen (Integration Spirituosensteuer in Alkoholverwaltung, Kapitalumwandlung SIFEM und Rückerstattung Infrastrukturfonds), die 2019 nicht mehr anfallen. Die haushaltsneutralen Sonderfaktoren Netzzuschlag und SIFEM sind auch aufseiten der Aufgaben erfasst (Kapitel 3).

Grafik 5

In der langfristigen Betrachtung zeigt sich die Bedeutung der Gewinnsteuer (Firmenbesteuerung) für den Bund. Die Einnahmen sind seit zwei Jahrzehnten immer gewachsen. Die beiden vergangenen Unternehmenssteuerreformen I + II des Bundes haben sich klar ausbezahlt.

Einnahmenwachstum 1990 bis 2022

Reformen der direkten Bundessteuer …

… für juristische Personen: Das geltende Unternehmenssteuersystem der Schweiz und namentlich die gesonderte Besteuerung der Statusgesellschaften in den Kantonen sind nicht mehr mit internationalen Standards vereinbar. Will die Schweiz steuerliche Gegenmassnahmen im Ausland und einen damit einhergehenden gravierenden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts für international tätige Firmen vermeiden, muss sie diese Sonderregeln abschaffen. Die Steuervorlage 17 (SV17) bietet als Nachfolgeprojekt der am 12. Februar 2017 vom Stimmvolk abgelehnten Unternehmenssteuerreform III einen ausgewogenen Mix aus steuerlichen Ersatzregeln und finanzieller Unterstützung für die Kantone. Der Bund ergreift keine eigenen steuerlichen Massnahmen; der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit findet in den Kantonen statt. Da der Bund massgeblich von der steuerlichen Attraktivität der Kantone profitiert, beteiligt er sich an deren Anstrengungen mit einer Ausgleichszahlung von jährlich rund 1 Milliarde Franken. Der Anteil der Kantone an der direkten Bundessteuer wird zu diesem Zweck angehoben (von 17,5 auf 21,2 Prozent). In der Summe schlägt sich die SV17 im Bundeshaushalt mit einem Betrag von rund 600 Millionen Franken nieder. Im Laufe der parlamentarischen Beratung wurde die Steuervorlage mit einer Zusatzfinanzierung für die AHV verknüpft. Der Bund leistet gemäss dem im Parlament getroffenen Kompromiss einen zusätzlichen Beitrag von jährlich rund 800 Millionen Franken an die AHV (Betrag steigend). Darüber hinaus werden als Beitrag zur finanziellen Stabilisierung der AHV die Lohnbeiträge um 0,3 Prozentpunkte erhöht. Das Geschäft heisst deshalb neu Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung STAF (AHV- und Steuervorlage).

… für natürliche Personen: Im Frühling 2018 hat der Bundesrat die Botschaft zur Beseitigung der Heiratsstrafe (Ehepaarbesteuerung) verabschiedet. Weil gewisse verheiratete Ehepaare mehr als zehn Prozent höhere Steuern als vergleichbare Konkubinatspaare zahlen müssen, liegt gemäss Bundesgericht eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor. Der Bundesrat möchte mit der Abschaffung dieser Heiratsstrafe eine jahrelange Kontroverse beenden und die Mehrbelastung der betroffenen Ehepaare aufheben. Das neue Besteuerungsmodell würde zu Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer von 1,15 Milliarden Franken führen. Weil sich die Ausgangslage nach der Publikation der Botschaft aufgrund eines Rechnungsfehlers über das Ausmass der steuerlichen Heiratsstrafe verändert hat, ist die Beratung der Vorlage sistiert, bis neue Informationen über das Ausmass der Heiratsstrafe vorliegen.

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Ausgabenschwerpunkte liegen bei der Sicherheit sowie Bildung und Forschung

Im Vergleich zu den Einnahmen wachsen die Ausgaben 2019 weniger stark. Ausgehend vom Budget 2018 liegt das Wachstum bei 1,8 Prozent (+1,3 Milliarden Franken). Wird der Sonderfaktor SIFEM ausgeklammert, liegt das Wachstum bei 2,3 Prozent. In beiden Fällen liegt der Ausgabenzuwachs tiefer als das nominale Wirtschaftswachstum (2,7 Prozent). Der Schwerpunkt der Mehrausgaben liegt bei den Bereichen Sicherheit sowie Bildung und Forschung.

Grafik 6

Mit 1,8 Prozent wachsen die Ausgaben deutlich langsamer als die Einnahmen (3,1 Prozent) und das BIP (2,7 Prozent). Die Folge ist ein struktureller Überschuss. Die Ausgabenentwicklung ist ebenfalls geprägt von Sonderfaktoren. Die Bereiche Sicherheit sowie Bildung und Forschung haben 2019 Priorität.

Entwicklung Ausgaben VA18/VA19
  • Die relativ hohe Zunahme der Ausgaben von 7,1 Prozent im Bereich Sicherheit liegt einerseits an den stark wachsenden Ausgaben für die militärische Landesverteidigung im Rahmen der Weiterentwicklung der Armee. Andererseits wurde der Aufgabenbereich durch den Zusammenschluss von zwei bestehenden Bereichen vergrössert. Der Sicherheit (heute vor allem Landesverteidigung) werden neu die Aufgaben Polizei, Strafvollzug und Nachrichtendienst sowie Grenzkontrollen zugeordnet. Die Mittel im Aufgabengebiet Ordnung und öffentliche Sicherheit, zu dem die Aufgaben bisher gehörten, werden entsprechend gekürzt.
     
  • Mit einem Mittelzuwachs von 2,4 Prozent liegt ein Ausgabenschwerpunkt erneut bei der Bildung und Forschung. Zusätzliche Mittel erhalten vor allem die Grundlagenforschung und die angewandte Forschung – insbesondere der Schweizerische Nationalfonds, die ETH und Horizon 2020.
     
  • Auch der Bereich Finanzen und Steuern wächst 2019 relativ stark. Grund sind die starken Einnahmenzuwächse bei der direkten Bundessteuer und der Verrechnungssteuer. Weil die Kantone an diesen Einnahmen prozentual beteiligt sind, erhalten sie mehr Geld und die Transferzahlungen des Bundes an die Kantone steigen. Demgegenüber werden die Ausgaben für die Schuldenbewirtschaftung dank dem fortgesetzten Schuldenabbau und den tiefen Zinsen weiter zurückgehen.
     
  • Infolge Anpassung der AHV-Minimalrente an die Preis- und Lohnentwicklung steigen die Zahlungen des Bundes an die AHV um rund 75 Millionen Franken. Ein noch stärkeres Wachstum der Bundesausgaben für die AHV erfolgt in den Finanzplanjahren (siehe unten). Die Ausgaben für die Soziale Wohlfahrt machen bereits heute relativ und absolut mit Abstand die höchsten Ausgaben des Bundes aus. Sie sind praktisch vollumfänglich gesetzlich gebunden und können im Budgetprozess nicht angepasst werden. Dafür ist eine Gesetzesrevision nötig.
     
  • Die haushaltsneutralen Sonderfaktoren prägen auch auf der Ausgabenseite das Bild. SIFEM hat 2018 im Bereich «Beziehungen zum Ausland» zu hohen einmaligen Ausgaben von 394 Millionen Franken geführt. Deshalb nehmen die Ausgaben dieser Kategorie 2019 entsprechend stark ab (-7,5 %). Ohne diesen Einmaleffekt beläuft sich das Wachstum auf 2,2 Prozent. Der einmalige Effekt durch die höhere Einlage in den Netzzuschlagsfonds widerspiegelt sich bei den "Übrigen Aufgabengebieten", deren Zuwachs deshalb im Vergleich zu 2018 relativ stark erscheint (4,8 %). Unter Ausschluss dieses Sonderfaktors weisen die übrigen Aufgaben eine moderate Zunahme von 1,9 Prozent aus.

Grafik 7

Die Soziale Wohlfahrt ist und bleibt mit Abstand der grösste Aufgabenposten. Nimmt man die Bereiche Verkehr, Finanzen und Steuern sowie Bildung und Forschung dazu, sind bereits 70 Prozent der Gesamtausgaben verplant.

Ausgaben 2019

In den Finanzplanjahren 2020 bis 2022 gehört der Bereich Bildung und Forschung weiterhin zu den Ausgabenprioritäten (+3,4 %). Der Verkehrsbereich wird nach einer Stabilisierung im Voranschlagsjahr ab 2020 ebenfalls wieder stärker zulegen (+3,2 %). Erhöht werden vor allem die Einlagen in den Bahninfrastrukturfonds.

Die grösste Ausgabendynamik in den Finanzplanjahren geht jedoch auf die AHV- und Steuervorlage zurück. Die Vorlage betrifft die Aufgabengebiete Finanzen und Steuern und Soziale Wohlfahrt. Im Bereich Finanzen und Steuern steigen die Transferzahlungen an die Kantone aufgrund der Anhebung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer im Umfang von 1 Milliarde Franken. Daneben steigen die Ausgaben des Bundes für die Soziale Wohlfahrt. Dies, weil einerseits der Bundesbeitrag an die AHV von 19,55 auf 20,2 Prozent der AHV-Ausgaben erhöht wird (303 Millionen Franken). Andererseits tritt der Bund seinen Anteil von 17 Prozent am MWST-Demografieprozent an die AHV ab (528 Millionen Franken). Mit den Einnahmen über das Demografieprozent finanziert der Bund heute einen Teil seines Beitrags an die AHV (ca. 6 %). Weil das Demografieprozent neu ungekürzt in die AHV überwiesen wird, muss der Bund seine Mittel aus dem Demografieprozent durch freie Mittel ersetzen. Auch zur Finanzierung des höheren Bundesbeitrags an die AHV braucht es Mittel aus dem Bundeshaushalt. Losgelöst von der AHV- und Steuervorlage nehmen die Ausgaben des Bundes für die AHV aufgrund der demografischen Entwicklung stetig zu. Bereits 2019 resultiert allein demografiebedingt ein Ausgabenanstieg von rund 1,5 Prozent.

Zwei weitere grössere anstehende Reformen sollten für den Bund haushaltsneutral sein. Die geplante Anpassung am Finanzausgleich ab 2020 (siehe Box 2) belastet den Bund kaum. Sie entlastet ihn jedoch auch nicht, wie das aufgrund der Anlage der Reform grundsätzlich möglich wäre.

Die Vorlage zur Stabilisierung der AHV (AHV21), deren Vernehmlassung soeben beendet wurde, sieht zwar ebenfalls eine Zusatzfinanzierung für die AHV vor. Weil aber die Zusatzfinanzierung über die Mehrwertsteuer erfolgt, ist sie für den Bund grundsätzlich neutral. Als Durchlaufposten wird sie die Fiskal- und Staatsquote erhöhen, den Bund aber weder belasten noch entlasten. Die Botschaft zu dieser Reform wird im Frühling 2019 erwartet.

Grafik 8

Bis 2022 bilden die Bereiche Soziale Wohlfahrt, Finanzen und Steuern, Verkehr sowie Bildung und Forschung Schwerpunkte bei den Ausgaben.

Ausgabenwachstum 1990-2022

Keine Entlastung des Bundes durch Optimierung des Finanzausgleichs

Der Finanzausgleich ist ein zentraler Pfeiler des Schweizer Föderalismus. Das finanzielle Ausgleichssystem, das 2008 erneuert wurde, soll Unterschiede in der Leistungsfähigkeit und Steuerbelastung zwischen den Kantonen verringern. Kantone, die über weniger Ressourcen als der Durchschnitt verfügen, werden vom Bund und von den ressourcenstarken Kantonen unterstützt. Im Rahmen des Wirksamkeitsberichts wird der Finanzausgleich alle vier Jahre evaluiert.

Für die nächste Periode schlägt der Bundesrat Systemanpassungen vor, die einem von den Kantonen ausgearbeiteten Kompromiss entsprechen und Bund sowie Geberkantone entlasten sollen. Im Gegenzug wird den Nehmerkantonen neu per Gesetz eine fixe Mindestressourcenausstattung auf einem höheren als dem heutigen Mindestniveau gewährleistet. Weil die Ausgleichssumme künftig nicht mehr durch das Parlament, sondern von einem im Gesetz festgelegten Faktor bestimmt wird, hat das die Entpolitisierung des Ressourcenausgleichs zur Folge.

Damit wird eine Automatisierung eingeführt, die zwar zur Versachlichung dieses politisch immer wieder heiklen Themas beitragen kann, die gleichzeitig aber auch den Handlungsspielraum einschränkt. Sollten die Zahlungen der Geberkantone aufgrund des neuen Automatismus stark ansteigen, könnte sich die erwartete Entpolitisierung als Trugschluss erweisen. Änderungen werden noch schwieriger sein, weil Ansprüche durch das neue System gesetzlich zementiert wurden.

Darüber hinaus erscheint der Zeitpunkt der Anpassung nicht optimal: Die AHV- und Steuervorlage, die ebenfalls ab 2020 in Kraft treten soll, hat nicht restlos voraussehbare Auswirkungen auf den NFA (wenngleich sie das Ziel verfolgt, Veränderungen möglichst zu begrenzen). economiesuisse hat deshalb unter anderem vorgeschlagen, die geplante Anpassung des Ressourcenausgleichs zeitlich zu befristen und nach zwei Evaluationsperioden (acht Jahre) neu zu beurteilen.

Bislang noch offen war die Frage, was mit der finanziellen Entlastung geschieht, die für den Bund ebenso wie für die Geberkantone aus der Neuordnung des Ressourcenausgleichs resultiert. Gemäss Kantonen soll die Entlastung – rund 280 Millionen Franken – an sie weitergegeben werden. War der Bundesrat in der Vernehmlassung in dieser Frage noch unbestimmt, folgt er in der Botschaft nun trotz Vorbehalten den Kantonen. Die frei werdenden Mittel sollen hälftig für eine Aufstockung des soziodemografischen Lastenausgleichs verwendet werden. Die andere Hälfte stellt eine Übergangshilfe für Nehmerkantone dar. Total geht es um fast 1,3 Milliarden Franken. Nach Ablauf einer Übergangsphase soll geprüft werden, ob die provisorische Abfederung der ressourcenschwachen Kantone mit 140 Millionen Franken pro Jahr fortgesetzt werden soll. Die Aufstockung des soziodemografischen Lastenausgleichs für die Zentren und Agglomerationen gilt hingegen als definitiv.

Aus Sicht von economiesuisse ist nicht nachvollziehbar, warum der Bund durch die Optimierung des Finanzausgleichs nicht auch entlastet werden soll – statt zu sinken, steigen die Ausgaben des Bundes für den Ressourcenausgleich sogar noch an.

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Weitere Aussichten des Bundeshaushalts

Auch wenn die Lage der Bundesfinanzen vordergründig komfortabel erscheint, bestehen in den nächsten Jahren sowohl einnahmen- wie auch ausgabenseitig Risiken für die Haushaltsentwicklung des Bundes. Neben möglichen Mehrbelastungen durch neue Reformen und andere Projekte bestehen grössere Unsicherheiten, die die Einnahmenentwicklung betreffen. Insbesondere ein Scheitern der AHV- und Steuervorlage oder ein starker Einbruch bei der Verrechnungssteuer würden das optimistische Bild für die Bundesfinanzen deutlich eintrüben.

Im Bereich der Steuern und Abgaben gibt es mehrere Projekte, die für die Wirtschaft und darüber hinaus für die Schweizer Volkswirtschaft wichtig sind. Diskutiert werden die Abschaffung der Stempelabgaben sowie die Aufhebung der Industriezölle. Das wichtigste Projekt, der geplante Umbau der Verrechnungssteuer zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als Konzernstandort und Finanzplatz, sollte weitgehend haushaltsneutral sein. Im Bereich Forschung steht ein für den Schweizer Forschungsplatz bedeutendes Projekt an: das EU-Forschungsrahmenprogramm 2021 bis 2027 als Nachfolgeprogramm von «Horizon 2020». Weil das Gesamtbudget aufgestockt wird, müsste die Schweiz ab 2021 mit Mehrausgaben von gut 300 Millionen Franken rechnen. Ob und wie sich die Schweiz beteiligen wird, ist derzeit noch offen. Dies gilt auch für die Beteiligung an Erasmus+, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie Kultur (EU-MEDIA).

Klar ist, dass der Spielraum im Finanzplan aus heutiger Sicht nicht für die gleichzeitige Realisierung aller Projekte in der Pipeline ausreichen wird. Eine zurückhaltende Ausgabenpolitik sowie eine zeitliche und finanzielle Priorisierung der Projekte würden jedoch die Umsetzung der geplanten Vorhaben begünstigen.

Strukturelle Reformen

Dank der stabilen Haushaltslage sind für 2019 seit längerer Zeit erstmals keine kurzfristigen Massnahmen nötig, um die Schuldenbremse einzuhalten.

Der Bundesrat möchte dennoch mit Blick auf die Zukunft die Aufgabenerfüllung optimieren und den Bundeshaushalt entlasten. Den Anstoss dafür gab zum einen die vom Parlament überwiesene Motion «Gebundene Ausgaben überprüfen» (17.3259). Andererseits fordert die Legislaturplanung 2015 bis 2019 sowie das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz eine regelmässige Aufgabenüberprüfung inklusive Verzichtsplanung.

Konkret plant der Bundesrat 36 Einzelmassnahmen, die Spielraum für neue Aufgaben und eine Begrenzung der Steuerlast bringen sollen. Ein explizites Sparziel besteht allerdings nicht. Die Massnahmen werden derzeit vertieft geprüft und sollen als individuelle Vorlagen in loser Abfolge ins Parlament gelangen. Über die Umsetzung soll jeweils die Staatsrechnung orientieren. Von der Grössenordnung her sind die Massnahmen sehr unterschiedlich. So geht es beispielsweise um Optimierungen im Bereich Rentenauszahlungen (sie sind Bestandteil der neuen Reform AHV21), um die Überprüfung der IZA-, Kultur- und BFI-Botschaften 2021 bis 2024 auf Optimierungspotenzial, um Anpassungen der Organisationsstrukturen von einzelnen Departementen und Bundesämtern, eine tiefere Indexierung der BIF-Einlagen oder die Entflechtung von Bundeshaushalt und AHV.

AHV- und Steuervorlage unverzichtbar

Ein Hauptthema bei der Diskussion um die AHV- und Steuervorlage sind die finanziellen Folgen für den Staat. Diese stellen sich heute so klar dar, wie das bei diesem Thema überhaupt nur möglich ist.

Den Bund kostet rein der Steuerteil der AHV- und Steuervorlage kurzfristig 600 Millionen Franken (ab 2020). Der Betrag setzt sich zusammen aus Geldern, die der Bund an die Kantone zahlt (rund 1 Milliarde Franken), abzüglich Mehreinnahmen (etwa 400 Millionen Franken).

Die kurzfristigen Kosten für den notwendigen Totalumbau des Unternehmenssteuersystems sind mit rund 600 Millionen Franken auf Bundesebene gut verkraftbar; sie entsprechen nicht einmal einem Prozent der Bundeseinnahmen. Allein die Mehreinnahmen, die bei der Firmenbesteuerung für die nächsten Jahre geplant sind, kompensieren diese Kosten. Für die Kantone und Gemeinden wird mit unmittelbaren Kosten von 1,4 Milliarden Franken gerechnet. Auch dieser Betrag liegt unter einem Einnahmenprozent. Diese Kostenschätzungen sind zudem statisch. Sie berücksichtigen weder das Schadenspotenzial (welche Kosten in Form von Mindereinnahmen dem Staat entstehen, wenn Firmen und Funktionen in grösserem Umfang verlagert werden), noch sehen sie vor, dass Firmen aufgrund der positiven Wirkung der AHV- und Steuervorlage neu investieren und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Statische Kostenschätzungen sind jedoch kein realistisches Abbild der Wirtschaft.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat deshalb die dynamischen Effekte auf die staatlichen Haushalte geschätzt. In diesen Schätzungen sind die Auswirkungen der steuerlichen Anpassungen praktisch immer positiv (berücksichtigt wurde eine breite Spannbreite von möglichen Ergebnissen). Für den Bund werden mittelfristig Mehreinnahmen von gut 170 Millionen Franken geschätzt, für alle Staatsebenen inklusive Sozialversicherungen Mehreinnahmen von insgesamt 1,4 Milliarden Franken.

Ins Auge stechen insbesondere die positiven Auswirkungen auf die Sozialversicherungen: Diese können mit Mehreinnahmen von gegen 1 Milliarde Franken rechnen. Im Bereich der Finanzpolitik besteht damit ein klarer Zusammenhang zwischen den Anpassungen im Steuersystem und den staatlichen Sozialversicherungen, namentlich der AHV.

Die AHV- und Steuervorlage lohnt sich aber auch für die Kantone und Gemeinden. Die Schätzungen ergeben einen positiven finanziellen Effekt von 290 Millionen Franken (Studie ESTV «Dynamische Schätzung der Einnahmeneffekte der SV17» vom 19.3.2018). Wie das starke Wachstum der Gewinnsteuereinnahmen in den vergangenen Jahren gezeigt hat, haben die dynamischen Effekte eines attraktiven Steuersystems bereits in der Vergangenheit gespielt. Investitionen in die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit haben sich für die öffentlichen Haushalte der Schweiz klar ausbezahlt.

Tabelle 2

Die statischen Kosten der AHV- und Steuervorlage liegen unter 1 Prozent der Bundes- bzw. Kantons- und Gemeindeeinnahmen. Die positiven dynamischen Effekte berücksichtigen sie jedoch nicht.

Statische finanzielle Auswirkungen der AHV- und Steuervorlage (nur Steuerteil)

Tabelle 3

Die dynamische Modellierung der Auswirkungen ergeben Mehreinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden sowie Sozialversicherungen. Letztere profitieren am stärksten.

Dynamische finanzielle Auswirkungen der AHV- und Steuervorlage (nur Steuerteil)

Im Quervergleich mit anderen Grossprojekten des Bundes ist der Steuerteil der AHV- und Steuervorlage sowohl statisch wie auch dynamisch als günstig zu beurteilen, insbesondere wenn man sich die Tragweite des Unternehmens vor Augen hält. Die AHV- und Steuervorlage ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Finanzlage des Bundes so solide bleibt, wie sie heute ist. Bei einem Scheitern der AHV- und Steuervorlage müsste mittel- bis längerfristig mit der Erosion eines wichtigen Einnahmensubstrats des Bundes gerechnet werden (nämlich den Gewinnen international tätiger Firmen). Das heutige Niveau der Gewinnsteuereinnahmen wäre akut infrage gestellt. Handlungsmöglichkeiten des Bundes würden beschnitten, neue Projekte erschwert, wenn nicht verunmöglicht. Um das Leistungsniveau aufrechtzuerhalten, würde Druck für zusätzliche Einnahmen an anderer Stelle entstehen. Höhere Mehrwertsteuern oder neue Zweckfinanzierungen würden die Privathaushalte stark belasten. Nicht zuletzt aus Sicht der Bundesfinanzen und der steuerzahlenden Privathaushalte besteht deshalb ein eminentes Interesse am raschen Gelingen der AHV- und Steuervorlage.

Weiterentwicklung der Verrechnungssteuer unsicher

Die sehr hohen Einnahmen der Verrechnungssteuer 2017 und 2018 leisten einen wesentlichen Beitrag an die solide Lage des Bundeshaushalts und die positiven Prognosen. Die Entwicklung ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Die Einnahmen der Verrechnungssteuer sind erfahrungsgemäss volatil und deshalb mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Dies hat einerseits mit der Ausgestaltung der Verrechnungssteuer als Sicherungssteuer zu tun. Andererseits mit der aktuellen wirtschaftspolitischen Ausgangslage.

Der Zweck einer Sicherungssteuer ist es nicht, Fiskaleinnahmen zu erzielen, sondern Steuerehrlichkeit zu gewährleisten. Die Verrechnungssteuer soll sicherstellen, dass namentlich Erträge aus beweglichem Kapitalvermögen (Zinsen und Dividenden) in den Steuererklärungen deklariert werden. Die Sicherstellung geschieht durch einen Abzug an der Quelle, also dort, wo der Ertrag anfällt und an die Anspruchsberechtigten ausbezahlt wird (z. B. bei der Bank im Fall von Zins auf Bankguthaben). Werden die steuerpflichtigen Erträge (und die damit zusammenhängenden Vermögen) in der Steuererklärung deklariert, kann die Verrechnungssteuer zurückgefordert werden. Dies gilt jedoch nur für in der Schweiz domizilierte juristische oder natürliche Personen. Bei Steuerpflichtigen im Ausland werden die Verrechnungssteuern je nach Vereinbarung ganz, teilweise oder gar nicht zurückerstattet. Nur in letzteren Fällen entsteht ein endgültiger Fiskalertrag.

Grafik 9

Die Verrechnungssteuer ist eine Sicherungssteuer. Werden die steuerpflichtigen Erträge und die damit zusammenhängenden Vermögen in der Steuererklärung deklariert, kann die Verrechnungssteuer zurückgefordert werden.

Mechanismus Verrechnungssteuer

Obwohl die Verrechnungssteuer einen beschränkten Fiskalcharakter aufweist (nur im Fall von Gewinnausschüttung ins Ausland ohne vollständiges Rückforderungsrecht), trägt sie mittlerweile rund zehn Prozent zum Bundesbudget bei. In den vergangenen Jahren hat die Verrechnungssteuer positiv überrascht und dem Bund unerwartete, zum Teil hohe Überschüsse beschert. Das Gegenteil ist aber auch möglich: Erträge stark unterhalb der (mittlerweile hohen) Erwartungen. Das höhere Gewicht der Verrechnungssteuer hat den Bundeshaushalt anfälliger auf die Schwankungen einer im Ertrag schwer zu planenden Steuer gemacht und seine Abhängigkeit von externen Einflüssen insgesamt erhöht.

Seit 2001 zeigt der Trend der Verrechnungssteuer nach oben. 2017 wurden die bisher höchsten Verrechnungssteuereinnahmen verbucht. Die Gründe für die starke Zunahme der Verrechnungssteuereinnahmen sind im Detail schwer zu eruieren. Wesentlich dazu beigetragen haben die häufig gute Wirtschaftslage und damit verbundene hohe Gewinnausschüttungen der Unternehmen (Dividenden). Dass über diesen Zeitraum die Einnahmen aus der Gewinnsteuer stark gewachsen sind, passt zu diesem Bild (siehe Grafik 10).

Grafik 10

Die Einnahmen der Verrechnungssteuer entwickeln sich ähnlich wie die Einnahmen aus der Gewinnsteuer (gleiches Steuersubstrat), sind jedoch volatiler.

Entwicklung Verrechnungssteuer und direkte Bundessteuer juristische Personen

Neben der positiven Wirtschaftsentwicklung gelten die Negativzinsen und aktuell die US-Steuerreform als weitere wichtige Treiber der Verrechnungssteuereinnahmen.

Aufgrund der 2015 eingeführten Tiefzinspolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) haben Firmen frühzeitig verrechnungssteuerpflichtige Zahlungen geleistet und Rückerstattungen erst zu einem späten Zeitpunkt beantragt. Dies weil der Bund bis Ende 2017 Steuerguthaben mit einem positiven Betrag verzinst hat. Seit 2018 beträgt der Zins zwar null, ist aber nicht negativ.

Vor diesem Hintergrund wurde beobachtet, dass seit der Einführung von Negativzinsen die Eingänge von Verrechnungssteuerzahlungen beim Bund die Rückerstattungen übertreffen. Das Verhältnis lag 2017 bei unter 70 Prozent; das heisst von eingegangenen Zahlungen wurden weniger als 70 Prozent zurückgefordert (Rechnung 2017). Eine verzögerte Rückerstattung ist bis zu drei Jahren möglich. Denkbar ist deshalb, dass die Rückerstattungen aufgrund der ablaufenden Fristen wieder zunehmen und ein Teil der ab 2015 parkierten Mittel abfliessen wird. Sollte die SNB die Tiefzinspolitik aufheben, ist ebenfalls mit einem Anstieg der Rückerstattungen zu rechnen.

Bisher mussten amerikanische Unternehmen ihre im Ausland erzielten Gewinne erst dann versteuern, wenn diese in die USA repatriiert wurden. Auch aufgrund des sehr hohen US-Steuersatzes von 35 Prozent wurden bedeutende Mittel im Ausland parkiert, um die Besteuerung hinauszuzögern. Die US-Steuerreform hat diesen Fehlanreiz beseitigt. Künftig werden auch die im Ausland erzielten Gewinne mit dem neuen Steuersatz von 21 Prozent besteuert. Für vergangene Gewinne gilt einmalig ein tieferer Sondersatz. US-Firmen können damit im Ausland parkierte Mittel zu attraktiven Konditionen in die USA bringen. Wie die SNB mitteilt, sind insbesondere Finanz- und Holdinggesellschaften daran, konzerninterne Kredite und Beteiligungskapital wieder verstärkt in die USA zu transferieren. Die SNB beobachtet milliardenhohe Abflüsse (SNB 2018).

Erwartet wird, dass sich dieser Trend verstärkt und in den nächsten Jahren noch weitere und höhere Summen aus der Schweiz abgezogen werden. Für den Bund werden daraus hohe Verrechnungssteuereinnahmen erfolgen, weil Gewinnübermittlungen von US-Tochterfirmen an ihre Muttergesellschaften gemäss dem geltenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den USA mit einem Sockelsteuersatz von fünf Prozent ohne Rückerstattungsrecht besteuert werden. Von der Schweiz ins Ausland bezahlte Dividenden sind die grösste einzelne Ertragsquelle der Verrechnungssteuer. Es ist anzunehmen, dass ein Teil der auch im Jahr 2018 gemäss Schätzungen sehr hohen Verrechnungssteuereinnahmen auf Sockelsteuererträge von US-Zahlungen zurückgeht. Für den Schweizer Fiskus sind diese Zahlungen nicht nachhaltig. Sie ergeben sich aus der einmaligen Umstellung der US-Steuerpolitik und verringern das Steuersubstrat in der Schweiz.

Prognosen zu den Verrechnungssteuereinnahmen sind generell und im Moment aus den dargestellten Gründen ganz besonders schwierig. Klar ist, dass der vom Bund geschätzte Anstieg bis 2022 um durchschnittlich gut 500 Millionen Franken pro Jahr mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Noch grösser wären die Unsicherheiten bei einem Scheitern der AHV- und Steuervorlage. Nicht nur würden aufgrund von Unternehmensverlagerungen die Gewinnsteuereinnahmen sinken. Auch Dividendenzahlungen von der Schweiz ins Ausland würden abnehmen und in der Folge die Einnahmen, die der Bund aus der Belastung solcher Zahlungen mit der Verrechnungssteuer generiert.

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Kommentar und Position economiesuisse

Die vom Bundesrat präsentierten Zahlen lassen positive Stimmung aufkommen: 2019 wird es im Gegensatz zu den letzten Jahren eine lockere Budgetrunde geben. Entlastungsmassnahmen zur Einhaltung der Vorgaben der Schuldenbremse sind nicht nötig. Im Gegenteil, es besteht sogar ein struktureller Überschuss von 1 Milliarde Franken. Ideen, wie dieser Spielraum verwendet werden könnte, wird es zuhauf geben. Dabei sollten jedoch folgende Risiken bzw. Unsicherheiten berücksichtigt werden:

Einerseits sind viele neue Projekte in der Pipeline, die in der Gesamtheit den absehbaren Spielraum der Bundesfinanzen übersteigen. Darunter Vorhaben, die für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz wichtig sind. Um den Wohlstand unseres Landes langfristig zu sichern, sind Projekte wie der Umbau der Verrechnungssteuer, der Abbau von Stempelabgaben oder die Fortführung der Schweizer Beteiligung am nächsten EU-Forschungsrahmenprogramm voranzutreiben.

Weiter sind die Prognosen zu den Verrechnungssteuern mit grossen Unsicherheiten behaftet. Die positiven Aussichten im Budget und Finanzplan stützen darauf ab, dass sich der Einnahmenzuwachs wie in den letzten Jahren fortsetzt. Eine längerfristige Betrachtung zeigt jedoch, dass die Verrechnungssteuern äusserst volatil sind und sich jederzeit unerwartete Schwankungen von bis zu 1 Milliarde Franken ergeben können. 1 Milliarde – genau so gross ist der Spielraum, um den es 2019 geht.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für stabile Bundesfinanzen ist jedoch das Gelingen der AHV- und Steuervorlage. Im Voranschlag und Finanzplan stehen vor allem die Kosten der Reform im Vordergrund. Ohne diese Vorlage hätten jedoch der Bundeshaushalt und damit auch die Steuerzahlenden ein massives Problem. Eine für den Bundeshaushalt elementare Einnahmengrundlage drohte wegzubrechen, ohne dass ein Ersatz absehbar wäre.

Schliesslich muss im Laufe des nächsten Jahres und spätestens für den Voranschlag 2020 das aktuell noch im Finanzplan enthaltene strukturelle Defizit von 400 Millionen Franken ausgeglichen werden.

Basierend auf dieser Gesamtbeurteilung empfiehlt economiesuisse, in der Budgetberatung wie folgt zu verfahren:

  • Das Bundesbudget 2019 soll in der vom Bundesrat beschlossenen Form umgesetzt werden. Es sollen keine neuen Ausgaben beschlossen und die vom Parlament im letzten Jahr beschlossenen Entlastungsmassnahmen müssen unverändert umgesetzt werden. Der bestehende finanzielle Spielraum soll für die Zukunft erhalten bleiben. Einerseits zur Bereinigung des strukturellen Defizits von 2020 und zur Umsetzung der anstehenden Projekte. Andererseits um den Bundeshaushalt im Falle von Schwankungen bei den Einnahmen der Verrechnungssteuer nicht zusätzlich mit Mehrausgaben zu belasten.
     
  • Die Umsetzung der AHV- und Steuervorlage ist für die gesunde finanzielle Entwicklung des Bundes elementar. Auch aus finanzpolitischer Perspektive ist deshalb alles daranzusetzen, dass die AHV- und Steuervorlage gelingt und bis 2020 umgesetzt wird. Ohne diese Vorlage würden sich die Perspektiven des Bundeshaushalts massiv verschlechtern.
     
  • Projekte in der Pipeline sollen strikt nach ihrem Beitrag zur nachhaltigen Steigerung von Wachstum und Wohlstand priorisiert werden. Eine «strategische» Finanzpolitik, die Budgetfreiräume gezielt für produktivitätssteigernde Aufgaben nutzt, ist konsequent voranzutreiben. Im Vordergrund stehen Aufgaben wie Bildung und Forschung sowie der Erhalt der steuerlich attraktiven Rahmenbedingungen.

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